Bundesgerichtshof:
Urteil vom 26. September 2005
Aktenzeichen: II ZR 380/03

(BGH: Urteil v. 26.09.2005, Az.: II ZR 380/03)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. November 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 2 erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin unterzeichnete am 23. September 1996 einen formularmäßigen "Vorvertrag" zum Erwerb von Aktien der T. AG gegen Zahlung einer "Einlage" von 23.000,00 DM, zahlbar auf das Konto der T. AG bei deren Hausbank, der Beklagten zu 2. In dem Vertragsformular heißt es: "Der Unterzeichner beteiligt sich als Aktionär, indem er verbindlich Aktien aus der nächsten Kapitalerhöhung der T. ... AG i.G. ... erwirbt." Nach Einzahlung der 23.000,00 DM erhielt die Klägerin von der T. AG ein "Zertifikat über den Kauf von 230 Stück Inhaberstammaktien zum Preis von 23.000,00 DM". Ob die Klägerin in der Folge Aktionärin der T. AG wurde, ist unter den Parteien streitig.

Die T. AG, deren Vorstand der vormalige Beklagte zu 3 angehörte, war eine von mehreren Tochtergesellschaften der W. und wurde von dieser am 3. November 1995 gegründet. Am selben Tag wurde die T. AG unter Beifügung eines Kontoauszugs der Beklagten zu 2 (Bank) über das am Tag zuvor einbezahlte Grundkapital zum Handelsregister angemeldet. Mit Schreiben an den vormaligen Beklagten zu 3 vom 7. November 1995 bestätigte die Beklagte zu 2 durch ihr damaliges Vorstandsmitglied K., dass auf dem Konto der T. AG i.G. (Nr. 8) "am 3. November 1995 DM 100.000,00 zur freien Verfügung des Vorstandes standen". Aufgrund von zwei Überweisungsaufträgen, die am 9. November 1995 bei der Beklagten zu 2 eingingen, wurden von diesem Konto 99.150,00 DM an die W. zurücküberwiesen. Am 6. März 1996 wurde die T. AG im Handelsregister eingetragen. Am 28. Mai 1996 beschloss ihre Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung um 12,45 Mio. DM, die am gleichen Tag zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurde. Der Kapitalerhöhungsbeschluss wurde durch die Hauptversammlung am 28. Februar und am 15. Mai 1997 bestätigt. Am 15. Oktober 1997 zeichnete die W. sämtliche 249.000 neuen Aktien. Am 15. Dezember 1997 meldete der Vorstand der T. AG die Durchführung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister an. Beigefügt war ein Schreiben der Beklagten zu 2 vom gleichen Tag, in dem es heißt:

"Sehr geehrter Herr ... (vormaliger Beklagter zu 3), wunschgemäß bestätigen wir Ihnen, daß auf dem vorgenannten Konto (Nr. 8) der Firma T. AG seit Kontoeröffnung bis 15. Dezember 1997 Geldeingänge über DM 15.562.500 zu verzeichnen waren und diese Mittel dem Vorstand endgültig zur freien Verfügung standen."

In der Handelsregisteranmeldung des Vorstands der T. AG heißt es, dass der o.g. Betrag "endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes steht". Tatsächlich befanden sich auf dem Bankkonto der T. AG nur noch ca. 50.000,00 DM. Im Mai 2000 wurde die T. AG insolvent. Die Gelder der Klägerin und zahlreicher Anleger, von denen die T. AG mittels betrügerischer Angaben in ihren Emissionsprospekten mehr als 40 Mio. DM eingeworben hatte, sind verloren. Das ehemalige Vorstandsmitglied K. der Beklagten zu 2 wurde durch -nicht rechtskräftiges -Urteil des Amtsgerichts München vom 3. Juni 2003 wegen Beihilfe zu falschen Angaben gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG zu einer Geldstrafe verurteilt.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin u.a. die Beklagte zu 2 auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe ihrer Einlage von 23.000,00 DM in Anspruch genommen. Sie meint, das ehemalige Vorstandsmitglied K. der Beklagten zu 2 habe durch die ihrer Ansicht nach unrichtigen Bankbestätigungen vom 7. November 1995 und vom 15. Dezember 1997 Beihilfe zum Gründungsund Kapitalerhöhungsschwindel des Vorstands der T. AG (§§ 399 Abs. 1 Nr. 1, 4 AktG, 27 StGB) geleistet, weshalb die Beklagte für den daraus entstandenen Schaden aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB hafte.

Das Landgericht hat die Klage gegenüber sämtlichen Beklagten abgewiesen. In zweiter Instanz hat die Klägerin zunächst ihre Ansprüche gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 weiterverfolgt, mit dem Beklagten zu 3 aber dann einen Prozessvergleich über die Zahlung von 1/10 der Klagesumme geschlossen. Der noch verbliebenen Klage gegenüber der Beklagten zu 2 hat das Berufungsgericht entsprochen und die Revision zugelassen. Dagegen richtet sich das Rechtsmittel der Beklagten zu 2.

Gründe

Die Revision der Beklagten zu 2 (im Folgenden: die Beklagte) führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.

I. Das Berufungsgericht meint, die Beklagte schulde der Klägerin Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. §§ 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG, 27 StGB, weil ihr ehemaliges Vorstandsmitglied K. mit dem von ihm unterzeichneten Bestätigungsschreiben vom 15. Dezember 1997 einen Kapitalerhöhungsschwindel der T. AG zumindest bedingt vorsätzlich gefördert habe. Die -im übrigen auf Wunsch der T. AG zuvor mehrfach geänderte -Bestätigung sei jedenfalls in ihrem zweiten Teil falsch gewesen, weil zum Zeitpunkt ihrer Abgabe nicht der angegebene Betrag von 15.562.500,00 DM, sondern nur noch ein Rest von 50.222,43 DM endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes gestanden habe. Hätte K. die Bestätigung nicht ausgestellt, die -wie er gewusst habe -als Nachweis i.S. von § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG habe Verwendung finden sollen, wäre die Kapitalerhöhung nicht in das Handelsregister eingetragen worden und somit nichtig gewesen, was zu einer Rückabwicklung der mit den Anlegern abgeschlossenen Verträge hätte führen müssen. Somit hätte die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt den geleisteten Betrag von 23.000,00 DM gemäß § 812 BGB von der T. AG zurückverlangen können. Soweit die Beklagte einwende, die T. AG sei auch schon damals zur Rückzahlung außerstande gewesen, sei die Beklagte für diese "Reserveursache" beweispflichtig, habe aber keinen Beweis angetreten. Der Einbeziehung der Klägerin in den Schutzbereich des § 399 Abs. 1 AktG stehe nicht entgegen, dass sie ihre Einlage aufgrund des "Vorvertrages" vom 23. September 1996 schon längere Zeit vor Abgabe der falschen Bestätigung und der anschließenden Eintragung im Handelsregister geleistet habe. Denn das Vertrauen des Anlegers in eine ordnungsgemäße zukünftige Kapitalerhöhung sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG ebenso zu schützen wie das Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit einer bereits durchgeführten und im Handelsregister eingetragenen Kapitalerhöhung, zumal die Einwerbung von Anlegern der Durchführung und Eintragung einer Kapitalerhöhung regelmäßig vorangehe.

II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1.

Das Berufungsgericht geht allerdings noch zutreffend davon aus, dass § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB ist, das die Aufbringung des Grundkapitals gewährleisten und -weitergehend -den Rechtsund Wirtschaftsverkehr davor bewahren soll, dass Aktien in Umlauf gesetzt werden, die nur Scheinwerte darstellen. Ziel der Vorschrift ist es auch, die Täuschung von Personen zu verhüten, die zu der Gesellschaft rechtliche und wirtschaftliche Beziehungen unterhalten oder infolge der Durchführung der Kapitalerhöhung in solche eintreten (Senat, BGHZ 105, 121, 124). Geschützt werden insbesondere Personen, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der zum Handelsregister gemachten Angaben aus einer Kapitalerhöhung hervorgegangene neue Aktien erwerben (Senat aaO S. 125 f.).

2.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts waren aber weder die Angaben in der Registeranmeldung noch -erst recht -die auch in ihrem zweiten Teil in Vergangenheitsform gefasste Bankbestätigung der Beklagten schon deshalb objektiv falsch oder unvollständig i.S. von § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG, weil die dort genannten Kapitaleinzahlungen auf dem dafür vorgesehenen Bankkonto bei der Beklagten großenteils nicht mehr vorhanden waren.

a) Schon nach der früheren Rechtsprechung des Senats (BGHZ 113, 335, 348; 119, 177) brauchten die für eine beschlossene Kapitalerhöhung eingezahlten Beträge, um der Gesellschaft bereits deren Verwendung für Investitionen u.ä. zu ermöglichen, nicht bis zur Handelsregisteranmeldung (§§ 188 Abs. 2, 36 Abs. 2 AktG) thesauriert zu werden; sie mussten in diesem Zeitpunkt nur noch wertmäßig zur freien Verfügung des Vorstandes stehen (BGHZ 119, 177, 187 f.). Nach der jetzigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 150, 197 ff.) genügt es für eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung in diesem Zusammenhang sogar, dass der Einlagebetrag für die Zwecke der Gesellschaft zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsleitung eingezahlt wird, solange er in der Folge nicht an den Einleger zurückfließt. Diese Beurteilung ist im Rahmen des blankettartigen Straftatbestandes des § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG auch für die Frage heranzuziehen, ob die zum Handelsregister gemachten Angaben über die "Einbringung des neuen Kapitals" falsch oder unvollständig sind. Danach betrifft die Angabe darüber, dass der Leistungsgegenstand sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsleitung befinde, allein die Erfüllungswirkung der fraglichen Leistung in Bezug auf die Einlageschuld, sagt jedoch nichts darüber aus, dass die Einlage bei der Registeranmeldung noch unverändert, d.h. gegenständlich oder wertmäßig im Gesellschaftsvermögen oder gar unangetastet auf dem Einlagenkonto vorhanden sei (so schon BGH, Beschl. v. 30. November 1995 -1 StR 358/95, NStZ 1996, 238 mit Hinweis auf BGHZ 113, 335, 348; Otto in GroßkommAktG 4. Aufl. § 399 Rdn. 72). Die ältere Kommentarliteratur zu diesem Thema (z.B. Geilen in Kölner Komm.z.AktG 1. Aufl. § 399 Rdn. 64) ist nicht erst seit der Rechtsprechungsänderung in BGHZ 150, 197 -erst recht aber mit dieser -überholt.

b) Einen Kapitalrückfluss an Einlageschuldner hat das Berufungsgericht ebensowenig festgestellt wie das sonstige Fehlen einer Erfüllungswirkung der Einlagenzahlungen. Dass die neuen Aktien -entgegen dem ursprünglichen Vorhaben der Verantwortlichen der T. AG nicht von den einzelnen Anlegern, sondern -nach dem Vortrag der Klägerin aus Vereinfachungsgründen -von der W. mit der Maßgabe ihrer Zuteilung an die Anleger gezeichnet wurden und die Einzahlungen nicht von ihr stammten, steht einer Erfüllungswirkung nicht entgegen. Die Einlageschuld des Zeichners kann auch durch eine Drittleistung erfüllt werden (vgl. Bayer, GmbHR 2004, 445, 454 m.w.Nachw.). Die gegenüber den Anlegern verwendeten Vorvertragsformulare lassen offen, ob die eingezahlten Beträge zum Erwerb eines unmittelbaren oder eines nur mittelbaren Bezugsrechts auf Aktien durch Einschaltung einer "Abwicklungsstelle" als Zeichnerin (vgl. BGHZ 105, 121, 132 sowie zu § 186 Abs. 5 AktG BGHZ 118, 83, 95 ff.; 122, 180, 185 f.) und somit zur Erfüllung der Einlagenschuld dieser Zeichnerin, welche die neuen Aktien treuhänderisch zu übernehmen und an die Anleger weiterzuleiten hatte, eingesetzt werden sollten. Soweit die Einzahlungen -wie hier -zeitlich nach dem Kapitalerhöhungsbeschluss (§ 182 AktG) mit der Zweckbestimmung als "Einlagen" geleistet worden sind, liegt darin (anders als im Fall BGHZ 51, 157) auch keine unwirksame Vorausleistung auf eine künftige Einlageschuld (vgl. BGHZ 150, 197, 201; Sen.Urt. v.

15. März 2004 -II ZR 210/01, ZIP 2004, 849). Der potentielle -auch dem Aktienzeichner zustehende -Rückforderungsanspruch aus § 812 BGB im Fall eines Scheiterns der Kapitalerhöhung (vgl. Lutter in Kölner Komm.z.AktG 2.

Aufl. § 189 Rdn. 15) steht einer Leistung zur freien Verfügung des Vorstandes ebenfalls nicht entgegen und führt nicht zu einer Thesaurierungspflicht der Gesellschaft bis zur Durchführung der Kapitalerhöhung. Schließlich hindern auch etwaige Willensmängel auf Seiten der Einzahler wegen irreführender Prospektangaben die Erfüllungswirkung im Sinne des Kapitalaufbringungsrechts nicht.

3.

Selbst wenn die Bankbestätigung der Beklagten unrichtig wäre und ihr -wofür es allerdings an tragfähigen Feststellungen fehlt -eine Beihilfe zu einer Haupttat gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG im Zusammenhang mit der Registeranmeldung vom 15. Dezember 1997 zur Last fiele, könnte die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzanspruch hierauf nicht stützen.

a) Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Schutzgesetzverletzung setzt zumindest deren Kausalität für den geltend gemachten Schaden voraus. Die angeblich gegen § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG verstoßenden Angaben in der Registeranmeldung vom 15. Dezember 1997 können aber -entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts -denkgesetzlich nicht dafür ursächlich geworden sein, dass die Klägerin geraume Zeit vorher, nämlich am 23. September 1996, den "Vorvertrag" unterzeichnet und ihr -inzwischen verlorenes -Kapital zum Erwerb von Aktien "aus der nächsten Kapitalerhöhung der T. AG i.G." eingezahlt hat. Soweit sie dabei auf eine ordnungsgemäße künftige Durchführung der Kapitalerhöhung vertraut haben mag, ist dies nur ein allgemeines Vertrauen in das rechtmäßige Verhalten Dritter. Dies ändert nichts daran, dass nur eine konkret schadensursächliche Schutzgesetzverletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB auslösen kann. Auch § 399 Abs. 1 AktG schützt nicht das Vertrauen auf die Ordnungsmäßigkeit künftiger Maßnahmen; geschützt ist vielmehr nur ein Vertrauen, das sich auf bereits zum Handelsregister gemachte Angaben gründet (vgl. Otto in GroßkommAktG 4. Aufl. § 399 Rdn. 5; Brandes, WM 1992, 477). Dementsprechend setzt ein Schadensersatzanspruch wegen falscher Angaben i.S. von § 399 AktG voraus, dass der Geschädigte im Vertrauen auf deren Richtigkeit z.B. Aktien erworben oder sonstige Vermögensdispositionen getroffen und dadurch einen Schaden erlitten hat (vgl. Senat, BGHZ 96, 231, 243; 105, 121, 126). In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen in BGHZ 105, 121 ff., wo der Vertrag über den (derivativen) Erwerb von Aktien erst nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister und im Vertrauen auf die Richtigkeit der dazu von der Gesellschaft gemachten Angaben abgeschlossen worden war. Die unterschiedliche Beurteilung der beiden Fallkonstellationen beruht auf allgemeinen Kausalitätsgrundsätzen und berührt -entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts -Art. 3 GG nicht.

b) Ebenso wenig kann die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzanspruch darauf stützen, dass die Durchführung der Kapitalerhöhung ohne die angeblich falsche Bankbestätigung der Beklagten gescheitert wäre und die Klägerin dann ihre Einlage von der T. AG gemäß § 812 Abs. 1 BGB hätte zurückerhalten müssen.

aa) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen schon nicht dessen Annahme einer entsprechenden Schadenskausalität. Voraussetzung dafür wäre der Nachweis, dass die Klägerin ihre Einlage ohne die angeblich falsche Handelsregisteranmeldung (§ 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG) tatsächlich von der T. AG zurückerhalten hätte (vgl. auch BGH, Urt. v. 18. März 2004 -IX ZR 255/00, NJW 2004, 1521 f. zu III 2). Das Berufungsgericht verkennt, dass der Einwand der Beklagten, die T. AG sei schon zur Zeit der Registeranmeldung im Dezember 1997 zu einer Rückzahlung der Einlagen außerstande gewesen, nicht eine -von der Beklagten nachzuweisende -"Reserveursache" betrifft, sondern ein Bestreiten der Kausalität darstellt. Nur wenn diese erwiesen ist, obliegt dem Schädiger ggf. der Nachweis, dass der Schaden über kurz oder lang durch eine andere Ursache eingetreten wäre (vgl. BGH, Urt. v. 17. Oktober 2002 -IX ZR 3/01, NJW 2003, 295 f.).

Die Registereintragung der (durchgeführten) Kapitalerhöhung hatte auf die Vermögenslage der T. AG und damit auf die Werthaltigkeit von ihr gegenüber bestehenden Ansprüchen der Klägerin keinen Einfluss. Die Anlegergelder waren schon vorher von dem Bankkonto abgezogen. Ob und wie lange die T. AG vor ihrer Insolvenz noch über ausreichendes Vermögen zur Erfüllung von Rückabwicklungsansprüchen zahlreicher Anleger, welche im Falle eines Scheiterns der Kapitalerhöhung auf sie zugekommen wären, verfügte, und ob es der Klägerin gelungen wäre, ihren Rückabwicklungsanspruch frühzeitig und mit Erfolg gegenüber der T. AG geltend zu machen, ist völlig offen.

bb) Davon abgesehen wird die genannte Schadenskonstruktion vom Schutzzweck des § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG ohnehin nicht erfasst. Sie basiert nicht auf einem irgendwie gearteten Vertrauen der Klägerin auf die Richtigkeit von zum Handelsregister gemachten Angaben (vgl. Senat, BGHZ 105, 121, 125 f.), sondern auf rein hypothetischen Kausalitätserwägungen für den Fall, dass die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister unterblieben wäre, ohne dass umgekehrt die Klägerin im Vertrauen auf eine tatsächliche Registereintragung die Geltendmachung eines Rückabwicklungsanspruchs unterlassen hat. Zwar bedarf es für einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der zum Handelsregister gemachten Angaben nicht der Einsichtnahme in das Register, sondern genügt eine mittelbare Kenntnis desjenigen, dem bekannt ist, dass der betreffende Vorgang, z.B. die Durchführung einer Kapitalerhöhung, in das Handelsregister eingetragen worden ist (BGHZ 105, 121, 126 f.). Einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB hat aber auch er nur, wenn er durch ein (bewusstes) Verhalten im Vertrauen auf die Richtigkeit der relevanten Angaben einen Schaden erlitten hat (vgl. Otto aaO § 399 Rdn. 5 m.w.Nachw.). Die allgemeine Vorstellung, es sei "alles in Ordnung", genügt dafür nicht, weil es in diesem Fall an einem Zusammenhang mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 399 AktG fehlt.

III. Die Sache ist gleichwohl nicht zugunsten der Beklagten entscheidungsreif, weil die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch auch darauf stützt, dass das Vorstandsmitglied K. der Beklagten durch eine bewusst falsche Bestätigung über die Einzahlung des Gründungskapitals (100.000,00 DM) vom 7. November 1995 Beihilfe zu einem Gründungsschwindel (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG) der T. AG geleistet habe. Das Berufungsgericht hat dazu -von seinem Standpunkt aus konsequent -keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist daher an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:

1. Ein Zurechnungszusammenhang zwischen einer etwaigen Beihilfe der Beklagten zum Gründungsschwindel (§§ 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG, 27 StGB) und dem geltend gemachten Schaden scheidet hier (anders als oben II 3 a) nicht von vornherein aus, weil die Gründung der T. AG bereits im Handelsregister eingetragen war, als die Klägerin den "Vorvertrag" unterzeichnete und ihre "Einlage" an die T. AG leistete. Offen ist aber, ob der Klägerin dabei die Tatsache der Registereintragung bekannt war und sie daher im Vertrauen auf die Richtigkeit der dazu gemachten Angaben gehandelt hat (vgl. BGHZ 105, 121, 126 f.). Daran bestehen jedenfalls Zweifel, weil sowohl in dem Vertragsformular als auch in dem vorgelegten Emissionsprospekt vom November 1995

(S. 6, 38) die "T. AG i.G.", mithin eine noch nicht im Handelsregister eingetragene Vorgesellschaft (vgl. dazu BGHZ 117, 323, 326) genannt ist. Nach den Prospektangaben soll zwar die in der Eröffnungsbilanz als "ausstehend" bezeichnete Einlage von 100.000,00 DM am 2. November 1995 einbezahlt und die Eintragung der Gesellschaft zum Handelsregister am 3. November 1995 beantragt worden sein. Beides begründet aber noch keinen hinreichend sicheren, der Valenz einer Registereintragung gleichkommenden Vertrauenstatbestand dafür, dass tatsächlich die für eine Registereintragung erforderlichen Angaben i.S. von §§ 37 Abs. 1, 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG in der vorgeschriebenen Weise gemacht worden sind. Dies schließt allerdings nicht aus, dass der Klägerin die bereits erfolgte Registereintragung der T. AG anderweitig bekannt war. Dies sowie die Frage, ob die ordnungsgemäße Aufbringung des Gründungskapitals für den Entschluss der Klägerin zur Beteiligung an dem erhöhten Kapital überhaupt eine Rolle spielte, wird ggf. tatrichterlich zu klären sein.

2.

Der objektive Tatbestand einer Haupttat i.S. von § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG dürfte vorliegen, weil in der Registeranmeldung der T. AG verschwiegen wurde, dass das von der W. einbezahlte Gründungskapital wenige Tage später an sie zurückfließen sollte, es sich also um bloßes "Vorzeigegeld" und nicht um eine endgültige Erfüllung der Einlageschuld handelte. Insofern dürfte die Erklärung des Vorstandes der T. AG gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1, 2 AktG selbst nach den -unmittelbar nur für die Kapitalerhöhung geltenden -Grundsätzen in BGHZ 150, 197 ff. (dazu oben II 2 a) unrichtig i.S. von § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG gewesen sein.

Für den subjektiven Tatbestand des § 399 AktG ist Vorsatz (des Haupttäters) erforderlich, der auch die (laienhafte) Kenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit (Verschweigen) der gemachten Angaben umfassen muss (vgl. Scholz/Tiedemann, GmbHG 9. Aufl. § 82 Rdn. 174) und z.B. bei einem Rechtsirrtum über die Voraussetzungen endgültiger freier Verfügbarkeit des eingezahlten Kapitals (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AktG) fehlen kann (§ 16 Abs. 1 StGB; vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 1977 -5 StR 626/76, GA 1977, 340; Otto aaO § 399 Rdn. 98). Feststellungen dazu fehlen bisher.

3.

Eine der Beklagten entsprechend § 31 BGB zuzurechnende Beihilfe zu einer -unterstellten -Haupttat gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG käme in Betracht, wenn ihr Vorstandsmitglied K. bei Erteilung seiner Einzahlungsbestätigung deren Zweck zur Vorlage bei dem Registergericht (§ 37 Abs. 1 Satz 3 AktG) kannte und wenn er wusste, dass das Gründungskapital absprachegemäß wieder an die W. zurücküberwiesen wurde oder werden sollte (vgl. auch BGHZ 113, 335 zu § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG). In diesem Fall läge objektiv auch ein Verschweigen eines "erheblichen Umstandes" i.S. von § 399 Abs. 1 AktG vor, wobei sich allerdings der Vorsatz auch des Gehilfen auf die "Erheblichkeit" dieses Umstandes als wesentlichen Merkmals der Haupttat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 27 Rdn. 8) erstrecken muss (vgl. Otto aaO § 399 Rdn. 96 m.w.Nachw.).

Gegen eine bei Erteilung der Bankbestätigung vorhandene Kenntnis K.s von den Rücküberweisungen bzw. von entsprechenden Absichten der Gesellschaftsgründer spricht, dass die Rücküberweisungsaufträge erst zwei Tage später (am 9. November 1995) bei der Beklagten eingingen. Abgesehen davon, dass eine Kenntnisnahme K.s hiervon nicht festgestellt ist, ist eine Bank zu nachträglicher Berichtigung einer Erklärung gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG gegenüber dem Registergericht nicht verpflichtet (vgl. Pentz in MünchKomm/AktG 2. Aufl. § 37 Rdn. 37; Röhricht in Großkomm. AktG 4. Aufl. § 37 Rdn. 29), auch nicht aus vorangegangenem Tun (Ingerenz), weil dies eine Pflichtwidrigkeit voraussetzt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 13 Rdn. 11 a m.w.Nachw.) und eine nach dem Kenntnisstand der Bank bei ihrer Erteilung richtige Bestätigung keine Pflichtwidrigkeit darstellt.

Allerdings behauptet die Klägerin, die Bankbestätigung vom 7. November 1995 sei erst später rückdatiert erstellt worden. Auch wenn sich dies erweisen sollte, wäre aber noch zusätzlich aufzuklären, ob das Vorstandsmitglied der Beklagten das Bewusstsein hatte, mit der auf den 3. November 1995 bezogenen und insofern richtigen Bestätigung zu einer unrichtigen Registeranmeldung beizutragen.

Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die noch erforderlichen Feststellungen zu treffen.

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BGH:
Urteil v. 26.09.2005
Az: II ZR 380/03


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