Bundespatentgericht:
Urteil vom 25. Juni 2009
Aktenzeichen: 5 Ni 82/09

(BPatG: Urteil v. 25.06.2009, Az.: 5 Ni 82/09)

Tenor

I. Das europäische Patent 0 956 392 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 956 392, das am 5. Dezember 1997 angemeldet und in deutscher Verfahrenssprache erteilt worden ist. Das Streitpatent nimmt die Priorität der deutschen Patentanmeldung 196 52 584 vom 17. Dezember 1996 in Anspruch. In der erteilten Fassung ist es bezeichnet mit "Textiles Gitter zur Bewehrung bitumengebundener Asphaltschichten". Im europäischen Einspruchsverfahren ist das Patent beschränkt auf die Verwendung des beanspruchten Gitters aufrechterhalten worden. Die geltende Fassung des Streitpatents mit 11 Patentansprüchen ist in der Druckschrift EP 0 956 392 B2 (Streitpatentschrift) niedergelegt.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Verwendung eines weitmaschigen, textilen Gitters zum Bewehren bitumengebundener Asphalt-Schichten, insbesondere Straßendecken, das im Wesentlichen aus zwei Sätzen paralleler, lastaufnehmender Fäden (1 und 2) besteht,

-wobei sich ein Satz Fäden (1) in Längsrichtung des Gitters und der andere Satz Fäden (2) quer zur Längsrichtung des Gitters erstreckt und die Fäden (1 und 2) aus Glasfasern oder Chemiefasern wie Polymerisatfasern oder Polykondensatfasern bestehen,

-wobei das Gitter mit einem bitumenaffinen Haftmittel (6) überzogen ist oder die sich kreuzenden Fäden (1, 2) des Gitters aus einem bitumenaffinen, insbesondere an Bitumen haftendem Material bestehen,

-wobei die sich kreuzenden Fäden (1, 2) auf ein dünnes Vlies (3) aufgeraschelt sind, welches vorzugsweise ein Gewicht von 10 bis 100 g/m2 aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Vlies (3) mit dem bitumenaffinen Haftmittel (6) behandelt und überzogen ist, wobei das Vlies (3) zur Erzielung einer Luftdurchlässigkeit Öffnungen im HaftmittelÜberzug aufweist und so dünn und deshalb auch so nachgiebig ist, dass es nicht als Trennschicht zwischen der unter dem Gitter und der über dem Gitter befindlichen Asphaltschicht wirkt und trotz des Vlieses eine gute Verzahnung der groben Körner des auf das Gitter aufgebrachten Asphalt-Mischguts mit den groben Körnern des unter dem Gitter befindlichen Mischguts erreicht wird."

Wegen der Unteransprüche 2 bis 11, die auf Anspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, wird auf die Streitpatentschrift 0 956 392 B2 verwiesen.

In der Klageschrift ist als Beklagte die H... GmbH & Co. KG in G..., bezeichnet. Im Patentregister als Patentinhaberin eingetragen ist die H... GmbH in G.... Auf Hinweis des Gerichts hat die Klägerin ein Büroversehen bei der Bezeichnung der Beklagten behauptet und die H... GmbH als richtige Beklagte angegeben. Diese hat der Klage widersprochen und behauptet, dass die Klage nicht gegen sie gerichtet sei; eine nachträgliche Berichtigung der Identität der Beklagten sei nicht möglich. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte diesen Einwand nicht weiter verfolgt.

Die Klägerin hält den geltenden Patentanspruch 1 gegenüber der ursprünglichen Offenbarung für unzulässig erweitert. Dazu trägt sie vor, dass sowohl dem ursprünglich erteilten als auch dem jetzt geltenden Anspruch 1 gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung das Merkmal fehle, dass "die verbindenden Raschel-Bindefäden (5) die längs verlaufenen Fäden (1) des Gitters umschließen und die quer verlaufenden Fäden (2) festlegen."

Weiter meint die Klägerin, dass der geltende Anspruch 1 des Streitpatents nicht patentfähig sei. Wegen verschiedener offenkundiger Vorbenutzungen sei der Gegenstand des Patents nicht neu. Dazu beruft sich die Klägerin insbesondere auf die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Anlage 6.7i Originalmuster des Produktes MACRIT GTV/31 sowie auf Anlage 6.3a Fachzeitschrift "L«ingegnere e l«architetto", Heft 3, 1994, mit deutscher Übersetzung.

In der Gesamtschau der vorgenannten Unterlagen zusammen mit der Druckschrift D1 EP0413295A1 beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents im Übrigen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung ihrer Auffassung bezieht sich die Klägerin auf zahlreiche weitere Druckschriften und sonstige Unterlagen. Im Einzelnen wird hierzu auf die Klageschrift Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 956 392 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass das Produkt MACRIT GTV/31 der Klägerin vor dem Prioritätsdatum auch im Straßenbau, insbesondere für den Aufbau von Asphaltdecken vertrieben worden sei.

Sie tritt der klägerischen Auffassung zum Stand der Technik entgegen und sieht die erfinderische Leistung des Streitpatents in der Verbindung von zwei technischen Ansätzen, die im Stand der Technik des Prioritätszeitpunktes noch als gegenläufig angesehen worden seien, nämlich in der nach Meinung der Beklagten atypischen Kombination zwischen durchgehendem Vlies und Geogitter.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 4. Dezember 2007 und vom 3. Juni 2009 verwiesen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung und der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c und a i. V. m. Art. 54 Abs. 1 und Art. 56 EPÜ) geltend gemacht werden, ist begründet.

1. Die Klage war von Anfang an gegen die H... GmbH in G..., gerichtet und nicht gegen die im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits erloschene H... GmbH & Co. KG.

Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG ist die Nichtigkeitsklage gegen den im Register als Patentinhaber Eingetragenen oder gegen den Inhaber der Zwangslizenz zu richten. Geschieht das nicht, ist die Klage als unzulässig zurückzuweisen (vgl. BGH GRUR 1996, 190, 195 -Polyferon; GRUR 1966, 107 ff. -Patentrolleneintrag). Die Einreichung einer Klageschrift ist eine Prozesshandlung und als solche auslegungsfähig. Für die Auslegung gilt der Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse der Partei entspricht. Deshalb ist nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn der Wortwahl einer Partei festzuhalten (BGH Beschluss IV ZB 34/08 vom 22. April 2009, Rdnr. 8, veröffentlicht auf www.bundesgerichtshof.de und BGH NJW 2005, 3415 unter II 2 b aa).

Danach spricht im vorliegenden Fall bereits die Klageschrift dafür, dass die Klägerin die Nichtigkeitsklage gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG gegen die gegenwärtig im Register als Patentinhaberin eingetragene Beklagte richten wollte und die falsche Bezeichnung der Beklagten auf der ersten Seite der Klageschrift ein offenkundiger Schreibfehler war. Denn in derselben Klageschrift hatte sich die Klägerin ausdrücklich auf einen beigefügten, aktuellen Patentregisterauszug berufen, aus dem sich die Identität der H... GmbH in G..., als aktuell eingetragene Patentinhaberin ergab.

Die Beklagte hat die Passage in der Klageschrift, wonach der beigefügte Registerauszug belege, dass die "Beklagte nach wie vor als Inhaberin des streitbefangenen Patents eingetragen" sei, als Hinweis darauf angesehen, dass die Klägerin bei Einreichung der Klageschrift irrtümlich davon ausging, dass im Register unverändert die frühere Patentinhaberin, nämlich die Co. KG, eingetragen war, und dass die Klägerin folglich ihre Klage gegen diese Gesellschaft richten wollte. Dem kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil die Beklagte in demselben Zusammenhang davon ausgegangen ist, dass der Klägerin sowohl aus dem vorangegangenen Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt als auch aus dem Verletzungsprozess, den die Beklagte gegen die Kläger vor dem Landgericht Düsseldorf betrieben hat, von dem Wechsel in der Person der Patentinhaberin wusste. Auch diese Umstände sprechen für einen bloßen Schreibfehler bei der Erstellung der ersten Seite der Klageschrift und gegen einen Willen der Kläger, ihre Klage gegen die längst erloschene H... GmbH & Co. KG zu richten.

2. Das Streitpatent betrifft die Verwendung eines weitmaschigen textilen Gitters zum Bewehren bitumengebundener Asphaltschichten. Nach der Streitpatentschrift ist im Stand der Technik (EP 0 413 295 A) ein mit einem Vliesstoff verbundenes Gitter bekannt, das aus zwei Komponenten, nämlich aus Vliesstoff und einem Gewebe, Gewirke, Fadengelege, Grid oder einem anderen Flächengebilde definierter Garnlage bestehe. Dabei solle der Vliesstoff eine gute Bitumensaugfähigkeit aufweisen, damit er beim Verlegen bitumenimprägniert als Wassersperre wirken kann. Ferner solle er die Rissbildung und Rissfortpflanzung in den Asphaltschichten verhindern. Im eingebauten Zustand bilde dieses Gitter eine Trennschicht. Schließlich solle beim Verlegen eine in Abhängigkeit zu dem Porengehalt zu ermittelnde Haftmittelmenge aufgebracht werden, um den Verbund zwischen Geotextil und Asphalt zu erhöhen. Weiter ist nach der Streitpatentschrift aus der DE 20 00 937 ein textiles Gitter bekannt, das vorgefertigt mit einem bestimmten bitumenaffinen Haftmittel eine gute Haftung zwischen dem Gitter und den bitumengebundenen Schichten herstellen soll. Bei dem nach dem geschilderten Stand der Technik bekannten Gitter besteht nach der Streitpatentschrift die Gefahr, dass das von einer Rolle abgerollte Armierungsgitter verrutscht und Falten wirft, insbesondere, wenn Fahrzeuge über das verlegte Gitter fahren.

Aufgabe der Erfindung ist deshalb, die Verwendung eines Armierungsgitters für bitumengebundene Asphaltschichte vorzuschlagen, das keine Trennschicht zwischen den Schichten der Straßendecke bildet und das besser als die bekannten Gitter auf einem vorbereiteten Planum haftet (Streitpatentschrift Abs. [0006]).

Diese Aufgabe soll gemäß Anspruch 1 durch die Verwendung eines textilen Gitters mit folgenden Merkmalen gelöst werden:

1.

Verwendung eines weitmaschigen, textilen Gitters zum Bewehren bitumengebundener Asphalt-Schichten, insbesondere Straßendecken.

2.

Das Gitter besteht im Wesentlichen aus zwei Sätzen paralleler lastaufnehmender Fäden.

3.

Die Fäden bestehen aus Glasfasern oder Chemiefasern wie Polymerisatfasern oder Polykondensatfasern.

4.

Ein Satz Fäden erstreckt sich in Längsrichtung des Gitters.

5.

Der andere Satz Fäden erstreckt sich quer zur Längsrichtung des Gitters.

6.

Das Gitter 6.1 ist entweder mit einem bitumenaffinen Haftmittel überzogen, 6.2 oder die sich kreuzenden Fäden des Gitters bestehen aus einem bitumenaffinen, insbesondere an Bitumen haftendem Material.

7.

Die sich kreuzenden Fäden sind auf ein dünnes Vlies aufgeraschelt.

8.

Das Vlies weist vorzugsweise ein Gewicht von, 10 bis 100 g/m2 auf.

9.

Das Vlies ist mit dem bitumenaffinen Haftmittel behandelt und überzogen.

10.

Das Vlies weist zur Erzielung einer Luftdurchlässigkeit Öffnungen im HaftmittelÜberzug auf.

11.

Das Vlies ist so dünn und deshalb auch so nachgiebig, dass 11.1 es nicht als Trennschicht zwischen der unter dem Gitter und der über dem Gitter befindlichen Asphaltschicht wirkt und 11.2 trotz des Vlieses eine gute Verzahnung der groben Körner des auf das Gitter aufgebrachten Asphalt-Mischguts mit den groben Körnern des unter dem Gitter befindlichen Mischguts erreicht wird.

3. Der so offenbarte Gegenstand des Streitpatents geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

Die Klägerin sieht eine unzulässige Erweiterung darin, dass im erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents (sowohl nach der B1-wie nach der B2-Schrift) gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung das Merkmal fehle, dass "die verbindenden Raschel-Bindefäden (5) die längs verlaufenden Fäden (1) des Gitters umschließen und die quer verlaufenden Fäden (2) festlegen".

Darin mag zwar eine Änderung liegen, die der Senat aber als unschädlich ansieht. Im Zuge des Prüfungsverfahrens sind Änderungen zulässig, die sich im Rahmen der Ursprungsoffenbarung der gesamten Anmeldungsunterlagen halten. Dies ist hier insofern gegeben, als in der ursprünglichen Beschreibung auch ein alternativer Aufbau des Gitters angegeben ist, bei welchem anstelle der Umraschelung der längslaufenden Fäden diese aus einem Polymerisat oder einem Polykondensat bestehen (s. S. 2, Zeilen 22 bis 30 der WO 98/27282). Somit findet der Merkmalsumfang des erteilten Patentanspruchs 1 seine Offenbarung in der ursprünglichen Beschreibung.

Der Patentanspruch 1 ist auch im Übrigen sowohl in der erteilten als auch in der geltenden Fassung zulässig, da er im Wesentlichen auf einer einschränkenden Zusammenfassung der ursprünglichen Ansprüche 1, 4 und 5 mit Stellen aus der Beschreibung bzw. auf einer zulässigen Kategorieänderung beruht.

Der Aufbau des zu verwendenden Gitters, der in den gegenständlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 definiert ist, ist in der geltenden gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatents unverändert geblieben. Das Gitter besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten, nämlich dem eigentlichen Gitter aus maschenförmig angeordneten Längsund Querfäden, die die Last aufnehmen (Merkmale 2 bis 5) sowie einem mit dem Gitter verbundenen Vlies, das eine vergrößerte Oberfläche zur Haftung auf den Asphaltschichten bildet (Merkmal 7). Dabei sind die Materialien von Gitterfäden und Vlies so gewählt bzw. beschichtet, dass sie bitumenaffine Wirkung aufweisen, um sich mit den später aufliegenden Asphaltschichten gut zu verbinden (Merkmale 6 und 9). Derartige Gitter werden bevorzugt zum Armieren von Asphalt-Straßendecken eingesetzt. Das Gitter wird dabei in der Regel zwischen zwei Asphaltschichten eingebaut, die möglichst stabil miteinander verbunden werden sollen. Das kann z. B. bei einer Straßenreparatur der Fall sein, wo eine neue Asphaltschicht auf die alte Schicht aufgebracht wird. Dabei kommt es entscheidend darauf an, das Gitter sowohl verwerfungsfrei und ohne Lufteinschlüsse glatt auf den Untergrund aufzubringen als auch mit guten Hafteigenschaften für die angrenzenden Asphaltschichten auszustatten. Dies sind insofern einander zuwiderlaufende Anforderungen, als erstere eine gewisse Luftdurchlässigkeit beim Ausbreiten der Bahn voraussetzt, während letztere eine möglichst durchgehende Haftschicht erfordert. Hier setzt das Streitpatent an, indem der HaftmittelÜberzug des Vlieses mit Öffnungen versehen ist (Merkmal 10) und das Vlies so dünn und damit nachgiebig ist (Merkmal 11), dass die in den Merkmalen 11.1 und 11.2 angegebenen Eigenschaften erfüllt sind, nämlich dass es nicht als Trennschicht zwischen der unter dem Gitter und der über dem Gitter befindlichen Asphaltschicht wirkt und eine gute Verzahnung des auf das aufgebrachten Asphalt-Mischguts mit dem darunter befindlichen Mischgut erreicht wird (vgl. Streitpatentschrift Abs. [0008]).

4. Der so von dem hier einschlägigen Fachmann, einem Bauingenieur der Fachrichtung Tiefbau/Straßenbau mit besonderen Kenntnissen im Bereich geotextiler Bahnmaterialien, verstandene Gegenstand des Patentanspruchs 1 mag gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu sein; er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das von der Klägerseite zum Beleg einer geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung vorgelegte Originalmuster des Produktes MACRIT GTV/31 (Anlage 6.7i) repräsentiert ein Geotextil, wie es -von der Beklagten unbestritten -vor dem maßgeblichen Prioritätsdatum des Streitpatents hergestellt, in den Verkauf gelangt und in unterschiedlichen Einsatzgebieten auch verbaut worden ist. Weiter stimmt das Geotextil MACRIT GTV/31 in sämtlichen gegenständlichen Merkmalen (Merkmale 2 bis 11) mit dem textilen Gitter, wie es Gegenstand des Streitpatents ist, überein. Dem tritt auch die Beklagte nicht entgegen. Ausdrücklich bestritten wird von der Beklagtenseite hingegen die Verwendung eines solchen Gitters i. S. des Patentanspruchs 1, nämlich gemäß dessen Merkmal 1 zum Bewehren bitumengebundener Asphalt-Schichten.

Schon ausweislich des Oberbegriffs ihres Anspruchs 1 sowie der Beschreibungseinleitung befasst sich die -auch in der Streitpatentschrift als Ausgangspunkt für die angegriffene Lehre angeführte -EP 0 413 295 A1 (D1) mit einem Geotextil für die Bewehrung von bitumengebundenen Asphaltschichten. Ausführlich setzt sich diese Druckschrift mit der hier spezifischen Problematik auseinander, einerseits eine möglichst gute Haftung zwischen den zu verbindenden Asphaltschichten und andererseits eine hohe Festigkeit der Textilschicht selbst zu erreichen. Die bisher auf diesem Gebiet bevorzugt eingesetzten Vliesstoffe erfüllen aufgrund ihrer mehr oder weniger geschlossenen Oberfläche ersteres Teilziel, während Gittergewebe, welche insbesondere für Befestigungsmaßnahmen im Erdbereich verwendet wurden, letzterer Anforderung sehr gut gerecht werden. Die Lehre der EP 0 413 295 A1 setzt hier ein, indem sie in Verbindung dieser beiden Konzepte einen Verbund aus einem Vliesstoff mit einem Gitter schafft, der die Vorteile beider Materialien weitgehend in sich vereinigt. Gegenüber einem reinen Gitter, das sich aufgrund seiner relativ weiten Maschen gut verlegen lässt, tritt bei dem Geotextil nach diesem Stand der Technik allerdings das Problem auf, dass die zur Steigerung ihrer Haftfähigkeit mit einem Haftmittel überzogene bzw. getränkte Materialbahn sich nur mit großem Aufwand exakt verlegen lässt, da sich beim Ausbreiten der Bahn auf der unteren Asphaltschicht häufig Lufteinschlüsse bilden, die aufgrund der dichten Struktur nicht entweichen können.

Bei der Suche nach einer Lösung für dieses Problem wird sich der Fachmann auf dem einschlägigen Gebiet solcher Textilien umsehen und in dem Produkt MACRIT GTV/31, wie es in Anlage 6.7i als Originalmuster vorgelegt wurde und unbestritten bereits vor dem maßgeblichen Prioritätsdatum des Streitpatents in Bereichen geotechnischer Befestigungsmaßnahmen wie u. a. bei Straßen-, Eisenbahnund Wasserbau eingesetzt wurde (s. hierzu auch die als Anlage 6.3a vorgelegte Stelle zum Geotextil MACRIT aus der italienischen Fachzeitschrift "L«ingegnere e l«architetto", Heft 3, 1994, mit deutscher Übersetzung), ein geeignetes Material für den Einsatz auch speziell zum Bewehren bitumengebundener Asphalt-Schichten finden. Er wird im Rahmen seines Fachwissens ohne weitere Überlegungen erkennen, dass bei diesem Geotextil neben den Eigenschaften, welche bereits das Material nach der EP 0 413 295 A1 aufweist, aufgrund der ganz augenscheinlich wahrnehmbaren Öffnungen im Haftmittelüberzug des Vlieses eine gewisse Luftdurchlässigkeit gegeben ist, die ausreicht, um ein weitgehend blasenfreies Verlegen der Bahnen sicherzustellen.

Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, die EP 0 413 295 A1 weise geradezu vom Gegenstand des Streitpatents weg, da dort Nachteile beschrieben seien, die den Fachmann davon abhielten, ein solches Geotextil für den beabsichtigten Zweck einzusetzen (Spalte 4, Zeilen 9 ff. der D1), geht fehl. Gerade dieses Problem gibt aus fachmännischer Sicht Anlass, sich im einschlägigen Stand der Technik nach Materialien umzusehen, die die beim Gegenstand des D1 vermisste Wasserund Luftdurchlässigkeit aufweisen.

Die Verwendung nach dem angegriffenen Patentanspruch 1 ergibt sich somit für den Fachmann in naheliegender Weise aus einer Zusammenschau der Lehre aus der vorveröffentlichten EP 0 413 295 A1 mit den für ihn ohne Weiteres erkennbaren vorteilhaften Eigenschaften des allgemein für geotechnische Befestigungsmaßnahmen vorbenutzten Geotextilmaterials MACRIT GTV/31, für welches in dem Fachartikel nach Anlage 6.3a bereits weitgehend ähnliche Einsatzgebiete beschrieben sind.

5. Hinsichtlich der Unteransprüche ist ein eigenständiger erfinderischer Gehalt weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (BGH Urt. v. 12. Dezember 2006 -X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 -Schussfädentransport).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

Schuster Werner Hildebrandt Richter Ganzenmüller Küestist wegen Urlaubs ander Unterschrift verhindert.

Schuster Cl/Pü






BPatG:
Urteil v. 25.06.2009
Az: 5 Ni 82/09


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