Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 1. Juni 2012
Aktenzeichen: 18 W 79/12

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 01.06.2012, Az.: 18 W 79/12)

Tenor

Auf Grund der jeweils vorläufig vollstreckbaren Urteile des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.04.2011 und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 01.03.2012 sind von der Beklagten an Kosten für die erste Instanz 690,50 € und für die zweite Instanz 495,80 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 26.03.2012 an den Kläger zu erstatten.

Die weitergehenden Kostenfestsetzungsanträge vom 22.03.2012werden abgelehnt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahren zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger 80 % und die Beklagte 20 % zu tragen.

Wert der Beschwerde: 256,24 €

Gründe

1. Der Kläger nahm die Beklagte vor dem Landgericht Frankfurt am Main auf Unterlassung der Einbeziehung einer Klausel in deren Versicherungsverträge und auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten für die Abmahnung in Anspruch. Nach entsprechender Verurteilung der Beklagten in der Hauptsache und Abweisung der Nebenforderung mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.04.2011 sowie Festsetzung des Gegenstandswertes auf 2.500,--€, unterlag die Klägerin vor dem Oberlandesgericht mit ihrer auf die Erhöhung des Gegenstandswertes auf 25.000 €gerichteten Streitwertbeschwerde. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wurden mit Urteil des Oberlandesgerichts vom 01.03.2012 zurückgewiesen. Mit beiden Urteilen wurde die Beklagte in die Kosten des Rechtsstreits verurteilt.

Unter dem 22.03.2012 beantragte der Kläger sodann die Kostenfestsetzung für die erste und die zweite Instanz. Hierbei beantragte er für die erste Instanz € wegen der Verbindung mit zwei weiteren Sachen € anteilige Reisekosten und Abwesenheitsgeld in Höhe von 70,97 € und für die zweite Instanz in Höhe von 185,27 €.

Gegen die Absetzung dieser beiden Beträge mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.03.2012 wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 10.04.2012, der der Rechtspfleger des Landgerichts nicht abgeholfen hat. Der Kläger macht geltend, er sei als Verbraucherzentrale zwar ein mit öffentlichen Mitteln geförderter Verein dessen Aufgabe in der Aufklärung und Beratung der Verbraucher liege, doch sei die Förderung auch auf diese Aufgabe beschränkt, so dass er nicht schlechter gestellt werden dürfe, als jedes Unternehmen das einen wettbewerblichen Unterlassungsanspruch geltend mache. Er sei insbesondere kein Verband zur Verfolgung gewerblicher Interessen,der über finanziell leistungsfähige Mitglieder verfüge, sondern sei auf staatliche Förderung angewiesen, die der Höhe nach nicht gesichert sei. Über eine Rechtsabteilung verfügten die Verbraucherzentralen regelmäßig nicht. Bei dem Kläger würden der Bereich - Wettbewerb € Versicherungen € Finanzen von 1½ Volljuristen bearbeitet, die neben der Verfolgung von wettbewerbsrechtlichen und AGB-rechtlichen Verstößen auch noch eine geeignete Verbraucherberatung sicherstellen müssten.

Die grundlegende Entscheidung des BGH vom 02.10.2008 (I ZB96/07) gehe daher von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Vielmehr sei die Rechtslage entsprechend der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 11.12.2006 (1-20 W 86/06) zu beurteilen, wonach eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Verbraucherzentrale, deren Aufgabenschwerpunkt in der Verbraucherberatung liegt, und die die schriftliche Instruktion von Prozessvertretern bei wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten durch eine Anwaltssozietät durchführen lässt, auch dann berechtigt ist, mit der Prozessvertretung einen Rechtsanwalt an ihrem Sitz zu beauftragen,wenn die von ihr angestrengten Verbandsklagen an einem auswärtigen Gericht geführt werden müssen. Die dadurch entstehenden Reisekosten des Prozessbevollmächtigen seien notwendige Auslagen i.S.v.§ 91 ZPOund somit erstattungsfähig.

2. Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPOstatthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die in § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierte Frist zu ihrer Einlegung gewahrt. Die Beschwerde hat aber in der Sache überwiegend keinen Erfolg.

Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, 2. Var. ZPO sind nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu erstatten. Hierzu gehören die Reisekosten des nicht am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts des Klägers nicht. Der Senat hält insofern an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (Entscheidung vom 12.Januar 2009 - 18 W 393/08), die sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 02.10.2008 (I ZB 96/07)stützt. Dort hat der BGH € in Fortführung seiner Entscheidung vom 18.12.2003 (I ZB 18/03) - ausgeführt: €Beauftragt ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG; § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2UKlaG) oder eine qualifizierte Einrichtung, die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen ist (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG;§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG), einen nicht am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt mit der Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes (§ 3 UWG) bzw. eines Verstoßes gegen die §§307 bis 309 BGB (§ 1 UKlaG) oder gegen Verbraucherschutzgesetze (§2 UKlaG), zählen die Reisekosten dieses Rechtsanwalts zum Prozessgericht nicht zu den notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.€ (NJW-RR 2009, 556,siehe auch BGH vom 21.09.2005 € IV ZB 11/04, NJW 2006, 301,beide zitiert nach juris). Auf die seitens des Klägers unter Berufung auf die noch vor der o.g. BGH-Entscheidung ergangene Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 21.09.2005 (I € 20 W86/06) ins Feld geführte Unterscheidung zwischen einem Verband zur Förderung gewerblicher Interessen und einer Verbraucherzentrale,die einzelne Verbraucher gegen Entgelt berät, kommt es daher nicht an.

Nach der zitierten BGH-Entscheidung müssen nämlich Verbände und Vereine, deren satzungsmäßige Aufgabe darin besteht, rechtliche Interessen ihrer Mitglieder oder bestimmter Gruppen wahrzunehmen und im Klagewege durchzusetzen € insbesondere solche, denen eine gesetzlich Klagebefugnis eingeräumt ist € nach dem Gesetz so ausgestattet sein, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können. Dies gilt auch für nach § 22a AGBG (jetzt §§ 3 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1, 4 UKlaG) in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragene Verbraucherverbände oder Verbraucherzentralen. Diese müssen personell, sachlich und finanziell so ausgestattet sein,dass sie mit den ihnen zustehenden Rechtsansprüchen und den Möglichkeiten ihrer Durchsetzung so vertraut sind, dass sie dazu in der Lage sind, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und telefonisch zu instruieren OLGFrankfurt a.a.O., OLGR Stuttgart 2002, 364; OLGR Köln 2008, 406,zitiert nach juris).

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.05.2008 - I ZR83/06 steht diesem Ergebnis nicht entgegen, denn das dort klagende Unternehmen war gerade kein solches, zu dessen originären Aufgaben die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehörte, und auch die Entscheidung des BGH vom 28.06.2006 (IV ZB 44/05) führt nicht zu einer anderen Betrachtungsweise, denn Fälle, in denen ein bundesweit tätiger Versicherer bestimmte und vor allem in einer erheblichen Größenordnung anfallende Sachen aufgrund ständiger Geschäftsbeziehungen immer von dem gleichen Rechtsanwalt bearbeiten lässt, sind mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.

Soweit sich der Kläger schließlich darauf beruft, die Entscheidung des BGH vom 02.10.2008 (I ZB 96/07) stelle nur auf den Regelfall ab, und vorliegend seien die Volljuristen des Klägers mit anderweitigen Aufgaben ausgelastet gewesen und es gäbe zudem nur vergleichsweise wenige Rechtsanwälte, die ausschließlich auf Verbraucherseite tätig seien und daher hinzugezogen werden könnten,insbesondere sei dem Kläger kein Rechtsanwalt in Frankfurt am Main bekannt, der vorliegend in Betracht gekommen wäre, überzeugt dies ebenso wenig wie die Behauptung, der vorliegende Rechtsstreit habe in 18 Parallelverfahren vor zahlreichen Gerichten in der Bundesrepublik Deutschland geführt werden müssen und die dabei gemachten Erfahrungen haben ständig koordiniert werden müssen,weshalb alle Parallelprozesse in einer Hand liegen mussten und die unmittelbaren Abstimmungen mit dem Kläger einen ständigen persönlichen Kontakt erfordert hätten.

Nach der o.g. Grundsatzentscheidung des BGH €sind rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG; § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 UKlaG) und qualifizierte Einrichtungen, die - wie der Kläger - in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG;§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG), wie Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung zu behandeln. Solche Verbände und Einrichtungen müssen (Unterstreichung hinzugefügt) personell,sachlich und finanziell so ausgestattet sein, dass sie auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sind, in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen Wettbewerbsverstöße (§ 3 UWG)bzw. Verstöße gegen die §§ 307 bis 309 BGB (§ 1 UKlaG) und gegen Verbraucherschutzgesetze (§ 2 UKlaG) zu erkennen und zu verfolgen.Sie müssen daher regelmäßig in der Lage sein, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und telefonisch zu instruieren. Solchen Verbänden und Einrichtungen steht - anders als gewerblichen Unternehmen - insoweit nicht frei, wie sie sich intern organisieren (Unterstreichung hinzugefügt). Die Verfolgung von Gesetzesverstößen im Sinne der § 3 UWG, §§ 1, 2 UKlaG gehört zu den ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben. Ihre Klage- und Anspruchsbefugnis hängt davon ab, dass sie nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen derartige Gesetzesverstöße zu erkennen und zu verfolgen. Ihnen ist es daher zwar unbenommen, einen Prozessbevollmächtigten mit der Verfolgung solcher Verstöße zu betrauen. Sie können sich aber im Rahmen der Kostenerstattung regelmäßig nicht darauf berufen, es sei ihnen nicht möglich gewesen, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich oder telefonisch zu instruieren.Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verband oder die Einrichtung sich zu einer solchen Unterrichtung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten nicht in der Lage sieht, weil hierfür keine qualifizierten Mitarbeiter beschäftigt oder die hierfür an und für sich qualifizierten Mitarbeiter anderweitig eingesetzt werden.€ (BGH a.a.O., zitiert nach juris).

Aus dem vorliegenden Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 01.03.2012 ergibt sich, dass der Kläger in zwanzig gleichgelagerten Fällen Rechtschutzversicherungen abgemahnt hat,die sämtlich die im Wesentlichen gleichlautende streitige Klausel verwendet haben, die der Kläger für intransparent und unangemessen benachteiligend hielt, und dass das Oberlandesgericht Frankfurt sich bei seiner Entscheidung weitgehend an den bereits vorliegenden Entscheidungen der OLGs Celle, Karlsruhe und München orientiert hat. Zugleich hat das Oberlandesgericht die Anschlussberufung des Klägers auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Beauftragung eines externen Anwalts durch den Kläger aber zurückgewiesen und sich hierbei im Wesentlichen auf die oben bereits zitierte Rechtsmeinung gestützt, weil eine solche Beauftragung mangels erhöhter Schwierigkeit der Sache und besonderen Beratungsbedarfs nicht erforderlich war.

Insofern kann von einem Rechtsstreit mit Ausnahmecharakter in puncto Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage vorliegend ebenso wenig ausgegangen werden, wie von der Notwendigkeit einer permanenten persönlichen Beratung zwischen dem Kläger und dem vor Ort tätigen Prozessbevollmächtigten. Vielmehr war es ausreichend und musste dem Kläger möglich sein, den Prozessstoff durch einen seiner Volljuristen, der dann auch sämtliche Verfahren in einer Hand hielt, koordinieren zu lassen, dem zugleich die Aufgabe zufiel, die jeweiligen Prozessbevollmächtigten vor Ort schriftlich oder fernmündlich zu instruieren.

Der Kläger kann daher die geltend gemachten Reisekosten nicht auf die gegnerische Partei abwälzen. Ihm steht nach der sich insoweit herauskristallisierenden Rechtsprechung der Obergerichte jedoch ein Anspruch auf Festsetzung von Kosten in Höhe von analog §287 Abs. 1 ZPO zu schätzenden 25,- € je Instanz zu, die für die schriftliche und / oder telefonische Information eines in Frankfurt am Main ansässigen Prozessbevollmächtigten angefallen wären. Davon, dass ein solcher Anwalt, der zudem qualifiziert genug gewesen und nicht mit der vorliegenden Prozessgegnerin in ständigen Mandatsverhältnisse eingebunden wäre, gerade in Frankfurt am Main hätte gefunden werden können, ist mit Sicherheit anzunehmen, auch wenn dem Kläger ein solcher nicht bekannt ist.

3. Auf Grund der teilweisen Zurückweisung der sofortigen Beschwerde fällt eine Gerichtsgebühr nach Nr. 1812 KV GKG an, die der Kläger zu tragen hat. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 92ZPO.

Der Beschwerdewert bemisst sich nach der begehrten Mehrfestsetzung, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Sache ist weder von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 01.06.2012
Az: 18 W 79/12


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