Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Dezember 2010
Aktenzeichen: 21 W (pat) 303/08
(BPatG: Beschluss v. 15.12.2010, Az.: 21 W (pat) 303/08)
Tenor
Das Patent DE 103 43 801 wird widerrufen.
Gründe
I Auf die am 22. September 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent DE 103 43 801 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Verfahren zum Auswuchten eines Turboladerrotors mit elektrischer Rotationsmaschine" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 15. September 2005 erfolgt.
Gegen das Patent hat die nach Rücknahme eines weiteren Einspruchs alleine im Verfahren verbliebene Einsprechende mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2005, eingegangen beim Deutschen Patentund Markenamt als Fax am selben Tag, Einspruch erhoben worden.
Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende auf die Entgegenhaltungen D1: Firmenprospekt "Auswuchtmaschine für Turbolader-Rumpfgruppen", Re 2519 vom August 2002 der Schenck Rotec GmbH, 4 Seiten D2: Firmendruckschrift "Auswuchtpraxis Heft 8", Seiten 1 bis 8, September 1974, Carl Schenck AG D3: DIN ISO 11342 vom Mai 1999, "Verfahren und Kriterien für das mechanische Auswuchten nachgiebiger Rotoren".
Die Einsprechende macht mangelnde Patentfähigkeit (mangelnde erfinderische Tätigkeit) geltend und außerdem, dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Einsprechende beantragt, das Patent DE 103 43 801 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent DE 103 43 801 beschränkt aufrecht zu erhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß Hauptantrag, hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 1, weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 2, weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 3, weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 4, und weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 5, sämtlich bei Gericht per Telefax eingegangen am 10. Dezember 2010, im Übrigen mit der gegebenenfalls anzupassenden Beschreibung und der Zeichnung gemäß Patentschrift.
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
M1 Verfahren zum Auswuchten eines über eine Lagerung (14) drehbar gelagerten Turboladerrotors M2a mit einem Turbinenlaufrad (12), M2b einem Verdichterlaufrad (16)
M2c und einem Rotor (18) einer elektrischen Rotationsmaschine, M3 wobei die gleichzeitige Auswuchtung hinsichtlich einer Primärresonanz und hinsichtlich einer Sekundärresonanz, um sowohl die Primärals auch die Sekundärresonanz zu minimieren, M4 durch Abtragung eines Teils von einer Schraubenmutter (22) zur Befestigung des Verdichterlaufrads (16) auf einer Welle (10) des Turboladerrotors erfolgt.
Hinsichtlich der Unteransprüche 2 und 3 gemäß Hauptantrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
M1 Verfahren zum Auswuchten eines über eine Lagerung (14) drehbar gelagerten Turboladerrotors M2a mit einem Turbinenlaufrad (12), M2b einem Verdichterlaufrad (16)
M2c und einem Rotor (18) einer elektrischen Rotationsmaschine, M3 wobei die gleichzeitige Auswuchtung hinsichtlich einer Primärresonanz und hinsichtlich einer Sekundärresonanz, um sowohl die Primärals auch die Sekundärresonanz zu minimieren, M4 durch Abtragung eines Teils von einer Schraubenmutter (22) zur Befestigung des Verdichterlaufrads (16) auf einer Welle (10) des Turboladerrotors M4a und eines Teils von wenigstens einem anderen Abschnitt des Turboladerrotors als der Schraubenmutter (22) erfolgt.
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
M1' Verfahren zum Auswuchten eines Turboladerrotors, der M2a ein Turbinenlaufrad (12), M2b ein Verdichterlaufrad (16)
M2c und einen Rotor (18) einer elektrischen Rotationsmaschine umfasst M5 und der durch zwei Lagerungen (14, 14) drehbar gelagert ist, wobei das Turbinenlaufrad (12) an einem Ende einer Welle (10) befestigt ist, das Verdichterlaufrad (16) an dem anderen Ende der Welle (10) befestigt ist, die beiden Lagerungen (14, 14) zwischen dem Turbinenlaufrad (12) und dem Verdichterlaufrad (16) angeordnet sind und der Rotor (18) zwischen dem Verdichterlaufrad (16) und den beiden Lagerungen (14, 14) angeordnet ist, M3 wobei die gleichzeitige Auswuchtung hinsichtlich einer Primärresonanz und hinsichtlich einer Sekundärresonanz, um sowohl die Primärals auch die Sekundärresonanz zu minimieren, M4 durch Abtragung eines Teils von einer Schraubenmutter (22) zur Befestigung des Verdichterlaufrads (16) auf einer Welle (10) des Turboladerrotors erfolgt.
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet:
M1 Verfahren zum Auswuchten eines über eine Lagerung (14) drehbar gelagerten Turboladerrotors M2a mit einem Turbinenlaufrad (12), M2b einem Verdichterlaufrad (16)
M2c und einem Rotor (18) einer elektrischen Rotationsmaschine, M3 wobei die gleichzeitige Auswuchtung hinsichtlich einer Primärresonanz und hinsichtlich einer Sekundärresonanz, um sowohl die Primärals auch die Sekundärresonanz zu minimieren, M4 durch Abtragung eines Teils von einer Schraubenmutter (22) zur Befestigung des Verdichterlaufrads (16) auf einer Welle (10) des Turboladerrotors erfolgt, M6 und wobei die Abtragung durch Verlagerung einer Abtragungsposition, die zur Auswuchtung hinsichtlich der Primärresonanz optimal ist, jedoch zur Auswuchtung hinsichtlich der Sekundärresonanz ungeeignet ist, zu einer Abtragungsposition, wo die Auswuchtung hinsichtlich sowohl der Primärals auch der Sekundärresonanz optimal ist, erfolgt.
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 lautet:
M1' Verfahren zum Auswuchten eines Turboladerrotors, der M2a ein Turbinenlaufrad (12), M2b ein Verdichterlaufrad (16)
M2c und einen Rotor (18) einer elektrischen Rotationsmaschine umfasst M5 und der durch zwei Lagerungen (14, 14) drehbar gelagert ist, wobei das Turbinenlaufrad (12) an einem Ende einer Welle (10) befestigt ist, das Verdichterlaufrad (16) an dem anderen Ende der Welle (10) befestigt ist, die zwei Lagerungen (14, 14) zwischen dem Turbinenlaufrad (12) und dem Verdichterlaufrad (16) angeordnet sind und der Rotor (18) zwischen dem Verdichterlaufrad (16) und den zwei Lagerungen (14, 14) angeordnet ist, M3 wobei die gleichzeitige Auswuchtung hinsichtlich einer Primärresonanz und hinsichtlich einer Sekundärresonanz, um sowohl die Primärals auch die Sekundärresonanz zu minimieren, M4 durch Abtragung eines Teils von einer Schraubenmutter (22) zur Befestigung des Verdichterlaufrads (16) auf einer Welle (10) des Turboladerrotors M4a und eines Teils von wenigstens einem anderen Abschnitt des Turboladerrotors als der Schraubenmutter (22) erfolgt.
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 lautet:
M1 Verfahren zum Auswuchten eines über eine Lagerung (14) drehbar gelagerten Turboladers M2a mit einem Turbinenlaufrad (12), M2b einem Verdichterlaufrad (16)
M2c und einem Rotor (18) einer elektrischen Rotationsmaschine, M3 wobei die gleichzeitige Auswuchtung hinsichtlich einer Primärresonanz und hinsichtlich einer Sekundärresonanz, um sowohl die Primärals auch die Sekundärresonanz zu minimieren, M4 durch Abtragung eines Teils von einer Schraubenmutter (22) zur Befestigung des Verdichterlaufrads (16) auf einer Welle (10) des Turboladerrotors M4a und eines Teils von wenigstens einem anderen Abschnitt des Turboladerrotors als der Schraubenmutter (22) erfolgt, M6 und wobei die Abtragung durch Verlagerung einer Abtragungsposition, die zur Auswuchtung hinsichtlich der Primärresonanz optimal ist, jedoch zur Auswuchtung hinsichtlich der Sekundärresonanz ungeeignet ist, zu einer Abtragungsposition, wo die Auswuchtung hinsichtlich sowohl der Primärals auch der Sekundärresonanz optimal ist, erfolgt.
Hinsichtlich der sich jeweils anschließenden Unteransprüche und wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II 1.
Da die Einspruchsfrist im vorliegenden Verfahren nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, ist das Bundespatentgericht für die Entscheidung gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung weiterhin zuständig
(vgl. BGH GRUR 2007, 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG GRUR 2007, 449 f. -Rundsteckverbinder).
2.
Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die Einsprechende hat sich im Einspruchsschriftsatz anhand des druckschriftlichen Standes der Technik substantiiert mit allen Merkmalen des Gegenstandes gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 auseinandergesetzt. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übrigen von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.
3.
Der Einspruch ist auch begründet. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweisen sich die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 5 aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig.
4.
Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Auswuchten eines Turboladers mit elektrischer Rotationsmaschine (vgl. Absatz [0001] der Streitpatentschrift).
Wie in der Streitpatentschrift (Absatz [0002]) ausgeführt ist, ist ein Turbolader so aufgebaut, dass ein Turboladerrotor bestehend aus einem Turbinenlaufrad mit einem Verdichterlaufrad, die über eine Welle verbunden sind, mittels einer Lagerung drehbar gelagert ist. Der Aufbau des Turboladerrotors ist von außerordentlich hoher Steifigkeit. Sollten dennoch Biegeschwingungen auftreten, so ist deren Eigenfrequenz sehr hoch. Der Turboladerrotor wird jedoch im Allgemeinen bei hohen Drehzahlen von über 100.000 Umdrehungen pro Minute betrieben. Folglich kann die Eigenfrequenz nahe an der Drehzahl liegen. Um einen Resonanzbruch zu vermeiden, werden deshalb üblicherweise im Voraus Maßnahmen zum Auswuchten eines jeden Produkts getroffen.
In den letzten Jahren ist es üblich geworden neben einem Turbinenlaufrad und einem Verdichterlaufrad noch eine elektrische Rotationsmaschine in den Turboladerrotor einzubauen. Diese verlängert jedoch den Turboladerrotor und erhöht seine Masse, wobei eine bislang noch nicht berücksichtigte Sekundärresonanz auftritt (vgl. Absatz [0005] der Streitpatentschrift).
Die Aufgabe der Erfindung besteht somit darin, eine Verfahren zum Auswuchten eines Turboladerrotors vorzusehen, das eine einfache und kostengünstige Korrektur der Auswuchtung gestattet (vgl. Absatz [0006] der Streitpatentschrift).
5.
Die Offenbarung der geltenden Patentansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 5 kann dahinstehen, da ihre Gegenstände nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
6.
Ausführbarkeit Die Erfindung ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).
Die Einsprechende bezweifelt, dass allein durch Abtragung eines Teils von einer Schraubenmutter zur Befestigung des Verdichterlaufrads sich gleichzeitig sowohl die Primärresonanz wie auch die Sekundärresonanz minimieren lassen. Dies stellt einen Fall dar, der jedoch durchaus eintreten, wie im Übrigen auch die Einsprechende selbst in ihrem Einspruchsschriftsatz auf Seite 5, letzter Absatz, zugesteht, da die beiden Resonanzen lediglich verringert und nicht vollständig beseitigt werden sollen.
7. Patentfähigkeit 7.1. Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist zwar unbestritten neu, beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, einem mit dem Auswuchten von Turboladerrotoren befassten berufserfahrenen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ergibt sich für ihn in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D3.
So ist aus der Druckschrift D1 (vgl. Seite 1, Abschnitt "Anwendungsgebiet" und Seite 3, Abschnitt "Arbeitsweise" mit dort gezeigter Figur) ein Verfahren zum Auswuchten (Auswuchtmaschine, Turbolader) eines über eine Lagerung drehbar gelagerten Turboladers (= Merkmal M1) bekannt, der wie üblich ein Turbinenlaufrad (= Merkmal M2a) und ein Verdichterlaufrad (Kompressor) (= Merkmal M2b) aufweist.
Da (vgl. Seite 1, "Anwendungsgebiet" letzter Satz) die Auswuchtmaschine und das damit durchführbare Auswuchtverfahren für viele Turboladertypen geeignet ist, kann auch ein heute weit verbreiteter (vgl. die Streitpatentschrift Absatz [0005]) Turbolader mit einem zusätzlichen Rotor einer elektrischen Rotationsmaschine (= Merkmal M2c) vorgesehen sein.
Das Auswuchten (vgl. Seite 1, "Anwendungsgebiet", mittlere Spalte: "Der Unwuchtausgleich erfolgt kompressorseitig an der Wellenmutter mit einem geeigneten Handschleifer." und Seite 3, erste Spalte) erfolgt durch Abtragung eines Teils von einer Schraubenmutter zur Befestigung des Verdichterlaufrads (Kompressor) auf einer Welle des Turboladerrotors (= Merkmal M4).
Wie aus der Figur "Ansicht der Hochlaufkurve" auf Seite 2 hervorgeht, werden zwei Resonanzen bei unterschiedlichen Drehzahlen beim Auswuchten berücksichtigt, wobei dem Fachmann (vgl. die Druckschrift D3, Seiten 12 und 13, Abschnitt 7.3 Verfahren G: Auswuchten bei mehreren Drehzahlen) bekannt ist, dass es sich dabei um die erste und zweite Biegeresonanz-Drehzahl und somit um die Primärund die Sekundärresonanz handelt (siehe insbesondere Abschnitt 7.3.2.2 und 7.3.2.6).
Weiterhin wird auf Seite 1, mittlere Spalte, der Druckschrift D1 erwähnt, dass nur ein bis zwei Ausgleichschritte zum erfolgreichen Unwuchtausgleich führen und wird auf Seite 3, Absatz "Auswuchten" erwähnt, dass bereits ein einziger Auswuchtvorgang zum Erfolg führen kann und zwar bei einer bei der Hochlaufkurve ermittelten optimalen Auswuchtdrehzahl (siehe Absatz "Kalibrierung").
Dadurch erhält der Fachmann den Hinweis, dass mit nur einem Auswuchtvorgang bereits eine ausreichende Korrektur der vorhandenen Resonanzen in Form von Primärund Sekundärresonanz erfolgen kann.
Um, wie es auch Ziel der Druckschrift D1 ist (vgl. Seite 1, linke Spalte), ein einfaches und kostengünstiges Auswuchten zu erreichen, ist es für den Fachmann somit nahegelegt, eine gleichzeitige Auswuchtung hinsichtlich einer Primärresonanz und hinsichtlich einer Sekundärresonanz vorzunehmen, um sowohl die Primärals auch die Sekundärresonanz zu minimieren (= Merkmal M3).
Damit ist der Fachmann, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, bereits beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag angelangt.
Im Übrigen bedeutet in diesem Zusammenhang eine in Druckschrift D1 erwähnte "statische Unwucht" nicht, wie die Patentinhaberin meint, dass das Auswuchten hier bei niedrigen Drehzahlen vorgenommen wird, wogegen schon die in der Druckschrift D1 in den Figuren auf Seite 2 angegebenen hohen Drehzahlen von bis zu 200.000 Umdrehungen pro Minute sprechen, sondern der Fachmann versteht unter "statischer Unwucht" die durch Abweichung des Schwerpunkts von der Rotationsachse entstehende Unwucht.
Außerdem steht eine "dynamische Unwucht" auch nicht im Zusammenhang mit dem Auswuchten elastisch nachgiebiger Rotoren oder mit hohen Drehzahlen, wie von der Patentinhaberin angegeben, sondern betrifft die durch Achsfehler entstandene Unwucht.
7.2. Die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 1 bis 5 beruhen ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, denn wie ergeben sich für ihn ebenfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D3.
7.2.1. Hilfsantrag 1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag lediglich durch das Merkmal M4a, wonach zum Auswuchten neben der Abtragung eines Teils der Schraubenmutter auch eine Abtragung eines Teils von wenigstens einem anderen Abschnitt des Turboladerrotors als der Schraubenmutter erfolgt.
In der Druckschrift D1 (vgl. Seite 1. mittlere Spalte, und Seite 3, mittlere Spalte) ist angegeben, dass neben dem ersten Auswuchtvorgang bei Bedarf, d. h. wenn der erste Auswuchtvorgang noch nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis bezüglich der noch vorhandenen Restunwucht geführt hat, noch ein zweiter Auswuchtvorgang vorgenommen werden kann. Dieser zweite Auswuchtvorgang kann auch, wie der Fachmann der Druckschrift D3 (vgl. Seite 7, Abschnitt 4.6 Vorzusehende Ausgleichsebenen) entnimmt, an einer anderen Stelle wie der erste Auswuchtvorgang vorgenommen werden. Für jede weitere Resonanz wird (mindestens) eine weitere Ausgleichsebene empfohlen. Damit ist es für den Fachmann nahegelegt, neben der Abtragung eines Teils der Schraubenmutter bei einem notwendigen zweiten Auswuchtvorgang eine Abtragung an einer anderen Stelle als der Schraubenmutter vorzunehmen und somit einen Teil von wenigstens einem anderen Abschnitt als der Schraubenmutter abzutragen (= Merkmal M4a).
Damit ist der Fachmann, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, bereits beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 angelangt.
7.2.2. Hilfsantrag 2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag lediglich durch das Merkmal M5, wonach der Turboladerrotor durch zwei Lagerungen (14, 14) (anstelle der im Merkmal M1' nun nicht mehr beanspruchten einer Lagerung) drehbar gelagert ist, wobei das Turbinenlaufrad (12) an einem Ende einer Welle (10) befestigt ist, das Verdichterlaufrad (16) an dem anderen Ende der Welle (10) befestigt ist, die beiden Lagerungen (14, 14) zwischen dem Turbinenlaufrad (12) und dem Verdichterlaufrad (16) angeordnet sind und der Rotor (18) zwischen dem Verdichterlaufrad (16) und den beiden Lagerungen (14, 14) angeordnet ist.
Dieses Merkmal stellt aber lediglich einen allgemein üblichen Aufbau eines Turboladerrotors dar, der mit den üblichen Mitteln ausgewuchtet werden kann, wie auch aus den Tabellen 1 und 2 auf den Seiten 8 bis 10 der Druckschrift D3 hervorgeht, die die üblichen Auswuchtverfahren unterschiedlich aufgebauter und gelagerten Rotoren zeigt.
Eine Weiterbildung des beanspruchten Auswuchtverfahrens beinhaltet das Merkmal M5 jedoch nicht.
Damit ist der Fachmann, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, bereits beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 angelangt.
7.2.3. Hilfsantrag 3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag lediglich durch das Merkmal M6, wonach die Abtragung durch Verlagerung einer Abtragungsposition, die zur Auswuchtung hinsichtlich der Primärresonanz optimal ist, jedoch zur Auswuchtung hinsichtlich der Sekundärresonanz ungeeignet ist, zu einer Abtragungsposition, wo die Auswuchtung hinsichtlich sowohl der Primärals auch der Sekundärresonanz optimal ist, erfolgt.
Da in der Druckschrift D1 (vgl. Seite 3) angegeben ist, dass mit nur einem einzigen Auswuchtvorgang bereits eine ausreichende Korrektur sowohl der Primärals auch der Sekundärresonanz (vgl. die Figur "Ansicht der Hochlaufkurve" auf Seite 2 und die diesbezüglichen Ausführungen unter Punkt 7.1. zum Hauptantrag) erfolgen kann und der Fachmann bestrebt ist, zum einfachen und kostengünstigen Auswuchten eine gleichzeitige Auswuchtung der Primärund Sekundärresonanz vorzunehmen, wird er zwangsläufig dazu eine Abtragungsposition wählen, bei der dies tatsächlich möglich ist (und andere verwerfen). Mögliche Abtragungspositionen kann der Fachmann z. B. der Figur "Vektordarstellung der Unwucht" auf Seite 2 entnehmen. Sollte der Fachmann somit eine Abtragungsposition feststellen, die zur Auswuchtung hinsichtlich der Primärresonanz optimal ist, jedoch zur Auswuchtung der Sekundärresonanz ungeeignet ist, wird er zwangsläufig diese Abtragungsposition verwerfen und die Abtragungsposition zu einer Position, wo die Auswuchtung hinsichtlich sowohl der Primärals auch der Sekundärresonanz optimal ist, verlagern (= Merkmal M6).
Damit ist der Fachmann ohne erfinderisch tätig werden zu müssen bereits beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 angelangt.
7.2.4. Hilfsanträge 4 und 5 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 lediglich durch das bereits beim Hilfsantrag 1 abgehandelte Merkmal M4a.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 ebenfalls lediglich durch das bereits beim Hilfsantrag 1 abgehandelte Merkmal M4a.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Hilfsantrag 1 verwiesen, die auch bei den Patentansprüchen 1 gemäß den Hilfsanträgen 4 und 5 uneingeschränkt gelten.
Wie aus diesen Ausführungen somit ohne Weiteres hervorgeht, gelangt der Fachmann ohne erfinderisch tätig werden zu müssen ausgehend vom aus der Druckschrift D1 bekannten Stand der Technik und unter Anwendung der aus der Druckschrift D3 bekannten Lehren in naheliegender Weise zu den Gegenständen der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 4 und 5.
8. Auch die Unteransprüche gemäß Hauptund Hilfsanträgen lassen, wie der Senat überprüft hat, eine erfindungsbegründende Substanz nicht erkennen, was von der Patentinhaberin auch nicht geltend gemacht wurde.
Daher ist das Patent insgesamt zu widerrufen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Dr. Müller Pü
BPatG:
Beschluss v. 15.12.2010
Az: 21 W (pat) 303/08
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