Oberlandesgericht München:
Urteil vom 25. November 2009
Aktenzeichen: 7 U 4007/09
(OLG München: Urteil v. 25.11.2009, Az.: 7 U 4007/09)
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Vorbehalts- und Endurteil des Landgerichts München I vom 26.06.2009, Az: 20 O 22321/07, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Senat legt die tatsächlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil zu Grunde. Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Berufungsbegründung des Klägers und die Berufungserwiderung des Beklagten sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen. Das Erstgericht hat der Klage, mit der der Kläger im Wege des Urkundsprozesses Zahlung von Anwaltshonorar in Höhe von insgesamt 6.863,80 Euro aufgrund einer Honorarvereinbarung begehrt, nur zum Teil unter Vorbehalt stattgegeben, indem es den Beklagten zur Zahlung von 1.508,80 Euro nebst Zinsen verurteilte und durch Endurteil im übrigen die Klage abwies.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der mit seiner Berufung eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von weiteren 5.355,80 Euro begehrt. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich als nicht erfolgreich. Zu Recht hat das Erstgericht ihm einen Anspruch auf Zahlung von Honorar über den tenorierten Betrag in Höhe von 1.508,80 Euro hinaus (unter Berücksichtigung der Anzahlung in Höhe von 300,00 Euro) nicht zuerkannt.
4Das Landgericht hat mit ausführlicher und zutreffender Begründung festgestellt, dass die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung über ein dem Kläger für seine außergerichtliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Einbürgerung der beiden Söhne des Beklagten zu zahlendes Honorar in Höhe von 6.000,00 Euro wirksam ist und den formellen Anforderungen des § 4 Abs. 1 RVG in der zum Zeitpunkt der Vereinbarung maßgeblichen Fassung genügt. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Erstgericht eine Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung gem. § 138 Abs. 1 und 2 BGB verneinte. Der Senat teilt die Auffassung, wonach die vereinbarte Nettovergütung die gesetzliche um mehr als das Siebenfache übersteigt. Insbesondere ist der Auffassung des Klägers, die er auch in seiner Berufungsbegründung näher ausführt, es handle sich um zwei Angelegenheiten mit jeweils einem Streitwert von 10.000,00 Euro, für die gesondert die Gebühren zu berechnen seien, nicht zu folgen. Mit zutreffenden Erwägungen ist das Erstgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich zwar um verschiedene Gegenstände aber um dieselbe Angelegenheit handelt, §§ 15, 22 Abs. 1 RVG, mit der Folge, dass die Streitwerte der beiden Gegenstände (Einbürgerung der beiden Söhne) zu addieren sind. Bei einem Streitwert von 20.000,00 Euro ergibt sich eine Anwaltsvergütung in Höhe von 839,80 Euro. Damit besteht zwischen der vereinbarten Vergütung und der gesetzlich festgesetzten ein auffälliges Missverhältnis.
Da im vorliegenden Fall vor Beendigung der Tätigkeit des Klägers das Vertragsverhältnis durch den Beklagten gekündigt wurde, steht dem Kläger nur ein seiner bisher erbrachten Leistung entsprechender Teil der Gesamtvergütung zu. Der Kläger ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht und mit nicht ausreichender Begründung bzw. mangelnder Sachverhaltsaufklärung angenommen, dass seine Tätigkeit bis zur Beendigung des Vertrags einen Umfang von lediglich ¼ der vertraglich vereinbarten und geschuldeten Leistung umfasst habe. Es sei vielmehr so, dass er mit den zwei Besprechungen mit dem Beklagten, der rechtlichen Prüfung der Angelegenheit und dem Schreiben vom 19.10.2007 alle wesentlichen Tätigkeiten erbracht habe, so dass ihm das Gesamthonorar zustehe. Das Landgericht habe sich nicht hinreichend dazu geäußert, welche weiteren Tätigkeiten er noch hätte entfalten müssen. Außerdem hätte es im Urkundsprozess eine Schätzung gem. § 287 Abs. 2 ZPO nicht vornehmen dürfen. Hinzu kommt, dass es ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer hätte einholen müssen.
Diese Einwände vermögen jedoch nicht zu überzeugen und der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Voranzustellen ist zunächst, dass eine Schätzung des Umfangs der tatsächlich geleisteten Tätigkeit des Klägers im Verhältnis zur aufgrund des Vertrags geschuldeten Gesamttätigkeit auch im Urkundsprozess zulässig ist, § 597 Abs. 1, 1. Alt. ZPO. Die durch das Landgericht vorgenommene Schätzung der Relation zwischen der vom Kläger erbrachten Leistung und der gemäß Vertrag geschuldeten Gesamtleistung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere ist dem Kläger nicht zu folgen, wenn er meint, er habe Anspruch auf die Gesamthöhe des vereinbarten Honorars, weil er "so gut wie die gesamte von ihm geschuldete Leistung innerhalb des von der Honorarvereinbarung umfassten Tätigkeitsbereichs noch vor der Kündigung des Beklagten bereits erbracht" habe. Auch wenn man zu Grunde legt, dass der Kläger zwei Besprechungen mit dem Beklagten abgehalten, die Rechtslage geprüft und das Ergebnis dieser Überprüfung dem Beklagten im Schreiben vom 19.10.2007 (Anlage K 2) mitgeteilt hat, ergibt sich insbesondere und gerade auch aus dem zitierten Schreiben, dass auch nach den Vorstellungen des Klägers selbst weiteres Tätigwerden seinerseits in erheblichem Umfang notwendig gewesen wäre. So verweist er bezüglich der Anerkennungserklärung darauf, dass "wir" diese in jedem Fall der Behörde vorlegen müssen und fordert den Beklagten auf, ihm die Anerkennungserklärung zuzuleiten. Hinzu kommt, dass weitere Aktivitäten gegenüber den Behörden von seiner Seite als notwendig und beabsichtigt angesehen wurden. Unter Abwägung dieser Aspekte ist die Annahme, dass der Kläger bis zum Zeitpunkt der Kündigung lediglich ¼ der notwendigen und geschuldeten Tätigkeit im Zusammenhang mit der Einbürgerung der Söhne des Beklagten entfaltet hat, nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die wesentlichen Aspekte und Anknüpfungstatsachen für seine Schätzung zutreffend ausgeführt.
7Soweit der Kläger meint, das Erstgericht hätte ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer einholen müssen, verkennt er die Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses der Honorarvereinbarung. Bei vorzeitiger Beendigung des Mandats - wie im vorliegenden Fall - ist zunächst zu prüfen, welcher Teil des vereinbarten Pauschalhonorars dem Anwalt gem. § 628 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht. Erst dann, wenn der dem Rechtsanwalt zustehende Teil noch immer wesentlich höher ist als der gesetzliche, kommt eine weitere Herabsetzung nach § 4 Abs. 4 RVG (Stand: 01.07. bis 31.12.2007) in Betracht, die erst nach Einholung eines Gutachtens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer erfolgen darf. § 628 BGB ist gegenüber § 4 Abs. 4 RVG vorrangig (vgl. BGH vom 18.03.2004, Az: IX ZR 177/03 zu § 3 Abs. 3 BRAGO). Da im vorliegenden Fall der dem Kläger zustehende Teil nicht wesentlich höher ist als der gesetzliche, wie das Erstgericht zutreffend feststellte, und damit eine weitere Herabsetzung der Vergütung nicht in Betracht kommt, bedarf es auch eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer nicht.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Kosten: § 91 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.
OLG München:
Urteil v. 25.11.2009
Az: 7 U 4007/09
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