Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 19. Januar 2012
Aktenzeichen: 6 U 262/10
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 19.01.2012, Az.: 6 U 262/10)
Die Werbeaussage, ein Produkt helfe, Phasen der Schwäche zu überbrücken, stellt eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der HCVO dar, die - solange sie nicht in die Liste der zugelassenen Angaben eingetragen ist - nur verwendet werden darf, wenn allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise für ihre Richtigkeit erbracht worden sind.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.10.2010 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt €X€ zu werben wie folgt:
€Er€ hilft Phasen der Schwäche zu überbrücken: Zum Beispiel vor und im Wettkampf, im Training, im Job, im Auto, aber auch bei Krankheit.€,
wenn dies geschieht wie in der Anlage K3 zur Klageschrift wiedergegeben. Außerdem hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2010 zu zahlen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei prozessführungsbefugt, weil er die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erfülle. Die Klage sei auch begründet, weil die beanstandete Werbung gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB verstoße. Bei dem von der Beklagten beworbenen Produkt handelt es sich um ein Lebensmittel, für welches irreführend geworben werde. Die beanstandete Werbeaussage werde von den angesprochenen Verbrauchern so verstanden, dass es sich um ein Mittel handele, welches der wirksamen Stärkung der körperlichen Konstitution diene. Es handele sich somit um eine Wirksamkeitsbehauptung bezüglich des beanstandeten Produkts, deren wissenschaftliche Absicherung die Beklagte zu beweisen habe, ohne den Beweis geführt zu haben. Die beanstandete Werbung verstoße zudem gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB und gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 5 Abs. 1, 13 Abs. 1 lit. a, 28 Abs. 5 HCVO. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, bei der beanstandeten Werbung handele es sich weder um eine krankheitsbezogene Aussage im Sinne von § 12 LFGB noch um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der HCVO.
Vielmehr werde das Produkt wie ein normales Lebensmittel beworben, dessen positive Wirkung auf die Gesundheit angesichts seiner sättigenden Funktion außer Frage stehe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.10.2010 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, ist der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Ihm gehören insbesondere genügend Unternehmen an, die Waren bzw. gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt anbieten. Hier ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf das Gebiet der Milchwirtschaft, sondern auf den Markt für Nahrungsergänzungsmittel abzustellen.
Der zuerkannte Unterlassungsanspruch folgt jedenfalls aus Art. 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 10 Abs. 1, 13 Abs. 1lit. a und 28 Abs. 5 HCVO in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Die vom Kläger beanstandeten Werbeaussage ist als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO anzusehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezeichnet der Begriff €gesundheitsbezogene Angabe€ für die Zwecke der HCVO jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht (BGH, GRUR 2011, 246 Tz. 6 € Gurktaler Kräuterlikör). Darüber hinaus erfasst die HCVO auch Verweise auf nicht spezifische allgemeine Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden (BGH a.a.O., Tz. 7).
Die streitgegenständliche Aussage ist gesundheitsbezogen im Sinne dieser Definition, denn sie stellt einen Zusammenhang zwischen dem Konsum des beworbenen Produkts und der Gesundheit des Anwenders her. Evident ist dies, soweit dem Produkt die Wirkung beigemessen wird, Phasen der Schwäche selbst bei Krankheit zu überbrücken. Aber auch soweit dem Produkt die Fähigkeit zugeschrieben wird, Phasen der Schwäche in anderen Lebenssituationen zu überbrücken, weist die Werbung einen Gesundheitsbezug auf, der sich entgegen der Auffassung der Beklagten mitnichten in der sättigenden Wirkung der beworbenen Kolostrum-Milch erschöpft. Phasen der Schwäche zu überbrücken ist gleichbedeutend damit, den Organismus zu stärken und damit die Gesundheit zu fördern. Der Gesundheitsbezug ist hier sogar deutlich stärker vorhanden als etwa bei der Bewerbung eines Kräuterlikörs als €wohltuend€, was der Bundesgerichtshof (a. a. O.) in der Entscheidung €Gurktaler Kräuterlikör€ ebenfalls als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO angesehen hat.
Die beanstandete Aussage ist nach Art. 10 Abs. 1 HCVO verboten, weil die Beklagte die Richtigkeit der von ihr für ihre Produkte in Anspruch genommenen gesundheitsbezogenen Angaben entgegen Art. 5 Abs. 1 lit. a HCVO nicht anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise erbracht hat. Sie hat zum einen in der Berufungsinstanz einen Erfahrungsbericht von Dr. ... vorgelegt, nach dem 46 an Brustkrebs erkrankte Patientinnen in zwei Gruppen geteilt worden waren, von denen eine das Präparat €Y€ erhalten hat und die andere nicht. Der Erfahrungsbericht führt aus, die Zellpopulation bei den Patientinnen der ersten Gruppe sei deutlich verbessert gewesen.
An dieser Studie ist zum einen zu bemängeln, dass sie nicht doppelblind durchgeführt worden ist. Vor allem bezieht sie sich nicht auf das hier streitgegenständliche Produkt und hat auch nicht die hier beworbene Wirkung der Überbrückung von körperlicher Schwäche im Wettkampf, im Training, bei Krankheit usw. zum Gegenstand. Ähnlich wenig aussagekräftig ist die Studie von ... et al., bei der die Probanden ein Kolostrum-Produkt verabreicht bekommen haben, ohne dass ersichtlich wäre, in welcher Menge und welcher Zusammensetzung. Diese Frage drängt sich nicht zuletzt deshalb auf, weil in dem streitgegenständlichen Produkt lediglich 4 Gramm der sogenannten Biestmilch und ein €kleiner Kick Guarana€ enthalten ist.
Eine Werbung unter Verstoß gegen die HCVO ist zugleich ein Wettbewerbsverstoß, weil es sich bei den Bestimmungen der HCVO um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG handelt (BGH GRUR 2011, 246 Tz. 12 € Gurktaler Kräuterlikör mit weiteren Nachweisen).
Den Aufwendungsersatzanspruch für die vorgerichtliche Abmahnung hat das Landgericht mit Recht aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zugesprochen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 19.01.2012
Az: 6 U 262/10
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