Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. März 2011
Aktenzeichen: 19 W (pat) 42/07

(BPatG: Beschluss v. 23.03.2011, Az.: 19 W (pat) 42/07)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 M des Deutschen Patentund Markenamts vom 25. Juni 2007 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Ansteuervorrichtung für eine Gleichrichterschaltung Anmeldetag: 22. September 2005 Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde: Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag und Beschreibungsseiten 1, 3, 4 und 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung, übrige Beschreibungsseiten 2 und 6 bis 8 sowie 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, jeweils vom Anmeldetag 22. September 2005.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H 02 M -hat die am 22. September 2005 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 25. Juni 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit basiere.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht und stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 M des Deutschen Patentund Markenamts vom 25. Juni 2007 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit der Bezeichnung "Ansteuervorrichtung für eine Gleichrichterschaltung"

und den folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag und Beschreibungsseiten 1, 3, 4 und 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung, übrige Beschreibungsseiten 2 und 6 bis 8 sowie 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, jeweils vom Anmeldetag.

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet unter Einfügung einer Gliederung:

"Ansteuervorrichtung für eine aktive Gleichrichterschaltung (T1 bis T6) mita) -einem Komparator (K1), der einen Referenzspannungseingang (+), einen Messspannungseingang (-), einen ersten Versorgungseingang (E1) und einen zweiten Versorgungseingang (E2) aufweist, b) wobei der erste Versorgungseingang (E1) mit einer Bootstrap-Schaltung, die eine Gleichspannung liefert, c) und der Messspannungseingang (-) mit einer ersten Wechselspannungsleitung (V) verbunden ist, d) und wobei mit dem Ausgang (A) des Komparators (K1) ein Schalter der Gleichrichterschaltung (T1 bis T6) ansteuerbar ist, unde) -einer Messschaltung, die zwischen den Messspannungseingang (-) und den Referenzspannungseingang (+) des Komparators (K1) geschaltet iste1) und die zumindest das Vorzeichen der Spannung zwischen der ersten Wechselspannungsleitung (V) und dem Referenzspannungseingang (+) am Messspannungseingang (-) des Komparators (K1) abbildet, wobeie2) der Referenzspannungseingang (+) mit Hilfe eines Widerstands (R3) an die Bootstrap-Schaltung angeschlossen ist, gekennzeichnet durchf) - eine Potentialverschiebungsschaltung (D5, D6), f1) die zwischen den Referenzspannungseingang (+) und denzweiten Versorgungseingang (E2), der an eine zweite Wechselspannungsleitung (U) anschließbar ist, geschaltet istf2) und zwischen diesen Anschlüssen eine zusätzliche Spannung einprägt, wobeif3) -die Potentialverschiebungsschaltung aus einer Diode oder einer Reihenschaltung mehrerer Dioden besteht."

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.

1. Die Anmeldung betrifft eine Ansteuervorrichtung für eine aktive Gleichrichterschaltung. Die Beschreibung nennt als Stand der Technik eine Schaltung mit jeweils zwei Komparatoren, die die Potentiale der Phasen miteinander vergleichen. Als Nachteil wird genannt, dass die Komparatoren in Bezug auf das Potential der jeweiligen Phasen sowohl eine positive als auch eine negative Versorgungsspannung benötigen.

Aufgabe der Erfindung sei es deshalb, eine einfache und kostengünstige Spannungsversorgung für Gleichrichter zur Verfügung zu stellen (Beschreibung S. 3, Abs. 4).

Dazu wird eine Schaltung nach Anspruch 1 mit einer Potentialverschiebungsschaltung am Referenzspannungseingang vorgeschlagen, bei der auf eine negative Versorgungsspannung verzichtet werden kann.

2.

Bei dieser Sachlage sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Entwicklung von Stromrichter-Steuerschaltungen als Fachmann.

3.

Die Ansprüche sind ursprünglich offenbart Die Ergänzungen in Merkmal b) und e2) sind im letzten Absatz der Seite 6 (Offenlegungsschrift Abs. 0024) offenbart. Das Merkmal f3) entspricht dem ursprünglichen Anspruch 2. Die Ansprüche 2 bis 6 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3, 4, 5, 7 und 8.

4.

Einzelne Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen näherer Erläuterung:

Der Fachmann versteht unter einer aktiven Gleichrichterschaltung Gleichrichter mit Schaltern statt Dioden. Bei den Schaltern auf der Hochspannungsseite muss dabei die Versorgungsspannung für die Ansteuerelektronik zum Beispiel durch eine Bootstrap-Schaltung auf das hohe Potential angehoben werden. Für jeden Schalter auf der Hochspannungsseite ist eine anmeldungsgemäße Ansteuervorrichtung vorgesehen.

Merkmal e1) versteht der Fachmann so, dass die Messschaltung eine Spannung zwischen dem Referenzspannungseingang (+) und dem Messspannungseingang (-) erzeugt, die das Vorzeichen der Spannung zwischen der ersten Wechselspannungsleitung (V) und dem Referenzspannungseingang abbildet.

Merkmal f1 versteht der Fachmann so, dass der zweite Versorgungseingang (E2), an eine zweite Wechselspannungsleitung (U) angeschlossen ist.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu (§ 3 PatG).

Die DE 199 13 634 A1 zeigt in Fig. 6 eine Ansteuerschaltung für die oberen Brückenzweige eines Gleichrichters (s. Fig. 3). Für den Zweig mit dem Transistor T1 sind dabei zwei Komparatoren 34, 35 vorgesehen, die von den Versorgungsspannungen V T+ 1 und V T 1 versorgt werden (Sp. 4, Z. 54 bis 58 i. V. m. Sp. 3, Z. 58 bis 60 und Fig. 8, 9 m. Beschr. Sp. 5 Z. 42 bis 60). Diese Versorgungsspannungen werden zwar als potentialfrei bezeichnet, sind aber tatsächlich nach Art einer Bootstrapschaltung über die Zenerdioden 66 und die dazu parallel geschalteten Kondensatoren an die Spannung Uu gebunden als Uu +/-Vzener.

Damit ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt, eine:

"Ansteuervorrichtung für eine aktive Gleichrichterschaltung (T1 bis T6) mita) einem Komparator (34), der einen Referenzspannungseingang (+), einen Messspannungseingang (-), einen ersten Versorgungseingang (V T+ 1 ) und einen zweiten Versorgungseingang (V T 1 ) aufweist, b) wobei der erste Versorgungseingang (V T+ 1 ) mit einer Bootstrap-Schaltung (Fig. 8, 9), die eine Gleichspannung liefert, c) und der Messspannungseingang (-) mit einer ersten Wechselspannungsleitung (Uu) verbindbar ist, d) und wobei mit dem Ausgang des Komparators (34) die Gleichrichterschaltung (T1 bis T6, über eine Treiberstufe) ansteuerbar ist, und e) einer Messschaltung (antiparallele Dioden am Komparatoreingang), die zwischen den Messspannungseingang (-) und den Referenzspannungseingang (+) des Komparators (34) geschaltet ist e1) und die zumindest das Vorzeichen der Spannung (+/-0,7V der antiparallelen Dioden am Komparatoreingang) zwischen der ersten Wechselspannungsleitung (Uu) und dem Referenzspannungseingang (+) am Messspannungseingang (-) des Komparators (34) abbildet.

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 werden dort die Komparatoren sowohl mit positiver als auch negativer Spannung versorgt. Eine Potentialverschiebungsschaltung (Merkmal f bis f3) ist dort ebenso wenig vorgesehen, wie eine Verbindung des Referenzspannungseingangs mit der Versorgungsspannung. Das Merkmal e2) wäre also bei exakter Abgrenzung dem kennzeichnenden Teil zuzurechnen.

Das Buch von Schlenzig, E2, zeigt in Bild 4.33 einen unsymmetrisch betriebenen Verstärker, dessen zweiter Versorgungseingang an Masse liegt. Sie wird verwendet, wenn eine zweite Betriebsspannung unbequem ist (S. 79, l. Sp., Z. 6 bis 9).

Das Buch Schlenzig zeigt mit den Worten des Anspruchs 1 f) eine Potentialverschiebungsschaltung (R3), f1teilw) die zwischen den Referenzspannungseingang (+) und denzweiten Versorgungseingang (Masse) geschaltet istf2) und zwischen diesen Anschlüssen eine zusätzliche Spannung einprägt.

Die weiteren noch im Verfahren befindlichen Druckschriften wurden in der mündlichen Verhandlung weder vom Senat noch von den Beteiligten aufgegriffen. Sie bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.

6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Ausgehend von der Anordnung nach DE 199 13 634 A1 stellt sich dem Fachmann die Aufgabe (Seite 3 Abs. 4) von selbst, denn er wird stets bestrebt sein, nach Vereinfachungen und Einsparpotential zu suchen. Dabei wird er auch die Möglichkeit eines Komparators mit nur einer Speisespannung und verschobenen Eingangspotentialen in Betracht ziehen, die der Senat dem Fachwissen zurechnet. Auch die Verwendung von Dioden mag nach dem Vorbild der schon in der DE 199 13 634 A1 gezeigten antiparallelen Dioden am Spannungseingang angeregt sein. Dabei ergäbe sich jedoch folgende Schwierigkeit:

Im Unterschied zur üblichen Verwendung von Komparatoren ist das Bezugspotential -die "Masse" eine Phasenspannung des Drehspannungssystems; zwischen dem negativen Versorgungsspannungseingang ("Masse" = Phase U) und der zu messenden Phasenspannung (Phase V) liegt also eine Wechselspannung an. Ist das Potential der Phase V größer als das Potential der Phase U, liegt an den Dioden der Potentialverschiebungsschaltung die gewünschte doppelte Schwellenspannung. Bei umgekehrter Polarität würden jedoch die Dioden sperren, und die gesamte Spannung (bei der üblichen Nennspannung von 400 V maximal 565 V) läge an den gesperrten Dioden, und damit zwischen zweitem Speisespannungseingang und Bezugsspannungseingang des Komparators. Die Verwendung von antiparallelen Dioden, wie an den Komparatoreneingängen, würde zwar die Spannung auf für den Komparator ungefährliche Werte begrenzen, aber immer noch eine negative statt der gewünschten positiven Spannungsverschiebung erzeugen. Erfindungsgemäß ist nun ein Widerstand R3 vorgesehen, der einen Strom durch die Dioden treibt und das Potential an dem Bezugsspannungseingang auf die gewünschten Schwellenspannungen der Dioden anhebt (vgl. Beschreibung S. 7, Abs. 3; Offenlegungsschrift Abs. 0026; dass der Widerstand R3 dazu wesentlich kleiner als der Widerstand R1 sein muss, ist zwar dort nicht beschrieben, kann der Fachmann aber nach Überzeugung des Senats aus der beschriebenen Funktion ohne Weiteres erkennen). Das Buch von Schlenzig zeigt in Bild 4.33 zwar ebenfalls einen Widerstand R3(2) zwischen dem positiven Versorgungsspannungseingang und dem Bezugsspannungseingang (+). Er dient aber nicht der Vermeidung sehr hoher Eingangsspannungen, die nur in Verbindung mit dort nicht verwendetet Dioden auftreten.

In dem hier vorliegenden Spezialfall einer hohen Wechselspannung zwischen dem negativen Versorgungsspannungseingang (U) und der zu messenden Phasenspannung (V) ergibt erst die Kombination der Dioden D5, D6 der Bootstrap-Schaltung und des sie verbindenden Widerstands R3 die gewünschte positive Potentialverschiebung für beide Polaritäten der Wechselspannung. Dafür gab es im Stand der Technik keinen Hinweis.

Um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 zu kommen, bedurfte es somit erfinderischer Überlegungen.

Bertl Kirschneck Dr. Scholz J. Müller Ko






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Beschluss v. 23.03.2011
Az: 19 W (pat) 42/07


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