Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Urteil vom 20. April 1990
Aktenzeichen: 14 S 586/89
(VGH Baden-Württemberg: Urteil v. 20.04.1990, Az.: 14 S 586/89)
1. Unterhält eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Bezirk einer Industrie- und Handelskammer weder eine gewerbliche Niederlassung noch eine Betriebsstätte noch eine Verkaufsstelle, ist sie auch dann nicht kammerbeitragspflichtig, wenn in dem maßgeblichen Gewerbesteuerzerlegungsbescheid ein Zerlegungsanteil auf einen Ort im Bezirk der Industrie- und Handelskammer entfällt, wenn dort eine Gewerbeanmeldung vorliegt und die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist.
Tatbestand
Die Beklagte zog die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, mit Beitragsbescheid vom 30.05.1986 für das Jahr 1986 zu einem Kammerbeitrag in Höhe von DM 493,24 heran. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 23.06.1986 und führte aus, Beitragszahlungen erübrigten sich, weil sie seit Ende 1985 keine Geschäftstätigkeit mehr ausübe und still liquidiert werde. Gegen einen weiteren Beitragsbescheid vom 30.04.1987 für das Jahr 1987 in Höhe von DM 521,45 legte die Klägerin mit Schreiben vom 27.05.1987 Widerspruch ein und trug ergänzend vor, sie unterhalte bereits seit Ende 1985 in K. weder ein Büro noch eine sonstige Betriebsstätte. Daher sei sie weder 1986 noch 1987 in K. kammerzugehörig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.1987 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin mit der Begründung zurück, laut Mitteilung des Gewerbeamtes der Stadt ... und des Finanzamts ... sei die Klägerin in K. noch gewerblich gemeldet und werde dort auch weiterhin zu Gewerbesteuer veranlagt. Außerdem befinde sich auch ihr statuarischer Sitz in K.. Damit seien die Voraussetzungen für die Kammerzugehörigkeit und die Beitragspflicht der Klägerin erfüllt. Auch während der gesamten Liquidationsphase bleibe die Klägerin kammerzugehörig und beitragspflichtig.
Die Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und beantragt, die Beitragsbescheide der Beklagten vom 30.05.1986 und vom 30.04.1987 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 03.09.1987 aufzuheben. Sie hat geltend gemacht, die Unterhaltung einer gewerblichen Niederlassung, Betriebsstätte oder Verkaufsstelle i.S.v. § 2 Abs. 1 IHKG erfordere das Vorhandensein einer festen Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ausgeübt werde. Dieses Erfordernis sei seit Ende 1985 bei ihr nicht erfüllt. Seit der damaligen Aufgabe des K. Büros erinnere dort nichts mehr an sie. Es treffe zwar zu, daß sie nach wie vor in K. gewerblich gemeldet und im dortigen Handelsregister mit ihren statuarischen Sitz eingetragen sei. Auf diese Eintragungen komme es aber für die Frage der Beitragspflicht nicht an, da sie als bloße Formalakte nichts an ihrer physischen Nicht-Präsenz in K. änderten. Die gewerbesteuerliche Veranlagung für das Jahr 1985 sei vom Finanzamt ... nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit aufgrund einer Zuständigkeitsvereinbarung gemäß § 27 AO durchgeführt worden. Die Steuererklärungen für 1986 seien dann im August 1987 beim Finanzamt F. abgegeben worden. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin bleibe auch während der Liquidationsphase kammerzugehörig und beitragspflichtig, solange sie in K. gewerblich gemeldet sei, im dortigen Handelsregister eingetragen sei und vom Finanzamt ... zur Gewerbesteuer veranlagt werde.
Durch Urteil vom 02.12.1988 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die in § 2 Abs. 1 IHKG genannten Voraussetzungen für eine Kammerzugehörigkeit der Klägerin in K. und damit für ihre Beitragspflicht gemäß § 3 Abs. 2 und 3 IHKG i.V.m. der Beitragsordnung der Beklagten seien auch noch in den Jahren 1986 und 1987 erfüllt gewesen. Die Klägerin gehöre als GmbH zu den in § 2 Abs. 1 IHKG genannten Personen und Vereinigungen. Daß sie sich in stiller Liquidation befinde, ändere an ihrer Kammerzugehörigkeit und Beitragspflicht nichts. Denn bei einer Kapitalgesellschaft sei auch während der Liquidationsphase ein Gewerbebetrieb anzunehmen, solange nicht die Absicht, sich gewerblich betätigen zu wollen, nach dem im Handelsregister vermerkten Zweck des Unternehmens ausgeschlossen sei. Was Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sei, bemesse sich nämlich nach der auf den Angaben der Klägerin selbst beruhenden und im Geschäftsverkehr maßgeblichen Eintragung in das Handelsregister. Ob und in welchem Umfang die Klägerin die als Gegenstand ihres Unternehmens im Handelsregister eingetragenen Tätigkeiten tatsächlich noch ausübe, sei für die Frage ihrer Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten unerheblich. Es könne auch nicht Sache der Beklagten sein, im Einzelfall jeweils zu prüfen, ob und inwieweit die im Handelsregister eingetragenen Tätigkeiten tatsächlich noch ausgeübt würden. Wenn die Organe oder Vertreter eines Unternehmens es aus steuerlichen oder sonstigen Gründen nicht für geboten erachteten, das Erlöschen der Firma oder die Eingrenzung des Unternehmenszwecks zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, so müßten sie dies nach § 15 HGB gegen sich gelten lassen. Auch für die Frage, ob die Klägerin 1986 und 1987 im Bezirk der Beklagten eine gewerbliche Niederlassung, eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten habe, könne es allein darauf ankommen, daß die Klägerin in diesen Jahren noch mit Sitz in K. im Handelsregister eingetragen und gewerblich gemeldet gewesen sei. Es fehle schließlich auch nicht an dem Erfordernis einer Veranlagung zur Gewerbesteuer. Die in § 2 Abs. 1 IHKG genannte Gewerbesteuerveranlagung bezeichne die objektive Gewerbesteuerpflicht. Kammerzugehörig sei deshalb auch ein Unternehmen, das einen Freistellungsbescheid erhalte. Es sei daher unerheblich, daß das Finanzamt ... im Gewerbesteuermeßbescheid 1985 vom 21.04.1987 für die Klägerin einen Gewerbesteuermeßbetrag von DM 0,00 festgesetzt habe.
Gegen das ihr am 12.01.1989 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 13.02.1989, Berufung eingelegt. Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 02.12.1988 zu ändern und die Beitragsbescheide Beklagten vom 30.05.1986 und vom 20.04.1987 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 03.09.1987 aufzuheben.
Sie trägt ergänzend vor, sie bestreite nicht, daß ihre Abwicklungstätigkeit im Wege der stillen Liquidation gewerblichen Charakter habe und daß sie als Kapitalgesellschaft bis zum Ende der Liquidationsphase der Gewerbesteuerpflicht unterliege. § 2 Abs. 1 IHKG verlange aber als weitere Voraussetzung der Kammerzugehörigkeit und damit der Beitragspflicht, daß im betreffenden IHK-Bezirk eine gewerbliche Niederlassung, eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten werde. Dabei komme es auf die im jeweiligen Beitragsjahr gegebenen Verhältnisse an. Daß die Beklagte gemäß ihrer Beitragsordnung bei der Bemessung der Kammerbeiträge an zurückliegende Jahre anknüpfe, sei daher für die Frage, ob eine Beitragspflicht dem Grunde nach bestehe, ohne Belang. Den genannten Einrichtungen sei gemeinsam, daß in ihnen die Tätigkeit des Unternehmens faktisch ausgeübt werde. Insbesondere liege eine Betriebsstätte, für die die Betriebsdefinition des § 12 AO maßgebend sei, nur dann vor, wenn irgendwelche Anlagen oder Einrichtungen vorhanden seien, welche die Möglichkeit böten, betriebliche Handlungen vorzunehmen. Derartige Anlagen oder Einrichtungen seien aber in den betreffenden Jahren 1986 und 1987 in K. gerade nicht mehr vorhanden gewesen. Das von ihr in K. unterhaltene Büro sei vor dem Jahresende 1985 geräumt worden, die Akten seien überwiegend nach F. in Verwahrung gegeben worden. An sie nach K. gerichtete Post sei ihr über einen Nachsendeantrag zugeleitet worden. Weder aus der Gewerbeanmeldung noch aus der Handelsregistereintragung könne auf das Vorliegen einer Betriebsstätte in K. geschlossen werden. Daß das Verwaltungsgericht die Kammerzugehörigkeit an Registervorgänge knüpfe, bedeute eine unzulässige Ausweitung des Tatbestandes des § 2 Abs. 1 IHKG. Die Handelsregistereintragung könne nur dann den Rechtsschein einer Betriebsstätte in K. setzen, wenn eine GmbH auch verpflichtet wäre, an ihrem statuarischen Sitz eine Betriebsstätte zu unterhalten. Dies sei aber nicht der Fall, wie sich aus § 3 GmbHG in Abweichung von § 5 AktG ergebe. Deshalb könne sich eine GmbH auch räumlich vollständig von dem Ort ihres Sitzes lösen und diesen Ort dennoch als statuarischen Sitz beibehalten. Der Rechtsschein einer Betriebsstätte könne sich auch nicht aus der Anmeldepflicht für die Verlegung der Niederlassung gemäß §§ 31, 29, 15 Abs. 1 HGB ergeben. Denn die Beklagte habe von der Liquidation und der Beendigung der Geschäftstätigkeit in K. frühzeitig Kenntnis erhalten. Auch daraus, daß sie in den Jahren 1986 und 1987 zur Gewerbesteuer veranlagt worden sei, könne für eine Kammerzugehörigkeit gerade im Bezirk der Beklagten nichts hergeleitet werden. Zum einen sei die Gewerbesteuerveranlagung für die betreffenden Jahre vom Finanzamt F. durchgeführt worden, weil das Finanzamt K. wegen Fehlens einer Betriebsstätte gemäß §§ 22 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht mehr örtlich zuständig gewesen sei. Zum anderen sei wegen des Fehlens einer Betriebsstätte in K. in den Jahren 1986 und 1987 der Stadt K. kein Meßbetragsanteil mehr im Zerlegungsverfahren nach §§ 28 bis 34 GewStG zugewiesen worden. Der Gewerbesteuermeßbetrag sei vielmehr in vollem Umfang auf die Stadt F. entfallen.
Die Beklagte beantragt:
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend und trägt ergänzend vor, für die Beitragsjahre 1986 und 1987 sei gemäß der Beitragsordnung die drei Jahre zurückliegende Gewerbesteuerveranlagung der Jahre 1983 und 1984 zugrundegelegt worden. Für diese Jahre sei aber die Veranlagung originär durch das Finanzamt K., nicht durch das Finanzamt F. erfolgt. Da praktisch nicht nachgeprüft werden könne, ob die Klägerin in K. selbst Anlagen oder Einrichtungen zur betrieblichen Betätigung unterhalten habe, müßten Gewerbeanmeldung, Handelsregistereintragung und Gewerbesteuerveranlagung in K. für die Annahme einer dortigen Betriebsstätte genügen.
Ergänzend wird auf das Urteil des Verwaltungsgerichts und die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Dem Senat liegt 1 Bd. Akten der Beklagten vor, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Gründe
Mit dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide sind rechtswidrig und verletzen sie in ihren Rechten. Sie sind deshalb auf die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin aufzuheben.
Gemäß § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern -- IHKG -- vom 18.12.1956 (BGBl. I S. 920), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.12.1976 (BGBl. I S. 3341), erheben die Industrie- und Handelskammern Beiträge von ihren Kammerzugehörigen. Gemäß § 2 Abs. 1 IHKG gehören zur Industrie- und Handelskammer, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere nicht rechtsfähige Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer entweder eine gewerbliche Niederlassung oder eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten. Damit enthält § 2 Abs. 1 drei Voraussetzungen, eine organisationsrechtliche, eine sachliche und eine räumliche (vgl. zur Begriffsbildung BVerwG, Urteil vom 24.09.1965, BVerwGE 22, 58), die nebeneinander vorliegen müssen, um eine Kammerzugehörigkeit zu begründen. Im vorliegenden Fall fehlt es an der räumlichen Voraussetzung des § 2 Abs. 1 IHKG. Die Klägerin hat nämlich in den maßgeblichen Jahren 1986 und 1987 im Bezirk der Beklagten eine gewerbliche Niederlassung, eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle nicht unterhalten. Die Jahre 1986 und 1987 sind maßgeblich, obwohl die Beklagte gemäß ihrer Beitragsordnung bei der Bemessung der Kammerumlagen jeweils die drei Jahre zurückliegenden Gewerbesteuermeßbeträge zugrundelegt -- was unbedenklich ist (vgl. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.07.1985, GewArch 1985, 368) --. Denn diese Bemessungsgrundlage ändert nichts daran, daß ein Beitrag nur von den im Beitragsjahr Kammerzugehörigen erhoben werden kann. Eine gewerbliche Niederlassung ist nur vorhanden, wenn der Gewerbetreibende einen zum dauernden Gebrauch eingerichteten, ständig oder in regelmäßiger Wiederkehr von ihm benutzten Raum für den Betrieb seines Gewerbes besitzt. Der Raum muß seiner Zweckbestimmung nach für die Ausübung des Gewerbes bestimmt sein, er muß auch gewisse, dem Gewerbebetrieb dienende Einrichtungen (z.B. Büromöbel, Geschäftsunterlagen, Waren usw., im Einzelfall abhängig von der Art des Gewerbes) enthalten und er muß der tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsmacht des Gewerbetreibenden unterliegen. Diese Auslegung ergibt sich aus einem Rückgriff auf § 42 Abs. 2 GewO (vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 4. Aufl. 1982, S. 114; vgl. auch Remer, Kammerrecht der Wirtschaft, 1960, S. 73 und zur Auslegung von § 42 Abs. 2 GewO Friauf/Heß, GewO, § 42 GewO RdNr. 11). Unerheblich ist, ob es sich um die Hauptniederlassung, eine Zweigniederlassung oder eine unselbständige Zweigstelle i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 1 GewO handelt (vgl. Friauf/Heß, aaO RdNr. 12). Für die Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte ist die Definition des § 12 AO maßgeblich (vgl. Frenzel/Jäkel/Junge, aaO S. 113 m.w.N.). Danach ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, insbesondere z.B. die Stätte der Geschäftsleitung, eine Zweigniederlassung, eine Geschäftsstelle, auch die in § 2 Abs. 1 IHKG selbständig genannte Verkaufsstelle. Eine Geschäftseinrichtung oder Anlage ist eine Zusammenfassung unternehmerisch nutzbarer sachlicher Mittel (vgl. Koch, AO, 3. Aufl., 1986, § 12 RdNr. 4). Der Unternehmer muß dort jedenfalls auch aktiv handeln (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 19.07.1968, GewArch 1968, 282).
Gemessen an diesen Anforderungen hat die Klägerin in den Jahren 1986 und 1987 in K. weder eine gewerbliche Niederlassung noch eine Betriebsstätte unterhalten. Sie hat bereits im Widerspruchsverfahren gegen den Beitragsbescheid 1986 unwidersprochen vorgetragen, daß sie ihr K. Büro Ende 1985 aufgegeben habe und dies -- im Berufungsverfahren vor dem erkennenden Senat zur Erläuterung aufgefordert -- dahin erläutert, das Büro sei vor dem Jahresende 1985 geräumt worden. An ihre frühere K. Anschrift gerichtete Post habe sie über einen Nachsendeantrag erreicht.
Damit liegt bei der Klägerin für das Jahr 1986 und 1987 das räumliche Erfordernis zur Begründung der Kammerzugehörigkeit nicht vor. Sie ist nicht beitragspflichtig.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Fortbestehen der Gewerbeanmeldung in K.. Die Gewerbeanmeldung hat mangels einer anordnenden Rechtsvorschrift keine Feststellungswirkung (vgl. dazu Kopp, VwVfG, 4. Aufl., § 35 RdNr. 33) für das vorliegende Beitragserhebungsverfahren. Da § 14 GewO lediglich eine Verpflichtung zur Anzeige von Beginn und Verlegung eines Betriebes enthält, eine Nachprüfung der tatsächlichen Gegebenheiten durch die Behörde aber regelmäßig nicht erfolgen muß, kann aus der Gewerbeanmeldung auch keine Vermutungswirkung für das Vorliegen einer gewerblichen Niederlassung oder Betriebsstätte abgeleitet werden. Allenfalls ist an eine gewisse Indizwirkung zu denken, die aber jedenfalls im vorliegenden Fall ausgeräumt ist.
Auch aus der Handelsregistereintragung ergibt sich nichts anderes. Dabei kann offenbleiben, ob § 15 Abs. 1 HGB eine Rechtsscheinwirkung auch für ein Abgabenerhebungsverfahren wie das vorliegende begründet (vgl. dazu Baumbach/Duden/Hopt, HGB 27. Aufl. 1987, § 15 Anm. 2 E m.w.N.) und inwieweit sich der Rechtsscheintatbestand auf das Vorliegen einer Betriebsstätte oder einer gewerblichen Niederlassung erstreckt. Der Beklagten war nämlich rechtzeitig während des Widerspruchsverfahrens bekannt, daß die Klägerin seit Ende 1985 ihr K. Büro aufgegeben hatte. Diese Angaben der Klägerin hat sie nie bestritten (vgl. dazu auch Baumbach/Duden/Hopt, aaO, § 15 Anm. 2 D m.w.N.). Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, daß eine GmbH für ihren statuarischen Sitz einen Ort wählt, an dem sie einen Betrieb hat, so daß auch ein späteres Auseinanderfallen von satzungsmäßigem und tatsächlichem Sitz möglich und rechtlich zulässig ist (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Aufl., 1985, § 3 RdNr. 6 m.w.N.). Auch die Tatsache, daß nach dem Zerlegungsbescheid des Finanzamts F. für 1986 vom 14.02.1990 ein Zerlegungsanteil auf K. entfallen ist, begründet die Beitragspflicht der Klägerin für dieses Jahr nicht. Eine Tatbestands- oder Feststellungswirkung entfaltet der Zerlegungsbescheid mangels einer anordnenden Rechtsvorschrift nicht. Vielmehr spricht der Wortlaut des § 2 Abs. 1 IHKG, nach dem zwischen der Gewerbesteuerpflicht und dem Bestehen einer gewerblichen Niederlassung oder Betriebsstätte unterschieden wird, gerade dafür, daß Fragen des Bestehens einer Gewerbesteuerpflicht für das Vorliegen der räumlichen Voraussetzung des § 2 Abs. 1 IHKG gerade nicht bindend sein soll. Allerdings liegt es, da der steuerliche Betriebsstättenbegriff des § 12 AO maßgeblich ist, nahe, bei der Frage, ob eine Betriebsstätte im betreffenden IHK-Bezirk unterhalten wird, auch die gewerbesteuerliche Zerlegung zu berücksichtigen. Dafür spricht, daß nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG das Vorhandensein mehrerer Betriebsstätten Voraussetzung für ein Zerlegungsverfahren ist und ein Zerlegungsanteil auch nur auf diejenige Gemeinde entfallen kann, in der eine Betriebsstätte existiert. Deshalb konnte die Beklagte zunächst auch ohne weitere Nachprüfung hieran anknüpfen (vgl. Frentzel/Jäkel/Junge aaO S. 116). Denn die erfolgte Prüfung durch die Finanzbehörden begründet eine Vermutung, daß auch eine Betriebsstätte i.S.v. § 2 Abs. 1 IHKG vorliegt. Diese Vermutung ist aber mangels einer entsprechenden Regelung nicht unwiderleglich. Im vorliegenden Falle ist sie widerlegt worden. Wie ausgeführt, unterhielt die Klägerin im fraglichen Zeitraum keine Betriebsstätte in K. Sie hat dies auch so rechtzeitig geltend gemacht, daß dies noch im Widerspruchsverfahren berücksichtigt und ggf. nachgeprüft werden konnte.
VGH Baden-Württemberg:
Urteil v. 20.04.1990
Az: 14 S 586/89
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