Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 13. Juli 2004
Aktenzeichen: 4 U 76/04

(OLG Hamm: Urteil v. 13.07.2004, Az.: 4 U 76/04)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. März 2004 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist die gerichtsbekannte Wettbewerbszentrale. Die Beklagte betreibt in T eine Seniorenresidenz. Die von ihr veröffentlichte Zeitschrift "e b r" enthält in der Ausgabe für Juli 2003 auf Seite 3 folgende Ankündigung:

Wieder einmal ist es soweit!

Jeder Mitarbeiter, der in den vergangenen 12 Monaten bis maximal 5 Tage arbeitsunfähig gewesen ist, erhält eine Anerkennungsprämie (in) Höhe von 150 Euro (knapp 300 DM). Bei Zugehörigkeit zu einer Krankenkasse mit weniger als 13 % Mitgliedsbeitrag erhöht sich die Prämie auf 200 Euro (knapp 400,00 DM).

Die Prämien werden bekanntlich zweimal jährlich jeweils im Juni (Beurteilungszeitraum 01.06. bis 31.05.) und Dezember (Beurteilungszeitraum 01.12. bis 30.11.) ausgeschüttet, so dass ein Mitarbeiter bei Erfüllung der Voraussetzungen sich zusätzlich 400 Euro (knapp 800,00 DM) "hinzuverdienen" kann."

Die Klägerin hat in dem Versprechen und/oder Auszahlen der Prämien unter Bezugnahme auf ein Urteil des OLG Nürnberg (Anlage K 2, vgl. auch WRP 2001, 459) einen Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Autorität der Beklagten als Arbeitgeberin und des übertriebenen Anlockens zu Gunsten unbestimmter dritter Krankenkassen gesehen. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte prämiere auf diese Weise den Wechsel zu einer Krankenkasse mit einem Mitgliedsbeitrag von weniger als 13 %. Die Prämie sei für einen erheblichen Teil der angesprochenen Mitarbeiter Veranlassung, ohne Prüfung und Vergleich der jeweiligen Leistungsangebote allein im Hinblick auf die Prämie in eine Krankenkasse mit niedrigeren Beiträgen zu wechseln. Dabei wolle die Beklagte von einem solchen Wechsel mit profitieren, weil sich dadurch auch ihr Anteil an den Beiträgen reduziere.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber ihren Arbeitnehmern eine Prämie zu versprechen und/oder auszubezahlen, wenn diese zu einer Krankenkasse mit weniger als 13 % Mitgliedsbeitrag wechseln, sofern der betreffende Mitarbeiter in den vergangenen 12 Monaten bis maximal 5 Tage arbeitsunfähig gewesen ist, und zwar in der Form: "Jeder Mitarbeiter, der in den vergangenen 12 Monaten bis maximal 5 Tage arbeitsunfähig gewesen ist, erhält eine Anerkennungsprämie in Höhe von 150,00 Euro (knapp 300 DM). Bei Zugehörigkeit zu einer Krankenkasse mit weniger als 13 % Mitgliedsbeitrag erhöht sich die Prämie auf 200,00 Euro (knapp 400,00 DM)." an die Klägerin als Aufwendungsersatz für ihre Abmahntätigkeit einschließlich Vertretung im Einigungsverfahren einen Betrag von 277,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat in dem vorliegenden Fall keine Parallele zu dem vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall gesehen, weil dort der Wechsel zu einer ganz bestimmten Betriebskrankenkasse prämiert werden sollte. Hier habe sie nur auf eine gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Überprüfung der Beitragssätze durch ihre Mitarbeiter hinwirken wollen, die den Wettbewerb unter den Krankenkassen fördern sollte. Tatsächlich seien bisher etwa 20 von 450 Beschäftigten zu den beitragsgünstigen Krankenkassen gewechselt. Der angegebene Beitragssatz sei als Mittelwert gedacht und angesichts der Beitragsentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung inzwischen auf 14 % erhöht worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angegriffene Prämienzusage sei keine im Sinne des § 1 UWG sittenwidrige Beeinflussung des Wettbewerbs unter den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherungen. Die Beklagte habe hier ihren Beschäftigten keine Prämie versprochen, die allein auf Grund eines Wechsels zu einer der Kassen mit dem günstigeren Beitragssatz zu zahlen sein sollte. Die hier versprochene Prämie sei vielmehr zunächst daran gebunden gewesen, dass der ausgezeichnete Mitarbeiter in einem bestimmten Zeitraum nicht mehr als 5 Tage krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen ist. Die als solche nicht angegriffene "Gesundheitsprämie" werde bei Zugehörigkeit zu den günstigeren Krankenkassen dann nur um höchstens 100 Euro pro Jahr erhöht. Eine solche Prämienerhöhung stelle auch für einen nicht unerheblichen Teil der Verbraucher keinen so großen Anreiz dar, dass sie von vorneherein davon absehen würden, die Angebote der unterschiedlichen gesetzlichen Krankenkassen, die sich im Hinblick auf die Regelleistungen ohnehin nicht erheblich unterschieden, miteinander zu vergleichen. Es fehle auch an einem Autoritätsmissbrauch durch die Beklagte. Sie übe insbesondere keinen unzulässigen psychischen Druck auf ihre Beschäftigten bei der Wahl der Krankenkasse aus. Dazu reiche die versprochene Prämie von allenfalls 100 Euro pro Jahr, die von ungewissen zukünftigen Fehlzeiten abhänge, nicht aus. Dabei sei auch nicht entscheidend, dass die Beklagte mit der Auslobung der Prämien eigene wirtschaftliche Interessen an einem etwaigen Kassenwechsel verfolge. Das sei ohne weiteres zulässig, so weit sie sich dafür –wie hier- zulässiger Mittel bediene.

Die Klägerin greift das Urteil mit der Berufung an. Sie verweist darauf, dass es ohne weiteres wettbewerbswidrig sei, wenn ein Arbeitgeber in irgendeiner Form unzulässigen Druck auf die Entscheidungsfreiheit seines Arbeitnehmers bei der Wahl seiner Krankenkasse ausübe. Die angekündigte Erhöhung der "Gesundheitsprämie" um 50 € pro Halbjahr stelle eine solche unzulässige Beeinflussung ihrer Arbeitnehmer dar. Entscheidend sei –auch nach dem Urteil des OLG Nürnberg-, dass dem Arbeitnehmer für eine dem erkennbaren Wunsch des Arbeitgebers entsprechende Wahl der Krankenkasse eine Belohnung versprochen werde. Genau das habe die Beklagte aber getan und damit ihre Autorität als Arbeitgeberin in unzulässiger Weise gebraucht. Angesichts dieser Vorgabe sei es unerheblich, ob die Prämie nur zusätzlich zu erlangen sei und dass der Arbeitnehmer hier nicht ausdrücklich zu einem Wechsel zu einer bestimmten Kasse aufgefordert werde. Es sei auch für die angesprochenen Arbeitnehmer ein Leichtes, in Erfahrung zu bringen, welche Krankenkassen einen Betrag unter der geforderten Grenze erheben würden, falls seine Kasse damit zu hoch liege. Der Arbeitnehmer werde schon im eigenen Interesse bemüht sein, sobald wie möglich zu einer solchen wählbaren Krankenkasse zu wechseln, um in den Genuss der höheren Prämie gelangen zu können. Jedenfalls die Krankenkasse, aus der der Arbeitnehmer beim Wechsel ausscheide, sei dann auch ganz konkret von der Prämiengewährung betroffen. Während der Arbeitnehmer in dem vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall die Prämie nur einmal erlangen konnte, könne er hier durch die höhere Prämie dauerhaft von einem etwaigen Kassenwechsel profitieren. Die Anreizwirkung der Zusatzprämie werde schließlich auch nicht dadurch geschmälert, dass der Arbeitnehmer nicht sicher wisse, ob es ihm gelingen werde, die Fehlzeitengrenze zu unterschreiten. Zumindest die meisten Arbeitnehmer würden sich bei der Entscheidung für einen Kassenwechsel von der Erwartung oder Hoffnung leiten lassen, im fraglichen Zeitraum nicht länger krank zu sein. Im Übrigen sei die Kopplung mit der Bedingung, die genannten Fehlzeiten nicht zu überschreiten, ein zusätzlicher Gesichtspunkt für die Unzulässigkeit der Beeinflussung. Zum einen würden vor allem die vergleichsweise gesunden Mitarbeiter zu einem Wechsel veranlasst, was den Wettbewerb der günstigeren Kassen weiter fördere. Zum anderen sei es arbeitsrechtlich nicht unbedenklich, auf diese Weise Krankheit mittelbar zu diskriminieren.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem Schlussantrag erster Instanz zu erkennen,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen,

es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber ihren Arbeitnehmern eine Prämie zu versprechen und/oder auszubezahlen, für den Fall, dass der betreffende Mitarbeiter in den vergangenen zwölf Monaten bis maximal fünf Tage arbeitsunfähig gewesen und Mitglied einer Krankenkasse mit einem Beitragssatz von weniger als 13 % ist, und zwar wie folgt:

"Jeder Mitarbeiter, der in den vergangenen zwölf Monaten bis maximal fünf Tage arbeitsunfähig gewesen ist, erhält eine Anerkennungsprämie in Höhe von 150,00 € (knapp 300,00 DM). Bei Zugehörigkeit zu einer Krankenkasse mit weniger als 13 % Mitgliedsbeitrag erhöht sich die Prämie auf 200,00 € (knapp 400,00 DM). Prämien werden bekanntlich zweimal jährlich jeweils im Juni (Beurteilungszeitraum 01.06. bis 31.05.) und Dezember (Beurteilungszeitraum 01.12. bis 30.11.) ausgeschüttet, so dass ein Mitarbeiter bei Erfüllung der Voraussetzungen sich zusätzlich 400,00 € (knapp 800,00 DM) "hinzuverdienen" kann."

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass sie zu keiner Zeit als Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern gegenüber einen Wunsch dahin geäußert habe, welche Krankenkasse sie wählen sollten. Sie hätte ihnen noch nicht einmal einen Krankenkassenwechsel empfohlen. Es sei vielmehr nur eine Anwesenheitsprämie zum Ausgleich für tatsächlich geleistete Mehrarbeit gezahlt worden.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht und sie dementsprechend auch den eingeklagten Aufwendungsersatz nicht beanspruchen kann.

1) Soweit Bedenken gegen die Fassung des Hauptantrages bestehen könnten, weil dieser von einem Wechsel der Krankenkasse ausgeht, obwohl nach der gerügten Verletzungshandlung für die Gewährung der Prämie nur die Zugehörigkeit zu einer günstigen Krankenkasse entscheidend ist, wären diese durch den Hilfsantrag ausgeräumt, der auf die konkrete Verletzungshandlung hinreichend Bezug nimmt.

2) Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich hier nicht aus §§ 8 Abs. 1. Abs. 2 Nr. 2, 3, 4 Nr. 1 UWG, und zwar weder unter dem Aspekt des übertriebenen Anlockens noch unter dem Aspekt des Missbrauchs der Autorität der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin.

a) Die Klägerin erfüllt unzweifelhaft die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 UWG und ist damit aktivlegitimiert.

b) Ein Unterlassungsanspruch stünde ihr nach § 8 Abs. 1 UWG zu, wenn die Beklagte mit der Veröffentlichung der beanstandeten Anzeige eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG vorgenommen hätte. Nach § 4 Nr. 1 UWG hätte sie dann unlauter gehandelt, wenn sie eine Wettbewerbshandlung vorgenommen hätte, die geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit von Marktteilnehmern könnte gegeben sein, wenn sich die Prämiengewährung als ein Verhalten darstellen würde, das bisher unter der Fallgruppe des übertriebenen Anlockens für wettbewerbswidrig gehalten wurde. Das ist aber ersichtlich nicht der Fall.

aa) Die Beklagte hat zwar mit der angegriffenen Anzeige und dem Versprechen der Zusatzprämie für die Mitgliedschaft in bestimmten Krankenkassen eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgenommen. Die Voraussetzungen der gesetzlichen Definition sind hier erfüllt. Die Beklagte greift nämlich als Arbeitgeberin in den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen ein und fördert die günstigen Kassen zu Lasten der weniger günstigen. Dass die günstigen Kassen nicht ausdrücklich genannt sind, ist insoweit rechtlich unerheblich; denn der angesprochene Arbeitnehmer, der zu den Marktteilnehmern im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG gehört, kann unschwer feststellen, welche Kassen gemeint sind, ob er sich einer solchen Kasse schon befindet oder ob er möglicherweise zu einer solchen wechselt.

bb) Eine unangemessene, unsachliche Einflussnahme in der Form eines übertriebenen Anlockens liegt in dieser Wettbewerbshandlung aber nicht. Die Prämienzusage bewirkt hier nicht, dass die umworbenen Arbeitnehmer, die zur Zeit Mitglieder einer ungünstigen Krankenkasse sind, in unangemessener Weise angelockt werden, von dieser Kasse zu einer Krankenkasse mit einem Beitragssatz von weniger als 13 % zu wechseln. Die Zusatzprämie als solche im Wert von höchstens 100 Euro im Jahr hat ersichtlich keine so starke Anziehungskraft, dass sie die Arbeitnehmer veranlassen könnte, unter Verdrängung anderer rationaler Gesichtspunkte nun ausschließlich danach zu streben, sich möglicherweise auch noch diese Prämie zu sichern. Das gilt insbesondere, weil es um die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse geht, zu der möglicherweise langjährige Kontakte bestehen und deren Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit den angesprochenen Arbeitnehmern bekanntermaßen besonders wichtig sind.

c) Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit durch Ausübung von Druck oder durch unangemessene, unsachliche Einflussnahme im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG könnte auch darin zu sehen sein, dass die Beklagte hier entsprechend der früheren Fallgruppe des Autoritätsmissbrauchs ihre Autorität als Arbeitgeberin missbraucht haben könnte. Ein solcher Missbrauch setzt aber voraus, dass die Beklagte eine psychische Zwangslage für ihre Arbeitnehmer herbeigeführt oder sonst in sachwidriger Weise auf sie Druck ausgeübt hätte (vgl. BGH WRP 2002 527, 530 -Elternbriefe), um sie in der vom Gesetzgeber allein ihnen überlassenen Entscheidung, welcher gesetzlichen Krankenkasse sie angehören wollen, zu beeinflussen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

aa) Durch die angekündigte Prämiengewährung hat die Beklagte ihre Arbeitnehmer unter Druck gesetzt. Dabei ist unerheblich, worin der Druck besteht und wie er ausgeübt wird (vgl. Köhler/Piper, UWG, 3. Auflage, § 1 Rdn. 571). Deshalb kann ein solcher Druck nicht nur durch die Androhung eines Nachteils, sondern auch durch die Ankündigung eines Vorteils für den Fall einer wunschgemäßen Entscheidung erzeugt werden. Ein solcher Vorteil ist den Arbeitnehmern der Beklagten hier zumindest mittelbar versprochen worden, weil die Mitgliedschaft in bestimmten Krankenkassen mit einem zusätzlichen Betrag prämiert wird. Arbeitnehmer, die einer Krankenkasse angehören, die einen höheren Beitragssatz verlangt, könnten allein durch die zu erzielende Zusatzprämie von 100 Euro pro Jahr dazu veranlasst werden, zu einer kostengünstigeren Krankenkasse zu wechseln. Der Druck ist aber wegen seiner Mittelbarkeit und der Tatsache, dass die Prämienzahlung von der weiteren Voraussetzung abhängt, dass bestimmte Fehlzeiten nicht überschritten werden, hier nur von relativ geringer Intensität.

bb) Der von der Beklagten ausgeübte Druck hat aber keine psychische Zwangslage begründet. Dazu könnte es nur kommen, wenn den angesprochenen Arbeitnehmern eine offenkundig vom Arbeitgeber gewünschte Entscheidung so nahegelegt wird, dass sie meinen, sie müssten im Fall eines nicht entsprechenden Verhaltens mit irgendwie gearteten beruflichen Nachteilen rechnen. Ein solcher Eindruck kann im vorliegenden Fall nicht entstehen. Er liegt entscheidend anders als die von der Klägerin in Bezug genommenen Fälle des OLG Nürnberg und des OLG Zweibrücken (vgl. Anlagen K2 und K3 zur Klageschrift) und der vom OLG Düsseldorf (WRP 2002, 479, 481) entschiedene Fall, in dem gleichfalls ein Unternehmen seinen Mitarbeitern unter Zusage einer Prämie nahe gelegt hat, aus der bisherigen Krankenkasse in die eigene Betriebskrankasse zu wechseln. Hier wird ausdrücklich keine bestimmte Krankenkasse –und damit erst recht keine eigene Betriebskrankenkasse- angesprochen und empfohlen. Die Prämie wird auch nicht an einen Wechsel der Kasse, sondern an die Zugehörigkeit zu einer kostengünstigen Krankenkasse geknüpft. Wer einer solchen bereits angehört, muss also nicht wechseln, um in den Genuss einer Prämie zu gelangen. Selbst der Arbeitnehmer, der einer teuren Krankenkasse angehört, muss nicht annehmen, dass ihm bei einem Verbleib in dieser Kasse außer der geringeren Prämie weitere Nachteile drohen können. Dafür kann es auch aus Sicht des Arbeitgebers erkennbar die verschiedensten Gründe geben, unter anderem auch den, dass die Zusatzprämie für einen Arbeitnehmer ohnehin kaum in Betracht kommt oder dass ihm besondere Zusatzleistungen die aufwändigere Mitgliedschaft wert sind. Allein das spricht schon dagegen, dass ein Alternativverhalten in irgendeiner Form missbilligt werden könnte.

cc) Die Beklagte hat den Druck auch ansonsten nicht in sachwidriger Weise ausgeübt. Der durch das Versprechen der Prämie erzeugte Druck ist vielmehr im Rahmen der erforderlichen Einzelfallwürdigung noch als ein zulässiges Mittel der dem Wettbewerb immanenten Beeinflussung von Marktteilnehmern anzusehen. Zwar gehört es nicht zu den eigentlichen Aufgaben der Beklagten, gerade in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin die Arbeitnehmer fördernd dahin zu beraten, Mitglieder von Krankenkassen zu werden oder zu bleiben, die ihr günstig erscheinen. Es kann ihr aber auch nicht verwehrt werden, durch Fördermaßnahmen auf eine im Interesse der Allgemeinheit liegende Kostendämpfung im Gesundheitswesen hinzuwirken und zu dem Wettbewerb der Krankenkassen beizutragen. Entscheidend ist dabei, dass es auf sachliche Weise geschieht. Das ist hier der Fall. Der Beklagten geht es mit der Prämie erkennbar nicht um die Förderung einzelner Kassen zu Lasten anderer, sondern viel mehr darum, ihre Arbeitnehmer zu einem kostenbewussten Nachdenken zu veranlassen und zu einem von ihr aus sachlichen Gründen für wirtschaftlich sinnvoll gehaltenen Verhalten zu bewegen. Ob eine solche Prämierung der Mitgliedschaft von Krankenkassen mit geringeren Beiträgen dann tatsächlich geeignet ist, den Wettbewerb auf die gewünschte Weise zu fördern, ist nicht entscheidend. Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, steht dem auch nicht entgegen, dass die Beklagte ein erhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse daran hat, dass ihre Arbeitnehmer Mitglieder der günstigeren Krankenkassen mit unter dem Durchschnitt liegenden Beiträgen werden oder bleiben, weil sich dadurch ihr Gebührenanteil ebenfalls vermindert. Diesem Interesse kann sie jedenfalls so lange Rechnung tragen, wie sie keine bestimmten Kassen herausstellt oder empfiehlt oder andere Krankenkassen brandmarkt. Es genügt, dass –wie hier- sachliche Gründe für das Verhalten der Beklagten als Arbeitgeberin vorhanden sind und zur Durchsetzung des Eigeninteresses keine unzulässigen Druckmittel eingesetzt werden (vgl. Kort, WRP 2001, 464).

Die in § 543 Abs.2 ZPO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind im vorliegenden Einzelfall nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10,

711 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 13.07.2004
Az: 4 U 76/04


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