Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juni 2009
Aktenzeichen: 25 W (pat) 14/09

(BPatG: Beschluss v. 18.06.2009, Az.: 25 W (pat) 14/09)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 21. Oktober 2003 angemeldete Marke Mon Jourist am 15. März 2004 für die Waren

"Kakao, Kakaoerzeugnisse, Schokolade, Schokoladewaren; Backund Konditorwaren, feine Backwaren, Kuchen, Biskuits, Kekse, Waffeln, Speiseeis, Eiskonfekt, Zuckerwaren, Bonbons, Kaugummis"

unter der Nummer 303 54 109 in das Markenregister eingetragen und ihre Eintragung am 16. April 2004 veröffentlicht worden.

Die Inhaberin der am 17. Oktober 2003 angemeldeten und am 8. Januar 2004 für die Waren

"Zuckerwaren, Schokolade und Schokoladewaren, feine Backwaren"

eingetragenen Marke 303 53 919 Bel Jourhat dagegen Widerspruch erhoben. Die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke wurde im Beschwerdeverfahren mit Eingabe vom 7. Mai 2009 bestritten.

Mit zwei Beschlüssen der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentund Markenamts vom 13. Juli 2005 und vom 11. Juli 2007, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Ausgehend von weitgehender Warenidentität und im Übrigen engster Warenähnlichkeit sowie durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien erhöhte Anforderungen an den Abstand der Zeichen zu stellen, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern. Dieser werde eingehalten. Auszugehen sei vom Gesamteindruck der Marken. Der Verkehr habe keine Veranlassung, sich bei den Marken nur an dem Bestandteil "Jour" zu orientieren. Das sprachkundige Publikum werde die Marke jeweils als französischsprachige Gesamtaussage verstehen, und zwar einerseits "Mein Tag" und andererseits "Schöner Tag" und den gesamtbegrifflichen Zusammenhang nicht auflösen. Auch der sprachunkundige Teil des Verkehrs werde sich nicht nur an dem Wort "Jour" orientieren, sondern die Marken in der Form aufnehmen, in der sie ihm entgegentreten, ohne eine zergliedernde Betrachtungsweise anzustellen, zumal auch optisch durch die Verwendung gleicher Schrifttypen, Buchstabengröße und Strichstärke der Eindruck einer zusammenhängenden Einheit entstehe. In klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht unterschieden sich die Zeichen ganz offensichtlich. Auch eine begriffliche Verwechslungsgefahr sei zu verneinen, weil die Marken weder ihrem Sinn nach vollständig übereinstimmten noch Synonyme darstellten. Auch die Gefahr, dass die Marken wegen des Bestandteils "Jour" gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden, bestehe nicht, da die Marken ganz eigene, in sich geschlossene Gesamtbegriffe bildeten.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt sinngemäß, die Beschlüsse des DPMA vom 13. Juli 2005 und vom 11. Juli 2007 aufzuheben und die Löschung der Marke 303 54 109 anzuordnen.

Da die sich gegenüberstehenden Waren teils identisch, teils hochgradig ähnlich seien, müsste der Abstand der Zeichen besonders groß sein, um Verwechslungen zu vermeiden. Dieser Abstand werde nicht eingehalten. Bereits die Übereinstimmung in einem Bestandteil könne eine hinreichende Ähnlichkeit der Marken begründen, wenn dieser in der jeweiligen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behalte. In den Marken dominiere der Bestandteil "Jour". schon der Wortart nach, während das Adjektiv typischerweise nur ein Attribut hinzufüge, das für den benannten Gegenstand nicht existenziell sei, sondern diesen lediglich modifiziere. Wegen der Identität des Wortes, das die Marken dominiere, sei zumindest aus der Erinnerung heraus mit Verwechslungen zu rechnen. Darüber hinaus stimmten die Zeichen auch im Sinngehalt überein, weil sie eine im Sinngehalt identische Wunschformel zum Ausdruck brächten. Bei beiden Wörtern handle es sich um eine Abwandlung des gut bekannten französischen Grußes "Bon Jour". Dabei unterschieden sich "Bon Jour" und "Bel Jour" nur darin, dass "Bel Jour" schlechtes oder falsches Französisch sei, während "Bon Jour" und "Mon Jour" phonetisch hochgradig übereinstimmten, so dass ohne Rücksicht auf die Bedeutung des Wortes "Mon" assoziativ das Wort "Bon Jour" gedanklich wahrgenommen werde, wenn das Wort "Mon Jour" lesbar oder hörbar sei. Außerdem stimmten die Marken auch in ihrer Grußfunktion überein, weil der gewünschte "mein Tag" als ein "guter Tag" erwartet werde. Die Begriffe "Bel Jour", "Bon Jour" und "Mon Jour" gingen für den Verbraucher so ineinander über, dass eine hinreichende Trennung nicht mehr gewährleistet sei. Wenn zwei Marken einen Begriff in ganz ähnlicher Weise umformten, dann könne diese Übereinstimmung für den Verkehr Anlass geben, die Marken zu verwechseln, unabhängig davon, ob der gleichartig umgeformte Begriff größere oder geringere Unterscheidungskraft habe. Zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung legte die Widersprechende Unterlagen vor, die die Verpackungen eines Schaumzuckersortiments und von Zitronencremewaffeln zeigen, sowie zwei Rechnungen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke und ist der Ansicht, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe, da eine Übereinstimmung nur in dem Bestandteil "JOUR" bestehe, der keine der beiden Marken präge und in ihnen auch nicht selbständig kennzeichnend enthalten sei, denn beide Marken stellten Gesamtbegriffe dar. Soweit die Widersprechende eine Verwechslungsgefahr in der Weise konstruiere, dass beide Marken Abwandlungen des französischen Grußes "BON JOUR" seien, begründe dies bereits aus Rechtsgründen keine Verwechslungsgefahr, da ein schutzunfähiger Begriff keine Brücke für eine begriffliche Verwechslungsgefahr sein könne.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, da keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -PI-CASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 26).

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat zulässig die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestritten. Die Widersprechende hat lediglich Benutzungsunterlagen für ein Schaumzuckersortiment und für Zitronencremewaffeln eingereicht. Ob die eingereichten Unterlagen für eine Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke ausreichen, kann dahingestellt bleiben, da selbst wenn man zu Gunsten der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung hinsichtlich der Waren "Zuckerwaren, feine Backwaren", hinsichtlich derer die Widersprechende eine Benutzung ihrer Marke geltend macht, unterstellt, keine Verwechslungsgefahr besteht.

Ausgehend von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke besteht selbst bei Warenidentität keine Verwechslungsgefahr.

In der Gesamtheit unterscheiden sich die Zeichen durch die klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede in dem jeweils ersten Bestandteil "Bel" und "Mon" so deutlich, dass trotz der Übereinstimmung in dem zweiten Bestandteil "Jour" die Zeichen nicht füreinander gehalten werden können. Klanglich hebt sich die angegriffene Marke insbesondere durch den Nasenlaut "M" und den nasalen Laut "ON" sehr deutlich ab von der Widerspruchsmarke mit dem Sprenglaut "B" am Zeichenanfang und dem hellen Vokal "e" sowie dem Fließlaut "l" im Anfangsbestandteil der Widerspruchsmarke. Schriftbildlich unterscheiden sich insbesondere die Buchstaben "M-N" von den Buchstaben "B-L" in jeder Schreibweise so deutlich, dass die Zeichen nicht füreinander gehalten werden können. Es besteht auch keine begriffliche Verwechslungsgefahr, da die Begriffe nicht übereinstimmen. Der Gesamteindruck der Zeichen wird auch nicht durch den Bestandteil "Jour" geprägt, da es sich bei den Marken jeweils um Gesamtbegriffe handelt und selbst die Verkehrskreise, die keine französischen Sprachkenntnisse haben, keinen Anlass haben, den jeweiligen Anfangsbestandteil der Zeichen zu vernachlässigen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin liegen keine Umstände dafür vor, dass die Widerspruchsmarke oder ein Bestandteil, der den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägte oder dominierte, in der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behalten haben könnte und die Marken deshalb gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten. Vorliegend fehlt es bereits daran, dass der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke von dem Bestandteil "Jour" geprägt oder dominiert wird, denn "Bel Jour" stellt einen Gesamtbegriff dar (schöner Tag), bei dem kein Bestandteil vernachlässigt werden kann. Auch sind die Wörter optisch gleich gestaltet, so dass keiner der Wörter den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke dominiert. Soweit die Widersprechende der Auffassung ist, bei einer Zusammensetzung von Hauptwort (Substantiv) und Adjektiv dominiere bereits von der Wortart her das Substantiv, kann dem nicht gefolgt werden. Allein weil man im Deutschen das Substantiv "Hauptwort" nennt, dominiert in der Widerspruchsmarke nicht der Bestandteil "Jour". Die beiden Wortbestandteile sind vielmehr aufeinander bezogen, so dass keines in der Widerspruchsmarke dominiert.

Auch soweit die Widersprechende der Auffassung ist, eine Verwechslungsgefahr sei deshalb anzunehmen, weil die angegriffene Marke klanglich mit der französischen Begrüßung "Bon Jour" verwechselbar sei, welche ihrem Gedankeninhalt nach wiederum der Widerspruchsmarke "Bel Jour" entspreche, so dass "Mon Jour", Bon Jour" und "Bel Jour" ineinander übergingen und miteinander verwechselt würden, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar mag der Umstand, dass zwei Zeichen Abwandlungen der gleichen schutzunfähigen Bezeichnung sind, eine Verwechslungsgefahr nicht von vorneherein ausschließen, jedoch kommt es nicht darauf an, ob eine Ähnlichkeit der jeweiligen Marke mit der gleichen (dritten) Bezeichnung besteht, denn entscheidend ist, ob die sich gegenüberstehenden Zeichen miteinander verwechselbar sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine andere Betrachtungsweise würde dazu führen, dass selbst völlig unterschiedliche Zeichen verwechselbar wären, nur weil man ähnlich dem Kinderspiel "Stille Post" durch eine Kette von jeweils graduellen Abweichungen schrittweise von einem Wort zu einem vollkommen anderen Wort kommen könnte.

Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher keinen Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.

Bayer Merzbach Kober-Dehm Hu






BPatG:
Beschluss v. 18.06.2009
Az: 25 W (pat) 14/09


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