Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 24. Juni 2008
Aktenzeichen: 9 A 373/06

(OVG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 24.06.2008, Az.: 9 A 373/06)

Tenor

Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.

Die Klage wird auch abgewiesen, soweit sie sich gegen die Heranziehung zu Schmutz- und Niederschlagsentwässerungsgebühren für das Jahr 2004 richtet. Die Anschlussberufung der Klägerin wird bezogen auf die Abfallentsorgungsgebühr zurückgewiesen. Die Entscheidung über die Anschlussberufung bezogen auf die Straßenreinigungsgebühr bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks T.------straße 37 in F. . Durch Grundbesitzabgabenbescheid vom 13. Januar 2004 zog der Beklagte sie für das Jahr 2004 unter anderem zu Entwässerungs-, Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsgebühren heran. Wegen der Gebührenhöhe im Einzelnen und der Höhe des jeweils zugrundegelegten Gebührensatzes wird auf den genannten Bescheid Bezug genommen.

Bis einschließlich 1997 hatte die Stadt F. die im Stadtgebiet anfallenden Abwässer in eigener Rechtsträgerschaft beseitigt. Zum 1. Januar 1998 wurde die Abwasserbeseitigung neu strukturiert. Seither wurde die Abwasserbeseitigung durch die Stadtwerke F. AG (SWE) durchgeführt, die seit dem 1. Januar 2002 zu 51 % mittelbar über die F1. Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (EVV) in städtischem und zu 49 % in privatem Eigentum steht.

Die SWE gründete als alleinige Gesellschafterin die Entwässerung F. GmbH (EEG) als Objektgesellschaft. Letzterer übertrug die Stadt F. das zur Durchführung der Entwässerung bislang eingesetzte Anlagevermögen, welches im Wesentlichen aus dem Kanalnetz und den Sonderbauwerken bestand. Nach § 4 des Übertragungsvertrags vom 2. Dezember 1997 erhielt die Stadt für die Übertragung ein Entgelt, das sich wie folgt zusammensetzte: Der Sachzeitwert des Anlagevermögens wurde um das aus Anschlussbeiträgen und Zuschüssen bestehende Abzugskapital reduziert. Der verbleibende Betrag (ca. 1,082 Milliarden DM) war durch einen an die Stadt zu zahlenden Kaufpreis von ca. 429,6 Millionen DM abzugelten und wurde der EEG im Übrigen als Darlehen sowie Rücklagekapital in Höhe von zusammen ca. 652,4 Millionen DM zur Verfügung gestellt.

Die EEG verpachtete ihrerseits die Anlagen an die SWE. Dafür war ein Pachtentgelt vereinbart, das alle der EEG entstehenden Kosten umfasst, die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung der von einem beauftragten Dritten zu beachtenden kommunalabgabenrechtlichen Prinzipien zu kalkulieren sind. Dementsprechend wurde es im Wesentlichen nach den Abschreibungen und den kalkulatorischen Zinsen ermittelt. Abgeschrieben wurde dabei das bei der EEG in die Bilanz eingestellte Vermögen nach dem Restwert vom Wiederbeschaffungszeitwert. Die kalkulatorischen Zinsen wurden auf der Basis des für die Stadt F. als Voreigentümerin ermittelten Anschaffungsrestwertes ermittelt. Zinsmindernd wurde dabei u.a. das durch die Stadt zur Verfügung gestellte Eigenkapital (Abzugskapital) angesetzt. Die Verzinsung erfolgte zu einem Zinsfuß von 7 %.

Aufgrund des Entsorgungsvertrages für die öffentliche Abwasserbeseitigung der Stadt F. vom 2. Dezember 1997 führte die SWE mit den von der EEG gepachteten Anlagen die Abwasserbeseitigung durch. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des genannten Vertrages sollte die Stadt F. der SWE die zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen anfallenden Selbstkosten im Sinne der jeweils geltenden Vorschriften erstatten. Ab dem Jahr 2001 war in Satz 4 ein kalkulatorischer Zuschlag für das allgemeine Unternehmerwagnis in Höhe von 3 % der Nettoselbstkosten vereinbart.

Das an die SWE zu zahlende Betriebsführungsentgelt stellte die Stadt F. als Kosten in ihre Gebührenkalkulation ein. Wegen der Höhe der einzelnen Beträge, die sie hierzu für das Jahr 2004 berücksichtigte, wird auf die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Kalkulation Bezug genommen.

Mit der Abfallentsorgung ist seit dem 1. Januar 1999 die Entsorgungsbetriebe F. GmbH - EBE -, an der die Stadt F. seit dem 1. Januar 2004 zu 51 % beteiligt ist, als Dritte beauftragt. Als Gegenleistung für die von ihr übernommenen Aufgaben war im 1. Änderungsvertrag vom 3. April 2001 zum Entsorgungsvertrag vom 11. Dezember 1998 für die Jahre 2001 bis 2004 als Entgelt jährlich ein nach öffentlichem Preisrecht ermittelter Selbstkostenfestpreis einschließlich eines Gewinnzuschlags von 3 % in Höhe von 57.977.464,- DM zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Derselbe Betrag umgerechnet in Euro (29.643.406,64 EUR) war nach dem Entsorgungsvertrag vom 5. Januar 2005 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 als ein "als Marktpreis ermitteltes" festes Entgelt geschuldet, das den Vorschriften des Preisrechts entsprechen sollte. Nach einem weiteren Vertrag war der EBE auch die Sammlung, der Transport und die Beseitigung der der Entsorgungspflicht der Stadt F. unterliegenden verbotswidrig abgelagerten Abfälle auf ausgesuchten der Allgemeinheit zugänglichen Grundstücken sowie die Entsorgung der auf diesen Grundstücken befindlichen Papierkörbe zu Festpreisen übertragen worden, die gleichfalls einen Wagniszuschlag von 3 % enthielten und nach zu reinigender Fläche, Zahl der zu leerenden Papierkörbe sowie nach Stunden bemessen waren. Das an die EBE zu zahlende Entgelt stellte die Stadt F. als Kosten in ihre Gebührenkalkulation ein, mit der die Gebühren für die Rest- und Bioabfallbeseitigung gesondert kalkuliert wurden. Wegen der Höhe der einzelnen Beträge, die sie hierzu für das Jahr 2004 berücksichtigte, wird auf die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Kalkulation Bezug genommen.

Den Widerspruch der Klägerin gegen die Heranziehung zu Entwässerungs-, Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsgebühren wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2004 zurück.

Im Klageverfahren erster Instanz hat die Klägerin beantragt,

den Grundbesitzabgabenbescheid vom 13. Januar 2004 sowie den Widerspruchsbescheid vom 14. April 2004 hinsichtlich der festgesetzten Schmutz- und Niederschlagswassergebühren in Höhe von 1.408,55 Euro und 268,32 Euro, hinsichtlich der Abfallgebühren in Höhe von 1.012,80 Euro sowie hinsichtlich der Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren in Höhe von 174,72 Euro und 23,66 Euro aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Grundbesitzabgabenbescheid hinsichtlich der Schmutz- und Niederschlagswassergebühren aufgehoben und die Klage hinsichtlich der Abfallentsorgungs-, Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren abgewiesen.

Bezüglich der Entwässerungsgebühren hat es ausgeführt: Die Entwässerungsabgabensatzung enthalte keine wirksame Rechtsgrundlage für die angefochtenen Gebührenfestsetzungen. Die in der Satzung festgeschriebenen Gebührensätze seien unter Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot zu hoch festgesetzt worden. Die Übertragung von Anlagevermögen, das bisher von den Gebührenpflichtigen über den Ansatz von Abschreibungen zum Wiederbeschaffungszeitwert und kalkulatorischen Zinsen vom Anschaffungsrestwert zum Nominalzins finanziert worden sei, zu einem Restwert vom Wiederbeschaffungszeitwert (Sachzeitwert) führe zu einer Überfinanzierung durch die Gebührenpflichtigen, wenn diese künftig die Kapitalkosten aufgrund von Abschreibungen zu tragen hätten, die nach dem Übertragungswert als Anschaffungswert berechnet würden. Der Stadt wachse als Gegenleistung für die Veräußerung ein Entgelt in Höhe eines Wiederbeschaffungswertes zu, obwohl seitens der Stadt eine Wiederbeschaffung zu Gunsten der Gebührenpflichtigen nicht mehr anstehe.

Ebenso fehlerhaft sei die Einbeziehung von kalkulatorischen Zinsen zu einem Zinsfuß von 7 % in das Pachtentgelt der EEG, das über das Betriebsführungsentgelt der SWE zu einem Kostenbestandteil in der Gebührenkalkulation geworden sei. Der Zinsfuß sei nach Nr. 43 Abs. 2 der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten - LSP - in Verbindung mit der Verordnung PR 4/72 über die Bemessung des kalkulatorischen Zinssatzes vom 17. April 1972 (Bundesanzeiger Nr. 78) auf höchstens 6,5 % beschränkt. Dem stehe nicht entgegen, dass die EEG als rechtlich selbständiges Konzernunternehmen nur mittelbare Leistungen für die öffentlichen Auftraggeber erbringe, auf die nach § 2 Abs. 4 Nr. 1 VO PR Nr. 30/53 das Preisprüfungsrecht nur bei einem entsprechenden Verlangen des öffentlichen Auftraggebers anwendbar sei. Ein derartiges Verlangen habe die Stadt F. zwar nicht geäußert, sie müsse in der entsprechenden Vertragsgestaltung aber das gebührenrechtliche Prinzip der Erforderlichkeit der Kostenansätze beachten. Die Vertragsgestaltungen, bei welchen die Gebührenpflichtigen dadurch unnötig benachteiligt würden, dass die Stadt die Anwendung der VO PR Nr. 30/53 bei mittelbaren Leistungen nicht verlange, stellten eine unzulässige Umgehung des Preisprüfungsrechts dar.

Durch das wegen überhöhter Abschreibungen und des zu hohen Zinsfußes übermäßige Pachtentgelt sei eine Überdeckung erzielt worden, die über die Erheblichkeitsgrenze von 3 % der gerechtfertigten Kosten hinausgehe.

Die Gebührenbedarfsberechnung enthalte einen weiteren unzulässigen Ansatz in Form eines kalkulatorischen Wagniszuschlags in Höhe von 3 % der Nettoselbstkosten. Dieser Ansatz entspreche zwar den Vorschriften der Nrn. 51 und 52 LSP und sei preisprüfungsrechtlich nicht zu bemängeln. Nicht zu rechtfertigen sei jedoch, dass der Stadt als Mehrheitsgesellschafterin der SWE dieser Gewinnzuschlag als Teil eines ausgeschütteten Gewinns oder als Wertsteigerung ihrer Gesellschafteranteile zugute komme. Die Stadt habe, auch soweit sie eine privatrechtliche Organisationsform wähle, die öffentliche Aufgabe der Abwasserbeseitigung uneigennützig zu erfüllen. Lediglich den beteiligten Privatunternehmen könne ein Gewinnanteil nicht verwehrt werden. Der Gewinnzuschlag in Höhe von 3 % sei auch nach der dem Beklagten bekannten Rechtsprechung des OVG NRW in seinem Urteil vom 4. Oktober 2001 - 9 A 2737/00 - nicht zu rechtfertigen. Als damit offensichtlich fehlerhafter und willkürlicher Kostenansatz führe er allein ohne Rücksicht auf die Auswirkungen zur Nichtigkeit der Gebührensätze.

Ferner sei der Ansatz der Kosten für die Reinigung der Sinkkästen fehlerhaft. Sie gehörten zwar zu den Kosten der Abwasserbeseitigung. Es handele sich aber ausschließlich um Kosten, die durch die Beseitigung des Niederschlagswassers von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen bedingt und damit dem Anteil der Stadt zuzurechnen seien. Wenn auch die Reinigung der Sinkkästen der Funktionsfähigkeit des gesamten Netzes zugute komme, gäbe es ohne die Ableitung des Abwassers von öffentlichen Flächen keine Sinkkästen, die zu reinigen wären.

Die den sonstigen angefochtenen Gebührenfestsetzungen zugrunde liegenden Satzungsregelungen hat das Verwaltungsgericht als wirksame Rechtsgrundlagen angesehen. Soweit es überhöhte Kostenansätze festgestellt hat, lagen diese unterhalb von 3 % der sachlich gerechtfertigten Kosten.

Zur Begründung seiner nur auf die Schmutz- und Niederschlagswassergebührenfestsetzungen bezogenen zugelassenen Berufung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Die Übertragung des Anlagevermögens von der Stadt F. auf die EEG zu dem um Anschlussbeiträge und Zuschüsse reduzierten Sachzeitwert sei zulässig. Bereits abgeschriebene Anlagenteile seien in die Wertberechnung nicht einbezogen worden. Der über dem Restbuchwert liegende Verkaufserlös sei nach der Rechtsprechung des OVG NRW zur Kostenverteilungsfunktion der Abschreibung gebührenrechtlich nicht gebunden.

Der Kostenansatz der Gebührenkalkulation sei nicht wegen der Einstellung überhöhter Abschreibungen und kalkulatorischer Zinsen in Höhe von 7 % im Rahmen des Pachtentgelts zu beanstanden. Das OVG NRW habe bereits entschieden, dass das Preisprüfungsrecht auf das Verhältnis zwischen EEG und SWE keine Anwendung finde. Das gewählte Privatisierungsmodell stelle keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Es führe nicht zu höheren kalkulatorischen Kosten als bei einem Verbleib der Abwasserableitungsanlagen im Eigentum der Stadt. Zudem kämen dem Gebührenzahler vielfältige Vorteile zugute: Synergien und Rationalisierungseffekte, Effizienzsteigerung und erhöhte Flexibilität, reduzierte Investitionskosten und Steuerneutralität der Übertragung des Anlagevermögens. Damit sei das vom Beklagten an die SWE gezahlte Betriebsführungsentgelt und dessen Berücksichtigung in den Gebührenbedarfsberechnungen nicht zu beanstanden. Es enthalte auch insoweit keinen unzulässigen Kostenansatz, als darin ein kalkulatorischer Wagniszuschlag eingestellt worden sei. Dieser stehe in Einklang mit den zwischen der Stadt F. und der SWE anwendbaren preisrechtlichen Vorschriften der Nrn. 51 und 52 LSP. Er sei nicht deshalb zu beanstanden, weil der Wagniszuschlag der Stadt als Teil eines ausgeschütteten Gewinns oder als Wertsteigerung ihrer Gesellschafteranteile zugute komme. Er sei auch nicht nach der Rechtsprechung des OVG NRW in seinem Urteil vom 4. Oktober 2001 - 9 A 2737/00 - generell auf höchstens 1 % beschränkt. Vielmehr entspreche im konkreten Fall ein Zuschlag von 3 % der hier vorzunehmenden Risikobewertung. Entscheidend sei, dass die SWE nur einen untergeordneten Teil von etwa 18,5 % ihrer gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen des Gebührenrechts erbringe. Als Gesamtunternehmen sei sie in erheblich stärkerem Maße typischen unternehmerischen Risiken wie Konjunktur- und Nachfrageschwankungen ausgesetzt als ein Unternehmen, das zu 80 % im gebührenrechtlichen Bereich operiere. Da der Wagniszuschlag Risiken abfedern solle, die das Unternehmen als Ganzes gefährdeten, müsse insoweit auch das Verlustrisiko in anderen Geschäftsbereichen berücksichtigt werden. Zudem sei die SWE erheblichen finanziellen Risiken aufgrund vorzeitiger Anlagenabgänge ausgesetzt. Die daraus entstehenden Verluste hätten allein zwischen 2000 und 2004 12,1 Mio. Euro ausgemacht. Es bestehe keine Verpflichtung, solche Verluste über Sonderabschreibungen abzudecken. Der Wagniszuschlag diene im Übrigen dazu, steuerliche verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu vermeiden. Ein lediglich kostendeckendes Entgelt ohne einen Gewinnzuschlag von mindestens 3 % würde nämlich nach der steuerlichen Praxis einen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Vermögensvorteil indizieren. Im Übrigen sei die Toleranzgrenze von 3 % nicht überschritten.

Schließlich seien die Kosten für die Reinigung der Sinkkästen zu Recht in die Kalkulation eingestellt worden. Sie gehörten zu den Kosten der Grundstücksentwässerung. Der Kostenansatz sei nicht auf die Straßenentwässerung gerichtet, sondern auf die Funktionserhaltung der Abwasserbeseitigung insgesamt, die im F1. Stadtgebiet im Wesentlichen durch eine Mischkanalisation erfolge. Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass die Sinkkästen unter anderem zur Aufnahme des von Grundstücken über die Straße in die Kanalisation abfließenden Niederschlagswassers dienten.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage auch hinsichtlich der Schmutz- und Niederschlagswassergebühren abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 13. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 auch hinsichtlich der Abfallentsorgungsgebühren sowie der Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren aufzuheben.

Sie meint, die Abfallentsorgungs- sowie Straßenreinigungs- und Winterdienstgebührensätze seien wegen eines willkürlichen Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip unwirksam. Sie rügt konkret, dass Kosten für die Entsorgung verbotswidrig abgelagerter Abfälle in öffentlichen Grünanlagen als nicht leistungsbezogene Kosten in die Abfallentsorgungsgebühren eingerechnet worden seien. Selbst wenn solche Kosten grundsätzlich ansatzfähig sein sollten, müsse bei der Höhe der angesetzten Beträge zumindest geprüft werden, inwieweit nicht ansatzfähige Kosten eingerechnet worden seien. Bezogen auf die Vereinbarung eines Festpreises mit der EBE in den Bereichen Abfallentsorgung sowie Straßenreinigung und Winterwartung beanstandet die Klägerin, ihr sei die Ermittlung des Festpreises nicht bekannt. Insbesondere sei offen, ob eine Ausschreibung stattgefunden habe oder detaillierte Kalkulationen vorlägen. Es liege auch keine Abrechnung vor, aus der sich ergeben würde, wie hoch die Kosten letztlich tatsächlich gelegen hätten. Sofern die Entwicklung für die EBE günstiger als kalkuliert verlaufen wäre, hätte diese einen außerordentlichen Gewinn erzielt. Hiervon würden nicht die Gebührenzahler profitieren, sondern nur die Stadt als Hauptgesellschafterin. Gehe man mit dem Verwaltungsgericht von der Vereinbarung eines Selbstkostenpreises aus, hätte der Preis entsprechend angepasst werden müssen. Selbst wenn man von einem Marktpreis ausginge, sei die Vereinbarung eines Festpreises für eine Dauer von 19 Jahren, der nur bei Änderung der Preisindizes geändert werde, im Interesse des Gebührenzahlers nicht zulässig, weil Anpassungen an geänderte Kostenstrukturen des sich ständig bewegenden Entsorgungsmarkts nicht vorgesehen seien. Darüber hinaus sei der eingerechnete Wagniszuschlag, der tatsächlich 3,2 % betrage, überhöht. Für die EBE bestehe kein Risiko, weil der vereinbarte Preis einer Preisgleitung unterliege und die EBE durch eine wirtschaftlichere Betriebsführung über den vereinbarten Gewinnzuschlag hinaus Gewinne erzielen könne.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Er hält die Anschlussberufung für unzulässig, weil sie nicht ordnungsgemäß begründet worden sei und einen anderen Streitgegenstand als die Berufung betreffe. Deshalb handele es sich um eine aufgrund ihrer Verfristung unzulässige selbständige Berufung. Abgesehen davon seien die angefochtenen Gebührenfestsetzungen auch in der Sache rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Der Senat entscheidet mit Einvernehmen der Beteiligten gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung. Da nur ein Teil des Streitgegenstands zur Entscheidung reif ist, ergeht gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 110 VwGO ein Teilurteil.

Die Berufung des Beklagten ist begründet (A.). Die Anschlussberufung der Klägerin ist hinsichtlich der Abfallentsorgungsgebühren zulässig, aber nicht begründet (B.). Soweit Straßenreinigungsgebühren Gegenstand der Anschlussberufung sind, bleibt eine Entscheidung der abschließenden Entscheidung vorbehalten (C.).

A. Die Klage gegen die Heranziehung zu Entwässerungsgebühren für das Jahr 2004 ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts unbegründet. Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 13. Januar 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 14. April 2004 sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der angefochtene Bescheid beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Insbesondere genügen die für das Veranlagungsjahr 2004 festgesetzten Abgabensätze der Satzung über die Erhebung von Entwässerungsabgaben (Entwässerungsabgabensatzung) der Stadt F. vom 8. Dezember 1997 (Amtsblatt der Stadt F. Nr. 50 vom 12. Dezember 1997) in der Fassung der Satzungsänderung vom 2. Dezember 2003 (Amtsblatt der Stadt F. Nr. 49 vom 5. Dezember 2003, berichtigt im Amtsblatt Nr. 50 vom 12. Dezember 2003), nach denen die Gebühren im angefochtenen Bescheid zutreffend ermittelt wurden, den rechtlichen Vorgaben, namentlich der Veranschlagungsmaxime des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG. Danach soll das veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung nicht überschreiten. Hierbei räumt der Senat dem Satzungsgeber in ständiger Rechtsprechung einen Toleranzspielraum von bis zu 3 % ein, sofern Kostenüberschreitungen nicht bewusst fehlerhaft oder willkürlich vorgenommen worden sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, NVwZ 1995, 1233, 1238.

Die Gebührenbedarfsberechnung für das Jahr 2004 enthält zwar einzelne überhöhte Ansätze, ist danach aber im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Senat hat bereits in Verfahren betreffend Gebührenheranziehungen durch den Beklagten für die Jahre 1998 bis 2000 zu den meisten im erstinstanzlichen Urteil angesprochenen Gesichtspunkten Stellung genommen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. Juni 2007 - 9 A 372/06 -, juris, und vom 14. Dezember 2004 - 9 A 4187/01 -, NWVBl. 2005, 219, rechtskräftig seit dem Beschluss des BVerwG vom 12. September 2005 - 10 B 13.05 -.

Hieran hält er auch nach erneuter Überprüfung unter Berücksichtigung der Ausführungen im angefochtenen Urteil fest.

Ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot wird nicht dadurch begründet, dass der für die Veräußerung des Anlagevermögens erzielte Erlös, soweit er über dem Anschaffungsrestwert liegt, nicht als Einnahme in die Kalkulation eingeflossen ist (dazu I.). Die in die Gebührenbedarfsberechnung eingestellten Fremdkosten sind - abgesehen von dem Wagniszuschlag, der in dem an die SWE zu zahlenden Betriebsführungsentgelt enthalten ist - nicht zu beanstanden (dazu II.). Demgegenüber durfte der im Fremdleistungsentgelt enthaltene Wagniszuschlag nicht in voller Höhe in den Gebührensatz eingerechnet werden (dazu III.). Auch die Kosten für die Reinigung der Sinkkästen durften nicht auf alle Gebührenzahler umgelegt werden (dazu IV.). Diese unzulässigen Kostenansätze führen jedoch im Ergebnis nicht zur Unwirksamkeit des satzungsgemäßen Gebührensatzes (dazu V.). Im Übrigen sind entscheidungserhebliche Mängel in der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Satzung nicht festzustellen (dazu VI.).

I. Die dem streitigen Gebührenbescheid zugrundeliegenden Satzungsbestimmungen über die Gebührensätze sind nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot rechtswidrig, weil die Stadt F. es unterlassen hat, den Veräußerungserlös, den sie beim Verkauf des Anlagevermögens erzielt hat, ganz oder zumindest teilweise als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen.

Nach der Rechtsprechung des Senats, an der er nach erneuter Überprüfung festhält, ist eine Veräußerung des Anlagevermögens zum Wiederbeschaffungszeitwert ohne gleichzeitige (teilweise) Einstellung des Erlöses in die Gebührenbedarfsberechnung gebührenrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein in die Gebührenkalkulation als Einnahme einzubeziehender Erlös ist danach allerdings dann anzunehmen, wenn Anlagevermögen, das bereits vollständig abgeschrieben ist, aber noch einen Nutzungswert besitzt, der veräußernden Kommune Gewinne erbringt. Denn diese Gewinne stellen den Gegenwert für die entgangene (kostenlose) Nutzungsmöglichkeit der Anlagegüter für den Gebührenzahler dar.

Vgl. OVG NRW, Teilurteil vom 15. Dezember 1994 - 9 A 2251/93 -, NVwZ 1995, 1238, 1241.

Die genannten Besonderheiten sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Die Stadt F. hat bei der Veräußerung des Anlagevermögens an die EEG keinen Erlös für bereits abgeschriebene Anlagegüter erzielt.

Eine (teilweise) Einstellung des Veräußerungserlöses in die Gebührenkalkulation als Einnahme ist auch im Übrigen rechtlich nicht geboten. Die Stadt hat hier mit dem Verkauf des Anlagevermögens keinen Erlös realisiert, der dem Gebührenzahler "zusteht". Bei dem Anlagevermögen handelt es sich nicht um "Kapital" des Gebührenzahlers. Mit den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen für Abschreibungen und kalkulatorische Zinsen hat der Gebührenzahler nur die Folgen des Umstandes ausgeglichen, dass das von der Stadt zuvor bzw. ursprünglich aus Mitteln des allgemeinen Haushalts bereitgestellte Anlagevermögen durch die Nutzung einem Werteverzehr unterlag. Er hat damit nicht gleichsam regelmäßig auch einen Anteil am Anlagevermögen erworben. Bei einer Veräußerung zum Restwert auf der Basis des Wiederbeschaffungszeitwertes realisiert die Stadt nur einen Erlös, der dem Wert des Anlagevermögens, soweit es aus Mitteln der Stadt stammt, aktuell noch entspricht. Deshalb ist es unerheblich, dass sie im Rahmen der Veräußerung (einmalig) einen Betrag erhält, den sie für eine Wiederbeschaffung von Anlagegütern nicht benötigt.

II. Das in die Gebührenbedarfsberechnung eingestellte Betriebsführungsentgelt, welches die Stadt F. an die SWE zu zahlen hatte, unterliegt - abgesehen von der Höhe des angesetzten Wagniszuschlags - keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Zu den gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen und durch Gebühren zu deckenden Kosten gehören kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auch "Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen" (§ 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW). Berücksichtigungsfähig sind danach Fremdleistungsentgelte, die auf vertraglichen Zahlungsverpflichtungen der Kommune gegenüber solchen juristischen Personen bestehen, an denen sie beteiligt ist, selbst wenn es sich um eine Mehrheitsbeteiligung handelt. Da die an das Unternehmen zu zahlenden Fremdleistungsentgelte tatsächliche Kosten darstellen, kommt es bei deren Einstellung in die Gebührenkalkulation in der Regel weder zu Kostenüberdeckungen noch gar zur Erschließung illegaler Finanzquellen. Eine Einschränkung gilt nur mit Blick darauf, dass es sich um vertragsgemäße, betriebsnotwendige Kosten handelt, deren Bemessung letztlich nicht zu einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip führt.

Vgl. OVG NRW, Teilurteil vom 15. Dezember 1994 - 9 A 2251/93 -, a.a.O., 1240.

Gemessen daran durfte das von der Stadt F. an die SWE zu zahlende Betriebsführungsentgelt für die Entwässerungsleistungen grundsätzlich in die Gebührenbedarfsberechnung einbezogen werden.

Auch die Höhe des in die Kalkulation eingestellten Betriebsführungsentgeltes ist - abgesehen von dem in ihm enthaltenen Wagniszuschlag - nicht zu beanstanden. Dieser überwiegende Anteil des Entgelts entspricht dem Grundsatz der Betriebsnotwendigkeit und seine Umlage führt nicht zu dem Äquivalenzprinzip widerstreitenden Folgen für den Gebührenzahler.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des Entsorgungsvertrages erstattet die Stadt F. der SWE die zur Erfüllung ihrer durch den Vertrag übernommenen Verpflichtungen anfallenden Selbstkosten im Sinne der jeweils geltenden Vorschriften. Bei diesen Vorschriften handelte es sich im Zeitpunkt der Kalkulation um die Verordnung PR Nr. 30/53 in der Fassung von Art. 340 der Verordnung vom 29. Oktober 2001, BGBl. I, 2785, 2857, in Verbindung mit den als Anlagen hierzu aufgestellten LSP. Da es sich bei den von der SWE erbrachten Leistungen im Rahmen der öffentlichen Abwasserbeseitigung nicht um marktgängige Leistungen handelt, durfte die SWE von der Stadt F. gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 3 und 4 der Verordnung PR Nr. 30/53 ein Betriebsführungsentgelt in der Höhe von Selbstkostenerstattungspreisen - wie vertraglich festgelegt - fordern.

Soweit in die im Betriebsführungsentgelt der SWE enthaltenen Selbstkosten das von dieser an die EEG zu zahlende Pachtentgelt eingegangen ist, unterliegt dies weder dem Grunde noch der Höhe nach durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Pachtentgelt stellt sich für die SWE als ein Teil ihrer Selbstkosten dar, die im Rahmen der Entwässerungsleistungen anfallen. Dieses Pachtentgelt, welches im Wesentlichen die kalkulatorischen Kosten für die Nutzung des Anlagevermögens beinhaltet, entspricht den zwischen der EEG und der SWE getroffenen Vereinbarungen. Danach umfasst das Entgelt alle der EEG entstehenden Kosten, die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung der von einem beauftragten Dritten zu beachtenden kommunalabgabenrechtlichen Prinzipien ansatzfähig sind (vgl. § 4 Abs. 1 des Pachtvertrages). Das Pachtentgelt verstößt damit weder gegen Vorschriften des Preisrechts noch führt es unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Umgehung etwaiger Beschränkungen bzw. aus sonstigen Gründen zur Einstellung von mehr als betriebsnotwendigen Kosten. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 1. Juni 2007 - 9 A 372/06 -, a.a.O., eingehend begründet. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, nimmt er hierauf Bezug.

Ergänzend ist lediglich anzumerken, dass der Zinssatz von 7 %, den die EEG bei der Ermittlung ihrer kalkulatorischen Zinsen zugrundegelegt hat, auch für den Kalkulationszeitraum des Jahres 2004 nicht zu beanstanden ist. Er hätte von der Stadt F. in gleicher Höhe angesetzt werden dürfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Nominalverzinsung vom Anschaffungsrestwert auch in Kombination mit einer Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert zulässig. Ferner können für die Bestimmung des Zinssatzes nicht die in der jeweiligen Gebührenperiode am Kapitalmarkt herrschenden Verhältnisse, sondern nur langfristige Durchschnittsverhältnisse maßgebend sein. Denn es handelt sich um einen kalkulatorischen Zins, der sich auf den gesamten Restbuchwert, mithin auf Anlagegüter unterschiedlichsten Alters bezieht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, a.a.O., 1238.

Die von der Deutschen Bundesbank ermittelten und veröffentlichten Sätze der Emissionsrenditen in den Jahren ab 1955 für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten ergeben, dass bei der Kalkulationserstellung für 2004 im Jahre 2003 unter Berücksichtigung der bis dahin allenfalls vorliegenden Werte bis 2002 ein Durchschnittswert von 6,97 % anzunehmen ist. Dieser darf nach der Rechtsprechung des Senats um bis zu ca. 0,5 % erhöht werden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass wegen der die Anlagezinsen regelmäßig übersteigenden Kreditzinsen ein etwaiger Fremdkapitalanteil zu einem höheren Zinssatz zu berücksichtigen ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2007 - 9 A 372/06 -, a.a.O.

Gemessen daran bestand vorliegend aus gebührenrechtlicher Sicht keine Verpflichtung, den zum Zweck der Gewährleistung einer angemessenen Verzinsung (§ 6 Abs. 2 Satz 4 erster Halbsatz KAG) eingeräumten Zinssatz bereits im Rahmen der Kostenprognose für 2004 unter 7 % zu reduzieren.

III. Nicht in voller Höhe ansatzfähig ist der so genannte kalkulatorische Gewinn für das allgemeine Unternehmerwagnis, der mit 3 % der Nettoselbstkosten in das Betriebsführungsentgelt eingerechnet worden ist. Zwar gehört dieser Zuschlag als Teil des Fremdleistungsentgelts grundsätzlich zu den betriebsnotwendigen Kosten. Er ist jedoch nicht betriebsnotwendig, soweit er 1 % der Nettoselbstkosten überschreitet, weil er sich insoweit nicht mehr im Rahmen des preisrechtlich Zulässigen hält.

1. Das allgemeine Unternehmerwagnis, das nach den Nrn. 48 Abs. 1, 51 Buchstabe a) LSP im kalkulatorischen Gewinn mit abgegolten wird, deckt die Wagnisse ab, die das Unternehmen als Ganzes gefährden, die in seiner Eigenart, in den besonderen Bedingungen des Wirtschaftszweiges oder in wirtschaftlicher Tätigkeit schlechthin begründet sind (vgl. Nr. 47 Abs. 2 LSP). Der Ansatz für diese Position soll auf lange Sicht die Existenz des Unternehmens gegen die Gefahren und Risiken sichern, die mit der unternehmerischen Tätigkeit verbunden sind. Zum allgemeinen Unternehmerwagnis gehören z.B. Wagnisse, die aus der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entstehen, etwa Konjunkturrückgänge, plötzliche Nachfrageverschiebungen, Geldentwertungen, technische Fortschritte. Aus dem allgemeinen Unternehmerwagnis müssen im Übrigen die Aufwendungen gedeckt werden, die nach den LSP nicht zu den Kosten gehören.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Oktober 2001 - 9 A 2737/00 -, NVwZ-RR 2002, 684, 685; Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen, 7. Aufl. 2001, Nr. 51 LSP, Rn. 6.

Nicht hierzu gehört das Risiko von vorzeitigen Ausfällen im Kanalnetz. Dieses zählt nicht zum allgemeinen Unternehmerwagnis, sondern stellt sich als Einzelwagnis im Sinne von Nr. 47 Abs. 3 LSP dar. Denn hierin liegt eine mit der Leistungserstellung in einem einzelnen Tätigkeitsgebiet des Betriebs verbundene Verlustgefahr einzelner Anlagegüter. Sie kann deshalb nicht im Rahmen des Zuschlags für das allgemeine Unternehmerwagnis berücksichtigt werden.

Zur Beurteilung, in welcher Höhe ein kalkulatorischer Zuschlag für das allgemeine Unternehmerwagnis angemessen ist, hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung berücksichtigt, in welchem Umfang die Kommune an dem tätig werdenden Unternehmen beteiligt und welcher Anteil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vom Gebührenbereich abgedeckt ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Oktober 2001 - 9 A 2737/00 -, a.a.O., 686, und Teilurteil vom 15. Dezember 1994 - 9 A 2251/93 -, a.a.O., 1240.

Nach erneuter Überprüfung hält der Senat diese Gesichtspunkte für die Frage der Bemessung eines angemessenen Wagniszuschlags nicht mehr für entscheidungserheblich. Auch wenn der Zuschlag auf lange Sicht vor Gefahren schützen soll, die das Unternehmen als Ganzes gefährden, so ist er doch nur in einem Umfang gerechtfertigt, in dem ein gesamtwirtschaftliches Risiko besteht. Soweit langfristige Vertragsverhältnisse für das Unternehmen - unabhängig vom Umfang der Beteiligung des öffentlichen Trägers - nahezu ohne Risiko ausgestaltet sind, wird das Unternehmen auch nicht als Ganzes gefährdet; der dadurch insgesamt geringeren Gefährdung für das Gesamtunternehmen, die sich aus der verbleibenden allgemeinen unternehmerischen Tätigkeit mit den normalen Marktrisiken ergibt, ist dadurch zu begegnen, dass in den übrigen Geschäftsbereichen Wagniszuschläge in üblicher Höhe in den Preis eingerechnet werden. Bereits durch einen derart differenzierten Ansatz von Wagniszuschlägen wird die Existenz des Unternehmens auf Dauer gesichert. Dabei ist es unerheblich, welcher Anteil der Tätigkeit des Unternehmens praktisch ohne gesamtwirtschaftliches Risiko ausgestaltet ist: Bei einem geringen Anteil solcher Tätigkeit kann sich das Unternehmen in erheblichem Umfang durch Wagniszuschläge schützen; bei einem höheren Anteil steht den geringeren Einnahmen aus Wagniszuschlägen ein entsprechend geringeres Risiko gegenüber.

Ausgehend hiervon erscheinen die Gefahren und Risiken gering, die sich aus dem Entsorgungsvertrag zwischen der Stadt F. und der SWE für deren Unternehmen als Ganzes ergeben. Entscheidend für diese Beurteilung ist zum einen, dass zwischen der SWE und der Stadt die Erstattung der zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen anfallenden Selbstkosten, also ein Selbstkostenerstattungspreis, vereinbart ist. Zum anderen besteht kaum ein Risiko, dass die Stadt dieser Verpflichtung nicht nachkommen, insbesondere der SWE tatsächlich nicht die Mittel zur Verfügung stellen wird, die sie zur ordnungsgemäßen Durchführung der Abwasserbeseitigung benötigt. Denn sie kann sich ihrer gesetzlichen Pflichtaufgabe der öffentlichen Abwasserbeseitigung, für deren Durchführung sie sich der SWE nur im Innenverhältnis bedient, nicht entziehen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erscheint das verbleibende allgemeine unternehmerische Restrisiko mit 1 % der Nettoselbstkosten im vorliegenden Einzelfall angemessen bewertet.

2. Auch steuerrechtliche Erfordernisse lassen eine andere Beurteilung nicht zu. Der Ansatz eines Wagniszuschlags von nur 1 % der Selbstkosten führt nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Eine Veranlassung einer Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis hat der BFH in ständiger Rechtsprechung angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

Vgl. BFH, Urteile vom 28. Januar 2004 - I R 87/02 -, BFHE 205, 181, 183, und vom 10. Juli 1996 - I R 108-109/95 -, BFHE 181, 277, 278 f.

Diese Voraussetzungen liegen bei der Bemessung des Wagniszuschlags entsprechend dem jeweiligen Risiko schon deshalb nicht vor, weil nach dem einschlägigen Preisrecht ein höherer Wagniszuschlag auch gegenüber einem nicht an der Gesellschaft beteiligten öffentlichen Auftraggeber nicht berechnet werden dürfte.

Genauso wenig verstößt die Geschäftsführung mit der Vereinbarung eines dem Preisrecht entsprechenden Wagniszuschlags gegen ihre aktienrechtliche Pflicht zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 AktG).

3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob darüber hinaus entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung,

vgl. OVG NRW, Teilurteil vom 15. Dezember 1994 - 9 A 2251/93 -, a.a.O., und Urteil vom 4. Oktober 2001 - 9 A 2737/00 -, a.a.O.,

ein Anteil an dem angemessenen Wagniszuschlag von 1 % in Höhe der (mittelbaren) gemeindlichen Beteiligung an der SWE zumindest als zu erwartende Einnahme in den Gebührenhaushalt hätte eingestellt werden müssen, weil in dieser Höhe Gewinnausschüttungen oder Wertsteigerungen der Gesellschafteranteile erwartet werden konnten. Insbesondere bedarf es keiner Klärung, ob ein solches Erfordernis aus dem landesrechtlichen Kostenüberschreitungsverbot,

vgl. hierzu etwa OVG Meckl.-Vorp., Urteile vom 25. Februar 1998 - 4 K 8/97 -, KStZ 2000, 12, 17 f., und vom 7. November 1996 - 4 K 11/96 -, juris, Rn. 48 ff.,

oder gar einem allgemeinen bundesfinanzverfassungsrechtlichen Prinzip der Steuer- bzw. Abgabestaatlichkeit,

so im Zusammenhang mit der Erhebung eines Straßenbaubeitrags OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2005 - 15 A 873/04 -, OVGE 50, 164, 168 f.; offen gelassen von BVerwG, Beschluss vom 14. September 2006 - 9 B 2.06 -, NVwZ 2006, 1404, 1407,

bzw. wenigstens einem für Abgaben mit Zwangscharakter geltenden finanzverfassungsrechtlichen Verbot gewinnerzielender Vorzugslasten abzuleiten sein könnte.

Vgl. Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 387 ff., bes. 410.

Selbst wenn man annähme, die Gemeinde müsste die auf sie entfallenden Gewinne, die ein beauftragter Fremdleister, an dem sie finanziell beteiligt ist, im Gebührenbereich verdient, dem Gebührenhaushalt wieder gutbringen, führte dies im Ergebnis nicht zur Nichtigkeit des Gebührensatzes, weil sich die danach allenfalls ergebende Überdeckung noch im Rahmen der zulässigen Toleranzmarge von 3 % der ansatzfähigen Gesamtkosten hält (vgl. dazu unten V.).

IV. Die Kosten für die Reinigung der Sinkkästen sind zu Unrecht in den Gebührensatz eingerechnet worden. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich hierbei ausschließlich um Kosten der Abwasserbeseitigung handelt, die durch die Beseitigung des Niederschlagswassers von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen bedingt sind. Die Sinkkästen haben nämlich die Aufgabe, Straßenschmutz aufzufangen, wenn das Wasser von der Straßenoberfläche durch die Einläufe in die Kanalisation abläuft. Nur die Straßenentwässerung erfordert Sinkkästen und ihre Reinigung, während die private Grundstücksentwässerung für sich genommen grundsätzlich keine Sinkkästen benötigt. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass es vereinzelt Grundstücke geben mag, von denen das Niederschlagswasser tatsächlich über die zur Straßenentwässerung vorgehaltenen und mit Sinkkästen versehenen Straßeneinläufe der Kanalisation zufließt. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Entwässerung solcher Grundstücke für sich genommen - anders als die über Abwasserleitungen erfolgende Entwässerung der weitaus meisten privaten Grundstücke - Sinkkästen benötigen oder zumindest Anlass für ihren Einsatz gegeben haben könnte.

V. Die überhöht angesetzten Kosten führen jedoch nicht zur Unwirksamkeit des satzungsgemäßen Gebührensatzes. Sie beruhen nicht auf willkürlichen oder bewusst fehlerhaften Kostenansätzen (1.) und halten sich im Rahmen des vom Senat in ständiger Rechtsprechung für unschädlich angesehenen Toleranzbereichs von 3 % der ansatzfähigen Kosten (2.).

1. Der überhöhte Ansatz des Wagniszuschlags ist nicht deshalb bewusst fehlerhaft erfolgt, weil zur Zeit der Kalkulation das Urteil des Senats vom 4. Oktober 2001 - 9 A 2737/00 -, a.a.O., bereits bekannt war. In dieser Entscheidung hatte der Senat das geringe Risiko unter anderem auch damit begründet, dass die Kommune Hauptgesellschafterin des tätig gewordenen Unternehmens war und dessen wirtschaftliche Tätigkeit zu fast 80 % vom Gebührenbereich abgedeckt war. Insoweit liegt hier eine andere Konstellation vor. Abgesehen davon war es im Kalkulationszeitpunkt nicht willkürlich, einen Wagniszuschlag in einer Höhe anzusetzen, wie sie grundsätzlich in der steuerrechtlichen Praxis nach dem Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters als angemessen angesehen wurde. Darüber hinaus bestand und besteht bis heute keine gefestigte Rechtsprechung, aus der sich die Verpflichtung ergeben hätte, angemessene Wagniszuschläge in Höhe der gemeindlichen Beteiligung am beauftragten Fremdleister als zu erwartende Einnahmen in den Gebührenhaushalt einzustellen.

Auch der Ansatz der Kosten für die Sinkkastenreinigung ist nicht bewusst fehlerhaft vorgenommen worden. Soweit ersichtlich hatte sich zur Zeit der Kalkulation noch keine gefestigte Rechtsprechung zu einem derartigen Kostenansatz herausgebildet.

2. In dem veranschlagten Betriebsführungsentgelt in Höhe von 65.715.194,80 EUR ist ein Betrag von etwa 1.914.000 EUR (1.650.000 EUR + 16 % USt.) als Wagniszuschlag enthalten. 2/3 von diesem Betrag, also 1.276.000 EUR, sind zu Unrecht angesetzt worden, weil ein Wagniszuschlag nur in Höhe von 1 % sachlich gerechtfertigt war. Selbst wenn man zudem 51 % des zu Recht angesetzten Teils des Wagniszuschlags (325.380 EUR) als Einnahme rechnen würde, stellte dies die Rechtmäßigkeit des Gebührensatzes im Ergebnis nicht in Frage. Das gilt auch unter Berücksichtigung der zu Unrecht in die Kalkulation eingestellten Kosten der Sinkkastenreinigung in Höhe von 867.680 EUR.

Ansatzfähig wären danach für das Jahr 2004 nämlich mindestens 101.543.927,68 EUR (104.012.987,68 EUR - 1.276.000 EUR - 325.380 EUR - 867.680 EUR). Das veranschlagte Gebührenaufkommen von 104.012.987,68 EUR übersteigt damit die ansatzfähige Kostenmasse höchstens um 2.469.060 EUR. Das sind im ungünstigsten Fall gut 2,4 % der ansatzfähigen Kosten und bewegt sich jedenfalls innerhalb des Toleranzbereichs von 3 %.

VI. Mängel der dem Gebührenbescheid zugrunde liegenden Satzung sind im Übrigen nicht erkennbar. Auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes ist eine weitere, ins Einzelne gehende Überprüfung der verschiedenen Positionen der Gebührenbedarfsberechnung nicht angezeigt. Zwar sind die Verwaltungsgerichte in der Regel verpflichtet, jede mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern die Aufklärung nach ihrer Meinung für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Bei der Überprüfung einer Kalkulation geht der erkennende Senat auf Grund der Bindung des Beklagten an Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. 3 GG jedoch grundsätzlich davon aus, dass dessen Auskünfte der Wahrheit entsprechen. Aufklärungsmaßnahmen sind daher nur insoweit angezeigt, als sich dem Gericht etwa Widersprüche nach dem Sachvortrag der klagenden Partei oder aber den beigezogenen Unterlagen aufdrängen. Lässt es die klagende Partei insoweit an substantiiertem Sachvortrag fehlen und ergibt sich auch aus den Unterlagen kein konkreter Anhaltspunkt für einen fehlerhaften Kostenansatz, hat es hiermit sein Bewenden. Die Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht werde mit ihrer Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. September 1997 - 9 A 3373/96 -, Seite 22 des amtlichen Umdrucks; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -, NWVBl. 2002, 427, 430.

Gemessen daran bestand für den Senat mangels (weiterer) substantiierter Einwände gegen die in Rede stehende Satzung und mangels offensichtlicher Fehler kein Grund, eine über das Vorstehende hinausgehende Prüfung der Rechtsgrundlagen für die Gebührenheranziehung vorzunehmen.

B. Die Anschlussberufung der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit über sie bereits entschieden werden kann. Bezogen auf die Abfallgebühren ist die Anschlussberufung zwar zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

I.1. Der Zulässigkeit der Anschlussberufung der Klägerin steht nicht § 127 Abs. 3 Satz 1 VwGO entgegen, wonach die Anschlussberufung in der Anschlussschrift begründet werden muss. Dieser Vorschrift ist nicht das Erfordernis zu entnehmen, dass die Anschlussberufung und ihre Begründung in einem einheitlichen Schriftsatz enthalten sein müssen. Vielmehr kann die Anschlussberufung nach dem gemäß § 127 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend anwendbaren § 124 a Abs. 3 Satz 2 VwGO ebenso wie die Berufung - jedoch bereits innerhalb der Rechtsmittelfrist - in einem gesonderten Schriftsatz begründet werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich § 127 Abs. 3 Satz 1 VwGO entgegen dem missverständlichen Wortlaut lediglich entnehmen, dass für die Begründung der Anschlussberufung keine besondere Frist eingeräumt werden sollte.

Vgl. BT-Drs. 14/6393, S. 13 f.

2. Die Anschlussberufung bezieht sich hinsichtlich der Abfallgebühr zulässigerweise auf einen Streitgegenstand, der nicht Gegenstand der auf Entwässerungsgebühren beschränkten Berufung ist. Denn seit der Neufassung des § 127 VwGO besteht ein unbeschränktes Anschließungsrecht, das eine volle Überprüfung des erstinstanzlichen Streitstoffs ermöglicht. Eine Einschränkung auf den prozessualen Anspruch, der Gegenstand der Berufung ist, lässt sich dem Begriff der Anschließung nicht entnehmen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2003 - 1 C 5.02 -, BVerwGE 117, 332, 343 ff.; BGH, Beschluss vom 23. Februar 2005 - II ZR 147/03 -, MDR 2005, 823; Meyer- Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2007, § 127 Rn. 6 a f.; offen lassend noch zur alten Rechtslage BVerwG, Urteil vom 11. April 2002 - 4 C 4.01 -, BVerwGE 116, 169, 174 f., unter Bezugnahme unter anderem auf BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00 -, BGHZ 148, 156, 159; a. A. Happ: in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 127 Rn. 8; Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 127 Rn. 6 jedoch jeweils mit auf die alte Rechtslage bezogenen Nachweisen.

Die Klägerin war insbesondere nicht dazu verpflichtet, ihr Begehren auf Überprüfung der Abfallgebühr mit einer eigenen Berufung zu verfolgen. Sie hatte nach Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht und deren Einlegung durch den Beklagten unter Wahrung der dafür vorgeschriebenen Formen und Fristen die freie Wahl, ob sie Rechtsschutz im Wege der selbständigen Berufung oder im Wege der Anschlussberufung anstrebt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007 - 9 C 1.07 -, RdL 2008, 139, 140.

II. Die Anschlussberufung der Klägerin hat hinsichtlich der Abfallentsorgungsgebühren aber in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage der Erhebung der Abfallentsorgungsgebühren ist die einschlägige Gebührensatzung der Stadt F. vom 19. Dezember 2001 in der Fassung der Änderungssatzung vom 7. Dezember 2002 (Amtsblatt der Stadt F. Nr. 50 vom 13. Dezember 2002). Hiernach sind die Gebühren rechnerisch zutreffend ermittelt worden. Das Satzungsrecht ist formell gültig und unterliegt auch in materiellrechtlicher Hinsicht keinen Bedenken.

1. Diese Satzung verstößt weder gegen § 6 KAG NRW noch gegen das Äquivalenzprinzip, weil in die Gebühr gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstriche 2 und 3 LAbfG NRW nennenswerte Kosten für die Entsorgung verbotswidriger Abfallablagerungen sowie die Erfassung von Abfällen außerhalb der regelmäßigen Grundstücksentsorgung eingerechnet worden sind. Diese Kosten sind wegen der § 6 KAG vorgehenden Spezialregelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 LAbfG NRW ansatzfähige Kosten der Einrichtung. Das Äquivalenzprinzip besagt, dass die Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Dabei verbleibt dem Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, wie eine sachgerechte Verknüpfung zwischen dem Wert dieser Leistung und der Gebührenhöhe herzustellen ist, ein weiter Ermessenspielraum.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - 7 BN 6.07 -, juris, und vom 5. November 2001 - 9 B 50.01 -, NVwZ-RR 2002, 217, 218.

Ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gebührenhöhe ergibt sich nicht bereits daraus, dass hinsichtlich der in § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstriche 2 und 3 LAbfG NRW erfassten Abfälle eine konkrete Zuordnung zu einer bestimmten Person im Sinne einer konkreten Benutzungshandlung nicht möglich ist. Denn es lässt sich bei generalisierender Betrachtungsweise, wie sie der Gesetzgeber vornehmen muss, ein Zuordnungszusammenhang in der Weise feststellen, dass diese Abfälle in der Regel überwiegend von Personen stammen werden, die im Gemeindegebiet liegende Grundstücke bewohnen oder gewerblich nutzen. Damit dient die Wahrnehmung dieser Aufgaben letztlich überwiegend dem Vorteil der Personengruppe der Gebührenpflichtigen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Oktober 2001 - 9 A 2737/00 -, a.a.O.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Kosten für die Beseitigung verbotswidriger Abfallablagerungen zu hoch angesetzt haben könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein die Höhe dieser Kosten, die etwa 9,6 % der für das Jahr 2004 veranschlagten Gesamtkosten betragen, bietet keine Veranlassung zur weiteren Aufklärung, ob die Kosten sachgerecht ermittelt worden sind.

2. Auch die Einstellung des an die EBE zu leistenden vertragsgemäßen Festpreises in die Gebührenkalkulation unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere verstößt sie nicht gegen die Veranschlagungsmaxime des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG. Es handelt sich bei dem Festpreis um ein grundsätzlich ansatzfähiges Fremdleistungsentgelt, das vertragsgemäß ist und damit zu den betriebsnotwendigen Kosten gehört. Der vereinbarte Preis verstößt nicht deshalb gegen preisrechtliche Vorgaben, weil ein Festpreis bei entsprechend wirtschaftlicher Betriebsführung unter günstigen Umständen höhere Gewinne ermöglicht, wenn sich Marktrisiken nicht realisieren. Denn gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung PR Nr. 30/53 sollen möglichst feste Preise vereinbart werden.

Ebenfalls unbedenklich ist der in den Preis eingerechnete Gewinnzuschlag von 3 %. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei dem Preis entsprechend der Vereinbarung im 1. Änderungsvertrag vom 3. April 2001 zum Entsorgungsvertrag vom 11. Dezember 1998 um einen Selbstkostenfestpreis oder entsprechend dem erst rückwirkend in Kraft getretenen Entsorgungsvertrag vom 5. Januar 2005 um einen Marktpreis handelt. Denn wegen des der Höhe nach unveränderten Betrages liegt es auf der Hand, dass der Preis als Selbstkostenfestpreis einschließlich eines Gewinnzuschlags von 3 % ermittelt worden ist. Dies ist wegen des im Vergleich zu einem Erstattungspreis höheren Wagnisses für einen Selbstkostenfestpreis rechtlich unbedenklich. Anhaltspunkte dafür, dass der vereinbarte Preis als Marktpreis im Sinne von § 4 Abs. 1 der Verordnung PR Nr. 30/53 die im Verkehr üblichen Preise überschreitet, sind im Hinblick auf die Preisermittlung auf Selbstkostenbasis selbst unter Berücksichtigung des einbezogenen Gewinnzuschlags nicht ersichtlich. Entgegen der Berechnung der Klägerin beträgt der kalkulierte Gewinnzuschlag auch nicht mehr als 3 % des vereinbarten Festpreises in Höhe von 29.643.406,64 EUR für die Hausmüll- und Bioabfallentsorgung. Auf diese beiden Bereiche entfallen nach der Mitteilung des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 24. November 2005 Wagniszuschläge in Höhe von 782.704,53 EUR (Hausmüll) und 80.695,66 EUR (Bioabfall). Ausgehend davon bestehen keine Anhaltspunkte für die Vermutung, der Gewinnzuschlag könnte mehr als 3 % betragen haben.

C. Hinsichtlich der mit der Anschlussberufung gleichfalls angefochtenen Straßenreinigungsgebühr ergeht noch keine Entscheidung. Der Rechtsstreit ist insoweit noch nicht spruchreif, weil diese Gebühr rückwirkend auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt und diesem Umstand erst mit Bescheid vom 19. Juni 2008 Rechnung getragen worden ist. Insoweit hatte die Klägerin noch nicht hinreichend rechtliches Gehör.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 24.06.2008
Az: 9 A 373/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b89b5d8f2dbf/OVG-Nordrhein-Westfalen_Urteil_vom_24-Juni-2008_Az_9-A-373-06




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