Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Mai 2004
Aktenzeichen: 9 W (pat) 4/04
(BPatG: Beschluss v. 17.05.2004, Az.: 9 W (pat) 4/04)
Tenor
Die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 03 G des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
Gründe
I Der Anmelder hat am 21. Juni 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Antriebssystem für Fahrzeuge und Kraftmaschinen, insbesondere für Luft- und Raumfahrzeuge und Schiffe"
eingereicht. Für die Anmeldung ist die Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 103 23 500.0 vom 25. Mai 2003 beansprucht. Mit Beschluss vom 31. Oktober 2003 hat die Prüfungsstelle für Klasse F 03 G des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung führt sie unter Hinweis auf den Zeitschriftenartikel von Bürger, W: "Perpetua mobilia", Technische Rundschau 19, 1990, S 92 bis 97, aus, dass der Anmeldungsgegenstand technisch nicht brauchbar und daher entgegen der Vorschrift von § 34 Abs 4 PatG nicht ausführbar sei. Mit dem angemeldeten Gegenstand solle ein Raumfahrzeug möglich sein, das eine Antriebskraft aus der Bewegung von Massen innerhalb des Raumfahrzeuges beziehen solle. Damit verstoße der beanspruchte Gegenstand jedoch gegen den Impulserhaltungssatz, nach dem der Gesamtimpuls eines Systems aus Teilchen erhalten bleibe, wenn die resultierende äußere Kraft Null sei. Die Nutzung von Zentrifugalkräften zur Erzeugung einer Antriebskraft sei nicht möglich, da Zentrifugalkräfte nur in Nichtinertialsystemen aufträten und in Inertialsystemen nicht in Erscheinung träten, so dass sie in letzteren auch nichts antreiben könnten.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Der im Beschluss angeführte Impulserhaltungssatz werde von der Prüfungsstelle falsch interpretiert. Der Anmelder habe in seiner Schrift Ingelheim, Peter: "Bewegungen mit unterschiedlicher Krümmung verlieren Impuls und Energie und eine aus dieser Erkenntnis resultierende neue Antriebsmöglichkeit" eindeutig mathematisch nachgewiesen, dass die Bewegung von zusammenhängenden Körpern zu einem Antriebsimpuls führen könne.
Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und ein Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 12, eingegangen am 21. Juni 2003, Beschreibung Seiten 1 bis 11, eingegangen am 9. Oktober 2003, Zeichnungen Figuren 1 bis 12, eingegangen am 21. Juni 2003.
Der Patentanspruch 1 lautet:
Antriebssystem zur Erzeugung einer Antriebskraft mit einem drehenden oder auf einem geschlossenen Kurvenzug eine Umlaufbewegung erzeugenden Antriebsteil, dadurch gekennzeichnet, dass Massen auf geschlossenen Kurvenbahnen (K; 13; 34) so geführt werden, dass:
a) es mindestens zwei Abschnitte der Kurvenbahn gibt, in der diese mit der Winkelgeschwindigkeit 1 und 2 vom Gewicht durchlaufen werden und es gilt 12 undb) es eine Gerade (A) gibt, die den Kurvenzug zweimal schneidet, und die Summe der parallel zu dieser Geraden durch das geführte Gewicht am Gestell, Kurvenzug (K) und an des Führungselementen (TR; GR) wirkenden Beschleunigungskräfte bei einem Umlauf in einer ersten Richtung größer ist als in der entgegengesetzten Richtung.
Dem Anspruch 1 schließen sich 11 auf ihn rückbezogene Ansprüche an.
II Die statthafte Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch im übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Anmeldung betrifft nach dem Patentanspruch 1 und unter Berücksichtigung der Beschreibung ein Antriebssystem für Fahrzeuge und Kraftmaschinen, insbesondere für Luft- und Raumfahrzeuge und Schiffe.
Der Anmelder sieht es bei den auf dem Rückstoßprinzip basierenden bekannten Antriebssystemen, zB einer Rakete, als nachteilig an, dass die gesamte auszustoßende Masse beim Start mitgeführt werden müsse. Dies reduziere die Nutzlast einer Rakete auf einen Bruchteil des Gesamtgewichtes. Mit dem angemeldeten Gegenstand soll hier Abhilfe geschaffen werden.
In der vorstehend wiedergegebenen Fig 7 der Anmeldung ist ein derartiges beanspruchtes Antriebssystem dargestellt. Es besteht aus einem großen und einem kleineren innenverzahnten Zahnrad 33, 32. Im kleineren innenverzahnten Zahnrad 32 sind zwei weitere außenverzahnte Zahnräder 30, 31 angeordnet. Von den Verzahnungen der Zahnräder 30 bis 33 werden Gewichte 36 geführt, die als schwarze Kugeln/Rollen dargestellt sind.
Nach Auffassung des Anmelders werden die Gewichte auf diese Weise mit zwei unterschiedlichen Winkelgeschwindigkeiten 1, 2 derart auf geschlossenen Kurvenzügen geführt, dass die Summe ihrer Beschleunigungskräfte - hier der Fliehkräfte - auf die Zahnräder zu einem Fliehkraftüberschuss in eine Richtung führe, die sich auch auf das Gehäuse auswirke und damit als Antriebskraft genutzt werden könne.
2. Mit dem angemeldeten Antriebssystem kann die angestrebte Wirkung nicht erreicht werden, Vortriebskräfte zum Antrieb von Fahrzeugen, Schiffen oder Luft- und Raumfahrzeugen zu erzeugen. Das Antriebssystem ist folglich technisch nicht brauchbar und somit dem Patentschutz nicht zugänglich (vgl BGH BlPMZ, 1985, S 117, 118).
Die mit dem Anmeldungsgegenstand beabsichtigte Nutzung der Fliehkräfte oder der Corioliskräfte zur Erzeugung einer Vortriebskraft steht nämlich im Widerspruch zum Erhaltungssatz für den linearen Impuls eines Systems von Teilchen, der inhaltlich zum Ausdruck bringt, dass der Gesamtimpuls eines Systems konstant bleibt, wenn die resultierende, am System angreifende äußere Kraft Null ist. Durch innere Kräfte des Systems kann dessen Gesamtimpuls nicht geändert werden. Dieser Satz von der Erhaltung des Gesamtimpulses hat sich bei allen überprüften Fällen immer wieder als richtig erwiesen und wird deshalb von der Fachwelt allgemein anerkannt.
Beim Anmeldungsgegenstand sind alle Zahnräder und die Gewichte zusammen mit dem Antriebsmotor für die Zahnräder in einem einzigen Fahrzeugantrieb gelagert und bilden somit ein in sich geschlossenes System von Bauteilen. In solchen Systemen sind alle darin auftretenden Kräfte - auch die bei der Rotation von Bauteilen auftretenden Fliehkräfte, die bei einer Beschleunigung von Massen auftretenden Massenträgheitskräfte oder die Corioliskräfte - als innere Kräfte anzusehen, die jeweils zu ebenfalls ausschließlich innerhalb des Systems wirkenden Reaktionskräften führen. Dies gilt auch für die durch diese Kräfte hervorgerufenen Impulsänderungen der bewegten Teile dieses Systems, die entsprechend zu entgegengesetzt gerichteten Impulsänderungen wiederum nur innerhalb des Systems führen. Der Gesamtimpuls des Systems bleibt durch das Auftreten innerer Kräfte unverändert, so dass eine Nutzung der allein innerhalb des Systems auftretenden Fliehkräfte, Massenträgheitskräfte oder Corioliskräfte als Vortriebskräfte nicht möglich ist.
Da an dem System offensichtlich keine äußeren Kräfte angreifen, bleibt nach dem Impulserhaltungssatz der Gesamtimpuls des Systems konstant. Vortriebskräfte können auf diese Weise somit nicht erzeugt werden.
3. An dieser Beurteilung können auch die vom Anmelder vorgelegten Berechnungen nichts ändern. Mit diesen Berechnungen will der Anmelder nachweisen, dass der Schwerpunktsatz und der Impulserhaltungssatz auf Körper, die sich auf gekrümmten Bewegungsbahnen bewegen, nicht anzuwenden und diese Sätze somit nicht gültig seien. Dies steht jedoch, wie vorstehend ausgeführt, im Widerspruch zu den allgemein anerkannten physikalischen Gesetzen und Erkenntnissen. Bei der Beurteilung von Anmeldungen haben sich die Prüfungsstelle und der erkennende Senat des Bundespatentgerichts ausschließlich auf diese allgemein anerkannten physikalischen Gesetze und Erkenntnisse zu stützen. Ein Überprüfung nicht anerkannter wissenschaftlicher Hypothesen erfolgt im Rahmen einer Patentprüfung nicht, sondern ist Teil der allgemeinen wissenschaftlichen Auseinandersetzung.
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BPatG:
Beschluss v. 17.05.2004
Az: 9 W (pat) 4/04
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