Landgericht Köln:
Urteil vom 29. September 2004
Aktenzeichen: 28 O 655/03
(LG Köln: Urteil v. 29.09.2004, Az.: 28 O 655/03)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Computerprogramm "X". Der Klägerin standen ursprünglich die ausschließlichen Nutzungsrechte daran zu. Die Klägerin wurde 1987 von dem Beklagten, L und C1 gegründet. Im Rahmen dieses Unternehmens wurde unter maßgeblicher Nutzung der Programmierfähigkeiten des Beklagten das Computer-Programm "X" entwickelt. Die Parteien streiten wesentlich darum, ob außer dem Beklagten noch weitere Personen Anteil an der Schaffung des Computer-Programms im Sinne eines Urhebers gem. §§ 7, 8 UrhG hatten. Nachdem der ehemalige Mitgesellschafter L bereits frühzeitig aus dem Unternehmen ausgeschieden war und seine Gesellschaftsanteile zurückgegeben hatte, traten Herr H und anstelle des ursprünglichen Gesellschafters C1 dessen Ehefrau, Frau C, als Gesellschafter in die Gesellschaft neben dem Beklagten ein. Die beiden letztgenannten Gesellschafter gründeten im Jahre 2001 die Firma N AG. Es kam zur Übertragung des Anlagevermögens der Klägerin auf diese Firma, die auch die Beschäftigten und die Geschäftsräume der Klägerin übernahm. Einen dies legitimierenden Beschluß der Gesellschafterversammlung der Klägerin gab es ebenso wenig wie eine diesbezügliche Zustimmung des Beklagten. Die Klägerin selbst stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 1. September 2001 ein. Die Bilanz der Klägerin wies für das Jahr 2002 einen Gesamtumsatz von 967,77 € aus. Die Betreuung der Kunden, die das streitgegenständliche Computer-Programm "X" erworben hatten, erfolgte durch die N AG.
Mit Schreiben seiner jetzigen Prozeßbevollmächtigten vom 22. Juli 2003 ließ der Beklagte gegenüber der Klägerin unter Berufung auf § 41 UrhG erklären, daß er das Nutzungsrecht an dem streitgegenständlichen Computer-Programm wegen Nichtausübung bzw. wegen unzureichender Ausübung zurückrufe. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben (Anlage K 2, Blatt 20 der Akten) Bezug genommen. Im Anschluß daran kam es zu Verhandlungen zwischen den Parteien. Noch während der Verhandlungen wandte sich der Beklagte an Benutzer des Software-Programms und behauptete ihnen gegenüber, daß die Klägerin nicht mehr zur Nutzung berechtigt sei und das Programm von den Kunden nicht mehr eingesetzt werden dürfe, soweit er nicht zustimme. Dabei berief er sich wiederum auf § 41 UrhG.
Daraufhin beantragte die Klägerin den Erlaß einer einstweiligen Verfügung, dem die Kammer in dem Verfahren 28 O 473/03 entsprach. Wegen der Einzelheiten wird auf die diesbezügliche Prozeßakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, es hätten diverse Leute bei der Entwicklung des Programms mitgewirkt, die sie im einzelnen bereits in dem Schriftsatz vom 28. November 2003, dort Blatt 2 (Blatt 7 der Akten), benennt. Der ehemalige Mitgesellschafter L habe indes vollkommen abweichende Vorstellungen und unzureichende Erfahrungen gehabt, was einem konstruktiven Zusammenwirken bei der Erstellung des Computer-Programms zuwidergelaufen seien. Dies sei auch der Grund gewesen, warum Herrn L schon kurze Zeit nach der Gründung der Klägerin ausgeschieden sei. Die hauptsächliche Basisarbeit sei von dem Beklagten und dem weiteren ehemaligen Mitgesellschafter C1 geleistet worden. Herr C1 habe in wochen- und monatelanger Detailarbeit die Voraussetzungen dokumentiert, die Programme wie das streitgegenständliche zu erfüllen hätten. Erste Aufgabe des Herrn C1 sei es gewesen, alle notwendigen Voraussetzungen und branchenspezifischen Besonderheiten zusammenzutragen und aufzubereiten, bis es an die technische Umsetzung habe gehen können. In unzähligen Gesprächen und Sitzungen mit Reifenhändlern und Vertretern von Reifenherstellern habe Herr C1 ein völlig neues Gerüst erstellt. Anders als die üblichen Warenwirtschaftsprogramme, die bei der Rohertragsermittlung auf dem Einkaufspreis basierten, habe dies für das streitgegenständliche Programm nicht übernommen werden können, da in der Reifenbranche übliche Rabatte auf Teilsortimente der KB-Preislisten mit speziellen Erkennungsmerkmalen, besondere Prämien, unterschiedliche Bonusmöglichkeiten, Rabatte bei Teilsortimenten/speziellen Mengen, Vergünstigungen wegen Angehörigkeiten zu Organisationen usw. hätten beachtet werden müssen. Deshalb sei für Rohertragsermittlungen ein komplettes Preisfindungsmodul zu schaffen gewesen. Auch sei im Laufe der Jahre das Programm ständig weiterentwickelt worden, jeweils entsprechend den Kundenwünschen. Auch diese habe wiederum Herr C1 gesammelt, ausgewertet und dem Beklagten zur technischen Umsetzung in das Computer-Programm übergeben. Anwendungsprobleme mit den Kunden habe allein Herr C1 diskutiert, nicht der Beklagte. Dieser sei lediglich der Programmierer gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die schriftliche Vorbereitung und Festlegung aller zu absolvierender Schritte, anhand derer der Beklagte seine Programmiertätigkeit auszuführen gehabt habe, festgelegt worden. Es seien genaue Listen erstellt worden, nach denen der Beklagte vorgehen und jeden einzelnen Punkt Schritt für Schritt habe abarbeiten müssen. Beispielhaft bezieht sich die Klägerin auf die handschriftlichen Aufzeichnungen des Herrn C1 (Anlage K 12, Blatt 191 der Akten), auf die Bezug genommen wird. Jeder der von der Klägerin benannte Zeugen habe auf diese Art und Weise an dem streitgegenständlichen Programm seine eigenen Gedanken dazu entwickelt, Ideen eingebracht und Konzepte erstellt. Die Software sei in geradezu klassischem gemeinsamen Schaffen aller Beteiligten, bei dem jeder einen schöpferischen Beitrag zum einheitlichen Schöpfungsprozeß der Werkvollendung geleistet habe, entstanden.
Die Klägerin beantragt,
dem Beklagten unter Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln vom 6. August 2003 (28 O 473/03) unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, daß dieses nicht beigetreten werden kann, der Ordnungshaft zu verbieten,
a) zu behaupten, das von der Klägerin erworbene Computer-Programm "X" dürfe von den Anwendern nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden;
b) das Computer-Programm "X" zu nutzen und/oder zu verbreiten, zu verändern und/oder zu vervielfältigen oder zu behaupten, daß der Beklagte dazu berechtigt sei.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, er habe das streitgegenständliche Computer-Programm selbständig und weisungsfrei entwickelt. Insbesondere habe er den Quellcode und die dazugehörenden Programmzeilen ausschließlich selbst geschrieben. Zwar hätten ihn seit 1994 wechselnde Programmierer unterstützt, diese hätten jedoch ausschließlich nach seinen Anweisungen an den Programmen gearbeitet. Insbesondere habe Herr C1 keine Programmiererleistungen erbracht. Dies sei auch gar nicht anders möglich gewesen, da die Programmiersprache Progress eine wenig verbreitete, sehr schwierig zu erlernende Sprache sei. Die bei der Klägerin und später bei der X1 beschäftigten Mitarbeiter seien zur Programmierung nicht in der Lage gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen gemäß § 97 UrhG. Zwar ist sie ursprünglich Inhaberin dieser Nutzungsrechte gewesen, worüber zwischen den Parteien - auf der Grundlage des vorangegangenen Rechtsstreits Landgericht Köln, Az. 28 O 561/01 = Oberlandesgericht Köln, Az. 6 U 27/03 - im hiesigen Prozeß Einigkeit besteht.
Der Beklagte konnte jedoch die Nutzungsrechte an dem Computer-Programm "X" wirksam gem. § 41 UrhG zurückrufen.
1. Nach § 41 Abs. 1 UrhG ist zunächst die Nichtausübung des Nutzungsrechts durch den Berechtigten Voraussetzung. Dies ist unstreitig seit dem 1. September 2001 nicht mehr der Fall. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, daß zu diesem Zeitpunkt der Geschäftsbetrieb der Klägerin vollständig eingestellt worden ist, da sämtliche Inhalte wie Kunden, Personal, Anlagevermögen und Büroräume auf die neu gegründete N AG übertragen worden seien. Sie hat genauso unwidersprochen vorgetragen, daß die Bilanz für das Jahr 2002 der Klägerin einen Umsatz von rund 650 € ausgewiesen hat. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, daß die Klägerin die Nutzungsrechte nicht wahrgenommen hat. Eine Wahrnehmung der Nutzungsrechte der Klägerin konnte auch nicht dadurch erfolgen, daß diese damit die N AG betraut hat. Wie die Kammer bereits in dem Verfahren 28 O 561/01 entschieden hat, war einer Übertragung der wirtschaftlichen Verwertung des Programmes auf die N AG ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung nicht möglich. Denn die wirtschaftliche Verwertung des Programms stellt den Kern der Tätigkeit der Klägerin und das Programm ihr wesentliches Vermögen dar. Eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu der zwischen der Klägerin und der N AG geschlossenen Vereinbarung hat es jedoch unstreitig nicht gegeben. Insbesondere hat der Beklagte als Urheber seine gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 UrhG erforderliche Zustimmung nicht erteilt.
Unabhängig davon ist die Verwertung des Programmes auch nicht zugunsten der Klägerin erfolgt, wie sich schon daraus ergibt, daß weder Umsatz noch Gewinne aus der Verwertung des Programmes an die Klägerin abgeführt worden sind. Dies folgt ersichtlich aus der Bilanz 2002, ausweislich derer lediglich minimaler Umsatz gemacht worden ist, der eine Geschäftstätigkeit der Klägerin im Rahmend der Verwertung ihrer Rechte an dem Programm ersichtlich ausschließt.
2. Der Beklagte ist alleiniger Urheber im Sinne von §§ 7,8 UrhG. Urheber ist der Schöpfer des Werkes, § 7 UrhG. Die Programmiererleistungen des Beklagten stellen unzweifelhaft - und von der Klägerin auch nicht bestritten dermaßen - Schöpfungsakte im Sinne des Urheberrechts dar. Die von der Klägerin benannten Zeugen sind auch nicht Miturheber im Sinne von § 8 UrhG, so daß es eines einstimmigen Beschlusses aller Miturheber, die Nutzungsrechte gem. § 41 UrhG zurückzurufen, nicht bedarf (vgl. dazu Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 8 Rdnr. 29; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 17). Miturheberschaft liegt indes nur dann vor, wenn jeder Miturheber eine persönliche geistige Schöpfung beiträgt, so daß das Werk aller Miturheber eine einheitliche Werkschöpfung darstellt, sich also die einzelnen Beiträge nicht getrennt verwerten lassen und die Werkschöpfung gemeinschaftlich erfolgt ist (vgl. Wandtke/Bullinger aaO § 8 Rdnr. 2).
Die von der Klägerin geschilderte Leistung des Herrn C1 und der weiteren von ihr benannten Zeugen stellt keine persönliche geistige Schöpfung in diesem Sinne dar, die zu einer Miturheberschaft an dem streitgegenständlichen Computer-Programm führen könnte. Zwar ist nach § 69a Abs. 1 UrhG bei der Beurteilung der Urheberschaft an Computerprogrammen auch das Entwurfsmaterial geschützt und gilt nach § 69a Abs. 2 UrhG der Schutz für alle Ausdrucksformen des Programms. Es gilt jedoch auch hier der allgemeine urheberrechtliche Grundsatz, daß nur Form und Ausdruck eines Werkes geschützt sind, nicht aber die Idee, die dahintersteht (vgl. Schricker/Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 69a Rdnr. 18). Nicht schutzfähig sind die Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element des Programms einschließlich seiner Schnittstellen zugrunde liegen. Das gilt zunächst für die Idee, für eine bestimmte Anwendung ein Computerprogramm so erstellen. Es gilt vor allem aber auch für die der Logik, den Algorithmen und den Programmsprachen zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze (Schricker/Loewenheim aaO Rdnr. 12 m. w. N.). Um derartige Ideen und Grundsätze handelt es sich jedoch bei dem, was der Zeuge C1 ausweislich der Anlage K 12 geschaffen hat. Denn aus der Anlage K 12 ergibt sich eindeutig, daß hier lediglich die Grundsätze und die Inhalte vorgegeben werden, die von dem Beklagten als Programmierer in das Programm aufgenommen werden sollen. Damit werden die Vorgaben gemacht und der Rahmen gestärkt, welche Anwendungen das Computer-Programm abdecken muß. Damit ist aber noch nicht die Schwelle überschritten, daß damit Entwurfsmaterial gefertigt worden ist. Entwurfsmaterial ist zwar eine Vorstufe des Programmes, bezieht sich aber bereits auf die konkrete Funktionsweise des Programms. So gehört beispielsweise das sogenannte Flußdiagramm oder auch der Datenflußplan dazu. In diesem ist der Lösungsweg in Form einer grafischen Darstellung des Befehls- und Informationsablaufs wiedergegeben. Die von dem Zeugen C1 in der Anlage K 12 niedergelegten Grundsätze betreffen hingegen nicht die Funktionsweise des Programmes, sondern lediglich das Ergebnis, das mit der Programmierarbeit, dem davon gerade unabhängigen urheberrechtlichen Schöpfungsakt, erreicht werden soll. Damit ist die Leistung des Zeugen C1 nicht schutzfähig.
Da derartige Leistungen von allen anderen Zeugen, die die Klägerin benannt hat, in ähnlicher Weise erbracht worden sein sollen, gelten diese Ausführungen auch für deren Beiträge gleichermaßen, so daß eine urheberrechtlich schutzfähige Leistung nicht erfolgt ist.
Einer Beweisaufnahme zu dem Beitrag der benannten Zeugen bedarf es daher nicht. Dies gilt insbesondere für den ursprünglichen Mitgesellschafter L. Denn inzwischen ist unstreitig, daß dieser konstruktive Beiträge zu dem Computer-Programm nicht erbracht hat, er aufgrund der entgegenstehenden Vorstellungen vielmehr - auch nach dem ausdrücklichen Vortrag der Klägerin - gerade deshalb frühzeitig aus der Klägerin ausgeschieden ist.
3. Die Erklärung des Rückrufs erfolgte jedenfalls mit Schreiben des Beklagten bzw. seiner Bevollmächtigten vom 22. Juli 2003. Z. Zt. der Erklärung war das Nutzungsrecht bereits seit deutlich über zwei Jahren, nämlich seit Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts auf die Klägerin übertragen gewesen, § 41 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz.
4. Einer Fristsetzung gem. § 41 Abs. 3 Urheberrechtsgesetz bedurfte es nicht mehr. Denn nach § 41 Abs. 3 Satz 2 Urheberrechtsgesetz ist die Bestimmung einer Nachfrist nicht erforderlich, wenn die Ausübung des Nutzungsrechts von dem Berechtigten verweigert wird. Davon kann im vorliegenden Fall unproblematisch ausgegangen werden, da die Klägerin im September 2001 ihren Geschäftsbetrieb und damit auch die Verwertung der Nutzungsrechte eingestellt hat.
5. Mit dem Wirksamwerden des Rückrufs erlischt das Nutzungsrechts, § 41 Abs. 5 UrhG.
6. Ob und inwieweit möglicherweise Ansprüche auf Entschädigung oder sonstige Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten bestehen, § 41 Abs. 6 und 7 UrhG, ist für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich. Denn dies sind nachgelagerte Ansprüche, die die Wirksamkeit des Rückrufs als solchen nicht berühren.
7. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.
Streitwert: 200.000 € (2 x 100.000 €)
LG Köln:
Urteil v. 29.09.2004
Az: 28 O 655/03
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