Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. März 2009
Aktenzeichen: 29 W (pat) 64/08
(BPatG: Beschluss v. 04.03.2009, Az.: 29 W (pat) 64/08)
Tenor
1.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Für die Waren und Dienstleistungen Klasse 9: Bildträger, nämlich Filme (belichtet) und digitale Bildträger; Tonträger, insbesondere MC«s; Magnetdatenträger; optische Datenträger, insbesondere CDs und DVDs; Videospiele als Zusatzgeräte für Fernsehapparate; Videospiele (Software);
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Fotografien; Schreibwaren;
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;
Klasse 28: Spiele, Spielzeug, insbesondere Spielfiguren, Brettspiele, Puzzles; Spiele, elektronische (einschließlich Videospiele), ausgenommen als Zusatzgeräte für Fernsehapparate; Spielkarten;
Klasse 41: Film-, Fernsehund Videofilmproduktionen; Filmverleih;
Klasse 42: Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten; Design von Homepages und Web-Seiten; Erstellen von WebSeiten; Gestaltung und Unterhalt von Web-Seiten für Dritte; Handel mit Film-, Fernsehund Videolizenzen"
ist die Wort-Bildmarke 306 49 435.3 angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der angemeldeten Marke fehle für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Bei "hey" handele es sich um einen allgemein verständlichen und gebräuchlichen Zuruf, mit dem man Aufmerksamkeit zu erregen versuche. Derartige Zurufe seien in der Werbung übliche Mittel, um blickfangmäßig auf ein bestimmtes Angebot hinzuweisen und Interesse bei den angesprochenen Verkehrskreisen zu wecken. Der Verkehr sehe darin keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der entsprechend angebotenen Waren und Dienstleistungen. Zurückgewiesen worden seien durch das Bundespatentgericht ähnliche Ausrufe wie "HALLO" (BPatG 29 W (pat) 109/04), "Aber nu!" (26 W (pat) 63/96; "Ole" (25 W (pat) 148/98); "STOP" (26 W (pat) 215/04). Die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke sei werbeüblich und vermöge keine Schutzfähigkeit zu begründen.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, die Qualifikation des angemeldeten Zeichens als bloßes Werbeschlagwort werde dem Bedeutungsgehalt nicht gerecht. Insbesondere sei ein Unterschied zur "BONUS"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erkennbar. "hey!" fehle anders als Begriffen wie "TOP", "marktfrisch" oder "hot edition" die Eignung als anpreisende Werbeaussage. Es handele sich weder um ein Werbemittel noch um einen Werbeslogan. Die Verwendung als Werktitel belege die Eignung zur Unterscheidung. Im Jugendjargon diene "hey!" eher als Ausdruck der Lässigkeit. Dem Zeichen fehle daher nicht jegliche Unterscheidungskraft. Zudem sei der Ausdruck "hey!" mehrdeutig mit vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten; ein konkreter Bedeutungsgehalt bestehe nicht. Das Wort erscheine nicht nur als Ausruf, sondern auch als Füllwort, das je nach Kontext, Stimmung, Betonung variiere. Durch ihre Bedeutungsvielfalt unterscheide sich die angemeldete Marke von der zurückgewiesenen Markenanmeldung "JA" (vgl. BPatG 25 W (pat) 26/07). Die vom Senat zitierten Fundstellen seien nicht geeignet, eine werbemäßige Verwendung des Wortes "hey" zu belegen; bei den Zeitschriften mit den Titeln "hey!" und "hey! GIRLS" handle es sich um Publikationen der Markenanmelderin.
Die Anmelderin beantragt daher sinngemäß, die versagenden Beschlüsse der Markenstelle vom 23. Januar 2008 und vom 27. Juni 2008 aufzuheben. Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
1.
Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 27 f. -BioID; GRUR 2004, 674, Rn. 34 -POSTKANTOOR; BGH GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard; GRUR 2006, 850, Tz. 18 -FUSSBALL WM 2006). Einem Zeichen fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft zum einen, wenn die Wortbestandteile einen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen klaren und ohne weiteres verständlichen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, da bei solchen Bezeichnungen kein Anhaltspunkt besteht, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel erfasst (vgl. BGH GRUR 1999, 1089 -YES; GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard). Ebenfalls nicht unterscheidungskräftig sind Angaben, bei denen es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr -etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung -stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH a. a. O. Rn. 19 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 -Cityservice; GRUR 1999, 1093, 1094 -FOR YOU; GRUR 1999, 1089, 1091 -YES). Letzteres ist vorliegend im Hinblick auf die angemeldete Marke der Fall.
2.
Der Ausdruck "hey" kommt besonders häufig in der Jugendsprache vor in den Bedeutungen (1) Zuruf, mit dem man jmds. Aufmerksamkeit zu erregen sucht
(2) Ausruf, der Erstaunen, Empörung, Abwehr u. ä. ausdrückt (3) Grußformel: wie geht«s€ (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., S. 81). Insbesondere die Verwendung als Grußformel lässt sich vielfach belegen, z. B.
"«Hey, wird sind Aufsteiger« (Quelle: abendblatt.de vom 18.11.2005)";
"Thomas: "Nachdem Hugh von unserer Verwandtschaft erfahren hatte, begrüßte er mich am Set immer mit "Hey, Cousin" (Quelle: abendblatt.de vom 12.1.2005); "«Am schönsten wäre es«, findet sie, «wenn die Hörer meinten: «Hey, die singt ja über mich«" (Quelle: welt.de vom 27.1.2005)";
"Ab dem Aufstehen klingelt ja im 10-Sekunden-Takt das Handy: `Hey, was machst du, wo bist du, Alter€`(Quelle: abendblatt.de vom 30.1.2005)";
"Wir haben immer gesagt: «Hey, das versuchen wir mal. Hat es noch nicht gegeben, eine Frau in so einer Sendung (Quelle: archiv.tagesspiegel.de vom 31.1.2005)«"; "Hey, Trainer, spätestens am Montag gegen Athen bin ich wieder dabei (Quelle: fraktuell.de vom 2.2.2005)";
"Hey, Sie habe ich doch im Fernsehen gesehen! (Quelle: welt.de vom 10.2.2005)"; "Hey, das ist ja gar nicht so schlimm«(Quelle: abendblatt.de vom 15.2.2005)";
"Simone stößt mich leicht in die Seite: «Hey, morgen wird«s schön«(Quelle: spiegel.de vom 16.2.2005)" ...[vgl. Auszug aus http:// wortschatz.unileipzig.de/...].
3. Im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen werden die angesprochenen Verkehrskreise in dem Begriff "Hey" zusammen mit einem Ausrufezeichen daher kein Mittel zur betrieblichen Herkunftsindividualisierung sehen, sondern lediglich eine allgemeine Kundenansprache, eine Grußformel bzw. einen Zuruf, der die Aufmerksamkeit des Publikums auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen lenken soll und damit wie eine werbliche Anpreisung wirkt. Selbst wenn der Ausdruck "hey" nicht als geläufiges "Werbewort" nachweisbar ist, ist der Verkehr -auch auf den betreffenden Warenund Dienstleistungsgebieten -an die Verwendung von allgemeinen, das Kaufinteresse erregenden Aufforderungen oder Grußformeln, die häufig mit Ausrufezeichen verbunden sind, in der Werbung gewöhnt. Der Verkehr wird derartige Aufforderungen oder Grußformeln in Zusammenhang mit den angebotenen Waren/Dienstleistungen nur als eine freundliche Ansprache werten, mit der ein freundliches Klima geschaffen, die Abnahmebereitschaft geweckt und damit die Waren/Dienstleistungen letztlich werbemäßig angepriesen werden sollen (vgl. BPatG 26 W (pat) 37/95 -Ciao). Dieses Verständnis vollzieht sich unabhängig davon, ob ein Ausdruck dem Publikum aus der Werbung bereits geläufig ist. Eine Verwendung in der Werbung kann zwar ein Indiz dafür sein, dass ein Begriff nicht als Unterscheidungsmittel aufgefasst wird; sie stellt aber keine zwingende Voraussetzung hierfür dar. Generell einen Verwendungsnachweis zu verlangen in dem Sinne, dass eine Zurückweisung von Werbeschlagworten erst bei nachweisbarer vorheriger Verwendung zulässig sein soll, würde letztlich bedeuten, dass der erstmalige Verwender einer als Werbeschlagwort zu verstehenden Bezeichnung diese für sich monopolisieren dürfte, obwohl der Verkehr hierin kein Betriebskennzeichen sieht (vgl. Ekey/Klippel/Fuchs-Wissemann, Markenrecht, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 19; BPatG GRUR 2008, 430 -my world). Gleichwohl ist der Anmelderin insoweit zuzustimmen, dass sich Identifizierungsfunktion und Werbewirkung nicht gegenseitig notwendigerweise ausschließen (vgl. BGH GRUR 2000, 720, 721 f. -Unter Uns; GRUR 2002, 816, 817 -Bonus II). Nach der Rspr. des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist dies aus Sicht der Durchschnittsverbraucher aber nur dann der Fall, wenn die maßgebliche Herkunftsfunktion im Vordergrund steht und eine mögliche Werbefunktion dahinter zurücktritt (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 Rdnr. 35 -DAS PRINZIP DER BEQUEM-LICHKEIT). Dies hängt entgegen der Auffassung der Anmelderin weder davon ab, ob es sich bei der angemeldeten Marke um ein Werbemittel, ein einzelnes Werbeschlagwort oder einen Werbeslogan handelt, noch davon, ob eine Werbeaussage positiv oder negativ besetzt ist; stets bleibt entscheidend, ob ein Ausdruck vom Verkehr (für die betreffenden Waren und Dienstleistungen) als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird. In diesem Zusammenhang gilt es zudem zu berücksichtigen, dass gerade bei Werbeaussagen allgemeiner Art, die weder eine Ware oder Dienstleistung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beschreiben noch sonst einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Aussagegehalt aufweisen, gleichwohl ein schützenswertes Interesse an deren freier Verfügbarkeit im Wettbewerb besteht (vgl. BGH GRUR 2000, 323, 324 -Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 -LOCAL PRESEN-CE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 -Test it; BPatG GRUR 2004, 333 -ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN). Für einen allgemein verwendeten Zuruf bzw. eine gebräuchliche Grußformel wie "hey" kann dies nicht in Abrede gestellt werden.
Schließlich vermag auch eine gewisse Mehrdeutigkeit eines Begriffs dessen Schutzfähigkeit nicht zu begründen, sofern sich alle Deutungsmöglichkeiten als zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ungeeignet erweisen (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; GRUR 2004, 778, 779 -URLAUB DIREKT) oder sich von mehreren in Betracht kommenden Bedeutungen auch nur eine Aussage mit eindeutig beschreibendem Charakter bzw. -wie vorliegend ohne betriebliche Herkunftsfunktion entnehmen lässt (vgl. BGH GRUR 2005, 257, 258 -Bürogebäude).
Auch der Umstand, dass es sich bei der angemeldeten Marke um einen Werktitel handelt, begründet keine markenrechtliche Schutzfähigkeit. Grundsätzlich sind diese Titel zwar dem Markenschutz zugänglich (BGH GRUR 2000, 882 f. -Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2001, 1042 f. -REICH UND SCHÖN). Die Zielrichtung von Titelund Markenschutz ist dabei unterschiedlich. Während der Titel im Allgemeinen inhaltsbezogen ist, ist die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Ob einem Titel Markenschutz gewährt werden kann, ist im Rahmen der Unterscheidungskraft zu klären und hängt davon ab, ob ein Zeichen einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb darstellt, was aufgrund der vorstehenden Ausführungen im Hinblick auf die angemeldete Marke indes zu verneinen ist.
Die grafische Ausgestaltung der angemeldeten Marke ist nicht hinreichend ungewöhnlich, um allein aus diesem Grund ein markenmäßiges Verständnis aufkommen zu lassen. Sowohl bei der schriftbildlichen Ausgestaltung als auch bei der weißen Umrahmung der Buchstaben sowie dem schwarzen Hintergrund handelt es sich um in der Werbung übliche und verbreitete Gestaltungsmittel zur Erzielung zusätzlicher Aufmerksamkeit. Eine solche Art der grafischen Darstellung besitzt daher keine kennzeichnende Eigenart, sondern dient lediglich der Begriffshervorhebung und ist so geläufig, dass sie keinen betrieblichen Herkunftshinweis und damit keine Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke begründen kann (vgl. BGH MarkenR 2003, 388 -AntiVir).
III.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu der Frage zugelassen, ob im Hinblick auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Werbeschlagworten (GRUR 1999, 1093, 1095 -FOR YOU; GRUR 1999, 1089, 1091 -YES; GRUR 1999, 1096 -ABSOLUT) eine Eintragungsfähigkeit der vorliegenden Anmeldung gegeben ist.
Grabrucker Fink Kopacek Hu
BPatG:
Beschluss v. 04.03.2009
Az: 29 W (pat) 64/08
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