Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. März 2005
Aktenzeichen: 6 W (pat) 301/02

(BPatG: Beschluss v. 01.03.2005, Az.: 6 W (pat) 301/02)

Tenor

Das Patent 100 31 195 wird widerrufen.

Gründe

I Gegen die am 10. Januar 2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 100 31 195 mit der Bezeichnung "Baumaschine zum Bearbeiten von Bodenoberflächen" ist von der Firma B... Spa, M..., Italien Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende verweist u.a. auf die D3: US-PS 43 25 580 und D4: US-PS 49 29 121 und bestreitet die Patentfähigkeit des Patentgegenstands.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent im Umfang der Ansprüche gemäß Schriftsatz vom 28. Dezember 2004 aufrechtzuerhalten.

Der mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2004 eingereichte Anspruch 1 lautet:

"Baumaschine (1) zum Bearbeiten von Bodenoberflächen,

- mit einem Fahrwerk (2), das einen Maschinenrahmen (4) trägt,

- mit einem aus einem Verbrennungsmotor bestehenden Antriebsmotor (6),

- mit einer an dem Maschinenrahmen (4) gelagerten Arbeitswalze (8), auf deren Mantelfläche auswechselbare Werkzeuge (14) befestigt sind, und - mit einem zumindest aus dem Verbrennungsmotor (6) und einem mit dem Verbrennungsmotor (6) gekoppelten Riemengetriebe (16) bestehenden Antriebsstrang (18) für die Arbeitswalze (8), dadurch gekennzeichnet, dass ein Hilfsantrieb (20) mit dem Antriebsstrang (18) koppelbar ist, der die Arbeitswalze (8) im angehobenen Zustand um einen vorbestimmten oder wählbaren Drehwinkel verdreht, wobei das Drehmoment des Hilfsantriebs (20) höher ist als das Trägheitsmoment der Arbeitswalze (8) und des mit der Arbeitswalze (8) mitbewegten Teils des Antriebsstrangs (18) bei ausgeschaltetem oder entkoppeltem Verbrennungsmotor (6), dass der Hilfsantrieb (20) über eine Stelleinrichtung mit dem Antriebsstrang (18) koppelbar, oder permanent mit dem Antriebsstrang (18) gekoppelt ist unddass der Hilfsantrieb innerhalb der Breite der Baumaschine (1) angeordnet ist."

Die Patentinhaberin ist der Auffassung, dass dem entgegengehaltenen Stand der Technik, auch dem Stand der Technik gemäß der D3, ein eigenständiger Hilfsmotor nur für den Antrieb der Fräswalze bei ausgeschaltetem oder entkoppeltem Antriebsmotor nicht zu entnehmen sei. Aus diesem Grund sei der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht nur gegenüber dem Stand der Technik neu, sondern dem Fachmann auch nicht nahegelegt. Bei dem Hilfsantrieb (48) gemäß der D3 handle es sich um ein Notaggregat, das die Aufgaben der Hauptantriebseinrichtung (20) übernehmen könne, wenn diese ausfalle, und das ebenfalls die Hydraulikmotoren (242) und (264) des Fräswalzenantriebs versorgen könne.

Wegen des geltenden Anspruchs 2 sowie der erteilten Ansprüche 3 bis 18 sowie weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Ziff 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und zulässig. Auch von der Patentinhaberin ist das nicht in Zweifel gezogen worden.

3. Die Einsprechende hat die Zulässigkeit des geltenden Anspruchs 1 im Hinblick auf das Merkmal "dass der Hilfsantrieb innerhalb der Breite der Baumaschine (1) angeordnet ist", in Zweifel gezogen. Diese Frage braucht im vorliegenden Falle jedoch nicht im Einzelnen untersucht zu werden. Auch wenn zu Gunsten der Patentinhaberin die Zulässigkeit des geltenden Anspruchs 1 unterstellt wird, beruht nämlich sein Gegenstand im Hinblick auf die D3 und die D4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

a) Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist als Durchschnittsfachmann ein Maschinenbauingenieur (FH) mit mehrjähriger Erfahrung im Bau von Baumaschinen zum Bearbeiten von Straßenoberflächen anzusehen.

b) In Übereinstimmung mit dem Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 entnimmt der Fachmann auch der D3 die nachstehend aufgeführten Merkmale (Bezugszeichen gemäß der D3):

- eine Baumaschine (10) zum Bearbeiten von Bodenoberflächen (Fig 1 bis 3),

- mit einem Fahrwerk, das einen Maschinenrahmen trägt (Fig 1 bis 3),

- mit einem aus einem Verbrennungsmotor bestehenden Antriebsmotor (vgl. den mit einem Dieselmotor 64 ausgestatteten Hauptantrieb (20) sowie Sp 5, Z 11 bis 13),

- mit einer an dem Maschinenrahmen gelagerten Arbeitswalze (160) auf deren Mantelfläche auswechselbare Werkzeuge (184) befestigt sind (Fig 5 und 6),

- mit einem zumindest aus dem Verbrennungsmotor (Dieselmotor (64)) und einem mit dem Verbrennungsmotor gekoppelten Kettengetriebe (34) bestehenden Antriebsstrang für die Arbeitswalze (160).

Bei der D3 verläuft der Antriebsstrang - vgl. Fig 3 und Fig 9 iVm Sp 15 ab Z 17 - vom Dieselmotor (64) über die Pumpen (74), die beiden Walzenantriebe (238 und 240) mit ihren Hydraulikmotoren (242) und (264) und ihren Antriebswellen (260 und 279), die die Zahnräder (278) und (280) antreiben, die über Ketten (298), Zahnräder (292 und 294) antreiben, die auf einer Welle (282) sitzen, deren Ende (286) mit der Welle (166) der Arbeitswalze (160) verbunden ist (Sp 17, Z 27 bis 32; Fig 5).

- Es ist ferner ein Hilfsantrieb (48) vorgesehen, der mit dem Antriebsstrang koppelbar ist. Das ergibt sich aus Spalte 20, Zeilen 3 bis 17, wonach der Hilfsantrieb einerseits wirksam werden kann, wenn der Hauptantrieb (20) und damit z.B. die Hydraulikmotoren (242) und (264) ausfallen, aber auch andererseits, wenn die Werkzeuge (184) der Arbeitswalze (160) ersetzt werden sollen. Entgegen dem Vortrag der Patentinhaberin dient der Hilfsantrieb (48) auch eigenständig nur für den Antrieb der Fräswalze bei ausgeschaltetem oder entkoppeltem Hauptantrieb (20) (vgl Sp 20, Z 9 bis 13: "Even if the main drive unit 20 is operational, ...").

- Dass auch bei der D3 sich der Hilfsantrieb (48) der Arbeitswalze im angehobenen Zustand um einen vorbestimmten Winkel verdrehen kann, wobei das Drehmoment des Hilfsantriebs (48) höher ist als das Trägheitsmoment der Arbeitswalze (160) und des mit der Arbeitswalze mitbewegten Teils des Antriebsstrangs ist selbstverständlich. Nur so kann die in Spalte 20, Zeilen 9 bis 17 beschriebene Auswechslung der Werkzeuge (184) überhaupt verwirklicht werden.

- Dass der Hilfsantrieb auch bei ausgeschaltetem oder entkoppeltem Verbrennungsmotor (drive unit 20) wirksam sein kann, ergibt sich aus Spalte 20, Zeilen 9 bis 13.

- Da mit dem Hilfsantrieb (48) die Walze (160) bewegt werden kann (Sp 20, Z 3 bis 17), muss der Hilfsantrieb zwangsläufig über eine Stelleinrichtung mit dem Antriebsstrang koppelbar oder permanent mit dem Antriebsstrang gekoppelt sein.

- Dass der Hilfsantrieb (48) innerhalb der Breite der Baumaschine angeordnet ist, ergibt sich aus Figur 3, in der der Hilfsantrieb gestrichelt, dh hinter einer Wandung liegend dargestellt ist.

Somit unterscheidet sich die Baumaschine nach dem geltenden Anspruch 1 von der aus der D3 bekannten Baumaschine lediglich noch durch das Merkmal, dass bei ihr anstelle des Kettengetriebes ein Riemengetriebe vorgesehen ist.

Dieser Unterschied kann eine patentfähige Erfindung jedoch nicht begründen. Es handelt sich hierbei lediglich um eine andere, dem Fachmann an sich bekannte Ausgestaltungsmöglichkeit, die bei derartigen Baumaschinen Stand der Technik ist. So zeigt beispielsweise die D4 (US-PS 49 29 121) in Figur 1 ein Riemengetriebe (38) für den Antrieb einer Arbeitswalze (20). Für den Fachmann bedarf es daher keiner erfinderischen Tätigkeit, um bei einer Baumaschine entsprechend der D3 im Bedarfsfall anstelle des Kettengetriebes ein Riemengetriebe vorzusehen.

Der geltende Anspruch 1 ist mithin nicht patentfähig.

d) Zusammen mit dem Anspruch 1 fallen auch die Unteransprüche 2 bis 18.

Dr. Lischke Riegler Schmidt-Kolb Müller Cl






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Beschluss v. 01.03.2005
Az: 6 W (pat) 301/02


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