Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2010
Aktenzeichen: 12 W (pat) 5/10
(BPatG: Beschluss v. 28.06.2010, Az.: 12 W (pat) 5/10)
Tenor
1. Dem Anmelder wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gewährt.
BPatG 152 2. Auf die Beschwerde des Patentanmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 42 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 10. November 2009 aufgehoben und die Sache an das Patentamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Patentannmeldung 10 2009 010 272 "Schnellhefterhalterung für Ordner mit Bügelhalterung" des Beschwerdeführers, dem für das Erteilungsverfahren Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 19. Juni 2009 gewährt worden war, wurde mit Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B42F vom 10. November 2009 gemäß § 42 Abs. 3 PatG zurückgewiesen. Als Begründung wurde auf einen Bescheid vom 9. September 2009 verwiesen. Mit dem Bescheid vom 9. September 2009 wurde der Patentanmelder aufgefordert, geeignete Unterlagen innerhalb eines Monats einzureichen, da die nachgereichten Unterlagen nach wie vor nicht publikationsfähig (da handschriftlich) seien. Der Antrag des Patentanmelders vom 24. Februar 2009, ihm einen Patentanwalt beizuordnen, den er am 12. September 2009 (beim DPMA eingegangen am 15. September) nochmals gestellt hatte, wurde nicht beschieden.
Mit Schreiben vom 14. November 2009 wendet sich der Patentanmelder gegen den Zurückweisungsbeschluss. Die Beschwerdegebühr hat er nicht entrichtet, hat allerdings im Zusammenhang mit dem Schreiben einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt.
Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Patentanmelder eingereicht.
II.
1. Dem Patentanmelder wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gewährt.
Die Beschwerde des Anmelders richtet sich gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 42 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 10. November 2009. Auch wenn die Unterschrift auf dem Beschluss nicht deutlich lesbar ist, ändert dies nichts daran, dass es sich um einen erlassenen Beschluss der Prüfungsstelle handelt. Die Unterschrift des Beamten des gehobenen Dienstes geht über eine bloße Paraphe hinaus. Das Schreiben vom 14. November 2009 ist als Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. November 2009 auszulegen. Der Anmelder bittet um Zurücknahme des zurückweisenden Beschlusses. Damit macht er hinreichend deutlich, dass er sich gegen den Zurückweisungsbeschluss wendet, also Beschwerde nach § 73 PatG einlegen will. Der Satz "Eine Beschwerde kann ich durch meine Formfehler leider nicht einreichen" im nächsten Absatz seines Schreibens ist nur so zu verstehen, dass er damit Beschwerdebriefe gemeint hat, die er offenbar schon an verschiedene Stellen geschickt hatte. Nur so erklärt sich auch der folgende Satz, dass daraus die Zurückweisung für ihn zu erklären sei. Allerdings will der Anmelder auch ein "Ruhen" des Verfahrens erreichen, bis er einen Patentanwalt als Beigeordneten hat, der die Ideen in Druckschrift einreichen kann. Da er aber ausdrücklich mit der Beschwerde einen Verfahrenskostenhilfe-Antrag stellt, kann er damit nur meinen, dass die Zahlungsfristen gemäß §134 PatG gehemmt sind und seine Beschwerde nicht abgewiesen wird, bevor sein Verfahrenskostenhilfe-Antrag beschieden ist und seine Anmeldung nicht zurückgewiesen wird, bis ihm ein Vertreter nach § 133 PatG beigeordnet wurde.
Da eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders erfolgt (§ 136 Patentgesetz in Verbindung mit § 119 Satz 1 ZPO), umfasst die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren und die im Erteilungsverfahren fällig werdenden Jahresgebühren durch die Patentabteilung mit Beschluss vom 19. Juni 2009 nicht auch Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.
Im Erteilungsverfahren kann für eine Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Anmeldung auf Antrag unter entsprechender Anwendung der §§ 114 bis 116 der ZPO Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden, wenn sowohl die Patenterteilung wie die Beschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg haben. Es genügt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist (Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl. § 130 Rdn. 45). Für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für den beschwerdeführenden Anmelder im Beschwerdeverfahren kommt es trotz der Wortfassung, die auf den Normalfall abstellt, auf die Erfolgsaussichten der Beschwerde an (Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl. § 130 Rd. 9). Die vorliegende Beschwerde hat Aussicht auf Erfolg in diesem Sinne, wobei behebbare Mängel die Erfolgsaussicht auf Erteilung eines Patents nicht beeinträchtigen können, weil der Anmelder sie beseitigen kann, nachdem das Deutsche Patentund Markenamt ihn dazu auffordert. Dazu gehören alle formalen Mängel (Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl. § 130 Rdn. 42).
Die Zurückweisung der Patentanmeldung durch den angefochtenen Beschluss allein wegen des formalen Mangels, dass die Unterlagen nur handschriftlich eingereicht worden waren, beeinträchtigte den Anmelder in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, § 42 Abs. 3 Satz 2 PatG).
Vorliegend hatte der Patentanmelder bereits vor dem Deutschen Patentund Markenamt einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt und bewilligt bekommen, aber zu seinem weiteren Antrag auf Beiordnung eines Patentanwalts hatte er keinen Bescheid erhalten.
Die Patentanmeldung wurde gemäß § 42 Abs. 3 PatG zurückgewiesen, da die Unterlagen nur handschriftlich eingereicht wurden. Dem Anmelder kann im Stadium der Offensichtlichkeitsprüfung Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden, wenn die Anmeldung behebbare Mängel (vgl hier § 6 Abs. 5 PatV) aufweist, zu deren Beseitigung der Anmelder ohne sachkundigen Beistand nicht in der Lage ist (Schulte Patentgesetz 8. Aufl § 42 Rdn. 38). Ob ein Anmelder ohne sachkundigen Beistand generell nicht in der Lage ist, Unterlagen mit Maschine geschrieben oder gedruckt einzureichen, mag zwar zweifelhaft sein. Vorliegend hat der Anmelder jedoch Umstände vorgetragen, weshalb es ihm unmöglich ist, die Unterlagen selber in Druckschrift einzureichen. Außerdem ist nur ein sachkundiger Beistand in der Lage, zu beurteilen, ob und wann die Form eingehalten ist, so dass auch zur Erfüllung dieser formalen Voraussetzungen ein sachkundiger Beistand erforderlich ist. Dem Patentanmelder wurde zwar Verfahrenskostenhilfe gewährt, jedoch trotz Antrag kein Patentanwalt beigeordnet.
Es war für den Anmelder trotz des Bescheids vom 9. September 2009 überraschend, dass die Anmeldung allein wegen eines formalen und behebbaren Mangels zurückgewiesen wurde, ohne zuvor seinen Antrag auf Beiordnung eines Patentanwalts zu bescheiden, zumal er wegen der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht davon ausgehen musste, dass ihm kein Vertreter beigeordnet werden würde, da sein Antrag auf Beiordnung eines Vertreters auch nicht zurückgewiesen wurde. Mit Eingabe vom 15. September 2009 hatte er sogar nochmals den Antrag auf Beiordnung eines Patentanwalts gestellt. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall nur ein beigeordneter sachverständiger Vertreter dem Patentanmelder ein hinreichendes rechtliches Gehör verschaffen kann.
Der Patentanmelder kann auch nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Verfahrensführung nicht aufbringen.
2. Auf die Beschwerde des Patentanmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 42 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 10. November 2009 aufgehoben und die Sache an das Patentamt zurückverwiesen.
Da Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt ist, gilt die Beschwerde als eingereicht, auch wenn der Anmelder die Beschwerdegebühr nicht entrichtet hat (§ 130 Abs. 2 Satz 1 PatG).
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschluss der Prüfungsstelle nicht bereits deshalb rechtswidrig ist, weil mit einem Schreiben vom 15. September 2009 der Patentanmelder auf die Anforderung vom 9. September 2009 reagiert hat und man sein Schreiben dahin auffassen könnte, dass er den angegebenen Gründen widersprochen hat, so dass über die Anmeldung nicht ein Beamter des gehobenen Dienstes hätte entscheiden dürfen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 b) WahrnV).
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 42 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 10. November 2009 hätte jedenfalls nicht ergehen dürfen, bevor über den Antrag des Anmelders auf Beiordnung eines Patentanwalts entschieden worden ist, denn dadurch war der Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG, § 42 Abs. 3 Satz 2 PatG) verletzt. Es war für ihn trotz des Bescheids vom 9. September 2009 überraschend, dass die Anmeldung allein wegen eines formalen und behebbaren Mangels zurückgewiesen wurde, ohne dass zuvor sein Antrag auf Beiordnung eines Patentanwalts beschieden wurde und er den gerügten Mangel mit Hilfe eines beigeordneten Patentanwalts beheben konnte. Dies gilt um so mehr, da er wegen der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht davon ausgehen musste, dass ihm kein Vertreter beigeordnet werden würde, zumal sein Antrag auf Beiordnung eines Vertreters auch nicht zurückgewiesen wurde. Mit Eingabe vom 15. September 2009 hatte er sogar nochmals erneut den Antrag auf Beiordnung eines Patentanwalts gestellt.
Da es sich bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs um einen schweren Verfahrensmangel handelt, auf dem auch die Entscheidung der Prüfungsstelle beruht, und bei einer Beiordnung eines Patentanwalts der gerügte formale Mangel voraussichtlich behoben worden wäre, weist der Senat die Sache an das DPMA gemäß § 79 Abs. 3 Satz 2 PatG zurück. Dabei sind bei der Ermessensentscheidung, ob die Sache zurückverwiesen wird, Instanzverlust, Verfahrensverzögerung und ausreichende Prüfung in der Sache gegeneinander abzuwägen. Da die Patentanmeldung vorliegend nicht ausreichend in der Sache geprüft wurde, hält der Senat es für sachgemäß, die Sache zurückzuverweisen, so dass die Patentabteilung noch über die Beiordnung eines Patentanwalts zu entscheiden hat, bevor das Verfahren vor dem Amt fortgesetzt wird.
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BPatG:
Beschluss v. 28.06.2010
Az: 12 W (pat) 5/10
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