Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. September 2002
Aktenzeichen: 32 W (pat) 56/02

(BPatG: Beschluss v. 25.09.2002, Az.: 32 W (pat) 56/02)

Tenor

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. September 2001 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen wurde.

Gründe

I.

Die Anmeldung der Wortmarkeweb4uhat das Deutsche Patent- und Markenamt teilweise wegen mangelnder Unterscheidungskraft zurückgewiesen und zwar hinsichtlich der Dienstleistungen Durchführung von Versteigerungen und Auktionen im Internet; Dienstleistungen im Internet, nämlich Veranstaltung von Tauschbörsen, Vermittlung von Verträgen über den Verkauf von Waren und deren Abrechnung (Online-Shopping) in Computer-Netzwerken und/oder mittels anderer Vertriebskanäle; Betrieb von elektronischen Märkten im Internet durch Online-Vermittlung von Verträgen sowohl über die Anschaffung von Waren als auch über die Erbringung von Dienstleistungen; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften im Rahmen eines elektronischen Kaufhauses; Betrieb eines Call-Centers, nämlich Abwicklung von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren (Auftrags- und Bestellannahme) sowie Beratung im Hinblick darauf, Marktforschung, Betrieb einer Informations-, Beschwerde- und Notfall-Hotline; vorgenannte Dienstleistungen via Telekommunikation, insbesondere mit dem Ziel der Außendienstunterstützung/-optimierung, der Stammkundenpflege und der Neukundengewinnung; Finanzdienstleistungen; Wertpapierhandel; Bereitstellen von Informationen zum Wertpapierhandel; Immobilienvermittlung; Telekommunikation; Anbieten von Dienstleistungen im Internet, nämlich die elektronische Entgegennahme von Warenbestellungen, Sammeln und Liefern von Nachrichten, Übermittlung von Nachrichten; Zugangsvermittlung zu Verzeichnissen der in Daten-Netzwerken, insbesondere im Internet, verfügbaren Informationen; Computer-, Internet- und Informatikkurse; pädagogischer Unterricht aller Art; Erstellung von Konzepten zur Anwendung individuell abgestimmter Lernmethoden, auch für Legastheniker; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen der Klasse 41, auch über Internet; Erstellung von Computer-Software; Such- und Vermittlungsdienste, nämlich Suchen und Auffinden von Informationen in einem Daten-Netzwerk, insbesondere dem Internet; Vermittlung von Bekanntschaften, Brief- und Chat-Freundschaften.

Zur Begründung heißt es, dass sich die Marke - je nach beanspruchter Dienstleistung - jeweils lediglich in einer Sachangabe erschöpfe. Auch wenn es sich um eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortneuschöpfung handle, sei sie grammatikalisch korrekt gebildet. Deshalb fassten die angesprochenen Verbraucherkreise sie nur als Sachangabe auf, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft.

Dagegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Er ist der Auffassung, dass es sich bei der Marke um eine Wortneuschöpfung handle, die in ungewöhnlicher Art und Weise einzelne, möglicherweise bekannte Begriffe miteinander kombiniere. "web4u" sei kein deutsches Wort und selbst die Übersetzung ergebe keine unmittelbar beschreibende Bedeutung im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil der begehrten Eintragung in das Markenregister weder das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft, noch das einer Bezeichnung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.

Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, dem Verbraucher als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen zu dienen. Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden. Hat eine Wortmarke keinen für die fraglichen Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das der Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel versteht, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr.; vgl. BGH BlPMZ 2002, 85 - INDIVIDUELLE).

Vom Ausreichen schon einer geringen Unterscheidungskraft ist auch bei der Beurteilung einer Wortfolge auszugehen. Diese liegt hier vor, wenn man "web4u" als andere Schreibweise von "web for you" ansieht. Der Verkehr wird bei Werbeslogans zwar häufig eine Aussage annehmen, die nicht in erster Linie der Identifizierung der Herkunft des Produkts dient. Dies rechtfertigt es aber nicht, unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Werbeslogans gegenüber anderen Wortmarken zu stellen (BGH BlPMZ 2000, 161 - Radio von hier; 2000, 163 - Partner with the Best).

Die angemeldete Marke besteht aus den Bestandteilen "web", der Zahl "4" und dem Buchstaben "u". "web" ist eine gebräuchliche Abkürzung von "world wide web" und bezeichnet die Technologie, die es dem Einzelnen ermöglicht, das Internet zu nutzen (vgl. Geer, Pocket Internet, Profile Books Ltd., 2001, S. 197, 204).

"4u" wird wegen seiner Homonymität mit "for you" dafür als alternative Schreibweise verwendet. Nicht feststellbar ist jedoch, dass diese Bedeutung - ohne analysierende Zwischenschritte - innerhalb der maßgeblichen Kreise des inländischen Verkehrs allgemein bekannt ist. Die Dienstleistungen richten sich unter anderem an die allgemeinen Verkehrskreise, wenn auch mit der Einschränkung, dass diese dem Medium Internet aufgeschlossen gegenüberstehen; dies sind aber in zunehmenden Maße nicht mehr nur "Freaks", die mit allen Sprachtrends aus dem englischamerikanischen Bereich vertraut sind. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass nicht unbeträchtliche Teile der inländischen Verbraucher (vgl. BGH BlPMZ 1995, 444 - quattro) die Marke schon ihrer Bildung nach als phantasievoll und damit herkunftshinweisend ansehen.

Im übrigen handelt es sich selbst bei dem Verständnis als "web for you = Netz bzw. Internet für Dich" nicht um eine im Vordergrund stehende Sachangabe für die noch strittigen Dienstleistungen (vgl. BGH BlPMZ 1999, 410 - FOR YOU). Bei der Eingabe des Begriffs in übliche Suchmaschinen des Internets ergaben sich im wesentlichen Treffer, die den Markenbegriff kennzeichnend verwenden. Es bleibt offen, was ein "web für Dich" im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen sein soll.

"web4u" ist auch sonst keine gebräuchliche Bezeichnung. Selbst bei der ausgeschriebenen Form "for you" handelt es sich nicht um eine so gebräuchliche Wortfolge, dass sie der Verbraucher allein und stets nur als solche aufnimmt (vgl. BGH aaO - FOR YOU). Dies muss erst recht für "4u", die lautliche Umschreibung, gelten.

Versteht der Verbraucher "für Dich" als eine schlagwortartige Aussage, die seine Aufmerksamkeit wecken und auf die so gekennzeichnete Ware lenken soll, so liegt darin eine über das reine Wortverständnis hinausgehende Aussage, die es nicht erlaubt, dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen (BGH aaO - FOR YOU).

Auch die Konkretisierung mit "web" nimmt dem angemeldeten Zeichen nicht die Unterscheidungskraft. Schon bei der Beurteilung von FOR YOU war eine Verwendung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren (dort: Zigaretten etc.) zu Grunde zu legen. Trotzdem sah der Bundesgerichtshof keine Veranlassung, insoweit die Unterscheidungskraft in Frage zu stellen, obwohl bei Zigaretten die Situation eines persönlichen Angebots (für Dich) viel eher zu erwarten ist, als bei den vorliegenden abstrakten Dienstleistungen.

Durch die Schreibweise erhält die angemeldete Marke zudem eine besondere Note.

Dies alles verbietet die Annahme, dass die Marke nicht als Unterscheidungsmittel taugt.

Die Marke ist auch nicht deshalb von der Eintragung ausgeschlossen, weil sie lediglich aus Angaben besteht, die zur Bezeichnung der Art oder sonstiger Merkmale der Dienstleistungen dienen kann. Wie oben dargestellt, fehlt "web4u" ein eindeutig beschreibender Gehalt, weshalb die beanspruchte Marke zur Merkmalsbezeichnung nicht geeignet ist. Nicht unter § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fallen schlagwortartige Aussagen, die die Aufmerksamkeit des Verbrauchers wecken sollen. Ein Eintragungshindernis an allgemeinen, nicht angebotsbezogenen und in verschiedenen Branchen einsetzbaren Ausdrücken enthält die Vorschrift nicht (BGH aaO - FOR YOU).

Gegenstand dieser Entscheidung ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse. Dem Deutschen Patent- und Markenamt bleibt es unbenommen, das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis auf seine Bestimmtheit zu überprüfen.

Dr. Albrecht Sekretaruk Bayer Ko/Fa






BPatG:
Beschluss v. 25.09.2002
Az: 32 W (pat) 56/02


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