Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. November 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 243/03
(BPatG: Beschluss v. 03.11.2004, Az.: 32 W (pat) 243/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung der am 15. April 1999 für Brot, feine Backwaren, Konditorwarenangemeldeten Marke 399 21 610
(farbig: braun, rot, weiß)
hat der Inhaber der deutschen Marke 398 09 749 (angemeldet am 21. Februar 1998 und eingetragen am 9. Februar 1999)
Widerspruch erhoben.
Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für die Warenfertiggebackene und vorgebackene Brötchen aus Mehlprodukten aller Art.
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 22. Mai 2003 die Löschung der jüngeren Marke wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke angeordnet.
Die sich gegenüberstehenden Waren seien teils identisch, teils ähnlich, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durchschnittlich. Deren Wortbestandteil "KNACKIs" komme als kollisionsbegründend in Frage. Es gelte der Erfahrungssatz, dass bei Wort-Bild-Zeichen regelmäßig der Wortbestandteil den Gesamteindruck präge, weil sich der Verkehr an ihm als der einfachsten Bezeichnungsart orientiere. In den grafischen Elementen der Widerspruchsmarke (drei Brötchen mit lachenden Gesichtern) werde der Verkehr lediglich eine schmückende Warenausstattung sehen. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde durch den Wortbestandteil "Knackies" geprägt. Der Bildbestandteil, das Foto eines knusprig gebackenen Brötchens, solle die besondere Frische der Backwaren anzeigen und sei daher beschreibend. Zwischen den jeweiligen Wortbestandteilen bestehe klangliche Identität.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers. Er stellt den Antrag, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Mai 2003 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 398 09 749 zurückzuweisen.
Es bestehe keine Verwechslungsgefahr, weil die Vergleichsmarken in ihrer Gesamtheit durch die jeweils unterschiedlichen Bildbestandteile geprägt würden. Denn für Backwaren und Brötchen seien die Bezeichnungen "KNACKIs" und "Knackies" beschreibend und nicht kennzeichnungskräftig; diese wiesen darauf hin, dass die betreffenden Brotwaren, insbesondere (frische) Brötchen, knackig seien. In der jüngeren Marke habe der weitere Wortbestandteil "... immer knackfrisch gebacken!" zumindest einen gewissen Phantasiegehalt, der zur Eintragung der Marke in ihrer Gesamtheit geführt habe. Die jüngere Marke genieße nur Schutz in den registrierten Farben. Sie werde stets zusammen mit dem Wortbestandteil "... immer knackfrisch gebacken!" verwendet, so dass das Wort "Knackies" dem Verkehr nicht in Alleinstellung gegenübertrete. In der Widerspruchsmarke stellten die drei personifizierten Brötchen mit lächelnden Gesichtern den prägenden Bestandteil dar, der sich von der grafischen Gestaltung der jüngeren Marke völlig unterscheide.
Weiterhin hat der Markeninhaber die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben.
Der Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Bei Wort-Bild-Zeichen präge regelmäßig der Wortbestandteil die Marken im Gesamteindruck. Ein Ausnahmefall - eigenständige herkunftshinweisende Bedeutung des Bildes - liege bei keiner der Vergleichsmarken vor. Die in der jüngeren Marke zusätzlich enthaltene Wortfolge "... immer knackfrisch gebacken!" sei als typischer Slogan beschreibend und nicht mitprägend. Knackis sei nur als umgangssprachliches Wort für Strafgefangene in Gebrauch; in Verbindung mit Backwaren werde allenfalls eine Eigenschaft angedeutet, aber nicht glatt beschrieben. Deshalb sei auch die Kennzeichnungskraft nicht geschwächt.
Der Widersprechende legt eine eidesstattliche Versicherung des Firmeninhabers mit Angaben zu den Umsätzen beim inländischen Vertrieb von Brötchen in den Jahren 2002 und 2003 sowie Verpackungsmuster vor.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Markeninhabers bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die sich gegenüberstehenden Marken der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegen. Nach diesen Bestimmungen ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS).
1. Die Nichtbenutzungseinrede des Markeninhabers im Schriftsatz vom 2. Februar 2004 war, bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Abgabe, unzulässig, weil damals noch - wenn auch für wenige Tage - die sog. Benutzungsschonfrist lief. Eine "verfrüht" erhobene Einrede entfaltet nicht gleichsam automatisch mit Ablauf der Fünf-Jahres-Frist die Rechtswirkungen einer zulässigen Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 43 Rdn. 40).
Abgesehen davon hat der Widersprechende durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung nebst Anlagen eine ausreichende Benutzung seiner Marke für Brötchen in den Jahren 2002 und 2003, die in den maßgeblichen Benutzungszeitraum fallen, glaubhaft gemacht.
2.a) Zumindest "fertiggebackene Brötchen" sind gleiche Waren wie "Brot" und (noch) ähnlich im Verhältnis zu "feinen Backwaren" (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 65, 90). Aber auch bezüglich der "Konditorwaren" der jüngeren Marke liegt (noch) Warenähnlichkeit vor, weil dieser Begriff auch bestimmte Arten von feinen Backwaren mitumfasst (vgl. Dr. Oetker, Lexikon Lebensmittel und Ernährung, 3. Aufl. 1989, S. 317; danach sind Konditoreiwaren "im engeren Sinn überwiegend feine Backwaren aus den verschiedensten Teigen und Massen, die auch nach dem Backen noch bearbeitet werden, z.B. durch Füllen, Überziehen, Garnieren und Glasieren").
b) Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke liegt in der Gesamtheit ihrer Bestandteile von Hause aus zwar unterhalb des durchschnittlichen Bereichs, weil Wort- wie Bildbestandteile einen warenbezogenen Anklang aufweisen, jedoch wird die Kennzeichnungsschwäche durch die nachgewiesene Benutzung zumindest teilweise kompensiert.
c) Im schriftbildlichen Gesamteindruck kommen sich die Vergleichsmarken wegen der völlig unterschiedlichen jeweiligen Bildelemente nicht in einer Verwechslungsgefahr begründenden Weise nahe.
Anders verhält es sich aber bei phonetischer Benennung der Marken, weil insoweit die Kennwörter "Knackies" und "KNACKIs" - unbeschadet der in der Endsilbe geringfügig voneinander abweichenden Schreibweise - einen völlig gleichen Klangeindruck hinterlassen. Der weitere Wortbestandteil der angegriffenen Marke "... immer knackfrisch gebacken!" wird als typischer Werbeslogan aufgefasst und bei der Benennung bzw. Bestellung - im Ladengeschäft ebenso wie am Telefon - nicht mitverwendet werden. Es liegt auch nicht nahe, die Marken anhand ihrer Bildbestandteile zu bezeichnen. Für die jüngere Marke gilt dies schon deshalb, weil das Bild die völlig realistische (gleichsam fotografische) Abbildung eines Brötchens verkörpert. Aber auch das Widerspruchszeichen wird nicht als Marke "mit den drei lächelnden Brötchengesichtern" benannt, weil dies viel zu umständlich wäre. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass beim Zusammentreffen von Wort und Bild der Gesamteindruck eines derartigen Kombinationszeichens eher vom Wortbestandteil geprägt wird, weil die Marken im allgemeinen - und so auch hier - mit diesem benannt werden (Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rdn. 434).
Das Wort KNACKIs ist auch keineswegs so kennzeichnungsschwach, dass es gegenüber dem Bild völlig zurücktreten würde. Es vermittelt zwar die Vorstellung eines "knackigen" (= knusprigen) Brötchens und ist von daher für die beanspruchten Waren sprechend, aber nicht glatt beschreibend. Anders als etwa "Knacker" für Würstchen ist "Knacki" für Brot/Brötchen kein geläufiger Begriff der deutschen Sprache. Dieses Wort wird vielmehr umgangssprachlich - worauf der Widersprechende zu Recht hingewiesen hat - für einen Strafgefangenen verwendet.
d) Die Gesamtabwägung von Warenidentität bezüglich Brot/Brötchen und noch vorhandener Warenähnlichkeit hinsichtlich der sonstigen Erzeugnisse der jüngeren Marke, allenfalls leicht unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und phonetischer Identität der die Marken prägenden Wortbestandteile ergibt, dass - in Übereinstimmung mit der Entscheidung der Markenstelle - vom Bestehen einer Verwechslungsgefahr auszugehen ist. Es verbleibt deshalb bei der angeordneten Löschung der angegriffenen Marke.
3. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.
Viereck Müllner Merzbach Fa
BPatG:
Beschluss v. 03.11.2004
Az: 32 W (pat) 243/03
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