Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Juni 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 42/03

(BPatG: Beschluss v. 02.06.2005, Az.: 25 W (pat) 42/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Agnukadinist am 22. Dezember 1997 für "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse und Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse und Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen unter Beigabe von Amino- und Fettsäuren, Fisch- und Lebertranöl, Kohlenhydraten, entweder einzeln oder in Kombination; diätetische Erzeugnisse und Nahrungsergänzungsmitte für nichtmedizinische Zwecke auf pflanzlicher Basis und auf der Basis von Proteinen unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Kohlenhydraten, Amino- und Fettsäuren, Fisch- und Lebertranöl, entweder einzeln oder in Kombination; diätetische Erzeugnisse und Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlenhydraten unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Proteinen, Amino- und Fettsäuren, entweder einzeln oder In Kombination" in das Markenregister eingetragen worden.

Hiergegen hat die Inhaberin der älteren Marke 737 292 AGNUCASTON die seit dem 1. Juni 1960 für "Arzneimittel für die Humanmedizin" geschützt ist, Widerspruch erhoben.

Im Verfahren vor der Markenstelle hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung der älteren Marke zunächst in vollem Umfang bestritten. Im Beschwerdeverfahren hat sie die Nichtbenutzungseinrede für andere Waren als "Gynäkologika" weiter aufrecht erhalten. Eine weitergehende Benutzung hat die Widersprechende nicht geltend gemacht.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Trotz möglicher Warenidentität und entsprechend strenger Anforderungen an den Abstand der Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr. "Agnu-" sei ein Hinweis auf den Wirkstoff Agnus castus = Keuschlamm, Mönchspfeffer und damit kennzeichnungsschwach. Insoweit könne diese Lautfolge für den Gesamteindruck keinen kennzeichnenden Charakter haben, so daß der Verkehr auf weitere, abweichende Bestandteile zu achten habe. Die sich hierfür anbietenden Elemente "-kadin" bzw "-CASTON" reichten wegen der deutlichen klanglichen und schriftbildlichen Abweichungen aus. Der Gesamteindruck der Marken unterscheide sich damit ausreichend voneinander. Auch assoziative Verwechslungen seien nicht zu befürchten.

Die Erinnerungsprüferin hat sich dieser Beurteilung angeschlossen und zusätzlich ausgeführt, die Widerspruchsmarke bewege sich wegen der Buchstabenfolge "AGNUCAST-" allenfalls am unteren Bereich durchschnittlich kennzeichnender Marken. Die sich daraus ergebenden durchschnittlichen Anforderungen seien in jeder Hinsicht erfüllt, da aus Rechtsgründen eine Verwechslungsgefahr bezüglich der übereinstimmenden Bestandteile nicht abgeleitet werden könne. Hinzu kämen einige Drittzeichen, die dazu führten, daß die Abweichungen in den Vordergrund rückten. Daß diese am grundsätzlich weniger beachteten Wortende zu finden seien, spreche nicht gegen die Verneinung der Verwechslungsgefahr, weil diese Unterschiede erst die wesentliche Abweichung von der beschreibenden Angabe ausmachten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Vortrag, zwischen den Waren, insbesondere zwischen "Gynäkologika" einerseits und "Arzneimitteln, pharmazeutischen Erzeugnissen sowie Präparaten für die Gesundheitspflege" andererseits, bestehe Identität, im Übrigen aber mit Ausnahme von "veterinärmedizinischen Erzeugnissen" engste Ähnlichkeit. Auch Nahrungsergänzungsmittel könnten eine erhebliche Nähe zu Arzneimitteln aufweisen, zumal manche Wirkstoffe wie Rotklee sowohl in Nahrungsergänzungsmitteln wie auch in Arzneimitteln enthalten seien, so daß sich Überschneidungen hinsichtlich der Indikationsgebiete ergeben könnten. Mangels Rezeptpflicht sei auf medizinische Laien abzustellen, denen der Begriff agnus castus nicht bekannt sei. Zwar gehe die Markenstelle von einer am unteren Bereich liegenden normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Laien gegenüber besitze die Widerspruchsmarke jedoch eine normale Kennzeichnungskraft. Die Anlehnung an einen Fachbegriff wie agnus castus könne nicht zu einer Schwächung des Schutzbereichs führen. Mit den genannten Drittmarken könne dies auch nicht begründet werden, weil diese gegenüber der Widerspruchsmarke nicht ähnlich seien. Zudem sei nichts über die Benutzung der Drittzeichen bekannt. Ihrem Gesamteindruck nach bestehe Verwechslungsgefahr zwischen den Marken, wobei auf ihre eingetragene Form abzustellen sei. Daß die Verbraucher die angegriffene Marke bei der Wiedergabe auf die Endung "-ON" verkürzten, sei abwegig. Die Marken stimmten in der Silbenzahl sowie in den ersten 3 Silben überein, wobei die 3 Silbe der älteren Marke nicht "-cas-", sondern "-ca-" laute und das "s" wegen des nachfolgenden "t" klanglich untergehe. Insoweit bestehe auch kein markanter Unterschied gegenüber dem Anlaut der 4. Silbe der jüngeren Marke, die mit "d" beginne. Die unterschiedlichen Vokale gingen aufgrund der identischen Endung ebenfalls unter. Unter Berücksichtigung aller maßgeblicher Kriterien sowie der BGH-Entscheidung Indorektal / Indohexal" (GRUR 1995, 50) bestehe markenrechtliche Übereinstimmung, zumal auch eine begriffliche Merkhilfe fehle.

Die Widersprechende beantragt, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, dem Widerspruch stattzugeben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, Das Warenverzeichnis der angegriffenen Marke umfasse nicht nur "Arzneimittel", sondern auch "Präparate für die Gesundheitspflege" und "diätetische Erzeugnisse", die jedoch mit den "Gynäkologika" der Widerspruchsmarke nicht ohne weiteres ähnlich seien. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke, die an die beschreibende Angabe agnus castus angelehnt sei, sei unter Hinweis auf die BGH-Entscheidung "AntiVir / AntiVirus" (GRUR 2003, 963) nach Maßgabe ihrer Eigenprägung eng zu bemessen.. Daher reichten hier selbst bei identischen Waren und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke die Übereinstimmungen der Marken aus Rechtsgründen nicht aus, um Verwechslungsgefahr zu bejahen. Erst recht gelte dies für Waren, die nur im mittleren bis entfernteren Ähnlichkeitsbereich lägen. Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne bestehe nicht, etwa durch gedankliches In-Verbindung-Bringen. Der verständige Durchschnittsverbraucher werde in der angegriffenen Marke keine Bezeichnung erkennen, die er mit der Widerspruchsmarke in Verbindung bringe. Hierfür fehle es an den Voraussetzungen. Es werde auch bestritten, daß die Verkehrskreise, die hier in der Regel aus Medizinern und Apothekern bestünden, die Bedeutung des Begriffs agnus castus nicht erkannten. Außerdem weise "agnus" wegen der begrifflichen Anlehnung keine den Gesameindruck prägende Bedeutung auf. Die Unterschiede in "-kadin" und "-CASTON" seien deutlich genug. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr bestehe ebenso wenig wie eine klangliche oder eine begriffliche, zumal der 2. Markenbestandteil "-kadin" der angegriffenen Marke vom Firmennamen der Beschwerdegegnern abgeleitet und die angegriffene Marke eine reine Phantasiebezeichnung sei.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Auch der Senat ist der Auffassung, daß die Marken nicht im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG übereinstimmen.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr wird nach ständiger Rechtsprechung durch mehrere Komponenten bestimmt. In diesem Zusammenhang ist neben dem Verhältnis der sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen und dem Verhältnis der zu vergleichenden Marken zu berücksichtigen, welche Kennzeichnungskraft und welchen Schutzbereich die Widerspruchsmarke beanspruchen kann (vgl BGH WRP 2004, 1281 - Mustang). Dieser stellt keine feste Größe dar, sondern kann durch intensive Benutzung der Marke erweitert oder aber wegen eines - auch nach der Eintragung sich entwickelnden - beschreibenden Sinngehalts der Marke verringert sein. Von der Antwort auf diese Frage hängt die Beurteilung des Abstandes ab, den die jüngere Marke gegenüber der älteren Marke einzuhalten hat, wobei bei Waren - oder Dienstleistungsidentität höhere Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind als bei sich entfernter gegenüberstehenden Waren bzw Dienstleistungen.

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke für "Gynäkologika" anerkannt hat, sind diese der Beurteilung der Warenähnlichkeit zugrunde zu legen. Im Bereich "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse", für die die jüngere Marke ua Schutz beansprucht, kann daher Warenidentität vorliegen, während sich die übrigen Waren der angegriffenen Marke und die Waren der Widerspruchsmarke in einem etwas weiteren Abstand gegenüberstehen.

Vorliegend sind die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen, da die sich gegenüberstehenden Waren, soweit auf Seiten der jüngeren Marke "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse" betroffen sind, nicht rezeptpflichtig sind und eine Verschreibungspflicht im Warenverzeichnis der älteren Marke im übrigen auch nicht festgelegt ist. Dabei legt der Senat ein Verbraucher-Leitbild zugrunde, das von einem durchschnittlich aufmerksamen, informierten Verbraucher ausgeht, dessen Aufmerksamkeit je nach Produkt oder Dienstleistung höher oder niedriger ist, der jedoch allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, aufmerksamer begegnet als einfachen Produkten des täglichen Lebens (vgl zum veränderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2004, 124 - Warsteiner III; EuGH MarkenR 2002, 231 - Philips/Remington; zur Aufmerksamkeit im Gesundheitsbereich BGH GRUR 1995, 50 - INDOREKTAL / INDOHEXAL).

Der Widerspruchsmarke kommt in ihrer Gesamtheit eine allenfalls im unteren Bereich liegende durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu, denn das Wortelement "AGNUCAST -" enthält einen deutlich erkennbaren Hinweis auf die Pflanze Vitex agnuscastus (syn. Mönchspfeffer; Keuschlamm), aus deren Früchten ein homöopathisches Mittel zur Behandlung gynäkologischer Beschwerden gewonnen wird (vgl Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 259. Aufl; Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Aufl.). Diesem ist nur die häufig verwendete Endsilbe "-ON" angefügt.

Danach sind keine strengen Anforderungen an den Abstand zu stellen, den die jüngere gegenüber der älteren Marke einzuhalten hat. Diesen Abstand hält die angegriffene Marke ein.

Beim Vergleich der Markenwörter ist zwar maßgeblich auf deren Gesamteindruck abzustellen, wobei den übereinstimmenden Elementen eine größere Bedeutung beigemessen wird als den unterschiedlichen Wortteilen (vgl BGH GRUR 2004, 783, 785 - NEURO-VIBOLEX / NEURO-FIBRAFLEX). Besteht die Übereinstimmung aber nur in einer beschreibenden Angabe oder in einer erkennbaren Anlehnung hieran, wie sie im vorliegenden Fall in der Laut- bzw Buchstabenfolge "Agnuka-" bzw "AGNUCAST- " zu sehen ist, kann sie wegen der Schutzunfähigkeit der zugrunde liegenden Wirkstoffbezeichnung nicht zur Begründung einer Verwechslungsgefahr herangezogen werden (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9, Rdnr 323; ergänzend Ströbele in: Festschrift 100 Jahre GRUR, 1991, Verwechslungsgefahr und Schutzumfang, S. 821, 837 ff, 841), auch wenn auf dem vorliegenden Warengebiet der Pharmazeutika eine Übung besteht, sog sprechende Zeichen zu bilden und zu verwenden, die dem Fachverkehr, aber auch weiten Teilen der Verbraucher Hinweise auf die Indikation, die Verwendung oder die Wirkung der Präparate geben. Dementsprechend sind in der Roten Liste 2005 in der Hauptgruppe 46 - Gynäkologika - zwei weitere Kennzeichnungen aufgeführt, die den Bestandteil "Agnu-" enthalten. Ein weiterer Präparatenamen, der mit diesem Bestandteil gebildet ist und dessen Mittel ebenfalls Keuschlamm aufweist, findet sich in der Hauptgruppe 87 - Homöopathika / Präparateserien -. Hinzu kommt, daß in der Hauptgruppe 46 - Gynäkologika - der Roten Liste 2005 die Untergruppe 2.A.1.1. der Gruppe 2..A.1. - Einzelstoffe - die Überschrift "Vitex agnus castus (Keuschlamm)" trägt.

Marken, die solche beschreibenden oder erkennbar abgewandelten Elemente enthalten, erlangen Schutz allenfalls aufgrund ihrer Eigenprägung, die auf nur geringen Veränderungen gegenüber der Sachangabe beruhen kann (vgl BGH GRUR 2003, 963 - AntiVir / AntiVirus). Ein Schutz für die zugrunde liegende schutzunfähige Angabe selbst kann in solchen Fällen nicht beansprucht werden (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9, Rdnr 323). Insoweit ist es ohne Bedeutung, ob die fragliche Bezeichnung nur von Fachleuten erkannt und verstanden wird, den Verbrauchern dagegen unbekannt ist (vgl BGH GRUR 1990, 453 - L-Thyroxin). Selbst wenn unterstellt wird, daß die Bezeichnung agnus castus als Hinweis auf den Inhaltsstoff eines homöopathischen Mittels erheblichen Teilen der allgemeinen Verkehrskreise nicht bekannt wäre, folgt daraus nicht, daß insoweit der Widerspruchsmarke ein größerer Schutzbereich zukäme und deshalb die Verwechslungsgefahr - zumindest für die allgemeinen Verbraucher - zu bejahen wäre, denn in diesem Fall wäre die markenrechtliche Übereinstimmung aus Rechtsgründen zu verneinen.

Unter diesen Voraussetzungen reichen die in den Marken vorhandenen klanglichen wie schriftbildlichen Unterschiede aus, um einer relevanten Verwechslungsgefahr im Verkehr entgegenzuwirken. Zu dem unterschiedlichen Gesamteindruck tragen vor allem die klangstarke und in der jüngeren Marke keine Entsprechung findende Lautverbindung "st" der älteren Marke und der abweichende Endungsvokal "o" bei, die beide zu einem markanten Klangbild führen. Demgegenüber wird die jüngere Marke durch den Konsonanten "d" und den Vokal "i" von einem eher weichen, melodischen Klangbild bestimmt. Hinzu kommt, daß diese Unterschiede in den bei normaler ungezwungener Aussprache betonten Endungen der Markenwörter zu finden sind und daher trotz ihrer Position insbesondere den klanglichen Gesamteindruck deutlich mitbestimmen können.

Aus der Übereinstimmung in dem Wirkstoffhinweis "Agnucast-" selbst folgt auch weder eine begriffliche noch eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt, daß die Vergleichsmarken gedanklich in Verbindung gebracht werden.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Ein Anlaß zur Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen ist nicht erkennbar, § 71 Abs 1 MarkenG.

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BPatG:
Beschluss v. 02.06.2005
Az: 25 W (pat) 42/03


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