Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 23. März 2011
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 9/10
(BGH: Beschluss v. 23.03.2011, Az.: AnwZ (Brfg) 9/10)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 5. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 23. November 2009 die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Dessen hierauf erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der nach § 112e Satz 2, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NVwZ 2000, 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542 f.; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112e BRAO Rn. 77; Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 112e Rn. 10). Daran fehlt es hier. Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend ausgeführt, dass zum Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs eine gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Klägers bestand, weil er in die Schuldnerverzeichnisse beim Insolvenzgericht und beim Vollstreckungsgericht eingetragen war (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO, § 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO). Im Juli 2009 ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen mangels Masse abgelehnt worden. Zwischenzeitlich ist zudem nach dem unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Beklagten bekannt geworden, dass der Kläger am 26. September 2009 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Der Kläger beruft sich darauf, die gesetzliche Vermutung trotz der nach wie vor bestehenden Eintragungen nachträglich widerlegt zu haben. Dies trifft jedoch nicht zu.
Dabei kann offen bleiben, ob nach dem ab 1. September 2009 geltenden neuen Recht überhaupt noch Raum für die Berücksichtigung eines nachträglichen Wegfalls des Widerrufsgrundes ist. Denn selbst unter der bisherigen Geltung des Verfahrensrechts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO aF) hat der Senat eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des betroffenen Rechtsanwalts nur dann angenommen, wenn dieser seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend offen gelegt und den nachträglichen Fortfall seines Vermögensverfalls zweifelsfrei nachgewiesen hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 74/09, juris Rn. 10, 11 mwN). Diesen Anforderungen ist der in beengten finanziellen Verhältnissen lebende Kläger nicht nachgekommen. Nach seinem eigenen Vorbringen ist er derzeit nicht in der Lage, die aufgelaufenen Verbindlichkeiten von rund 200.000 € vollständig zu tilgen. Dass er mit allen Gläubigern Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen hat und diese vereinbarungsgemäß bedient, ist weder hinreichend vorgetragen noch nachgewiesen. Sowohl vor dem Anwaltsgerichtshof als auch in der Begründung seines Zulassungsantrags hat der Kläger lediglich punktuelle und nur in Teilen belegte Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht. Der Anwaltsgerichtshof hat sich mit dem lückenhaften Vorbringen des Klägers eingehend befasst und hiervon ausgehend zutreffend eine nachträgliche Konsolidierung dessen wirtschaftlicher Verhältnisse verneint. In der Begründung zum Zulassungsantrag hat der Kläger keine Gesichtspunkte vorgebracht, die eine andere Beurteilung rechtfertigten.
2. Den weiter von ihm angeführten Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hat der Kläger bereits nicht hinreichend dargelegt.
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung weist eine Rechtssache dann besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten deutlich abhebt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. November 2010 - 1 L 134/10, juris Rn. 7; VGH München, Beschluss vom 17. Januar 2011 - 14 ZB 10.1569, juris Rn. 10). Diese Grundsätze lassen sich auch auf die verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen übertragen (Henssler/Prütting, aaO § 112e Rn. 11 mwN). Bei der Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind allerdings die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Erleichterungen (BVerfG, NVwZ 2000, 1163, 1164) zu beachten. Ergibt sich schon aus dem Begründungsumfang im angefochtenen Urteil, dass eine Sache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht schwierig ist, genügt der Antragsteller seiner Darlegungslast regelmäßig bereits mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteils (BVerfG, aaO; Schmidt-Räntsch, aaO § 112e BRAO Rn. 78). Erblickt der Antragsteller die Schwierigkeiten des Falles dagegen darin, dass das Gericht in der angefochtenen Entscheidung auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, kann von ihm verlangt werden, dass er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darstellt und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel macht (BVerfG, aaO; Schmidt-Räntsch, aaO).
Davon ausgehend fehlt es vorliegend an der erforderlichen Darlegung eines auf rechtlichen oder tatsächlichen Gründen beruhenden erhöhten Schwierigkeitsgrads der Rechtssache. Anders als der Kläger offenbar meint, ist hierfür nicht entscheidend, dass er sich ungünstigen tatsächlichen Lebensumständen ausgesetzt sieht, sondern ob der Rechtsstreit als solcher komplexe Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwirft, die seine Beurteilung erschweren. Der Kläger macht geltend, der Anwaltsgerichtshof habe die in seinen persönlichen Verhältnissen liegenden tatsächlichen Schwierigkeiten (Verwertung seines Hausgrundstücks erst nach Ableben der betagten Mutter möglich) ebenso wenig gewürdigt wie die Tatsache, dass sich seine finanzielle Situation durch einen späteren Verkauf des von seiner Mutter bewohnten Hausanwesens schlagartig verbessern werde. Diese im angegriffenen Urteil nicht ausdrücklich erwähnten Aspekte verleihen dem Streitfall jedoch keinen erhöhten Grad an Komplexität und stellen im Übrigen auch die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage. Dass ein Antragsteller über Aktivvermögen verfügt, das er - etwa im Hinblick auf dingliche Rechte Dritter - nicht binnen kurzer Zeit verwerten kann, ist ein Gesichtspunkt, der bei einem Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls häufig geltend gemacht wird, der aber regelmäßig schon aus Rechtsgründen unbeachtlich ist, weil sich hieraus nach gefestigter Rechtsprechung des Senats im Hinblick auf die fehlende Liquidität solcher Vermögenswerte noch keine nachhaltige Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse des betroffenen Rechtsanwalts ergibt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 - AnwZ (B) 21/03, juris Rn. 20).
3. Die Zulassung der Berufung ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geboten.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist dem Anwaltsgerichtshof nicht deswegen ein Verfahrensfehler unterlaufen, weil er den vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis zu den zwischen ihm und Herrn Rechtsanwalt L. getroffenen Absprachen nicht erhoben hat. Das unter Beweis gestellte Vorbringen des Klägers ist nicht entscheidungserheblich. Denn durch die behauptete Absprache wäre eine Gefährdung der Rechtsuchenden nicht ausgeschlossen, weil nicht sichergestellt war, dass der Kläger keine Mandantengelder persönlich in bar vereinnahmt oder abredewidrig ein neues Konto auf seinen eigenen Namen eröffnet (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2007 - AnwZ (B) 75/06, AnwBl. 2008, 66, 67).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kessal-Wulf König Fetzer Kappelhoff Stüer Vorinstanz:
AGH München, Entscheidung vom 05.07.2010 - BayAGH I - 30/09 -
BGH:
Beschluss v. 23.03.2011
Az: AnwZ (Brfg) 9/10
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