Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 13. Juni 2002
Aktenzeichen: 1 K 3225/01

(VG Köln: Urteil v. 13.06.2002, Az.: 1 K 3225/01)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin; außergerichtliche Kosten der Bei-geladenen werden nicht erstattet.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Revision unter Óbergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Betreiberin eines bundesweiten Telekommunikationsnetzes mit ca. 47 Millionen Endkundenanschlüssen, die den Zugang zu ihren am Markt angebo- tenen Telekommunikationsdienstleistungen ermöglichen. Die Beigeladene bietet auf der Grundlage der Lizenzklasse 4 Sprachtelefondienst an und ist außerdem Internet- Diensteanbieterin.

Seit September 1999 begehrt die Beigeladene von der Klägerin den Zugang zu Leistungen und Einrichtungen im Teilnehmernetzbereich der Klägerin, um auf dieser Basis selbst gestaltete Mischprodukte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegenüber ihren - der Beigeladenen - Endkunden anbieten zu können. Zur Umset- zung dieses Vorhabens will die Beigeladene bei der Klägerin Endkundenanschlüsse (analog; ISDN; T-DSL) und Verbindungsminuten für Sprachkommunikation und Da- tendienstleistungen erwerben. Sie plant, daraus unter Zufügung bestimmter eigener Komponenten hauptsächlich sog. Konvergenzprodukte zu entwickeln, die Elemente von Datenübertragung, Festnetz und Mobilfunk beinhalten. Sie will neben der Rech- nungsstellung sowohl das Marketing und den Vertrieb als auch die Kundenbetreuung und die Reklamationsbearbeitung übernehmen sowie das Forderungsausfallrisiko tragen.

Nachdem mehrere Gespräche nicht zu einem den Wünschen der Beigeladenen entsprechenden Angebot der Klägerin geführt hatten, beantragte die Beigeladene im Juli 2000 bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), gegen die Klägerin wegen Verweigerung einer Vereinbarung über ein Reselling von Dienstleistungen im Teilnehmernetzbereich im Wege der Missbrauchsaufsicht einzu- schreiten.

Mit Bescheid vom 30.03.2001 verfügte die RegTP gegenüber der Klägerin (im dortigen Beschlusskammerverfahren Betroffene genannt) zunächst :

"1. Die Betroffene wird nach § 33 Abs. 2 S. 2 TKG aufgefordert, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung abzustellen, der darin besteht, dass die Betroffene der Beigeladenen .. das Angebot von Leistungen im Teilnehmernetzbereich (Anschlüsse, Orts- und Cityverbindungen), die diese zum Zweck des Wiederverkaufs nachgefragt hat, verweigert. Der Missbrauch ist abzustellen, indem die Betroffene der Beigeladenen .. ein Ange- bot über solche AGB-Produkte in diesem Bereich macht, die die Beigeladene .. zum Zwecke des Wiederverkaufs nachfragt und welches dieser ermöglicht, auf Basis von Produkten der Betroffenen selbst gestaltete Produkte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung anzubieten. Den besonderen Rechten und Pflichten, die sich aus dem Verhältnis der Betroffenen zur Beigeladenen .. als Wiederverkäuferin ergeben, ist bei der Gestaltung des Angebots Rechnung zu tragen.

2. Für die Umsetzung dieser Aufforderung wird der Betroffenen eine Frist von drei Monaten ab Zugang dieses Beschlusses eingeräumt.

3. Die Betroffene wird ferner aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zugang des vorliegenden Beschlusses gegenüber der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post eine Erklärung darüber abzugeben, dass sie der Aufforderung nachkommt. ...

4. Es wird darauf hingewiesen, dass das Angebot der Betroffenen an die Beigeladene .. sicherstellen muss, dass die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt werden."

Unter dem 17.04.2001 erklärte die Klägerin gegenüber der RegTP, sie werde der Aufforderung aus diesem Bescheid nicht nachkommen.

Daraufhin verfügte die RegTP gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 11.05.2001:

" 1. Der Betroffenen wird nach § 33 Abs. 2 S. 1 TKG auferlegt, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung abzustellen, der darin besteht, dass die Betroffene der Beigeladenen .. das Angebot von Leistungen im Teilnehmernetzbereich (Anschlüsse, Orts- und Cityverbindungen), die diese zum Zweck des Wiederverkaufs nachgefragt hat, verweigert. Die Betroffene wird zu diesem Zweck verpflichtet, der Beigeladenen .. ein Angebot über solche AGB-Produkte in diesem Bereich zu machen, die die Beigeladene .. zum Zwecke des Wiederverkaufs nachfragt und welches dieser ermöglicht, auf Basis von Produkten der Betroffenen selbst gestaltete Produkte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung anzubieten. Den besonderen Rechten und Pflichten, die sich aus dem Verhältnis der Betroffenen zur Beigeladenen .. als Wiederverkäuferin ergeben, ist bei der Gestaltung des Angebots Rechnung zu tragen.

2. Für die Umsetzung dieser Verpflichtung wird der Betroffenen eine Frist bis zum 30.06.2001 eingeräumt.

3. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zur Unterbreitung eines entsprechenden Angebotes bis zum 30.06.2001 wird der Betroffenen ein Zwangsgeld in Höhe von 2000,- DM angedroht."

Gegen beide Bescheide hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Die Bescheide seien teilweise wegen Unbestimmtheit formell rechtswidrig. Es bleibe offen, was in Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 der Anordnungen mit den besonderen Rechten und Pflichten in dem Verhältnis zur Beigeladenen als Wiederverkäuferin gemeint sei. Auch sei unklar, ob und inwieweit das verlangte Resale-Angebot allein für Zwecke von City- und Ortsverbindungen im Teilnehmernetzbereich unterbreitet werden solle oder ob es auch den Interessen der Anbieter von callbycall- und Preselectionangeboten Rechnung tragen müsse. In materieller Hinsicht werde verkannt, dass sie - die Klägerin - auf dem Markt für Resale-Angebote im Ortsnetzbereich nicht über eine marktbeherrschende Stellung verfüge. Abgesehen davon handele es sich bei Leistungen zwischen Netzbetreiber und Reseller nicht um Telekommunikati- onsdienstleistungen für die Öffentlichkeit. Ferner könne eine Befugnis des Resellers, die begehrten Produkte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung vertreiben zu können, nicht als wesentliche Leistung im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1 TKG beurteilt werden. Denn darunter fielen nur Vorprodukte auf niederer betrieblicher Wertschöp- fungsebene, welche zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen auf höherer Ebene eingesetzt würden. Die Beigeladene plane jedoch den bloßen Vertrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, also ohne eigenen Wertschöpfungsprozess. Abgesehen davon lasse sich das Tatbestandsmerkmal "wesentlich" nur entsprechend der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 81, 82 EGV im Sinne der sog. Essential-Facilities-Doctrine auslegen. Mithin komme es darauf an, ob es nicht nur für die Beigeladene, sondern für jeden anderen Wettbewerber aus technischen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen entweder unmöglich oder wirtschaftlich unvernünftig wäre, die zum Wiederverkauf erstrebten Produkte und Leistungen selbst herzustellen und zu erbringen. Davon könne hier nicht die Rede sein. Dagegen spreche das Beispiel derjenigen Unternehmen, die für das eigene Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung nachfragten und so zum Ausdruck brächten, dass sie ansonsten in der Lage seien, den eigentlichen Teilnehmeranschluss zu duplizieren und hierüber selbständig Sprachtelefon- und Datendienstleistungen im Teilnehmernetzbereich zu erbringen. Außerdem sei der Vorwurf missbräuchlichen Verhaltens unberechtigt. Die Beigeladene habe ihr Zu- gangsbegehren, insbesondere den beabsichtigten Verwendungszweck, nicht so kon- kretisiert, dass sie - die Klägerin - in der Lage gewesen wäre, die für die Vertragsgestaltung und rechtliche Beurteilung wesentlichen Fragen beantworten zu können. Eine fehlende sachliche Rechtfertigung der Zugangsverweigerung lasse sich auch nicht mit dem Hinweis auf § 4 Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) begründen. Zunächst bestünden gegen diese Vorschrift verfassungsrechtliche Bedenken. Auch betreffe sie nur Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen, woran es jedoch im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Reseller fehle. Zudem sei sie nur auf Diensteanbieter anwendbar, die ein eigenes wirtschaftliches Risiko eingingen. Daran fehle es bei der Beigeladenen, da sie nicht den Einkauf eines bestimmten Leistungskontingents beabsichtige, sondern gegenüber ihr - der Klägerin - in Abhängigkeit von der Inanspruchnahme durch den Endkunden abrechnen wolle. Schließlich sei die Regelung in Ziffer 4 des Bescheides vom 30.03.2001 wegen Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig. Die Umsetzung der Verpflichtung, berechtigte Interessen der Anbieter von callbycall- oder Preselectionangeboten nicht zu beeinträchtigen, habe unangemessene Auswirkungen auf die Durchführung des Inkasso und der Fakturierung von callbycall-Verbindungen.

Die Klägerin beantragt,

1) die Bescheide der RegTP vom 30.03.2001 und 10.05.2001 auf- zuheben,

2) hilfsweise, Beweis darüber zu erheben, dass die Beigeladene mit den nach- gefragten AGB-Produkten der Klägerin keine selbstgestalteten Produkte er- bringen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung der angefochtenen Bescheide entgegen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und führt u.a. aus, sie habe ein bloßes Weiterreichen der begehrten Vorprodukte nie beabsichtigt. Da sie als Reseller im Ortsnetz auf dem Endkundenmarkt in direktem Wettbewerb mit der Klägerin stehe, könne sie ihre als Geschäftsgeheimnisse anzusehenden Produktideen nicht gegenüber der Klägerin vollständig offenlegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge- richtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Verfah- rensakten 1 L 1099/01 und 1 L 1696/01 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Bescheide vom 30.03.2001 und 11.05.2001 sind formell rechtmäßig. Sie sind entgegen der Auffassung der Klägerin hinreichend bestimmt. Nach § 37 Abs. 1 VwVfG ist es erforderlich, dass aus der getroffenen Regelung, d.h. aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den der Betroffenen sonst bekannten oder den für sie ohne weiteres erkennbaren Umständen klar wird, was von ihr verlangt wird.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, denn aus dem im Tatbestand wiedergegebenen Tenor der Bescheide (Ziffer 1 Satz 2) im Zusammenhang mit der Begründung des Bescheides vom 30.03.2001 (Seite 22) ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass von der Klägerin die Abgabe eines Angebots gegenüber der Beigeladenen über ihre AGB-Produkte im Teilnehmernetzbereich zum Zwecke des Wiederverkaufs verlangt wird, und zwar mit der Maßgabe, dass die Beigeladene auf dieser Basis selbst gestaltete Produkte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung anbieten kann. Das schließt ein Angebot, bei dem es an einer Endkundenbeziehung zwischen der Beigeladenen und ihren Kunden fehlt - wie etwa bei dem im Verlauf der Verhandlungen angebotenen Produkt "Business Call 700" - ebenso aus wie ein Angebot, welches - wie das sog. "Rebilling" - die Beigeladene in die Lage versetzt, Leistungen der Klägerin lediglich unverändert weiterzuveräußern.

Was mit den "besonderen Rechten und Pflichten, die sich aus dem Verhältnis der Betroffenen zu der Beigeladenen .. als Wiederverkäuferin ergeben" (jeweils Ziffer 1 Satz 3), zu verstehen ist, erschließt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Begründung auf Seite 28 und 29 des Bescheides vom 30.03.2001. Dort ist näher dargelegt, dass das zu unterbreitende Angebot die preislichen Strukturen des Zwischenhandels zu berücksichtigen hat und dass die von der Beigeladenen zu zahlenden Entgelte grundsätzlich unter den Endkundenentgelten liegen müssen. Außerdem sind Mengenrabatte einzuräumen, die sich aus den jeweiligen Kosteneinspareffekten vor allem bei Vertrieb und Marketing ergeben.

2. Die materiellen Voraussetzungen des § 33 TKG für ein Einschreiten gegen die Klägerin im Wege der Missbrauchsaufsicht lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vor.

2.1 Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG hat ein Anbieter, der auf einem Markt für Tele- kommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit über eine marktbeherrschende Stellung nach § 22 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verfügt, Wett- bewerbern auf diesem Markt diskriminierungsfrei den Zugang zu seinen intern genutzten und zu seinen am Markt angebotenen Leistungen, soweit sie wesentlich sind, zu den Bedingungen zu ermöglichen, die er sich selbst bei der Nutzung dieser Leistung für die Erbringung anderer Telekommunikationsdienstleistungen einräumt, es sei denn, dass die Einräumung ungünstigerer Bedingungen sachlich gerechtfertigt ist.

Gegen diese Verpflichtung hat die Klägerin verstoßen, weil sie der Beigeladenen kein Angebot über den Bezug von Endkundenanschlüssen (analog, ISDN und T- DSL) sowie Orts- und Cityverbindungen zum Zwecke des Wiederverkaufs im Sinne von Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Bescheide, also mit dem Ziel, auf dieser Basis selbst gestaltete Produkte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung anzubieten (Resale), unterbreitet hat.

2.1.1 Die Klägerin ist auf dem Markt, auf dem sie mit der Beigeladenen im Wettbewerb steht, marktbeherrschende Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit.

Im vorliegenden Falle ist nur auf den Endkundenmarkt für Sprachkommunikation und Datendienstleistungen im Teilnehmernetzbereich abzustellen. Denn auf einem davon zu unterscheidenden etwaigen Zugangs- oder Vorleistungsmarkt für Resaleprodukte will die Beigeladene selbst nichts anbieten, so dass sie hier im Verhältnis zur Klägerin von vornherein kein "Wettbewerber auf diesem Markt" i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG wäre. In einem solchen Zugangs- oder Vorleistungsmarkt - unterstellt, er existierte bereits - wäre die Beigeladene nicht konkurrierender Anbieter, sondern Abnehmer/Kunde.

Dass es sich bei der Erbringung von Sprachkommunikation und Datendienstleistungen im Teilnehmernetzbereich gegenüber Endkunden um Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit handelt, ergibt sich ohne weiteres aus § 3 Nr. 19 i.V.m. Nrn. 16 und 18 TKG.

Darauf, ob es sich auch bei den umstrittenen Vorprodukten und -leistungen (Endkundenanschlüsse und Verbindungsminuten), um Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit handelt,

so: OVG NRW, Beschluss vom 01.10.2001 - 13 B 1156/01 -, Abdruck S. 5 - 7

kommt es allerdings nicht an. Denn schon der Text des § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG unterscheidet zwischen dem Markt für "Telekommunikationsdienstleistungen" und den "Leistungen", zu denen der Wettbewerber Zugang begehrt. Dass es sich bei Letzteren gerade nicht um Telekommunikationsdienstleistungen handeln muss, ist höchstrichterlich

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 - 6 C 6.00 -, NVwZ 2001, 1399 (1404) geklärt. Abgesehen davon muss es sich bei den Zugangsleistungen auch nicht um solche "für die Öffentlichkeit" handeln, da § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG alternativ davon spricht, dass diese Leistungen vom Marktbeherrscher - nur - "intern genutzt" wer- den.

Dass die Klägerin auf dem mithin allein maßgeblichen Endkundenmarkt für Sprach- kommunikation und Datendienstleistungen im Teilnehmernetzbereich eine marktbe- herrschende Stellung im Sinne von § 19 GWB hat, ergibt sich ohne weiteres aus ihrem überragenden Marktanteil im Endkundensektor, der im April 2001 bundesweit bei etwa 98 % lag

so: BVerwG, Urteil vom 25.04.2001, a.a.O. S. 1402

2.1.2 Bei den von der Beigeladenen nachgefragten Anschlüssen und Verbindungen handelt es sich um von der Klägerin intern genutzte Leistungen.

Der Begriff der Leistung erfasst alle isoliert nutzbaren Einrichtungen, die der marktbeherrschende Anbieter intern nutzt oder am Markt anbietet, um Telekommunikationsdienstleistungen zu erbringen

so: BVerwG, Urteil vom 25.04.2001, a.a.O. S. 1403.

Dies trifft hier zu, da die nachgefragten Endkundenanschlüsse und Verbindungsleistungen isoliert nutzbar sind und von der Klägerin tatsächlich - zumindest - intern genutzt werden, um damit gegenüber ihren eigenen Endverbrauchern und den Endkunden der mit ihr gemäß § 33 Abs. 3 TKG verbundenen Unternehmen Sprachkommunikation und Datendienste zu erbringen.

2.1.3 Diese Leistungen sind auch wesentlich.

Das lässt sich in Bezug auf die Endkundenanschlüsse allerdings nicht bereits damit begründen, dass es sich dabei um Teile des Telekommunikationsnetzes handele und der Zugang dazu bereits wegen des in § 35 Abs. 1 TKG normierten Anspruchs wesentlich sei. Denn im vorliegenden Falle geht es der Beigeladenen nicht darum, unmittelbaren Zugang zu den Endkundenanschlüssen im Sinne einer physischen oder logischen Verbindung (§ 3 Nr. 9 TKG) zu erhalten, um selbst darüber Telekommunikation zu betreiben. Vielmehr will sie auch insoweit nur als Wiederverkäuferin tätig werden. Dementsprechend wird die Klägerin in Ziffer 1 Satz 2 der angegriffenen Bescheide auch nicht etwa verpflichtet, der Beigeladenen unmittelbar Zugriff auf deren Teilnehmeranschlüsse zu gewähren, sondern nur dazu, zum Zwecke des Wiederverkaufs ein Angebot über "AGB-Produkte" im Teilnehmernetzbereich zu machen.

Für die Wesentlichkeit der Leistung lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten im vorliegenden Falle auch nichts aus der Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 1 TKV entnehmen. Zwar heißt es darin, Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze hätten ihr Leistungsangebot so zu gestalten, dass Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit diese Leistungen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung vertreiben und ihren Kunden anbieten können. Doch bezieht sich dies nicht auf jegliche Leistung, sondern nur auf Telekommunikationsdienstleistungen. Die Bestimmungen der TKV dürfen nämlich im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG nicht weiter gehen als die ihnen zugrunde liegende gesetzliche Ermächtigungsvorschrift des § 41 Abs. 1 TKG reicht. Letztere hat aber nur den Schutz der "Nutzer" im Blick. Dieser Personenkreis wird in § 3 Nr. 11 TKG verbindlich als Nachfrager nach Telekommunikationsdienstleistungen definiert. Telekommunikationsdienstleistungen setzen nach § 3 Nr. 18 TKG ein "gewerbliches Angebot" von Telekommunikation voraus. Daran fehlt es aber, wenn es - wie hier - um Leistungen geht, die von der Klägerin nur intern angeboten werden. Soweit die Kammer in den vorangegangenen Eilverfahren

VG Köln, Beschlüsse vom 09.07.2001 - 1 L 1099/01 - und 19.11.2001 - 1 L 2061/01 -

eine andere Auffassung zur Reichweite des § 4 Abs. 1 Satz 1 TKV vertreten hat, hält sie daran nicht fest.

Das Wesentlichkeitskriterium ist dann erfüllt, wenn der Wettbewerber ohne die begehrte Leistung faktisch an der Erbringung der von ihm beabsichtigten Telekommunikationsdienstleistung gehindert ist. Dies beurteilt sich allerdings nicht nach dem konkreten Bedarf des jeweiligen Wettbewerbers. Vielmehr ist zu fragen, ob es sich bei den nachgefragten Leistungen um solche handelt, die objektiv für die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen erforderlich sind

vgl. VG Köln, Urteile vom 05.11.1998 - 1 K 5942/97 - und 08.06.2000 - 1 K 4450/98 -.

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Denn der Zugang zum Endkundenmarkt in der von den Beigeladenen geplanten Art und Weise setzt objektiv die Möglichkeit voraus, über die nachgefragten Leistungen (Anschlüsse und Verbindungen) der Klägerin zu verfügen, um - erst - auf dieser Grundlage eigene Endkundenbeziehungen im Ortnetzbereich aufbauen zu können.

Demgegenüber vertritt das OVG NRW einschränkend die Ansicht, wesentlich könne nur die Leistung sein, welche der Erbringung einer anderen, einer höheren Wertschöpfungsebene zuzuordnenden Telekommunikationsdienstleistung durch den Nachfrager diene. Diese müsse sich erkennbar von dem Vorleistungsprodukt etwa durch inhaltliche Ergänzung oder Verarbeitung abheben. Davon könne - möglicherweise - noch nicht die Rede sein, wenn der Reseller das identische Vorleistungsprodukt in eigenem Namen lediglich unter anderem Preis und mit eigener Rechnungslegung weiterreiche

so: OVG NRW, Beschluss vom 01.10.2001 - 13 B 1156/01 -, Abdruck S. 11 - 13.

Es kann aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits dahinstehen, ob dieser engen Sichtweise zu folgen ist

siehe demgegenüber: Kurth, MMR 2001, 653 ff; Piepenbrock in Beck`scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., Rn. 35 zu § 33 TKG,

oder ob ihr die weiten Begriffe "Leistung" (§ 33 Abs. 1 Satz 1 TKG) und "Dienstleistungsangebot" (§ 33 Abs. 2 Satz 3 TKG) sowie insbesondere der auf aktive Wettbewerbsförderung ohne etwaige Beschränkung auf den Infrastrukturwettbewerb ausgerichtete Zweck der Regulierung (§§ 1 und 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) entgegenstehen. Denn auch die vom OVG NRW aufgestellten zusätzlichen Anforderungen sind hier erfüllt.

Wie bereits in anderem Zusammenhang dargelegt wurde, verlangt die RegTP von der Klägerin nur ein Angebot, welches es der Beigeladenen ermöglicht, auf der Basis der Endkundenanschlüsse und Verbindungsleistungen der Klägerin "selbst gestaltete Produkte" in eigenem Namen und auf eigene Rechnung anzubieten. Die Klägerin ist somit von der RegTP gar nicht verpflichtet worden, ein Angebot zum Zwecke des bloßen Wieder-/ oder Weiterverkaufs abzugeben. Abgesehen davon ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung auf Seite 6 und 7 des Bescheides vom 30.03.2001 und dem Vortrag der Beigeladenen im Klageverfahren, dass diese auch nicht die Absicht hat, sich auf den bloßen Weiterverkauf der nachgefragten Leistungen zu beschränken. Vielmehr plant sie, daraus unter Hinzufügung bestimmter eigener Komponenten hauptsächlich sog. Konvergenzprodukte zu entwickeln, die Elemente von Datenübertragung, Festnetz und Mobilfunk beinhalten. Zudem will sie neben der Rechnungslegung sowohl das Marketing und den Vertrieb als auch die Kundenbetreuung und die Reklamationsbearbeitung übernehmen sowie das Forderungsausfallrisiko tragen.

Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieses Vortrags der Beigeladenen, so dass dem hilfsweise gestellten Beweisantrag der Klägerin nicht zu entsprechen war. Abgesehen davon, dass dieser Antrag auf ein künftiges Verhalten der Beigeladenen und damit auf etwas rechtlich Unerhebliches gerichtet ist, bietet der Inhalt der Akten keinen Anlass für die Annahme der Klägerin, die geschäftlichen Vorstellungen der Beigeladenen seien nur vorgeschoben. Dabei lässt die Kammer offen, ob ein derartiger Einwand in Fallgestaltungen der vorliegenden Art überhaupt rechtlich von Belang sein kann oder ob ihm nicht dadurch Rechnung zu tragen ist, dass ein der engen Zweckbestimmung in den angefochtenen Bescheiden entsprechender Vorbehalt in die noch abzuschließende Zugangsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen aufgenommen wird. Denn auch wenn Ersteres zu bejahen wäre, ginge die Kammer von der Richtigkeit der Darstellung der Beigeladenen aus. Das OVG NRW hat nämlich im vorangegangenen Eilver- fahren

vgl. Beschluss vom 01.10.2001 - 13 B 1156/01 -, Abdruck S. 14,

ausgeführt:

"Diese Angaben hat die Beigeladene auf die Aufforderung des Beschlusskammervorsitzenden durch ein späteres, auch im vorliegenden Verfahren geheim zu behandelndes Schreiben vertieft und detailliert. Es unterliegt keinen Zweifeln, dass sich das von der Beigeladenen geplante so strukturierte Produkt gegenüber dem von der Antragstellerin gelieferten Vorleistungsprodukt als ein inhaltlich anderes Produkt darstellt. Auch wenn die Beigeladene ihren Kunden letztendlich auch nur das Aussenden, Übermitteln und den Empfang von Nachrichten - Sprache oder Daten - erbringt, wird eine solche Telekommunikationsdienstleistung inhaltlich und qualitativ anders als der von der Antragstellerin als Vorleistungsprodukt bereit gestellte Dienst beurteilt werden müssen. Das geplante Produkt stellt nicht nur eine Summe der Werte aller Einzelteile, sondern auf Grund eigener Entwicklungsleistungen der Beigeladenen und der zu erwartenden Wertschätzungen der Endkunden einen selbständigen Wert dar."

Unter diesen Umständen bietet sich auch für die Kammer kein Anlass für Zweifel an der Richtigkeit der Absichtserklärungen der Beigeladenen.

Soweit die Klägerin ferner meint, die nachgefragten Endkundenanschlüsse seien nicht wesentlich, weil der Beigeladenen als Resale-Alternative die Anmietung entsprechender Teile der Teilnehmeranschlussleitung offen stehe, vermag sie ebenfalls nicht durchzudringen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob einem Reseller überhaupt Geschäftsstrategien angesonnen werden können, die über die Tätigkeit eines Diensteanbieters hinausgehen und eine Lizenzpflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 c TKG) auslösen. Denn unabhängig davon scheitert dieser Einwand daran, dass das Erwägen von Alternativleistungen und sonstigen Ersatzlösungen auf der zur europarechtlichen Missbrauchskontrolle entwickelten sog. Essential-Facilities-Doctrine

vgl. EuGH, Urteil vom 26.11.1998, MMR 1999, 348 f. (Bronner-Entscheidung)

beruht und dass diesem Ansatz, welcher zu Lasten des Wettbewerbers hohe Anforderungen an den Nachweis der Unzumutbarkeit von Zugangsalternativen stellt, im Rahmen des § 33 TKG keine rechtserhebliche Bedeutung zukommen kann

ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 15.02.2002 - 13 A 4075/00 -; Scherer, MMR 1999, 315 (320f); a.A.: Trute, in Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 1. Aufl., Rn. 36-39 zu § 33 TKG; mehr auf subjektive Unzumutbarkeit abstellend und somit von der Bronner- Entscheidung abweichend: Manssen, Telekommunikationsgesetz- und Multimediarecht, Kommentar, Rn. 7 zu § 33 TKG; Piepenbrock, a.a.O., Rn. 39 - 42 zu § 33.

Die sektorspezifische Marktaufsicht nach dem Telekommunikationsgesetz ist nämlich durch das Konzept der asymetrischen, mithin vorrangig das Problem der Auflösung des Monopols im Festnetzbereich in den Blick nehmenden Regulierung bestimmt. Das ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber das allgemeine Kartellrecht nicht für ausreichend hielt, um auf dem bis 1996 staatsmonopolistisch organisierten Telekommunikationsmarkt funktionsfähigen Dienstleistungswettbewerb zwischen der Klägerin und "anderen privaten Anbietern" (Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG) herzustellen. Während die allgemeine kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht auf ein prinzipiell funktionierendes Wettbewerbsumfeld zugeschnitten ist, muss im Wirkungsbereich des ehemaligen Staatsmonopols Wettbewerb erst hergestellt werden

vgl. BT-Drs 13/3609 S. 1, 33 f.

Dementsprechend soll die "besondere" Missbrauchsaufsicht nach § 33 TKG verhindern helfen, dass sich die Klägerin ihren Wettbewerbsvorsprung auf Dauer erhält, indem sie ihre Telekommunikationsdienstleistungen zu günstigeren Bedingungen als ihre Wettbewerber erbringt. Unter diesen Umständen kann es für das Verständnis des § 33 TKG nicht auf Kriterien ankommen, die - wie die für den Zugangsbewerber sehr enge Essential-Facilities-Doctrine - für ein erheblich anderes Wettbewerbsumfeld entwickelt wurden

vgl.: BVerwG, Urteil vom 25.04.2001, a.a.O., S. 1404 und 1408

2.1.4 Die nach dem Text des § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG eigentlich zu stellende Frage, ob der von der Klägerin einzuräumende Leistungszugang "diskrimierungsfrei", d.h. mit mindestens einer der Lage der Klägerin vergleichbaren unternehmerischen Dispositionsfreiheit für die Beigeladene bei der Ausgestaltung deren - darauf aufbauenden - Telekommunikationsdienstleistungen

vgl.: BVerwG, Urteil vom 25.04.2001, a.a.O., S. 1405

gewährt wurde, lässt sich noch nicht beantworten, da die nachgefragten Leistungen von der Klägerin generell abgelehnt wurden. Die Anforderung der Diskriminierungsfreiheit kann in derartigen Fallgestaltungen nur den Inhalt des erst noch abzugebenden Angebots betreffen.

Auch die weiteren Anforderungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG, wonach die Einräumung des Leistungszugangs nicht zu - im Vergleich zum Marktbeherrscher - ungünstigeren Bedingungen erfolgen darf und die Auferlegung von Beschränkungen sachlich gerechtfertigt sein muss, sind im hier maßgeblichen Stadium des Missbrauchsverfahrens nur insoweit entscheidungsrelevant, als im Beanstandungsbescheid Regelungen getroffen werden. Das ist vorliegend nur insoweit geschehen, als es in Ziffer 1 Satz 3 der angegriffenen Bescheide heißt, dass den besonderen Rechten und Pflichten, die sich aus dem Verhältnis der Klägerin zur Beigeladenen als Wiederverkäuferin ergeben, bei der Gestaltung des Angebots Rechnung zu tragen ist. Wie bereits oben dargelegt, bedeutet dies, dass das zu unterbreitende Angebot die preislichen Strukturen des Zwischenhandels zu berücksichtigen hat. Die von der Beigeladenen zu zahlenden Entgelte müssen somit grundsätzlich unter den Endkundenentgelten liegen. Außerdem sind Mengenrabatte einzuräumen.

Derartige Preisanforderungen können im Rahmen einer Mißbrauchsverfügung gestellt werden, soweit - wie hier - die verlangten Leistungen im Teilnehmernetzbereich größtenteils, d.h. mit Ausnahme der Verbindungsleistungen für Sprachtelefondienst

vgl. dazu: VG Köln, Urteil vom 07.06.2001 - 1 K 8347/99 -,

nicht in den Anwendungsbereich der - im Verhältnis zu § 33 TKG - speziellen Entgeltregulierungsvorschriften der §§ 25 und 39 TKG fallen. Sie sind bei Abwägung der Interessen der Beteiligten und unter Berücksichtigung der u.a. auf Herstellung chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Telekommunikationsgesetzes (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) auch sachlich gerechtfertigt. Denn Wiederverkäufer erbringen vertriebliche Leistungen selbst und tragen das Forderungsausfallrisiko. Außerdem ergeben sich - vergleichbar dem Großhandel - Kosteneinspareffekte bei Leistungsabnahmen in größeren Mengen.

2.2 Die Klägerin hat ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt (§ 33 Abs. 2 Satz 1 TKG).

2.2.1 Die Beigeladene hat die von ihr begehrten Leistungen bereits mit Schreiben vom 08.12.1999 bei der Klägerin hinreichend konkret nachgefragt. Sie hat überdies im Verlauf der weiteren Gespräche mit der Klägerin ihre Nachfrage zusätzlich konkretisiert, u.a. durch die Übersendung eines als "Wholesale-Vertrag" bezeichneten Entwurfs einer entsprechenden Vereinbarung am 30.03.2000. Daraus ergibt sich (Ziffer 3), dass die Beigeladene im Wesentlichen die auch von der Klägerin für ihren Endkundenmarkt genutzten Teilnehmeranschlüsse und Verbindungsleistungen zum Zwecke des Weiterverkaufs von der Klägerin beziehen möchte. Auf die Frage, ob dieser Vertragsentwurf und seine Bedingungen der Klägerin zumutbar sind oder ob die Klägerin eine Vereinbarung auf dieser Basis zu Recht abgelehnt hat, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Denn jedenfalls lässt sich dem Vertragsentwurf und dem Schreiben der Beigeladenen vom 08.12.1999 die Nachfrage der Beigeladenen hinreichend deutlich entnehmen. Etwa verbliebene Restzweifel wurden spätestens in der mündlichen Verhandlung vor der RegTP-Beschlusskammer am 22.11.2000 von der Beigeladenen ausgeräumt.

2.2.2 Missbräuchliches Verhalten der Klägerin ist darin zu sehen, dass sie bei objektiver Betrachtung ein Marktergebnis durchgesetzt hat, welches sie bei funktionsfähigem Wettbewerb nicht hätte erreichen können. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Art und Weise, wie sie trotz eindeutiger rechtlicher Verpflichtung und hinreichend konkreter Nachfrage das Entstehen eines Resale- Marktes für Festnetzprodukte und -leistungen verzögert hat, noch dazu über einen derart langen Zeitraum. Dies hätte sie unter Wettbewerbsbedingungen nicht erreichen können, weil die Beigeladene dann die benötigten Leistungen und Vorprodukte wahrscheinlich bei anderen Anbietern von Sprachkommunikation und Datendienstleistungen im Teilnehmernetzbereich, die über eine entsprechende Infrastruktur verfügen, hätte beziehen können. Dass solche Anbieter bei funktionierendem Wettbewerb ihrerseits durch Zugangsverweigerung zusätzliche Konkurrenz im Ortsnetzbereich generell verhindert hätten, kann nicht unterstellt wer- den. Denn mit der Überlassung von Vorprodukten und -leistungen wird zusätzlicher Wettbewerb nicht kostenlos ermöglicht. Vielmehr kann damit auch "Geld verdient" werden, eine Möglichkeit also, die ein ökonomisch denkender Unternehmer nicht ungenutzt ließe.

Dass die Klägerin in Verhandlungen mit der Beigeladenen über die Details eines Resale-Angebots im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens letztlich eingetreten ist, vermag an der Qualifizierung ihrer Zugangsverweigerung als missbräuchlich nichts zu ändern. Dabei kommt es auf die behaupteten Gesichtspunkte einer bewussten Verfahrensverschleppung durch die Klägerin einerseits bzw. überzogener Forderungen der Beigeladenen andererseits sowie auf die Ursachen eines Scheiterns der Verhandlungen nicht an. Vorliegend rechtfertigt sich der Vorwurf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung allein aus der Nichterfüllung eines Zugangsanspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG, dessen Existenz für die Klägerin unschwer zu erkennen war, und dem langen Zeitablauf, der zwischen der erstmaligen, hinreichend konkreten Nachfrage der Beigeladenen und dem Erlass des Bescheides vom 30.3.2001 liegt. Ein Marktbeherrscher darf die Erfüllung seiner öffentlichrechtlichen Verpflichtungen aus § 33 Abs. 1 TKG nicht von einer in jeder Hinsicht abschlussreifen Zugangsnachfrage abhängig machen. Vielmehr liegt es an ihm, auf eine entsprechende Nachfrage hin ein zumutbares Angebot zeitnah vorzulegen. Was für jeden Marktbeherrscher - nach der gesetzlichen Vermutung des § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB setzt dies einen Marktanteil von mindestens einem Drittel voraus - gilt, muss erst recht für einen Marktbeherrscher wie die Klägerin gelten, die im maßgeblichen Zeitpunkt auf dem Endkundenmarkt über einen Anteil von 98 % verfügte. Dies gilt umso mehr, als die begehrten Leistungen zum Festnetzbereich gehören, einem Unternehmenssektor der Klägerin, der im Wesentlichen nicht auf eigener Leistung beruht, sondern mit öffentlichen Mitteln aufgebaut wurde.

2.3 Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin greifen nicht durch. Insbe- sondere wird ihr Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) nicht verletzt.

Zwar bedeutet die Verpflichtung zur Abgabe eines Resale-Angebots, dass die Klägerin ihre Konkurrenten unterstützen muss, indem sie diesen die Aufnahme von Wettbewerb erst ermöglicht. Doch könnte darin unter Umständen eine Eigentumsbeeinträchtigung nur dann liegen, wenn und soweit infolge der Zugangsgewährung Endkunden der Klägerin von dieser zum konkurrierenden Reseller wechselten. Ansonsten führte das durch die angefochtenen Bescheide aufgegebene Resale-Angebot sogar zu einer Verbesserung der Ertragslage der Klägerin, da es nicht unentgeltlich ist und eine höhere Auslastung der entsprechenden Festnetzteile zur Folge hätte.

Unabhängig davon ist mit dem BVerwG

Urteil vom 25.04.2001, a.a.O., S. 1407

entscheidend darauf abzustellen, dass die Netzinfrastruktur der Klägerin unter dem Schutz eines staatlichen Monopols und unter Verwendung von öffentlichen Mitteln entstanden ist

siehe zu diesem Aspekt auch: BVerfGE 91, 294 (311); Koenig/Braun, NVwZ 1999, 1056 (1058)

Es weist daher einen intensiven sozialen Bezug auf (Art. 14 Abs. 2 GG), dem der Gesetzgeber mit der Regelung über die Missbrauchsaufsicht in angemessener Weise Rechnung getragen hat. Zwar hat die Klägerin das Vermögen ihrer Rechtsvorgängerin und damit das Eigentum an ihrem öffentlichen Telekommunikationsnetz gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 PostUmwG mit ihrer Eintragung in das Handelsregister Anfang 1995 erworben. Da aber der Bund zunächst Inhaber sämtlicher Anteile war, kann von einer materiellen Privatisierung der Inhaberschaft

vgl.: Wegmann, Regulierte Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 41

frühestens ab dem ersten Börsengang der Klägerin am 16.11.1996 ausgegangen werden. Da zu diesem Zeitpunkt § 33 TKG aber gemäß § 100 Abs. 1 Satz 3 TKG bereits in Kraft war (01.08.1996) kann sie grundrechtlich geschützte Netzpositionen von vornherein nur mit den der Herkunft ihres Eigentums entsprechenden Pflichten aus § 33 TKG belastet erworben haben

so im Ergebnis auch: BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 , a.a.O., S. 1407.

3. Die Beklagte hat schließlich das ihr gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG - so beim Bescheid vom 30.03.2001 - und § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG - so beim Bescheid vom 11.05.2001 - zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Der über einen längeren Zeitraum andauernde Verstoß der Klägerin gegen die Verpflichtung aus § 33 Abs. 1 TKG ist im Hinblick auf den Zweck des Gesetzes, chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb sicherzustellen, derart gravierend, dass nach den Grundsätzen des intendierten Ermessens ein missbrauchsaufsichtliches Einschreiten regelmäßig geboten ist

vgl.: BVerwG, Urteil vom 25.04.2001, a.a.O., S. 1407.

Soweit der Bescheid vom 11.05.2001 vor Ablauf der im Beanstandungsbescheid vom 30.03.2001 unter Ziffer 2 gesetzten Frist von drei Monaten erlassen wurde, ist auch dies nicht ermessensfehlerhaft. Denn nach dem Sinn und Zweck dieser Fristbestimmung kann sich die Klägerin auf deren Einhaltung nicht berufen, wenn - wie hier aufgrund ihres Schreibens vom 17.04.2001 - schon vorher feststand, dass sie der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots nicht nachkommen werde.

4. Die in Ziffer 2 und 3 des Bescheides vom 30.03.2001 getroffenen Fristregelun- gen sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

Gleiches gilt angesichts des langen Vorlaufs und des hinauszögernden Verhaltens der Klägerin für die Fristbestimmung in Ziffer 2 des Bescheides vom 11.05.2001.

5. Der in Ziffer 4 des Bescheides vom 30.03.2001 enthaltene und ausdrücklich als ein solcher gekennzeichnete "Hinweis" darauf, dass das abzugebende Angebot die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigen darf, stellt keine Regelung im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs (§ 35 VwVfG) dar. Er enthält eine sich bereits aus § 38 Abs. 1 TKG ergebende Selbstverständlichkeit.

6. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides vom 11.05.2001 findet ihre Grundlage in den §§ 6 Abs. 1, 9 Abs. 1 lit. b, 11 und 13 VwVG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da diese Beteiligte keinen Antrag gestellt und sich ihrerseits keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die der Sprungrevision auf § 134 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 13.06.2002
Az: 1 K 3225/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b929bf704364/VG-Koeln_Urteil_vom_13-Juni-2002_Az_1-K-3225-01




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