Landgericht München I:
Urteil vom 28. Februar 2008
Aktenzeichen: 7 O 496/08
(LG München I: Urteil v. 28.02.2008, Az.: 7 O 496/08)
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von Euro 5,€ bis zu Euro 250.000,€, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen am Geschäftsführer der Antragsgegnerin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, im geschäftlichen Verkehr das Mittel "V" zu bewerben und/oder zu vertreiben mit der Angabe "... zur doppelten Stärkung der Abwehrkräfte".
2. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 10.1.2008 in der Fassung vom 15.1.2008/30.1.2008 zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller 2/3 und die Antragsgegnerin 1/3 zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch die Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der von der Antragsgegnerin zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
und folgenden
Beschluss:
Der Streitwert des Verfahrens wird auf Euro 30.000,€ festgesetzt.
Tatbestand
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Er ist in die Liste der klagebefugten Wettbewerbsverbände im Sinne von § 13 Abs. 5 Satz 2 UKlaG gemäß § 1 Nr. 4 UKlaV eingetragen (Anlage A 1). Er nimmt die Antragsgegnerin, die das streitgegenständliche Präparat unter der Bezeichnung "V" in der nachfolgend wiedergegebenen Aufmachung vertreibt (Kopie der Verpackung Vorder- und Rückseite),
im Wege des einstweiligen Rechtsschutz mit dem am 10.1.2008 eingegangen Antrag auf Unterlassung in Anspruch. Er macht geltend:
1. Der Zusatz "retard" erwecke den Anschein, dass es sich bei dem Mittel, dass sich als Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr befinde, um ein Arzneimittel handele. Damit verstoße die Antragsgegnerin gegen § 11 Abs. 1 Nr. LFBG. Aus dem vorgelegten Auszug aus der "Roten Liste" (Anlage A 5) ergebe sich, dass vergleichbare Vitamin C-Produkte, die die Bezeichnung "retard" im Namen führten, durchweg zugelassene Arzneimittel seien. Der Begriff stehe in der Pharmakologie für Depotpräparate zur peroralen Applikation. Da der Begriff "retard" nur für Arzneimittel Verwendung finde, räume die Antragsgegnerin auch ein. Aus dem Umstand, dass es auf der Umverpackung heiße "Nahrungsergänzungsmittel" könne nicht gefolgert werden, dass das Produkt kein Arzneimittel sei. Der Begriff "Nahrungsergänzungsmittel" sei relativ neu. Ein Verständnis des breiten Publikums dahin, dass darunter keine Arzneimittel zu verstehen seien, könne nicht festgestellt werden.
2. Die plakative Abbildung von Citrusfrüchten erwecke beim Publikum den Eindruck, dass das Mittel aus natürlichem Vitamin C, gewonnen aus Citrusfrüchten, hergestellt sei. Es sei nicht ersichtlich, welche andere Bedeutung die Abbildung von Zitronen auf der Umverpackung schließlich haben könne. Das Produkt enthalte jedoch Vitamin C aus industrieller Fertigung.
3. Die Aussage "... zur doppelten Stärkung der Abwehrkräfte" werde hinsichtlich des Begriffs "doppelt" als täuschend im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFBG beanstandet. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass Vitamin C zur Stärkung der Abwehrkräfte dienen könne, sei irgendeine Wirkung, dass das beworbene Produkt eine doppelte Stärkung der Abwehrkräfte bewirke, nicht erkennbar. Soweit mit dieser Behauptung dem Produkt eine arzneiliche Wirkung beigemessen werde, verstoße die Werbung gegen § 3 a HWG. Eine entsprechende Wirkung lass sich auch nicht aus dem Bestandteil 5 mg Zink pro Dosis ableiten. Zink werde mit einer Zufuhr von 15 mg als Tagesdosis in der Anlage 1 zur NährwertkennzeichnungsVO festgelegt. Aus einer Dosierung von nur 1/3 der empfohlenen Tagesdosis könne nicht abgeleitet werden, dass hierdurch die Stärkung der Abwehrkräfte verdoppelt würde.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr (nach Modifizierung des Antrags mit Schriftsätzen vom 15. und 30.1.2008):
Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,€ Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr das Mittel "V" zu bewerben und/oder zu vertreiben:
1. mit dem Zusatz "retard"
2. mit der Abbildung von frischen Zitronen- und Orangenfrüchten auf der Packung (gemäß Anlage A 2)
3. "... zur doppelten Stärkung der Abwehrkräfte".
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Es entspreche zwar den Tatsachen, dass die Bezeichnung "retard" bisher überwiegend bei Arzneimittel zur Beschreibung des verzögerten Wirkungseintritts verwendet werde. Allerdings finde sich diese recht anspruchsvolle Technologie mittlerweile auch bei Nahrungsergänzungsmitteln. Der verständige und aufmerksame Durchschnittsverbraucher werde somit mit dem Begriff "retard" lediglich den verzögerten Wirkungseintritt, nicht jedoch das Vorliegen eines Arzneimittels verbinden. Für die Einstufung des Produkts werde das Publikum alle Umstände der Aufmachung würdigen, nämlich die lebensmitteltypische Aufmachung mit farbigen Abbildungen von Lebensmitteln. Vitamin C und Zink als gängige Mittel zur Stärkung der Abwehrkräfte seien bei Nahrungsergänzungsmitteln weit verbreitet. Zudem finde sich der Hinweis auf ein Nahrungsergänzungsmittel im gleichen Sichtfeld unmittelbar unterhalb "retard". Die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde habe die Packung begutachtet und akzeptiert (Anlage AG 9).
Die Abbildung der Citrusfrüchte auf der Verpackung sei nicht geeignet, den Eindruck zu erwecken, das enthaltene Vitamin C sei aus natürlichen Citrusfrüchten gewonnen. Die vom Antragsteller vertretene Assoziation sei etwas weit hergeholt. Ohne weiteren Hinweis werde sich der Durchschnittsverbraucher schlicht keine weiteren Gedanken machen, aus welcher Quelle das Vitamin C komme. Es gehe dem Durchschnittsverbraucher regelmäßig nicht darum, dass das in Nahrungsergänzungsmitteln enthaltene Vitamin C natürlichen Ursprungs sei. Entscheidend sei vielmehr eine sinnvolle Dosierung und Zusammensetzung des Produkts.
Die Wirkung einer regelmäßigen Vitamin C-Zufuhr sei sehr wohl zur Stärkung der Abwehrkräfte geeignet, wie in einer Metaanalyse beschrieben werde (Anlage AG 3). Auch die Eigenschaft von Zink zur Stärkung des Immunsystems habe sich mittlerweile bereits in den Empfehlungen von Standardwerken zur Ernährungsmedizin niedergeschlagen (Anlage AG 5). Auch in einem Lehrbuch der Ernährungsmedizin (Anlage AG 10) werde dies ausgeführt.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 31.1.2008 Bezug genommen.
Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Antragsteller den Schriftsatz vom 8.2.2008 und die Antragsgegnerin den Schriftsatz vom 6.2.2008 eingereicht.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber nur teilweise im tenorierten Umfang gemäß § 2 Abs. 1 UKlaG, § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 LFBG begründet.
1. Der Antragsteller ist als Verband im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG klagebefugt. Bei den Regelung des § 11 LFBG handelt es sich um ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 1 LFBG (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., § 2 UKlaG Rdn. 10). Da dies auch von Seiten der Antragsgegnerin in Abrede gestellt wird, sind hierzu keine weiteren Ausführungen veranlasst.
2. Mit seinem Antrag wendet sich der Antragsgegner, wie im Termin klargestellt wurde, gegen den Vertrieb und die Werbung für das fragliche Produkt in Bezug auf die verwendete Bezeichnung "retard", die bildliche Darstellung (Zitrusfrüchte) sowie die Aussage "... zur doppelten Stärkung der Abwehrkräfte", wobei jede diese Beanstandungen selbständig, d. h. als eigener Streitgegenstand (vgl. BGH GRUR 2001, 181, 182 € dentalästhetika I; WRP 2005, 1519, 1520 € Ginseng-Präparate) angegriffen wird.
3. Antrag 1
Ein Verfügungsanspruch gemäß § 2 UklaG, § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 LFBG ist nicht glaubhaft gemacht. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 LFBG ist es verboten, Lebensmittel unter einer irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt nach dem Regelbeispiel in der Nr. 4 dann vor, wenn einem Lebensmittel der Anschein eines Arzneimittels gegeben wird. Dabei kann die Frage der Abgrenzung dieser Vorschrift von dem Begriff des sog. Präsentationsarzneimittel (vgl. zur Definition des Arzneimittels nach der Bezeichnung EuGH WRP 2008, 87, 91 € Knoblauchpräparat) dahingestellt bleiben (vgl. Fezer/Meyer, UWG, § 4-S4 Rdn. 283 ff; Reinhardt, Fachanwaltshandbuch für Gewerblichen Rechtsschutz, Kap. 6 Rdn. 1279 ff, 1300), da der angesprochene Verkehr bei der gebotenen Berücksichtigung der Packungsgestaltung und der Angabe "Nahrungsergänzungsmittel" aufgrund der Verwendung der Bezeichnung "retard" in der Produktbezeichnung das Präparat nicht als Arzneimittel einstufen wird. Denn es kann nicht allein auf das Verständnis der Bezeichnung "retard" abgestellt werden, vielmehr ist der von dem Mittel erweckte Eindruck im Rahmen des Gesamterscheinungsbildes zu bestimmen (vgl. BGH GRUR 2003, 631 € L-Glutamin; Fezer/Meyer a. a. O. Rdn. 284).
Auch wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Verwendung der Bezeichnung "retard" im Bereich der Vitaminpräparate/Nahrungsergänzungsmittel bisher nicht allgemein üblich ist, kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Glaubhaftmachung von einem dahingehenden Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers ausgegangen werden. Insbesondere kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der angesprochene Verkehr über einen vollständigen Überblick über die angebotenen Vitamin-Präparate verfügt, d. h. im bekannt ist, dass die vom Antragsteller angeführten Präparate, die die Bezeichnung "retard" tragen, als Arzneimittel eingestuft und zugelassen sind. Auch die Art der Darreichung € in Kapsel-Form € ist kein Kriterium aufgrund dessen er auf ein Arzneimittel schließen wird, da diese Darreichungsform bei Nahrungsergänzungsmitteln oder bilanzierten Diäten die übliche Darreichungsform darstellt (vgl. FA-GRS/Reinhart a. a. O. Rdn. 1301; EuGH aaO Tz. 51 € Knoblauchpräparat: "Wie die Generalanwältin ... ausgeführt hat, ist die Kapselform nicht für Arzneimittel spezifisch. Zahlreiche Lebensmittel werden nämlich ebenfalls in dieser Form angeboten, um dem Verbraucher ihren Verzehr bequemer zu machen. Insoweit ist hervorzuheben, dass Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/46 unter den Kriterien für die Definition des Begriffs "Nahrungsergänzungsmittel" ausdrücklich die Darreichungsform als Kapseln nennt..."). Insbesondere stehen dem vom Antragsgegner geltend gemachten Anschein eines Arzneimittels die farbige Packungsaufmachung € Abbildung von Citrusfrüchten € sowie die Bezeichnung als Nahrungsergänzungsmittel entgegen. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der angesprochene Verkehr über keine näheren Kenntnisse des Arzneimittel- bzw. Lebensmittelrechts verfügt (vgl. die Definition des Nahrungsergänzungsmittels in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/46/EG sowie in Umsetzung dieser Richtlinie die Definition in § 1 NahrungsergänzungsmittelV), kann er dem Begriff entnehmen, dass das Produkt eine Ergänzung der Nahrung in Form der Zurverfügungstellung von zusätzlichem Vitamin-C und Zink darstellt und nicht auf eine Wirkung als Arzneimittel abstellt. Die vom Antragsteller vertretene gegenteilige Auffassung, wonach der Verkehr diesem Begriff keine Bedeutung beimesse, kann auch nicht auf die als Anlage A 9 vorgelegte Entscheidung des OLG Köln (Urt. v. 12.10.2007 € 6 U 56/07) gestützt werden, denn eine dahingehende Aussage wird darin nicht getroffen. Denn der dortigen Bezeichnung als "Nahrungsergänzungsmittel für ..." wurde im Hinblick auf die Besonderheiten des dort zu beurteilenden Sachverhalts (a. a. O. S 6 f: "... auf ein Vorstellungsbild des Verbrauchers, das durch langjährige Marktpräsenz des ebenfalls von der Beklagten hergestellten und immer schon als Arzneimittel vertriebenen ... Produkts ... geprägt ist. Gerade ein relevanter Teil der informierten Verbraucher, denen das Präparat ... als Arzneimittel zur Behandlung von Kniegelenksbeschwerden bekannt ist, wird geneigt sein, bei der Erweiterung zu ... an Prävention als arzneiliche Funktion zu denken und unter dieser Bezeichnung ein Medikament zur Vorbeugung von Kniegelenkserkrankungen zu vermuten... Hinzukommt, dass sich das angegriffene Produkte der Beklagten auch optisch € sowohl was das Schriftbild als auch was die Farbgebung angeht € stark ihrer seit vielen Jahren bekannten Arzneimittelserie annähert ...).
4. Abbildung der Citrus-Früchte auf der Verpackung
Ein Verfügungsanspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UklaG, § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFBG besteht nicht. Nach dem Regelbeispiel des Satz 2 Nr. 1 ist es u. a. verboten, bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Darstellungen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung zu verwenden. Das vom Antragsteller vertretene Verkehrsverständnis, wonach der angesprochene Verkehr mit der Abbildung der Citrus-Früchte auf der Verpackung das Verständnis verbindet, dass das Vitamin C, als Bestandteil des angebotenen bzw. beworbenen Präparats aus natürlichem Vitamin C gewonnen wurde, entspricht nicht dem Verständnis der Mitglieder der Kammer, die die Abbildung der Citrus-Früchte lediglich als symbolische Darstellung für Vitamin C ohne weiteren Aussagegehalt verbinden. Die Verwendung von Darstellungen von Gemüse oder Obst bei Lebensmittelverpackungen ist weit verbreitet. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass der Verkehr jeweils erwartet, dass sich in dem angebotenen oder beworbenen Produkt jeweils die entsprechenden natürlichen Bestandteile befinden, ist nicht anzuerkennen. Davon geht offensichtlich auch der Antragsteller aus, wie sich aus seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 8.2.2008, S. 2 ergibt. Soweit dagegen an der Auffassung festgehalten wird, dass die Abbildung deshalb irreführend ist, weil die Abbildung der Citrusfrüchte auf der Verpackung nichts mit dem Inhalt zu tun habe, weil das Präparat kein aus den abgebildeten Citrusfrüchten gewonnenes Vitamin C, sondern pharmazeutisch-industriell hergestelltes Vitamin C enthält, hält er an seiner Auffassung fest, dass zwischen dem Inhalt der Packung und der Abbildung nur dann ein die Abbildung rechtfertigender inhaltlicher Zusammenhang besteht, wenn die abgebildeten Früchte als Ausgangsstoff für das Produkt gedient haben. Dies entspricht € wie ausgeführt € nicht dem Verständnis der Mitglieder der Kammer. Ein hiervon abweichendes Verständnis eines relevanten Teils der angesprochenen Verkehrskreise hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.
5. Aussage "... zur doppelten Stärkung der Abwehrkräfte"
Insoweit steht dem Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu (§ 2 Abs. 1 UKlaG, § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 LFBG. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 ist es verboten, einem Lebensmittel Wirkungen beizulegen, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind.
a. Die Aussage wird der angesprochene Verkehr dahingehend verstehen, dass das angebotene und beworbene Mittel aufgrund der Zusammensetzung aus zwei Bestandteilen Vitamin C und Zink eine gegenüber dem Verzehr eines Präparats, dass nur einen der beiden Wirkstoffe enthält, eine gesteigerte Wirksamkeit in Anspruch nimmt. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut als auch der damit korrespondierenden Schreibweise des Namens des Präparats unter Verwendung des Pluszeichens "+" (V). Ein Verständnis im engeren Wortsinne von "doppelt", nämlich dass die Steigerung der Abwehrkräfte, die von Vitamin C bewirkt, durch den Bestandteil Zink im Sinne eines bestimmten Wertes verdoppelt, d. h. um das Zweifache gesteigert wird, liegt dagegen fern, da dem Verkehr keine Angaben über den "einfachen" Wert mitgeteilt wird.
b. Dass dem streitgegenständlichen Präparat eine solche Wirkung im Sinne der 1. Alt. des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFBG nicht zukommt, hat der Antragsteller nicht dargetan und glaubhaft gemacht. Insoweit obliegt ihm nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast.
c. Nach der 2. Alt. des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFBG darf mit Wirkungsaussagen nur geworben werden, wenn sie wissenschaftlich hinreichend gesichert sind, insbesondere mit medizinischen oder ernährungsphysiologischen Erkenntnissen belegt werden können (vgl. Fezer/Meyer a. a. O. Rdn. 237 zu der früheren Regelung in § 17 Abs. 1 Nr. 5 a LMBG). Nicht hinreichend gesichert sind danach fachlich umstrittene Meinungen; dies selbst dann, wenn Meinung wie Gegenmeinung fundiert sind. Erkenntnisse, die von namhaften Wissenschaftlern auf Grund allgemein anerkannter und nachprüfbarer Methoden in Zweifel gezogen werden, sind im Allgemeinen nicht als wissenschaftlich hinreichend gesichert anzusehen (Fezer/Meyer a. a. O. Rdn. 238; vgl. auch Rdn. 239 zu den Anforderungen an den zu erbringenden Nachweis sowie Reinhart a. a. O. Rdn. 1296 f).
Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Zufuhr von Vitamin C in der empfohlenen Tagesverzehrmenge von einer Kapsel (siehe die Angaben auf der Rückseite der Verpackung) zu einer hinreichend wissenschaftlich gesicherten Stärkung der Abwehrkräfte führt, kann es nicht als hinreichend wissenschaftlich gesichert angesehen werden, dass aufgrund der weiteren Zufuhr von 5 mg Zink eine weitergehende Stärkung der Abwehrkräfte im Sinne einer "doppelten Stärkung der Abwehrkräfte" im vorgenannten Sinne bewirkt wird. Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen sind hierzu unzureichend, was sich zu Lasten der Antragsgegnerin auswirkt (vgl. Fezer/Meyer a. a. O.).
In dem Auszug aus dem Werk "Ernährungsmedizin" (Anlage AG 5) wird auf Seite 461 unter der Überschrift "Infektionen: Prävention durch Ernährung" ausgeführt:
"Bei bronchopulmonaler Infektionsneigung Korrektur eines nachgewiesenen Mangels vor allem von Vitamin A, Vitamin E, Vitamin C, Riboflavin, Pyridoxin, Panthotehensäure, Folsäure, Magnesium, Eisen, Zink und Kupfer. Supplementierung von Vitamin E, Vitamin C, Zink, Dimethylglycin, essentiellen Fettsäuren, Quercetin und Knoblauch.
Korrektur eines nachgewiesenen Überschusses vor allem von Vitamin A, Eisen, Zink und Kupfer."
Dass jedwede Kombination der Zufuhr von Vitamin C und Zink unabhängig von der Menge der einzelnen Bestandteil, d. h. auch eine Menge von 5 mg Zink zu einer "doppelten Stärkung der Abwehrkräfte" im obigen Sinne führt, ergibt sich daraus nicht. Auch die weiteren vorgelegten Unterlagen (Anlage AG 3, Anlage AG 10) befassen sich mit dieser Frage nicht.
d. Der Einwand der Antragsgegnerin, das Landratsamt Starnberg habe die Verpackung des Präparats begutachtet und akzeptiert (unter Hinweis auf die Anlage AG 2 das Schreiben vom 6.12.2005) kann dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht entgegen gehalten werden. Denn unabhängig von der Frage, ob es sich beim Landratsamt Starnberg um die zur Beurteilung derartiger Fragen zuständige Behörde handelt, ergibt sich weder aus den vorgelegten Schreiben noch aus den Ausführungen der Antragsgegnerin hierzu im Termin, dass Gegenstand der Überprüfung und Billigung die hier angegriffene Angabe "zur doppelten Stärkung der Abwehrkräfte" war. Dies ergibt sich aus dem im Termin übergegebenen Schreiben vom 6.12.2005 nicht, das sich mit dem Antrag auf Gewährung einer Aufbrauchsfrist in Bezug auf die gemäß § 4 NährungsergänzungsmittelV beanstandete Verkehrsbezeichnung "zur Nahrungsergänzung". Bereits aus diesem Grund ist die Rechtsprechung des BGH zum Tatbestand des § 1 UWG a. F./§ 4 Nr. 11 UWG (BGH GRUR 2005, 778, 779 € Atemtest; WRP 2006, 79 € Betonstahl; jeweils m. w. N.) nicht übertragbar, wonach der Tatbestand des Rechtsbruchs nicht erfüllt ist, wenn ein Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden und der Verwaltungsakt nicht nichtig ist.
6. Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird gemäß § 5 UKlaG i. V. m. § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Der Antragsgegner hat unbestritten vorgetragen, von der Werbung der Antragsgegnerin erst am 10.12.2007 Kenntnis erlangt zu haben.
7. Das neue tatsächliche Vorbringen in den von den Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze war nicht mehr zu berücksichtigen, § 296 a ZPO. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gemäß § 156 Abs. 2 ZPO sind nicht dargetan oder sonst ersichtlich.
8. Nebenentscheidungen
a. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 ZPO.
b. Der Streitwert wurde gemäß § 39 Abs. 1, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, §§ 3, 5 ZPO entsprechend der Angabe des Antragstellers festgesetzt.
LG München I:
Urteil v. 28.02.2008
Az: 7 O 496/08
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