Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. September 2001
Aktenzeichen: 10 W (pat) 72/00
(BPatG: Beschluss v. 24.09.2001, Az.: 10 W (pat) 72/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle 11.43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Juni 2000 aufgehoben.
Gründe
I.
Am 17. März 1995 stellte die H... ... GmbH Antrag auf Erteilung eines Patents bezüglich einer "Vorrichtung zur Her- stellung von Halbleitermaterialien". Als Vertreter der Anmelderin sind im Erteilungsantrag W... oder R... c/o Gemeinsamer Patentservice, Hausvogteiplatz in B..., angegeben.
Am 30. Mai 1997 zahlte der Erfinder W... die 3. Jahresgebühr beim Pa- tentamt ein.
Am 28. Mai 1998 entrichteten die Patentanwälte M... und Kollegen einen Betrag von 100,00 DM mit dem Vermerk "3. Jahresgebühr", den das Patentamt unter dem Code 112103 als 3. Jahresgebühr verbuchte und am 07.¡Juli 1998 nach einem Telefonat mit der Kanzlei M... zurückzahlte.
Mit Bescheid vom 10. Juli 1998 benachrichtigte das Patentamt den Gemeinsamen Patentservice in B..., dass die Anmeldung als zurückgenommen gelte, wenn die 4. Jahresgebühr mit dem Zuschlag in Höhe von insgesamt 110,00 DM nicht innerhalb einer Frist von vier Monaten nach dem Ablauf des Zustellmonats gezahlt werde. Bis 30. November 1998 ging keine Zahlung ein. Das Patentamt vermerkte deshalb in der Akte, dass die Anmeldung seit 1. Dezember 1998 als zurückgenommen gelte. Am 05. Mai 1999 zahlten die Patentanwälte M... und Kollegen einen Betrag von 100,00 DM in Gebührenmarken und führten aus, dass nochmals die 4. Jahresgebühr entrichtet werde, die bereits am 28. Mai 1998 gezahlt worden sei.
Am 07. Juli 1999 stellte die A... AG, vertreten durch die Patentanwälte M... und Kollegen, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trug sie vor, die ursprüngliche Anmelderin, die H... ... GmbH, habe seit Anfang 1998 mit ihr, der A... AG, in Verhandlungen über die Übernahme einer Reihe von Patenten gestanden. Schon im Laufe der Verhandlungen habe sie, die A... AG, die Patentanwälte M... und Kollegen beauftragt, vorsorglich Jahresgebühren für die Patente einzuzahlen. Damit sei kanzleiintern die zuverlässige Frau M1... betraut gewesen. Diese habe versehentlich die Zahlung vom 27. Mai 1998 an das Patentamt als 3. und nicht - wie richtig - als 4. Jahresgebühr bezeichnet. Das Patentamt habe die fristgerecht bezahlte 4. Jahresgebühr zurückgezahlt, obwohl unschwer zu erkennen gewesen sei, daß es sich nicht um die 3., sondern um die 4. Jahresgebühr handeln sollte. Der Rückzahlung sei von ihren Patentanwälten keine Beachtung geschenkt worden, weil sie nur allgemein als Gebührenrückzahlung gekennzeichnet gewesen sei und in dem damaligen Zeitraum aufgrund Doppelzahlungen durch die frühere und die jetzige Anmelderin mehrfach Jahresgebühren zurückgezahlt worden seien. Schließlich habe die ursprüngliche Anmelderin die Benachrichtigung des Patentamts hinsichtlich der 4. Jahresgebühr nicht an sie bzw ihre Patentanwälte weitergeleitet. Sie treffe deshalb kein Verschulden an der verspäteten Zahlung.
Durch Beschluss vom 15. Juni 2000 hat das Patentamt den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und festgestellt, dass die Anmeldung als zurückgenommen gelte. Zur Begründung ist ausgeführt, die Anmelderin habe die gesetzliche Frist zur Entrichtung der 4. Jahresgebühr nebst Zuschlag versäumt; die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen habe sie nicht innerhalb der zweimonatigen Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen.
Die A... AG, auf die die Patentanmeldung gemäß Antrag vom 31. März 2001 am 09. Mai 2001 umgeschrieben worden ist, beantragt mit der Beschwerde, 1. den angefochtenen Beschluß aufzuheben und Abhilfe zu gewähren, 2. das Patent aufgrund der im Verfahren befindlichen Unterlagen zu erteilen.
II.
Die Beschwerde der A... AG ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die 4. Jahresgebühr ist durch die Einzahlung vom 28. Mai 1998 in Höhe von 100,00 DM rechtzeitig entrichtet. Die Anmeldung gilt damit nicht gemäß § 58 Abs. 3 PatG als zurückgenommen.
Die 4. Jahresgebühr für das am 17. März 1995 angemeldete Patent war gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 PatG mit Ablauf des Monats, dessen Benennung dem Anmeldemonat entspricht, also am 31. März 1998 fällig und konnte nach § 17 Abs. 3 S. 2 PatG noch bis 31. Mai 1998 zuschlagsfrei gezahlt werden. Die Patentanwälte M... und Kollegen haben am 28. Mai 1998 100,00 DM eingezahlt, so dass zum Zeitpunkt des Fristablaufs der erforderliche Betrag dem Konto des Patentamts gutgeschrieben war.
Der Annahme einer fristgerechten Zahlung der 4. Jahresgebühr steht nicht entgegen, dass der eingezahlte Betrag als 3. Jahresgebühr bezeichnet ist. Bei der Einzahlung von Gebühren sind zwar grundsätzlich der Verwendungszweck mit dem vollständigen Aktenzeichen oder der Patentnummer sowie der Name des Einzahlers anzugeben, um Rückfragen des Patentamts zu vermeiden und Rechtsverlusten vorzubeugen (vgl MittPräsDPA BlPMZ 1965,81; 1977, 345; 1980, 46). Fehlt die Angabe des Verwendungszwecks innerhalb der Zahlungsfrist oder ist sie nicht eindeutig, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Zahlung, denn nach der Rechtsprechung kann die Zweckbestimmung, die keine gesetzliche Voraussetzung für die fristgerechte Gebührenzahlung ist, auch nach Fristablauf nachgeholt bzw klargestellt werden (vgl BGH BlPMZ 1974, 262 "ERBA"; ferner Schulte, PatG, 6. Aufl., vor § 17 Rdn 36; Busse, PatG, 5. Aufl., vor § 17 Rdn 26 bis 28). Die Nachholung darf jedoch in entsprechender Anwendung des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG spätestens nur bis zum Ablauf der für die Wiedereinsetzung geltenden Ausschlussfrist von einem Jahr erfolgen (vgl dazu BPatGE 18, 121). In dem Fall einer nicht eindeutigen Angabe des Verwendungszwecks besteht aber auch die Möglichkeit einer Ermittlung im Wege der Auslegung von Amts wegen, denn die Zweckbestimmung ist eine Verfahrenshandlung, die den für bürgerlichrechtliche Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln analog § 133 BGB unterliegt (vgl Schulte, aaO, vor § 34 Rdn 105; Zöller, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rdn 25). Das Patentamt ist allerdings zu der Auslegung nicht verpflichtet. Es kann die Klärung sicherheitshalber auch durch Nachfrage bei dem Einzahler herbeiführen.
Vorliegend war für das Patentamt aus den Gesamtumständen der Gebührenzahlung offensichtlich erkennbar, dass die Bezeichnung des am 28. Mai 1998 eingezahlten Betrags von 100,-DM als 3. Jahresgebühr versehentlich erfolgt sein mußte, denn die 3. Jahresgebühr war bereits am 30. Mai 1997 innerhalb der zuschlagsfreien Frist des § 17 Abs. 3 Satz 2 PatG gezahlt worden. Der genau nach einem Jahr ebenfalls innerhalb der zuschlagsfreien Frist auf dem Konto des Patentamts eingegangene Betrag von 100,-DM konnte daher sowohl hinsichtlich des Zeitpunkts der Zahlung als auch hinsichtlich der Höhe des Betrags kaum anders verstanden werden als im Sinne einer Zahlung der 4. Jahresgebühr. Allerdings war vorliegend die Einzahlung nicht von dem in der Rolle eingetragenen Anmelder vorgenommen worden, sondern von den bisher nicht als Vertreter an dem Verfahren beteiligten Patentanwälten M... und Kollegen. Das Patentamt hat sich möglicherweise aus diesem Grund daran gehindert gesehen, den als 3. Jahresgebühr eingezahlten Betrag von sich aus auf die tatsächlich fällige Jahresgebühr - hier die 4. Jahresgebühr - zu verbuchen, wie es in den Fällen einer völlig zweifelsfrei auf einer Verwechslung beruhenden Angabe des Patentjahres teilweise der Praxis entspricht. Es hat stattdessen durch telefonische Rückfrage bei der als Einzahler angegebenen Patentanwaltskanzlei eine Klärung der nicht eindeutigen Zweckbestimmung der Zahlung herbeizuführen gesucht.
Dem in einer Gesprächsnotiz festgehaltenen Ergebnis des Telefongesprächs, das ein Sachbearbeiter des Patentamts ausweislich der in den Akten befindlichen Gesprächsnotiz am 7. Juli 1998 mit einer Rechtsanwaltsgehilfin der Kanzlei, Frau M1..., geführt hat, kann jedoch nicht entnommen werden, dass diese den Verwendungszweck für den am 28. Mai 1998 gezahlten Betrag wirksam als "3. Jahresgebühr" angegeben und die Rückzahlung des Betrages von 100,-DM beantragt hat. Das Formblatt "Gesprächsnotiz" enthält unter der Rubrik "Inhalt des Gesprächs" zwar den Vermerk: "Es wird um Rückzahlung gebeten (3. J.Gebühr), Anmeldung soll umgeschrieben werden". Ungeachtet der Frage, ob Frau M1... überhaupt bevollmächtigt war, außerhalb der ihr übertragenen Einzahlung der Jahresgebühren durch Überweisung oder Scheck dem Patentamt gegenüber Erklärungen über die Zweckbestimmung einer Jahresgebühr abzugeben oder gar die Rückzahlung zu beantragen, dürfen in Anbetracht des Grundsatzes der Schriftlichkeit des patentamtlichen Verfahrens aus einer bloßen, auf möglichen Missverständnissen beruhenden Gesprächsnotiz keine für den Betroffenen nachteiligen Folgen hergeleitet werden. Ausgehend hiervon und unter zusätzlicher Berücksichtigung der klaren Gebührensituation, die hier kaum eine andere Deutung als im Sinne der Zahlung der 4. Jahresgebühr zuließ, hält es der Senat vorliegend nicht für gerechtfertigt, in dem Gesprächsvermerk eine die einzahlenden Patentanwälte bindende Zweckangabe dahingehend zu sehen, dass die eingezahlten 100,-DM nicht für die 4. Jahresgebühr bestimmt sind, sondern dass es sich um eine versehentliche Doppelzahlung der 3. Jahresgebühr handelt. Die Patentanwälte M... und Kollegen konnten die Angabe des Verwendungszwecks daher in ihrem Schriftsatz vom 5. Mai 1999 noch wirksam und fristgerecht nachholen.
Damit ist der am 28. Mai 1998 gezahlte Betrag als rechtzeitig entrichtete 4. Jahresgebühr anzusehen. Daran ändert auch die Erstattung des Betrages durch das Patentamt nichts, denn eine Gebührenschuld kann durch eine fälschlicherweise erfolgte Erstattung des eingezahlten Betrages nicht wieder aufleben (BPatGE 13, 163, 166; Schulte, aaO vor § 17 Rdn. 61). Es entsteht vielmehr ein Anspruch der Behörde auf Wiedereinzahlung, dem die Anmelderin bereits nachgekommen ist.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben, ohne dass es noch auf die Frage des Zugangs der Nachricht nach § 17 Abs. 3 Satz 3 PatG hinsichtlich der 4. Jahresgebühr und die Frage der Wiedereinsetzung ankam, die von der A... AG im übrigen - unzulässigerweise - zu einem Zeitpunkt beantragt worden war, in dem sie weder als Anmelderin in der Rolle eingetragen war noch die Umschreibung auf sich beantragt hatte.
Im weiteren Verfahren wird das Patentamt - und nicht der Senat - über die Erteilung des Patents zu befinden haben.
Dr. Schermer Püschel Schuster Ju
BPatG:
Beschluss v. 24.09.2001
Az: 10 W (pat) 72/00
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