Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 26. März 2007
Aktenzeichen: AnwZ (B) 45/06

(BGH: Beschluss v. 26.03.2007, Az.: AnwZ (B) 45/06)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 31. März 2006 wird zurückgewiesen.

Der Feststellungsantrag wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen und der Beschwerdegegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1980 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Landgericht H. , seit 1985 auch bei dem O-berlandesgericht H. zugelassen. Am 4. März 2005 erließ das Amtsgericht H. gegen ihn einen Haftbefehl zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, weil er die rechtskräftig titulierten Haupt- und Kostenerstattungsforderungen einer Erbengemeinschaft nicht beglich, die er früher vertreten hatte. Seine Rechtsmittel gegen den Haftbefehl blieben ohne Erfolg. Unter Hinweis auf die durch die Eintragung des Antragstellers in das Schuldnerverzeichnis begründete Vermutung des Vermögensverfalls forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, seine Vermögensverhältnisse darzulegen. Dem entsprach der Antragsteller nicht. Er stellte vielmehr bei dem Anwaltsgerichtshof einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit welchem er sinngemäß die Feststellung beantragte, der Haftbefehl löse die Vermutung des Vermögensverfalls nicht aus; er sei zur Mitwirkung nach § 36a BRAO nicht verpflichtet. Dieser Antrag blieb erfolglos (Senatsbeschl. v. 7. August 2006, AnwZ (B) 28/06). Am 12. September 2005 widerrief die Antragsgegnerin aufgrund eines Beschlusses ihres Vorstands vom 7. September 2005 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft macht der Antragsteller - wie auch in seinen Rechtsmitteln gegen den Haftbefehl - geltend, seine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis habe die Vermutungswirkung nicht ausgelöst, weil der der Eintragung zugrunde liegende Titel nicht rechtmäßig sei und ihm der Einwand aus § 853 BGB entgegenstehe. In dem seiner Verurteilung zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte der Antragsteller Honorar für die (langjährige) Vertretung einer Erbengemeinschaft bei der Geltendmachung von Restitutionsansprüchen eingeklagt. Der Antragsteller scheiterte an einer Widerklage der Erbengemeinschaft, mit welcher diese Fehler des Antragstellers bei ihrer anwaltlichen Vertretung geltend machte und neben der Abweisung der Klage auch die Verurteilung des Antragstellers zur Zahlung von 4.228,88 € erreichte. Dem Restitutionsanspruch, mit dessen Durchsetzung sie den Antragsteller beauftragt hatte, stand die investive Veräußerung des Grundstücks nach dem damals neu eingeführten und später aufgehobenen § 3a VermG a. F. an einen Dritten entgegen. Deshalb blieben die Versuche des Klägers, die Zurückweisung des Restitutionsantrags einerseits und die Durchführung der Veräußerungsentscheidung andererseits auf verschiedenen Wegen zu verhindern, erfolglos. Eine Klage auf Auskehrung des Veräußerungserlöses erwies sich als verfrüht und wurde ebenfalls abgewiesen. Das veranlasste die Erbengemeinschaft, den Antragsteller zu bitten, seine Bemühungen einzustellen. Der Antragsteller leistete dem nicht Folge und verfolgte deren Ansprüche weiter, bis diese ihm das Mandat entzog und die eingelegten Rechtsmittel in verschiedenen noch laufenden Verfahren zurücknehmen ließ.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, mit welcher er die Aufhebung des Widerrufs und erneut die Feststellung erreichen möchte, dass der Vermögensverfall nicht vermutet werde und er zur Darlegung seiner Vermögensverhältnisse nicht verpflichtet sei. Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen und den Feststellungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist mit dem Antrag auf Aufhebung des Widerrufsbescheids der Antragsgegnerin vom 12. September 2005 zulässig.

2. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zusätzlich gestellte Feststellungsantrag ist dagegen auch jetzt nicht zulässig. Er zielt auf die isolierte Prüfung eines Teils der Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft. Dafür besteht jedenfalls kein Rechtsschutzinteresse, weil der Antragsteller den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angegriffen hat und dieser auch im Beschwerdeverfahren der vollen Nachprüfung durch den Senat unterliegt.

III.

Das Rechtsmittel bleibt, soweit zulässig, in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Antragsgegnerin war auch im Hinblick auf § 73 BRAO nicht daran gehindert, die Voraussetzungen eines Widerrufs zu prüfen. Das Vorliegen eines Streits unter Kammermitgliedern mag Vermittlungsbemühungen der Kammer angezeigt erscheinen lassen. Das aber kann die Kammer nicht daran hindern, Gründen für den Widerruf der Rechtsanwaltszulassung nachzugehen. Denn sie ist zum Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt gesetzlich verpflichtet, wenn einer der in § 14 Abs. 2 BRAO aufgeführten Gründe dafür vorliegt. Im Übrigen lag hier auch kein Streit unter Kammermitgliedern vor. Der Prozessbevollmächtigte der früheren Mandantin mag die Möglichkeit gehabt haben, auf andere Weise die erstrittenen Titel gegen den Antragsteller durchzusetzen. Um die Wahl der Mittel ging und geht es dem Antragsteller indessen nicht. Er wollte die Vollstreckung insgesamt verhindern und war, wie der Anwaltsgerichtshof zu Recht festgestellt hat, nicht bereit, sich auf eine Vermittlung einzulassen. Diese konnte nach Lage der Dinge nur zu dem Vorschlag führen, die titulierte Forderung zu begleichen, was der Antragsteller offenkundig nicht akzeptiert hätte. Sie wäre deshalb auch von vornherein zwecklos gewesen.

2. Die Antragsgegnerin hat auch zu Recht einen Vermögensverfall angenommen.

a) Vermögensverfall nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr., Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 3. Juli 2006, AnwZ (B) 28/05, unveröff.). Wird der Rechtsanwalt in das Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet.

b) Dieser Fall lag hier bei Erlass des Widerrufsbescheids durch die Antragsgegnerin vor. Denn der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt mit einem Haftbefehl zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Diese Eintragung löste die Vermutung aus, dass der Antragsteller in Vermögensverfall geraten war. Daran ändert der Anspruch auf Schadensersatz wegen Urteilsmissbrauchs aus § 826 BGB, dessen sich der Antragsteller berühmt, nichts. § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO knüpft an die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis die Vermutung des Vermögensverfalls, weil die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis regelmäßig zum Verlust der Kreditwürdigkeit führt und ein Schuldner deshalb, soweit er dazu imstande ist, seine Gläubiger befriedigen wird, um die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und erst recht den Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung ihrer Abgabe zu vermeiden. Diese Annahme ist auch dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner glaubt, dass seine Verurteilung zu Unrecht erfolgt ist und er von seinem Gläubiger bei Durchsetzung des Titels Schadensersatz verlangen kann. Der Verlust der Kreditwürdigkeit hängt von der Eintragung, nicht aber von den Gründen ab, die zu ihr führten. Deshalb wird es auch ein Schuldner, der meint, ihm stehe bei Durchsetzung des Titels durch den Gläubiger ein Schadenersatzanspruch gegen diesen zu, nicht auf eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis ankommen lassen. Er wird vielmehr, schon um seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) zu genügen, versuchen, bei dem Prozessgericht eine Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erreichen. Dabei kann offen bleiben, ob dies in entsprechender Anwendung von § 769 ZPO oder im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO zu erfolgen hat (dazu mit Nachweisen zum Streitstand: LG Berlin, MDR 2005, 1254). Entscheidend ist, dass ihm dies regelmäßig auch auf dem einen oder dem anderen Wege gelingen wird, wenn sein vermeintlicher Anspruch aussichtsreich ist. Gelingt ihm das nicht, muss er damit rechnen, dass der angenommene Anspruch nicht begründet ist. Er wird dann, wie auch sonst, seine Gläubiger befriedigen, wenn er die nötigen Mittel dazu hat. Die Vermutung des Vermögensverfalls stritt deshalb auch gegen den Antragsteller, ohne dass es darauf ankommt, ob ihm in diesem wie auch in den anderen Fällen ein Schadensersatzanspruch wegen unrechtmäßiger Erlangung des Titels oder Amtspflichtverletzung zustand und worauf er gestützt wird.

c) Diese Vermutung ist widerlegbar. Dazu muss der Rechtsanwalt aber unter Berücksichtigung auch seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht nach § 36a BRAO seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darstellen (Senat, Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126), jedenfalls aber darlegen, welche Ansprüche gegen ihn noch bestehen und auf welche Weise diese Forderungen ausgeglichen werden sollen (Senat, Beschl. v. 9. Dezember 1996, AnwZ (B) 35/96, NJW-RR 1997, 1558; Beschl. v. 6. November 1998, AnwZ (B) 25/98, BRAK-Mitt. 1999, 36). Daran fehlt es. Er hatte der Antragsgegnerin seine Vermögensverhältnisse auch nicht ansatzweise dargelegt. Er hat nicht einmal mitgeteilt, welche Verbindlichkeiten er gegenüber der Erbengemeinschaft noch hatte und aus welchen Mitteln sie beglichen werden sollten. Er hat im Gegenteil, wenn auch im Ergebnis erfolglos, versucht, die Antragsgegnerin durch den erwähnten Antrag auf gerichtliche Feststellung an der Fortführung ihrer Ermittlungen zu hindern und damit jede Offenbarung seiner Vermögensverhältnisse von vornherein zu vermeiden. Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht vorlag, waren nicht ersichtlich.

3. Auch im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof und im Beschwerdeverfahren vor dem Senat hat sich, was zu berücksichtigen wäre (Senat, BGHZ 74, 356, 357; 84, 149, 150), nicht ergeben, dass der Vermögensverfall bei dem Antragsteller jedenfalls jetzt nicht mehr besteht. Der zunächst nur vermutete Vermögensverfall hat sich im Gegenteil bestätigt.

a) Das Amtsgericht H. hat zwar auf Anfrage des Senats am 12. Oktober 2006 mitgeteilt, der Antragsteller sei nicht (mehr) im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Der Antragsteller hat den Senat aber am 1. März 2007 selbst darüber unterrichtet, dass er auf Antrag der Erbengemeinschaft erneut zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen worden und dem entgegengetreten sei. Seine Rechtsmittel dagegen hatten keinen Erfolg. Der Antragsteller wird deshalb voraussichtlich in Kürze wieder in das Schuldnerverzeichnis eingetragen werden, wobei offen bleiben kann, ob diese Eintragung aufgrund der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfolgt oder, wie bei der ersten Eintragung, aufgrund von Maßnahmen zur Erzwingung ihrer Abgabe. Danach wird Vermögensverfall bei ihm auch wieder vermutet werden.

b) Auf diese Vermutung kommt es nicht mehr an. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Antragsteller seine Vermögensverhältnisse zwar weiterhin nicht umfassend dargestellt. Aus seiner Einlassung vor dem Senat und seinen im Verfahren vor dem Senat eingereichten Schriftsätzen vom 7., 21., 22. und 23. März 2007 ergibt sich aber, dass der Antragsteller in Vermögensverfall geraten ist und auch keine Aussicht auf Besserung besteht.

aa) Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er zurzeit über kein eigenes Einkommen verfüge. Er ist deshalb nicht imstande, die Forderungen aus den gegen ihn laufenden Vollstreckungen zu begleichen. Dazu gehören nicht allein die dargestellten Forderungen der Erbengemeinschaft. Vielmehr sind in einem weiteren Rechtsstreit (den der Antragsteller wegen Vergütungsforderungen geführt hat, die eine Mandantin der Sozietät, der der Antragsteller früher angehörte, zur Sicherung von Honorarforderungen abgetreten hatte) Kostenforderungen des Freistaats Sachsen und des Bundes in der Größenordnung von 8.000 € entstanden. Beide Kostenforderungen hat der Antragsteller nicht erfüllt. Auf Antrag jedes dieser Kostengläubiger ist der Antragsteller zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden. Seine wiederum auf angebliche Schadensersatzansprüche (hier gegen den Freistaat bzw. die Bundesrepublik aus Amtspflichtverletzung) gestützten Rechtsmittel blieben erfolglos.

bb) Gegen den Antragsteller werden nach eigenen Angaben weitere erhebliche Forderungen zukommen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund macht gegen den Antragsteller und seinen früheren Sozius einen Anspruch auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von umgerechnet 30.494,17 € für eine Mitarbeiterin der früheren gemeinsamen Sozietät geltend. Die gegen den Nachforderungsbescheid gerichtete Klage hat das Sozialgericht Hamburg mit am 10. Februar 2006 verkündetem Urteil (S 42 RA 330/99) abgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller Berufung eingelegt, über die nicht entschieden ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof am 21. Februar 2006 hat der Antragsteller aber erklärt, dass er damit rechne, den Rechtsstreit bis zum Bundessozialgericht zu verlieren. Mittel, die Forderung auszugleichen, hat der Antragsteller nach eigenem Bekunden nicht.

cc) Aussicht auf Besserung besteht nicht. Der Antragsteller hat vor dem Senat erklärt, wegen des Widerrufsverfahrens hätten seine Mandate abnehmende Tendenz; einige Mandanten blieben ihm treu. Sein Konto ist ihm nach seinen Angaben wegen der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von der Bank gekündigt worden. Damit fehlt es aber an den Voraussetzungen für die Wiederherstellung geordneter Vermögensverhältnisse. Wie prekär die Lage des Antragstellers ist, zeigt sich auch daran, dass er während des laufenden Beschwerdeverfahrens seinen Haftpflichtversicherungsbeitrag schuldig blieb und es zum Verlust des Versicherungsschutzes kommen ließ. Er nahm seine Zahlungen erst nach einer Mitteilung der Versicherung an die Antragsgegnerin und deren Hinweis auf die Folgen wieder auf. Auch zur Schließung der entstandenen Deckungslücke kam es erst nach einem entsprechenden Hinweis der Antragsgegnerin.

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AGH Hamburg, Entscheidung vom 21.02.2006 - II ZU 18/05 -






BGH:
Beschluss v. 26.03.2007
Az: AnwZ (B) 45/06


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