Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2009
Aktenzeichen: 24 W (pat) 40/08

(BPatG: Beschluss v. 13.10.2009, Az.: 24 W (pat) 40/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patentund Markenamts vom 20. März 2008 (Erinnerungsbeschluss) aufgehoben.

Gründe

I.

Die am 3. Juli 2001 angemeldete Wortmarke SANUS ist am 19. November 2002 für die Waren "03: Mittel zur Körperund Schönheitspflege, insbesondere Wellness-Präparate" unter der Nr. 301 40 042 in das Markenregister eingetragen und am 20. Dezember 2002 veröffentlicht worden.

Widerspruch erhoben ist aus der älteren deutschen Marke 1 162 668 (Anmeldetag 12.02.1986)

SALUS die seit dem 16. August 1990 u. a. für

"Mittel zur Körperund Schönheitspflege"

registriert ist.

Mit einem Schriftsatz vom 25. Juni 2003, der beim Deutschen Patentund Markenamt am 27. Juni 2003 eingegangen ist, hat der Markeninhaber die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten (und im Übrigen behauptet, er verfüge über "ältere Rechte"). Die Widersprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke vorgelegt (eidesstattliche Erklärung des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft der Widersprechenden vom 13. August 2003, betreffend die Jahre 1999 bis 2002, nebst 48 Bl. schriftlichen Anlagen sowie einen Lippenpflegestift im Original).

In einem ersten Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 vom 20. April 2005 ist die Löschung der angegriffenen Marke wegen Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) angeordnet worden. Eine Benutzung der Widerspruchsmarke sei glaubhaft gemacht, wobei sich die benutzten Waren unter (registrierte) Oberbegriffe subsumieren ließen. Die auf Seiten der Widersprechenden zu berücksichtigenden "Mittel zur Hautpflege" seien mit den Anmeldewaren identisch. Die Frage, ob der Widerspruchsmarke infolge langjähriger Benutzung eine erhöhte Kennzeichnungskraft zukomme, könne offen bleiben, weil der Abstand der Vergleichsmarken schon bei durchschnittlichem Schutzumfang nicht ausreiche. Beide Marken seien im Gesamtklangbild (Sprechrhythmus, Silbenanzahl, Vokalfolge) nahezu identisch. Fälle des Sich-Verhörens könnten nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

Der Markeninhaber hat Erinnerung eingelegt und in dem betreffenden Schriftsatz das Warenverzeichnis seiner Marke wie folgt angegeben:

"Mittel zur Körperpflege, nämlich Salbe bei rheumatischen Beschwerden".

Er hat die Ansicht vertreten, hierin läge eine Einschränkung; demgegenüber war die Markenstelle der Auffassung, es läge eine unzulässige Ausdehnung auf Waren in Klasse 5 vor.

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle hat in einem zweiten Beschluss vom 20. März 2008 den Erstbeschluss aufgehoben und den Widerspruch zurückgewiesen. Eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke sei nicht glaubhaft gemacht. Ob eine solche für die zum Zeitpunkt des Erstbeschlusses maßgeblichen Zeiträume nach Art, Umfang und Dauer hinreichend glaubhaft gemacht sei, könne dahinstehen. Zweifel ergäben sich insoweit, als sich der eidesstattlichen Erklärung vom 13. August 2003 i. V. m. den übrigen Unterlagen nicht eindeutig entnehmen lasse, ob sich die Angaben zum Umsatz auf die Bundesrepublik Deutschland bezögen. Jedenfalls sei für den (nunmehr maßgeblichen) zweiten Benutzungszeitraum (§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) eine Benutzung nicht glaubhaft gemacht. Der Markenstelle sei es wegen des im Rahmen des Benutzungszwangs herrschenden Beibringungsgrundsatzes versagt gewesen, die Widersprechende auf diesen Mangel hinzuweisen.

Gegen den Erinnerungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie hat zunächst vorgetragen, die Zurückweisung des Widerspruchs "wegen mangelnder Benutzung" widerspreche den Grundsätzen eines fairen Amtsverfahrens. Der Zeitpunkt der Beschlussfassung sei nicht vorhersehbar gewesen. Die lange Bearbeitungszeit im Erinnerungsverfahren, obwohl nur zwei kurze Stellungnahmen eingereicht worden seien, entspreche nicht der Amtspraxis.

Die Widersprechende hat weitere Benutzungsunterlagen vorgelegt, u. a. eine zweite eidesstattliche Erklärung des Geschäftsführers ihrer Komplementärin vom 7. August 2008, betreffend die Jahre 2006 und 2007, nebst Preislisten sowie Produktbeschreibungen mit Verpackungsabbildungen. Sie äußert sich eingehend zu ihrem Produktsortiment und zu den Umsätzen. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung bezögen sich auf den deutschen Markt. Anhand der Preislisten ließen sich Rückschlüsse auf die Umsatzzahlen in den jeweiligen Produktgruppen ziehen.

Zur Verwechslungsgefahr wird vorgetragen, es liege Warenidentität bezüglich der "Mittel zur Körperund Schönheitspflege" vor. Unter diesen Oberbegriff fielen folgende, von ihr hergestellte und vertriebene Produkte: Salus Echinacea Lippenpflege, Salus Augenpflege, Salus Avocado-Kräutercreme, Salus-VitaminE-Creme. Die Gemeinsamkeiten der Vergleichszeichen seien derart hoch, dass mit Verwechslungsfällen durch Verlesen oder Verhören gerechnet werden müsse.

In der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende als weitere Glaubhaftmachungsunterlagen je einen Lippenpflegestift "Kamille" und "Echinacea" sowie eine Tube "Avocado-Kräutercreme neu" mit Verpackung überreicht.

Sie stellt den Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patentund Markenamts vom 20. März 2008 (Erinnerungsbeschluss) aufzuheben.

Der Markeninhaber, der auch sonst im Lauf des Beschwerdeverfahrens keine schriftliche Stellungnahme abgegeben hat, war trotz ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Erinnerungsbeschlusses, so dass es bei der im ersten Beschluss der Markenstelle vom 20. April 2005 angeordneten Löschung der jüngeren Marke wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke verbleibt.

1. a) Allerdings entsprach -entgegen der zunächst geäußerten Auffassung der Widersprechenden -der Erinnerungsbeschluss der Markenstelle vom 20. März 2008 in rechtlicher Hinsicht dem (damaligen) Stand des Verfahrens. Im undifferenzierten Bestreiten der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke lag die Erhebung der beiden Einreden nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MarkenG (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 43 Rdn. 19), da die sog. Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke bereits seit langem abgelaufen war. Die Widersprechende traf und trifft daher die Obliegenheit, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarke für beide maßgeblichen Benutzungszeiträume glaubhaft zu machen, nicht nur für den ersten -feststehenden -Zeitraum (hier: Dezember 1997 bis Dezember 2002), sondern auch für den zweiten, im Lauf des Widerspruchsund Beschwerdeverfahrens gleichsam mitwandernden Zeitraum (Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 43 Rdn. 13). Ein Widersprechender muss von sich aus, ohne dass Hinweise des Deutschen Patentund Markenamts und des Bundespatentgerichts erwartet werden können, jederzeit darauf achten, ob eingereichte Glaubhaftmachungsunterlagen auch (noch) den zweiten Benutzungszeitraum abdecken. Daran fehlte es vorliegend im Zeitpunkt des Erinnerungsbeschlusses (März 2008), wie die Erinnerungsprüferin zutreffend dargelegt hat. Die Markenstelle war daher gezwungen, den Erstbeschluss -ohne Prüfung der Verwechslungsgefahr -aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen (Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 43 Rdn. 18).

Sonstige Mängel des patentamtlichen Widerspruchsverfahrens sind nicht ersichtlich. Dass der Zeitpunkt, in dem der Erinnerungsbeschluss ergeht, nicht vorhersehbar ist (und den Beteiligten auch nicht vorher mitgeteilt werden muss), entspricht dem Wesen des schriftlichen Amtsverfahrens. Die lange Dauer des Erinnerungsverfahrens (fast drei Jahre) mag ärgerlich sein, stellt aber für sich gesehen keinen Verfahrensmangel dar.

b) Durch die im Lauf des Beschwerdeverfahrens vorgelegten zusätzlichen Glaubhaftmachungsunterlagen, d. h. der zweiten eidesstattlichen Versicherung vom 7. August 2008 nebst Preislisten, Produktbeschreibungen und Abbildungen der Verpackungen, sowie durch die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Produktbeispiele ist aber, zusammen mit den bereits im patentamtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, eine ausreichende Benutzung der Widerspruchsmarke bezüglich "Mittel zur Körperund Schönheitspflege" für beide nunmehr maßgeblichen Benutzungszeiträume (Dezember 1997 bis Dezember 2002 und Oktober 2004 bis Oktober 2009) glaubhaft gemacht worden. Bei der gebotenen zusammenfassenden Betrachtung sämtlicher im Lauf des Verfahrens vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen ergibt sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Widerspruchsmarke in beiden relevanten Zeiträumen für Körperpflegemittel rechtserhaltend i. S. v. § 26 MarkenG benutzt worden ist (vgl. Kirschneck in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 43 Rdn. 39, 52, 54).

Was die Person der Markenbenutzerin, die Dauer und den Umfang der Benutzung sowie die funktionsgerechte Art der Anbringung der Marke auf den Warenverpackungen bzw. Umhüllungen anbetrifft, ergeben sich keine Zweifelsfragen. Da in beiden eidesstattlichen Versicherungen jeweils eingangs gesagt wird, die Widerspruchsmarke werde "in Deutschland" seit langem als Firmenmarke verwendet, liegt es nahe, dass sich die nachfolgenden Angaben zu den mengenmäßigen Einzelumsätzen auf den inländischen Warenabsatz beziehen. Wie sich aus den eingereichten Warenmustern (vor allem den Lippenpflegestiften) ergibt, wird dort die Widerspruchsmarke in Normalschrift ("Salus") verwendet; durch diese Abweichung wird der kennzeichnende Charakter der Marke in der registrierten Form (d. h. in Großbuchstaben) nicht verändert (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG). Ob diese Beurteilung auch für den in besonderer Weise graphisch gestalteten Schriftzug gilt, wie er sich auf der Mehrzahl der Verpackungsabbildungen findet, kann daher ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob die Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG -unterstellt, der betreffende Schriftzug sei ebenfalls als Marke registriert, was die Widersprechende allerdings in der mündlichen Verhandlung für Deutschland in Abrede gestellt hat -weiterhin Gültigkeit beanspruchen kann; letzteres ist nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu "BAINBRIDGE" (GRUR 2008, 343, Nr. 86) teilweise in Zweifel gezogen worden.

2. Die sich gegenüberstehenden Marken unterliegen -wie der erste Beschluss der Markenstelle im Ergebnis zutreffend dargelegt hat -der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, die untereinander in einer Wechselwirkung stehen, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren und der bei der Auswahl zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.: vgl. EuGH GRUR 1998, 387, Nr. 22 -Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 -BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 -SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 32, 33).

Die sich gegenüberstehenden Waren sind gleich. Dabei ist auf Seiten der jüngeren Marke auf den registrierten Oberbegriff "Mittel zur Körperund Schönheitspflege" abzustellen, da dieser durch die nachfolgende, mit "insbesondere" eingeleitete Spezifizierung nicht eingeschränkt wird. Die Änderung des Verzeichnisses im Erinnerungsschriftsatz beinhaltet eine unzulässige Erweiterung auf Waren in Klasse 5 und ist deshalb unbeachtlich. Auf Seiten der Widerspruchsmarke ist auf die als unter der Marke benutzt glaubhaft gemachten Einzelwaren (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG), d. h. hier vor allem auf die unter den Oberbegriff fallenden Lippenund Hautpflegeprodukte abzustellen.

Die Kennzeichnungskraft des Wortes "SALUS" ist zwar von Hause aus seiner Bedeutung im Lateinischen wegen (Gesundheit, Wohlbefinden, Heil) gering, wobei diese Beurteilung nicht nur für medizinische und pharmazeutische Produkte in Klasse 5 gilt, sondern auch für Körperpflegemittel in Klasse 3. Allerdings handelt es sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Widersprechenden um eine sehr alte Marke, die -wie oben ausgeführt -auf dem Markt in nicht geringem Umfang tatsächlich vertreten ist. Unter diesen Umständen ist die ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Marke kompensiert, so dass ihr zumindest ein durchschnittlicher Schutzumfang zukommt.

Die sich gegenüberstehenden Wortzeichen stimmen bis auf den mittleren Konsonanten überein. Dass angesichts dessen in klanglicher Hinsicht eine hochgradige Ähnlichkeit vorliegt, mithin Fälle des Sich-Verhörens sehr wahrscheinlich sind, hat der erste Beschluss der Markenstelle zutreffend dargelegt. Die Wörter "SALUS" und "SANUS" kommen sich aber auch schriftbildlich nahe; auch insoweit sind -vor allem aus der manchmal undeutlichen Erinnerung -Fälle einer (unmittelbaren) Verwechslung nicht auszuschließen. Die Frage, ob die -objektiv gegebene -begriffliche Ähnlichkeit der Markenwörter im Sinngehalt ebenfalls zu berücksichtigen ist, kann dahinstehen.

Die Aufmerksamkeit des Publikums bei Auswahl und Erwerb von Waren der vorliegenden Art wird nicht einheitlich sein; bei -teils auch preislich gehobenen -Schönheitspflegeprodukten, bei denen die Kundinnen und Kunden im Allgemeinen markenbewusst sind, eher höher, bei sonstigen, häufig niedrigpreisigen Körperpflegemitteln dagegen nicht besonders hoch. Von durchweg großer Aufmerksamkeit kann jedenfalls nicht ausgegangen werden.

Die Gesamtabwägung ergibt, dass vor allem in Anbetracht der Warenidentität und der nicht unbeträchtlichen Zeichenähnlichkeit von (unmittelbarer) Verwechslungsgefahr auszugehen ist. Mithin ist die angegriffene Marke -wie im ersten Beschluss der Markenstelle angeordnet -auf den Widerspruch hin zu löschen.

3.

Soweit sich der Markeninhaber im patentamtlichen Verfahren in seinem Schriftsatz vom 25. Juni 2003 auf "ältere Rechte" -ohne nähere Angaben, woraus sich diese ergeben könnten -berufen hat, kann dem im vorliegenden Registerverfahren, in dem ausschließlich der Zeitrang der sich gegenüberstehenden Marken (gem. § 6 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 1 MarkenG) von Bedeutung ist, nicht weiter nachgegangen werden.

4.

Für eine Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Viereck Eisenrauch Dr. Kortbeinbr/Bb






BPatG:
Beschluss v. 13.10.2009
Az: 24 W (pat) 40/08


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