Landgericht Köln:
Urteil vom 18. März 2010
Aktenzeichen: 31 O 660/09
(LG Köln: Urteil v. 18.03.2010, Az.: 31 O 660/09)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
wie nachstehend wiedergegeben, Endverbrauchern ein Steinsalz mit dem Hinweis anzubieten „Himalaya-Salz“ und/oder „Himalaya-Kristallsalz“:
(Es folgt eine mehrseitige Darstellung)II.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 196,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.11.2009 zu zahlen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der gerichtsbekannte Kläger ist ein Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und in die Liste der Wettbewerbsverbände gem. § 1 UKlaV eingetragen. Zu seinen Mitgliedern gehören u.a. die Beklagte - die auch ein Beiratsmitglied stellt - sowie der Hauptverband des deutschen Einzelhandels und der Einzelhandels- und Dienstleistungsverband B.
Die Beklagte bietet in ihrem Geschäftslokal in Köln sowie ihrem über ganz Deutschland verteilten Filialnetz ein Steinsalz an, dessen Ausstattung sich aus der im Tenor wiedergegebenen konkreten Form ergibt. Auf dem angehängten Etikett wird das Salz als „Himalaya-Salz“ und „Himalaya-Kristallsalz“ bezeichnet. Auf der Schauseite des Etiketts ist ein Schnee- oder eisbedeckter Berggipfel zu erkennen. Wegen der Einzelheiten wird auf die wiedergegebene Abbildung sowie das überreichte Original verwiesen.
Der Kläger hält die Verwendung der Bezeichnung Himalaya-Salz/Himalaya-Kristallsalz in dieser Form für irreführend und führt hierzu nach vorausgegangener erfolgloser Abmahnung aus:
Das Salz stamme tatsächlich - was insoweit zwischen den Parteien unstreitig ist - aus der sog. Salt-Range in Pakistan. Dabei handele es sich um eine durchschnittlich etwa 700 m hohe Hügelkette in der Provinz Punjab, die etwa 200 km vom „eigentlichen“ Himalaya entfernt liegen und von diesem durch eine dicht besiedelte Ebene getrennt sei. Die Salt-Range habe folglich weder geologisch noch geografisch etwas mit dem Himalaya-Gebirge zu tun. Erst recht gelte das für die Salzvorkommen, die wie die meisten Steinsalzvorkommen etwa 250 Mio. Jahre alt seien, während der Himalaya „erst“ vor ca. 40 - 50 Mio. Jahren entstanden sei.
Ergänzend verweist der Kläger darauf, dass die auf der Innenseite des Etiketts angegebenen Regionen Karakorum und Kaschmir weder mit dem Himalaya noch mit der Salt-Range zu tun hätte.
Zur tatsächlichen Untermauerung seines Vortrages verweist der Kläger auf überreichte Auszüge aus Wikipedia und Atlanten sowie diverse Presseberichte.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte in der konkreten Form der Produktausstattung sowohl gegen die Vorschriften des Markengesetzes (§ 126 ff. MarkenG) als auch gegen das Irreführungsverbot des § 5 UWG verstoße.
Der durchschnittliche Verbraucher werde schon durch die Verwendung des Begriffs Himalaya-Salz darauf hingelenkt, dass das Salz aus dem Gebiet stammt, dass er herkömmlich mit Himalaya verbinde, nämlich ein Hochgebirge mit vielen berühmten Gipfeln jenseits der 8000er Grenze. Jedenfalls werde er in dieser Fehlvorstellung noch entscheidend dadurch bestärkt, dass die Beklagte prominent auf dem Etikett einen Teil dieses Hochgebirges abbilde. Dementsprechend enttäuscht müsse der Verbraucher sein, wenn er erfährt, woher das - zum Vergleich zu anderen Steinsalzen sehr teure (im Streitfall 4,99 Euro für 500 g) Salz tatsächlich aus einem großen Abbaugebiet in einer Hügelkette 200 km entfernt gewonnen werde.
Mit dem Klageantrag zu 2) macht der Kläger den pauschalierten Satz seiner Abmahnkosten geltend.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zieht zunächst die Aktivlegitimation in Zweifel und führt dazu näher aus (Bl. 102 - 105 d. A.), worauf verwiesen wird.
In der Sache trägt sie vor, die Salt-Range gehöre sehr wohl geografisch wie geologisch zum Himalaya. Dieser bestehe nämlich nicht nur aus dem sog. Hochhimalaya sondern bezeichne als mächtigste Auffaltungsphase der Erde ein sehr viel größeres Gebiet. Insoweit verweist die Beklagte auf diverse Stellungnahmen von Wissenschaftlern, die sie eingeholt und zu den Akten gereicht hat. Hierauf wird verwiesen.
Dass der Verkehr teilweise andere Vorstellungen haben möge, ändere nichts daran, dass die geografische Herkunftsbezeichnung zutreffend sei.
Schließlich verweist die Beklagte darauf, dass in Deutschland häufiger ihrer Ansicht nach unzutreffende Herkunftsbezeichnungen verwendet würden, ohne dass der Verkehr dem eine relevante Bedeutung zumesse. (Bl. 109 d. A.).
Hierzu hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung eine Reihe von Produkten vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
Der geltend gemachte Anspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 8 UWG, weil die Beklagte durch die Art und Weise, wie sie die Begriffe Himalaya-Salz und Himalaya-Kristallsalz im geschäftlichen Verkehr verwendet, dem durchschnittlichen Verbraucher in rechtsverbindlicher Weise über die geografische Herkunft in die Irre führt.
Die Aktivlegitimation des gerichtsbekannten Klägers ist gegeben. Die Beklagte ist den dezidierten Ausführungen des Klägers in seiner Replik nicht mehr entgegen getreten, so dass ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger sowohl hinsichtlich seiner Mitgliederstruktur als auch hinsichtlich seiner Organisation und Aufgabenerfüllung in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen genügt. Hätte die Beklagte dem weiter entgegentreten wollen, hätte es erheblich dezidierterer Darlegungen bedurft, weil die Beklagte gerichtsbekannt langjähriges Mitglied des Klägers und sogar in deren Beirat vertreten ist. Auf die Erörterungen der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
In der Sache selbst ist aus gegebenem Anlass zunächst der Streitgegenstand klarzustellen. Der Kläger hat ausweislich seines Klageantrages und seiner Klagebegründung nicht etwa die Bezeichnung Himalaya-Salz (entsprechendes gilt immer auch für Himalaya-Kristallsalz) isoliert angegriffen, sondern dies mit der sogenannten konkreten Verletzungsform verbunden. Damit ist Streitgegenstand entgegen dem Verständnis der Beklagten auch nicht die Bezeichnung als solche, sondern (nur) die Bezeichnung in Verbindung mit der Verwendung eines Etiketts, das auf der Schauseite einen schnee/-eisbedeckten Berggipfel zeigt.
Daraus folgt:
Die Kammer hat nicht zu entscheiden, ob der Begriff Himalaya-Salz als solcher für das streitgegenständliche Salz aus der Salt-Range eine ggfls. falsche geografische Herkunftsbezeichnung im Sinne der §§ 126 ff. Markengesetz darstellt.
Ebenso wenig stellt sich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen den Spezialregelungen des Markengesetzes und dem allg. Irreführungstatbestand über die geografische Herkunft im Sinne des § 5 UWG. Zu ermitteln ist vielmehr lediglich, ob die Gesamtaufmachung des streitgegenständlichen Steinsalzes geeignet ist, beim Durchschnittsverbraucher für die Kaufentscheidung relevante Fehlvorstellungen hervorzurufen.
Das zu beurteilen ist die Kammer aufgrund eigener Sachkunde in der Lage, da ihre Mitglieder zu den von der streitgegenständlichen Werbung angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen gehören.
Die Kammer folgt insoweit im Ergebnis den von den Parteien vorgelegten Entscheidungen verschiedener Landgerichte, die jeweils eine Irreführung des Durchschnittsverbrauchers durch die Verwendung des Begriffs Himalaya-Salz in Verbindung mit einer konkreten Form bejaht haben.
Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Salt-Range/das Salzgebirge nun geologisch oder geografisch noch dem Himalaya zugerechnet werden kann oder muss. Maßgeblich für die zu beurteilende Irreführung ist nicht die - anscheinend durchaus streitige - wissenschaftliche Zuordnung, sondern das allgemeine Verkehrsverständnis. Deshalb mag es sein, dass geologische (nicht geografische) Untersuchungen dafür sprechen, die Salt-Range dem Himalaya in einem allgemeinen Sinn zuzurechnen, wie dies die Beklagte durch die von ihr vorgelegten Stellungnahmen zu belegen versucht. Das entspricht aber nicht ohne weiteres der allgemeinen Vorstellung des Durchschnittsverbrauchers. Dieser informiert sich aus allgemein zugänglichen Quellen, die eine solchermaßen differenzierte Betrachtungsweise gerade nicht enthalten, sondern eher auf das Gegenteil hindeuten. Der Kläger verweist deshalb zu Recht zum Beispiel auf Wikipedia und andere vom durchschnittlich interessierten Verbraucher üblicherweise benutzte Informationsmöglichkeiten, die sämtlich zumindest darauf hindeuten, dass „der Himalaya“ im wesentlichen aus dem Hochgebirgsmassiv besteht, welches ihm von den vielen 8000ern bekannt ist.
Selbst wenn man gleichwohl davon ausgeht, dass eine diesbezügliche konkrete und enge Eingrenzung des geografischen Gebiets anhand dieser Feststellungen noch nicht möglich ist, sondern der Verkehr eher diffuse Vorstellungen von der Ausdehnung „des Himalayas“ hat, wird die Sicht des Verkehrs durch die Verwendung eines (vermeintlich) typischen Hochgebirgsgipfels in plakativer Hervorhebung auf dem Etikett eindeutig determiniert:
Ihm wird durch die Abbildung in Verbindung mit dem Begriff Himalaya-Salz (seine Vorstellung im Zweifel bestätigend) zusätzlich suggeriert, wo das beworbene Salz tatsächlich herkommen soll, nämlich aus einer Hochgebirgsregion. Für eine andere Interpretation der Gesamtaufmachung der zu beurteilenden Kaufsituation sieht die Kammer keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Insbesondere wird sich der Verkehr keine Gedanken über den von der Beklagten angesprochenen Aspekt machen, dass es eher ausgeschlossen erscheint, sozusagen unter Schnee und Eis ausgerechnet Salz abzubauen.
Dieses aus einer Kombination von Begriff und Abbildung hervorgerufene Verkehrsverständnis weicht deutlich von der Wirklichkeit ab. Das Salz stammt nicht aus dem Hochgebirgsmassiv, sondern aus einer etwa 200 km entfernten Hügellandschaft, die vom Hochgebirgsmassiv durch eine dicht besiedelte Ebene getrennt ist.
Die Fehlvorstellung ist auch ohne weiteres wettbewerblich relevant. Es stellt aus der Sicht des Verbrauchers einen erheblichen Unterschied dar, ob das Salz zu einem vergleichsweise extrem hohen Preis sozusagen aus der unberührten Natur gewonnen wurde, oder ob es aus einem industriellen Abbaugebiet in einer 200 km entfernten, dichtbesiedelten Hügellandschaft stammt.
Die Kammer vermag auch nicht festzustellen, dass dem Verkehr die Verwendung (unzutreffender) geografischer Herkunftsangaben gleichgültig wäre, wie dies die Beklagte durch die von ihr in ihrer Klageerwiderung und der mündlichen Verhandlung präsentierten Beispiele offenbar belegen möchte. Dafür fehlt es an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten, die gesetzlichen Regelungen sprechen eindeutig dagegen. Dass es angeblich auch eine Reihe von Lebensmitteln gibt, die mit irreführenden geografischen Herkunftsangaben vermarktet werden, belegt allenfalls dass dies ein aus der Sicht des Anbieters attraktives Vermarktungsinstrument ist. Damit ist aber nichts darüber gesagt, dass dies dem Verkehr auch bewusst ist und/oder das es von ihm toleriert wird.
Da nach alledem die vorprozessuale Abmahnung begründet war, schuldet die Beklagte auch die mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Abmahnpauschale gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: 14.196,35 Euro.
LG Köln:
Urteil v. 18.03.2010
Az: 31 O 660/09
Link zum Urteil:
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