Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 2. März 2009
Aktenzeichen: Not W 2/08
(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 02.03.2009, Az.: Not W 2/08)
Tenor
Die Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 50.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Untersagung der Besetzung der im Justizministerialblatt € vom 15. Januar 2008 ausgeschriebenen Notarstelle im Amtsbezirk F€ (bisherige Amtsinhaberin: Notarin I€ S€) bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache und in der Hauptsache die Aufhebung der Besetzungsentscheidung des Antragsgegners vom 6. Mai 2008 sowie die Verpflichtung des Antragsgegners, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Bewerbung des Antragstellers erneut zu entscheiden.
Auf die ausgeschriebene Stelle bewarben sich insgesamt vier Personen, nämlich der hiesige Antragsteller, der Notar Dr. F€ C€ (Antragsteller im Parallelverfahren Not W 3/08), der Beigeladene und der damalige Notarassessor H€ T€ (Antragsteller im erledigten Verfahren Not W 1/08).
€
€
Nach Durchführung von Bewerbungsgesprächen am 7. März 2008 erstellte die Notarkammer am 12. März 2008 einen Besetzungsvorschlag und empfahl hierin, die Stelle dem Beigeladenen zu übertragen. Mit Bescheid vom 6. Mai 2008 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er beabsichtige, die Notarstelle dem Beigeladenen zu übertragen. Diese Entscheidung begründete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller im wesentlichen mit folgenden Erwägungen: Angesichts der Zahl der anstellungsreifen Notarassessoren und der geringen Zahl der in absehbarer Zeit planmäßig wiederbesetzbaren Notarstellen im Land € sei der Bewerbung eines Notarassessors grundsätzlich der Vorrang gegenüber der Bewerbung eines schon amtierenden Notars einzuräumen. Im Vergleich zwischen dem Beigeladenen und dem Antragsteller ergäben sich insgesamt keine auffälligen, erheblichen Eignungsunterschiede. Die Notarstelle des Antragstellers unterliege ihrerseits nicht der Einziehung.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller.
Er macht geltend, die Auswahlentscheidung des Antragsgegners sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs.1, Art. 12 Abs.1, Art. 33 Abs.2 GG. Die Ausschreibung der Notarstelle sei unzulässig auf Bewerber beschränkt worden, die noch Notarassessoren sind. Es handele sich hier um eine besonders einträgliche und lukrative Stelle im Rahmen einer Sozietät mit dem Notar St€, die von vornherein dem Beigeladenen zugedacht gewesen sei und diesen gegenüber anderen Bewerbern willkürlich bevorteile. Die angefochtene Besetzungsentscheidung verstoße gegen das bisher praktizierte Vorrücksystem und die damit verbundene Selbstbindung des Antragsgegners. Er, der Antragsteller, sei deutlich besser geeignet als der Beigeladene, der seinerseits über nur geringe Erfahrungen aus der notariellen Praxis verfüge. Dem Beigeladenen könne die bisherige Amtsstelle des Antragstellers übertragen werden, womit dem Bedürfnis, einem Notarassessor eine Notarstelle zuzuweisen, genügt werde.
Der Antragsteller beantragt,
1.dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im Justizministerialblatt € vom 15. Januar 2008 ausgeschriebene Notarstelle in F€ mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist;2.den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 2008 zu verpflichten, über die Bewerbung des Antragstellers um die im Justizministerialblatt € vom 15. Januar 2008 ausgeschriebene Notarstelle in F€ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.
Der Antragsgegner und der Beigeladene halten die Anträge des Antragstellers für unbegründet. Für die Frage, ob einem Notarassessor gegenüber einem Notar bei der Bewerbung um eine Notarstelle grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werde, stehe der Justizverwaltung im Rahmen ihrer Organisationshoheit ein weiter Entscheidungsspielraum offen. Die Zahl der anstellungsreifen Notarassessoren einerseits und die geringe Zahl der in absehbarer Zeit planmäßig wiederbesetzbaren Notarstellen andererseits rechtfertige die Entscheidung für einen grundsätzlichen Vorrang der Bewerbungen von Notarassessoren. Ein Vorrücksystem sei im Land € bislang nicht praktiziert worden. Hinsichtlich der fachlichen Eignung bestünden keine auffälligen Unterschiede zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen. Die Notarstelle des Antragstellers unterliege aus strukturellen Gründen keiner Einziehung.
Die Notarkammer hat mit Schreiben vom 9. Juli 2008 zum Verfahren Stellung genommen. Sie hat in diesem Zusammenhang Angaben zur Alterstruktur der Notare im Land €, der Notare im Amtsbezirk F€, der Bewerber sowie der Notarassessoren im Land €, zu den planmäßig frei werdenden Notarstellen in der Zeit bis 2015 und zum Urkundenaufkommen mitgeteilt. Sie hat ferner ausgeführt: Ein Vorrücksystem werde im Land € bisher nicht praktiziert. Im Vergleich zum ausgewählten Notarassessor verfüge der Antragsteller nicht über eine auffällig oder erheblich bessere fachliche Eignung. Möglicherweise würde die jetzige Amtsstelle des Antragstellers im Falle ihrer Vakanz eingezogen werden und für die Besetzung mit einem Notarassessor nicht zur Verfügung stehen,
Der Verwaltungsvorgang des Antragsgegners 3835-I.006 sowie die Personalakten des Antragstellers und des Beigeladenen haben vorgelegen und sind Gegenstand der Verhandlung gewesen.
II.
Die zulässigen Anträge sind unbegründet und haben daher in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Anträge sind insgesamt zulässig. Der Antrag auf Aufhebung der Auswahlentscheidung vom 6. Mai 2008 und zur Neubescheidung der Bewerbung des Antragstellers ist gemäß § 111 Abs.1 BNotO statthaft. Verfahrensgegenstand ist ein €Verwaltungsakt€ (Auswahlentscheidung), der auf Grund der Bundesnotarordnung erlassen worden ist (§§ 4, 6 Abs.3 Satz 1, § 6b Abs.4, § 7 Abs.1, § 10 Abs.1 Satz 3 BNotO) und den Antragsteller möglicherweise in seinen Rechten beeinträchtigt (s. insbesondere zum Neubescheidungsantrag bei Konkurrentenstreitigkeiten etwa Eylmann/Vaasen/Custodis, BNotO, 2.Aufl.2004, § 111 Rdn.99). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach dem Rechtsgedanken des § 24 Abs.3 FGG - der nach § 111 Abs.4 Satz 2 BNotO i.V.m. § 40 Abs.4 BRAO auf das vorliegende Verfahren Anwendung findet - zulässig (s. etwa BGHZ Bd.67, S.343, 347 f.; BGH DNotZ 1993, S.59, 60; Schippel/Lemke, BNotO, 8.Aufl.2006, § 111 Rdn.48 m.w.Nw.; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6.Aufl.2008, § 111 Rdn.124 m.w.Nw.; Eylmann/Vaasen/Custodis, aaO., § 111 Rdn.163, 167). Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind form- und fristgerecht bei dem zuständigen Brandenburgischen Oberlandesgericht - Senat für Notarsachen - eingereicht worden und zutreffend gegen die Landesjustizverwaltung (Ministerium der Justiz) gerichtet (§ 111 Abs.2 Satz 1, Abs.3 und Abs.4 Satz 3 und Satz 2 BNotO [n.F.] in Verbindung mit § 37 Abs.1 und 3 BRAO [n.F.]).
2. Die Anträge sind allerdings nicht begründet.
Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners vom 6. Mai 2008 ist nicht rechtswidrig (§ 111 Abs.1 Satz 2 BNotO). Soweit dem Antragsgegner ein Ermessen zusteht, sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten und ist von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden (§ 111 Abs.1 Satz 3 BNotO).
a) Die Entscheidung, unter den Bewerbern einem Notarassessor (hier: dem Beigeladenen) gegenüber einem schon amtierenden Notar (hier: dem Antragsteller) den Vorrang einzuräumen, ist von der Organisationshoheit und dem Auswahlermessen des Antragsgegners gedeckt.
Gemäß § 4 BNotO bestimmt die Landesjustizverwaltung (§ 12 Satz 1 BNotO) im Rahmen ihrer Organisationshoheit über die Zahl und die Vergabe der Notarstellen nach Maßgabe der Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege unter besonderer Berücksichtigung des Bedürfnisses nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und der Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs. In diesem Rahmen steht der Landesjustizverwaltung ein weiter Ermessensspielraum zu (€Justizhoheit€, €Organisationsgewalt€; s. etwa BVerfG, DNotZ 2005, S.473, 475; BGH DNotZ 1996, S.906, 908 f.; Schippel/Bracker, aaO., § 4 Rdn.3; Arndt/Lerch/Sandkühler, aaO., § 4 Rdn.28; Eylmann/Vaasen/Schmitz-Valckenberg, aaO, § 4 Rdn.1 ff. m.w.Nw.). Dieser weite Ermessensspielraum besteht auch für die Entscheidung über den Antrag eines Notars auf Verlegung seines Amtssitzes nach § 10 Abs.1 Satz 3 BNotO; ein Notar hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Sitzverlegung (s. BGH DNotZ 1993, S.59, 60 ff.; DNotZ 1994, S.333, 334; DNotZ 1996, S.906, 908 f.; NotBZ 2003, S.60, 61; DNotZ 2003, S.228 ff. = NJW-RR 2003, S.562 f.; DNotZ 2004, S.230 f. = NotBZ 2003, S.349 = NJW-RR 2004, S.1067, 1068; DNotZ 2007, S.154; Schippel/Püls, aaO., § 10 Rdn.4; Eylmann/Vaasen/Schmitz-Valckenberg, aaO., § 4 Rdn.32). Demzufolge steht der Landesjustizverwaltung grundsätzlich auch ein erheblicher, gerichtlich nur beschränkt nachprüfbarer Entscheidungsspielraum zur Verfügung, wenn sich ein schon amtierender Notar und ein Notarassessor aus dem betroffenen Bundesland um eine freie Notarstelle bewerben (s. dazu BGH DNotZ 2003, S.228 ff. = NJW-RR 2003, S.562 f.; NotBZ 2003, S.60, 61; DNotZ 2004, S.230 f. = NotBZ 2003, S.349 = NJW-RR 2004, S.1067, 1068; DNotZ 2007, S.154 f.; DNotzZ 2008, S.862; NJW-RR 2008, S.1642, 1644 = ZNotP 2008, S.459, 460 f.; ZNotP 2008, S.414, 415; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 188; Schlick, ZNotP 2008, S.426, 434).
Die Landesjustizverwaltung darf € wie auch hier geschehen € unter den Bewerbern für eine frei gewordene Notarstelle einem Notarassessor gegenüber einem schon amtierenden Notar den Vorrang einräumen und ist nicht gehalten, den schon amtierenden Notar auszuwählen; es besteht kein grundsätzlicher Vorrang für den schon amtierenden Notar (vgl. BVerfG DNotZ 2005, S.473, 476 = NotBZ 2005, S.253, 254; DNotZ 2006, S.69, 71, 72; BGH DNotZ 2003, S.228 ff. = NJW-RR 2003, S.562 f.; NotBZ 2003, S.60, 61; DNotZ 2004, S.230 f. = NotBZ 2003, S.349 f.; DNotZ 2007, S.154 f.; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 188; Schlick, aaO.). Bei der Vergabe freier Notarstellen sind (anstellungsreife) Notarassessoren nach Maßgabe von §§ 4, 6 Abs.3 Satz 1, § 7 Abs.1 BNotO angemessen zu berücksichtigen (s. etwa BVerfG, DNotZ 2005, S.473, 475 = NotBZ 2005, S.253, 254; BGH NotBZ 2003, S.349; DNotZ 2007, S.154 ff.). In Bezug auf die Aussicht auf eine Anstellung als Notar obliegt der Landesjustizverwaltung gegenüber den Notarassessoren eine Fürsorgepflicht und steht den Notarassessoren ein Anwartschaftsrecht zu (s. BVerfG DNotZ 2005, S.473, 475 f. = NotBZ 2005, S.253, 254; BGH NotBZ 2003, S.60, 61; DNotZ 2003, S.228, 229 = NJW-RR 2003, S.562; DNotZ 2007, S.154 ff.; DNotZ 2008, S.862 ff.; Schippel/Bracker, aaO., § 7 Rdn.14 ff., 95; Eylmann/Vaasen/Baumann, aaO., § 7 Rdn.7; Egerland/Gergaut, DNotZ 2005, S.190 m.w.Nw.; Schlick, aaO.).
Zu dem gemäß § 6b Abs.4 Satz 1 BNotO maßgeblichen Zeitpunkt am 15. Februar 2008 befanden sich insgesamt sechs anstellungsreife Notarassessoren im Dienst des Landes €, deren dreijähriger Anwärterdienst in der Zeit zwischen 2002 und 2006 geendet hatte. Aus der maßgeblichen Perspektive des 15. Februar 2008 (§ 6b Abs.4 Satz 1 BNotO) ist mit der Besetzung weiterer frei werdender Notarstellen erst ab dem Jahre 2010 zu rechnen, so dass sich die Dauer des Notaranwärterdienstes danach auf bis zu elf Jahre verlängern würde. Bei dieser Lage bestehen keine Bedenken, wenn der Antragsgegner der Bewerbung von Notarassessoren den Vorrang einräumt. Die Ausschreibung ist entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht etwa von vornherein auf Bewerber beschränkt worden, die noch Notarassessoren sind. Mit dem ursprünglich für den Ausschreibungstext vorgesehenen Hinweis, dass sich die Ausschreibung €insbesondere€ an Notarassessoren richte, sollte lediglich die Vorentscheidung für einen grundsätzlichen Vorrang von Notarassessor-Bewerbern zum Ausdruck gebracht werden, die ihrerseits, wie dargelegt, hier keinen Bedenken begegnet und den gebotenen Spielraum für die Berücksichtigung der Bewerbung eines schon amtierenden Notars nach Maßgabe der Umstände des konkreten Einzelfalls lässt.
b) Die Belange des konkurrierenden Notar-Bewerbers (hier: des Antragstellers) hat der Antragsgegner angemessen berücksichtigt.
aa) Die Entscheidung des Antragsgegners ist nicht deshalb fehlerhaft, weil die bisherige Amtsstelle des Antragstellers einzuziehen gewesen wäre.
Es kann allerdings angezeigt sein, dem Notar-Bewerber einen Vorrang einzuräumen, wenn die bisherige Amtsstelle des Notars eingezogen werden soll (vgl. BVerfG DNotZ 2005, S.939, 941 f.; BGH DNotZ 2005, S.153; DNotZ 2004, S.230, 231 f. = NotBZ 2003, S.349, 350 = NJW-RR 2004, S.1067, 1068; DNotZ 2007, S.154, 155) - doch schließt auch dies die Auswahl des mit dem Notar konkurrierenden Notarassessors nicht zwingend aus (s. BGH DNotZ 2004, S.230, 232 f. = NotBZ 2003, S.349, 350 = NJW-RR 2004, S.1067, 1068 f.; DNotZ 2003, S.228, 229).
Dass die bisherige Amtsstelle des Antragstellers nicht mehr auskömmlich sei, macht der Antragsteller selbst nicht geltend. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller etwa auf eine Einkommensergänzung aus den Mitteln der Ländernotarkasse angewiesen wäre. In ihrem Schreiben vom 30. Juni 2008 spricht sich die Ländernotarkasse zwar gegen die Wiederbesetzung der Notarstelle des Antragstellers in G€ aus, und die von der Notarkammer mitgeteilten Zahlen zum Urkundenaufkommen für die Notarstelle in G€ in den Jahren 2005 bis 2007 (743 bis 793 bereinigte Urkunden) liegen erheblich unter dem Landesdurchschnitt (1044 bis 1058 bereinigte Urkunden). Andererseits handelt es sich um die einzige Notarstelle im Bezirk des Amtsgerichts G€, so dass eine Einziehung dieser Stelle schon aus strukturellen Gründen (§ 10a Abs.1 Satz 1 BNotO) nicht in Betracht kommt, wie der Senat dies bereits in seinem Beschluss vom 9. Mai 2006 € Not 1/05 € dargelegt hat (Umdruck, Seite 12) und hierin vom Bundesgerichtshof mit (die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers zurückweisender) Entscheidung vom 20. November 2006 € NotZ 23/06 € (juris, Rdz. 11 ff.) bestätigt worden ist.
bb) Der Antragsteller kann sich ferner nicht mit Erfolg auf die gebotene Beachtung eines €Vorrücksystems€ berufen.
Unbeschadet der Möglichkeit, bei der Besetzung einer frei gewordenen Notarstelle unter den Bewerbern einem Notarassessor gegenüber einem schon amtierenden Notar den Vorrang einzuräumen, bleibt es der Landesjustizverwaltung unbenommen, ein €Vorrücksystem€ einzuführen und/oder tatsächlich anzuwenden, das es den Notaren planmäßig ermöglichen soll, sich mit wachsendem Dienstalter auf €bessere€ Notarstellen €vorzuarbeiten€ (s. etwa BGH DNotZ 1994, S.333, 335; DNotZ 1996, S.906, 910; DNotZ 2004, S.230, 233 = NotBZ 2003, S.349, 350 = NJW-RR 2004, S.1067, 1069; DNotZ 2005, S.149; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 189; Schippel, aaO., § 10 Rdn.4; Eylmann/Vaasen/Schmitz-Valckenberg, aaO., § 6 Rdn.52; krit.: Arndt/Lerch/Sandkühler, aaO., § 7 Rdn.54 ff.). Ist ein solches €Vorrücksystem€ eingeführt und/oder praktiziert, so muss sich die Landesjustizverwaltung unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung grundsätzlich auch an dieses System halten (vgl. BGH DNotZ 2004, S.230, 232 f. = NotBZ 2003, S.349, 350 = NJW-RR 2004, S.1067, 1068; DNotZ 2004, S.887, 888; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 189; Schippel/Bracker, aaO., § 4 Rdn.3 und § 7 Rdn.95; Schlick, ZNotP 2008, S.426, 434). Es ist freilich nicht geboten, dass die Justizverwaltung ein €Vorrücksystem€ einführt oder praktiziert (s. BGH DNotZ 2004, S.230, 233 = NotBZ 2003, S.349, 350; ZNotP 2008, S.414, 416; Egerland/Gergaut, NotBZ 2005, S.190, 192 f.). Für das eher inhomogene Notariat in den neuen Bundesländern ist die Einführung eines €Vorrücksystems€ problematisch (s. Egerland/Gergaut, NotBZ 2005, S.190, 192 f.).
Der Antragsgegner hat für das Land € bislang freilich kein €Vorrücksystem€ eingeführt. Dies hat der Senat zuletzt in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2007 € Not 1/07 € eingehend dargelegt und ist vom Bundesgerichtshof mit (die dagegen eingelegte Beschwerde zurückweisender) Entscheidung vom 28. Juli 2008 € NotZ 3/08 € bestätigt worden (ZNotP 2008, S.414, 416). In der danach verstrichenen Zeit sind keine neuen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine andere Einschätzung stützen könnten.
cc) Dem Antragsteller war hier auch nicht deshalb der Vorrang zu gewähren, weil seine bisherige Amtsstelle möglicherweise für die Besetzung mit einem Notarassessor zur Verfügung steht.
Zugunsten des konkurrierenden Notar-Bewerbers kann zwar zu berücksichtigen sein, dass dieser möglicherweise selbst eine Notarstelle freimacht, die mit einem Notarassessor besetzt werden kann (s. BGH NotBZ 2003, S.349, 250; DNotZ 2007, S.154, 155, 157; DNotZ 2008, S.862, 863 f.; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 189; Schippel/Bracker, aaO., § 7 Rdn.95).
Diese Überlegung darf freilich nicht dazu führen, dass der Landesjustizverwaltung auf diesem Wege faktisch die Einführung eines €Vorrücksystems€ €aufgezwungen€ wird, indem der Notar-Bewerber bei lukrativeren Amtsstellen den Vorrang erhält und der konkurrierende Notarassessor auf die weniger lukrative bisherige Amtsstelle des Notar-Bewerbers verwiesen wird € die er wiederum nicht erhalten wird, wenn ein anderer Notar-Bewerber von einer noch weniger lukrativen Amtsstelle aus sich auf eben diese frei gewordene Amtsstelle bewerben sollte, und so fort (Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2007 € Not 1/07 €, bestätigt durch BGH ZNotP 2008, S.414, 416). Die Landesjustizverwaltung ist nicht gezwungen, ein €Vorrücksystem€ einzuführen; über dessen Einführung kann sie grundsätzlich frei befinden. Dies gilt insbesondere angesichts der im Land € gegenwärtig noch vorhandenen inhomogenen Notarstruktur; bei den hier amtierenden Notaren handelt es sich teilweise um schon zu DDR-Zeiten tätig gewesene (Staatliche) Notare; teilweise um €Quereinsteiger€, die keinen Notaranwärterdienst abgeleistet haben; teilweise um Notare oder Anwaltsnotare, die aus anderen Bundesländern nach € gewechselt sind; und schließlich teilweise um Notare, die den Notaranwärterdienst im Land € durchlaufen haben. Diese Lage unterschiedlicher Qualifikationen und beruflicher Werdegänge steht der Einführung eines Vorrücksystems entgegen. Ein Vorrücksystem gründet sich nämlich vornehmlich auf einer homogenen, seit langem gewachsenen Notarstruktur.
dd) Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich auch unter dem Gesichtspunkt der Bestenauslese als rechtmäßig.
Wird die vorausgehende, auf personalwirtschaftlichen Erwägungen beruhende Organisationsentscheidung der Sache nach € wie dies auch für den vorliegenden Fall nahe liegt € schon mit Blick auf bestimmte konkurrierende Bewerber getroffen, so sind bei auffälligen, erheblichen Eignungsunterschieden die Grundrechte aus Art. 3 Abs.1, Art. 12 Abs.1, Art. 33 Abs.2 GG zu berücksichtigen und hat damit das Prinzip der Bestenauslese Beachtung zu finden (vgl. BVerfG DNotZ 2005, S.473, 476 f. = NJW-RR 2005, S.998, 1000; BGH DNotZ 2003, S.228, 230 = NJW-RR 2003, S.562, 563; NotBZ 2003, S.349; DNotZ 2007, S.154, 155; ZNotP 2008, S.414, 415; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 188; Schlick, ZNotP 2008, S.426, 434).
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners im Verhältnis zum Antragsteller indes nicht zu beanstanden, zumal der Landesjustizverwaltung insoweit ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt (s. dazu etwa BVerfG DNotZ 2006, S.69, 70; BGHZ Bd.134, S.137, 140 f.).
Zwar verfügte der Antragsteller zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufes der Bewerbungsfrist (§ 6b Abs.4 Satz 1 BNotO; hier: 15. Februar 2008) neben guten € und: gegenüber dem Beigeladenen erheblich besseren € Ergebnissen in beiden juristischen Staatsexamina schon über eine mehr als sechsjährige Praxis als amtierender Notar; der notariellen Berufserfahrung und der speziellen Befähigung eines Bewerbers für das Amt des Notars kommt ein nicht geringes Gewicht bei der Auswahlentscheidung zu (vgl. BVerfG DNotZ 2006, S.69, 70; DNotZ 2005, S.473, 477 = NotBZ 2005, S.253, 255). Seine notarielle Tätigkeit verrichtet der Antragsteller € bei nur geringfügigen Beanstandungen € in vorbildlicher Weise. Auf der anderen Seite hatte auch der Beigeladene mit guten Beurteilungen den Notaranwärterdienst durchlaufen und insbesondere im Rahmen von Notarvertretungen sehr gute Leistungen gezeigt. Der Beigeladene ist ferner durch eine Reihe von Veröffentlichungen zu notarspezifischen Rechtsfragen und durch seine Tätigkeit als Schriftleiter bei der NotBZ hervorgetreten. Im Rahmen der Notarvertretungen hat der Beigeladene zwar nur relativ wenige praktische Erfahrungen aus dem notariellen Alltagsbetrieb sammeln können. Als Geschäftsführer der Ländernotarkasse gewann er jedoch vielfältige Einblicke in die notarielle Tätigkeit; dieses Amt hat er, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat, gerade auch im Interesse der amtierenden Notare wahrgenommen. Seiner geringeren praktischen Erfahrung stehen seine breiten und vertieften theoretischen Kenntnisse in zahlreichen für das Notaramt bedeutsamen Rechtsbereichen gegenüber. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Beigeladene fachlich nicht als auffällig, erheblich schlechter geeignet als der Antragsteller.
c) Letztlich dringt auch der Einwand des Antragstellers nicht durch, dass der Beigeladene willkürlich und unlauter bevorteilt worden sei, indem ihm die hier verfahrensgegenständliche, besonders €lukrative€ Notarstelle in F€ gleichsam €freigehalten€ und seit langer Zeit €zugedacht€ worden sei.
Nach den von der Notarkammer mitgeteilten Zahlen bewegt sich das bisherige Urkundenaufkommen für die hier streitige Notarstelle nicht deutlich oberhalb des Landesdurchschnitts. An die Begründung einer Sozietät mit dem Büro des Notars St€ ist diese Stelle nicht gebunden. Gegen eine seit langer Zeit bestehende Festlegung auf eine Zuweisung der streitigen Notarstelle an den Beigeladenen spricht, dass sich der Beigeladene bereits 2004 auf eine Notarstelle im Amtsbezirk K€ beworben und diese Bewerbung im Hinblick auf die vergleichsweise besseren Aussichten des Mitbewerbers, des Notarassessors H€ T€, zurückgezogen hatte. Letzteres hat der Beigeladene im Termin vom 2. März 2009 näher erläutert. Danach habe er sich im Zusammenhang mit dem Ablauf der Fünf-Jahresfrist für die Tätigkeit als Geschäftsführer der Ländernotarkasse €ernsthaft€ auf die Notarstelle in K€ beworben, und zwar gerade auch deshalb, weil dieser Ort von dem Familienwohnsitz in L€ aus noch halbwegs gut zu erreichen sei. Nachdem ihm signalisiert worden sei, dass er gegenüber dem konkurrierenden Notarassessor T€ wegen seiner geringen praktischen Erfahrungen wohl nicht zum Zuge kommen werde, und ihm zugleich bedeutet worden sei, dass er in seiner bisherigen Funktion noch einige Zeit benötigt werde (Abschluss von bestimmten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bzw. dem Bundesgerichtshof; Änderung der Satzung der Ländernotarkasse; Novellierung der BNotO), habe er diese Bewerbung zurückgezogen. Im Übrigen habe er sich auch auf Notarstellen im Rheinland (Nordrhein-Westfalen) beworben. Hinzu tritt, der Umstand, dass es bis zum Jahre 2007 nicht absehbar war, dass die hier verfahrensgegenständliche Notarstelle alsbald frei würde, weil die dort bislang amtierende Notarin S€ bereits im Alter von 63 Jahren € also sieben Jahre vor Erreichung der Altersgrenze (§ 48a BNotO) € in den Ruhestand getreten ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111 Abs.4 Satz 2 BNotO i.V.m. § 201 Abs.1 BRAO sowie i.V.m. § 40 Abs.4 BRAO, § 13a Abs.1 Satz 1 FGG. § 201 BRAO gilt nur für die gerichtlichen Kosten; für die außergerichtlichen Kosten ist § 13a FGG maßgeblich (s. Arndt/Lerch/Sandkühler, aaO., § 111 Rdn.179 ff.; Eylmann/Vaasen/Custodis, aaO., § 111 Rdn.234 f.; Feuerich/Weyland, BRAO, 7.Aufl.2008, § 200 Rdn.1 f. m.w.Nw. und § 201 Rdn.1; Kleine-Cosack, BRAO, 5.Aufl.2008, § 201 Rdn.1; wohl a.A.: Schippel/Lemke, aaO., § 111 Rdn.55). Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 111 Abs.4 Satz 2 BNotO i.V.m. § 202 Abs.2 BRAO i.V.m. § 30 Abs.2 KostO.
Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 02.03.2009
Az: Not W 2/08
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