Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Mai 2009
Aktenzeichen: 9 W (pat) 422/04

(BPatG: Beschluss v. 27.05.2009, Az.: 9 W (pat) 422/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 30. Oktober 2001 angemeldete und am 22. Juli 2004 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Vorrichtung zum Öffnen und Schließen mindestens einer Öffnung in einem Fahrzeugdach mit mindestens einem Deckel"

ist Einspruch eingelegt worden.

Die Einsprechende macht die Widerrufsgründe nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 4 PatG geltend. Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche gingen über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung hinaus. Diese Gegenstände seien zudem nicht mehr neu und beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Stütze ihres Vorbringens verweist sie u. a. auf die Druckschriften DE 34 25 104 A1, DE 37 40 875 A1 und EP 0 995 667 A1.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

-Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 3,

-Beschreibung und Bezugszeichenliste, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

-Zeichnungen Fig. 1 bis 4 gemäß Patentschrift.

Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen. Der beschränkt verteidigte Patentgegenstand ist nach ihrer Meinung ursprünglich offenbart, neu und durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Vorrichtung zum Öffnen und Schließen mindestens einer Öffnung in einem Fahrzeugdach mit mindestens einem Deckel (10, 30, 40), der eine formstabile Deckelplatte (13) aus Kunststoff aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Deckelplatte (13, 32, 43) wenigstens auf einer Oberflächenseite mit einer Kunststofffolie (12, 31, 41) beschichtet ist, die aus einem Material hoher Kratzfestigkeit hergestellt ist, und dass die Deckelplatte (13, 32, 43) aus einem transparenten Kunststoff hergestellt ist, und dass die Folie (12, 31, 41) mindestens eine Randkante (42) der Deckelplatte (13, 32, 43) überdeckt.

Rückbezogen schließen sich hieran die Patentansprüche 2 bis 5 an.

Der nebengeordnete Patentanspruch 6 lautet:

Verfahren zur Herstellung einer Deckelplatte einer Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, gekennzeichnet durch folgende Schritte: -Einlegen der Folie (12, 31, 41) in ein Spritzgusswerkzeug (11), und -Hinterspritzen der Folie (12, 31, 41) mit einem die Deckelplatte (13, 32, 43) bildenden Kunststoff, wobei die Folie (12, 31, 41) nach dem Einlegen in das Spritzgusswerkzeug (11) und vor dem Hinterspritzen durch einen in einer Werkzeughälfte (14) erzeugten Unterdruck tiefgezogen wird.

II.

Die Zuständigkeit des Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG a. F. begründet.

1.

Der Einspruch ist zulässig. Gegenteiliges hat auch die Patentinhaberin nicht vorgetragen.

In der Sache führt er zum Widerruf des Patents.

2.

Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig. Er ist beschränkt durch die Zusammenfassung der erteilten Patentansprüche 1, 2 und 4 und stellt im Wesentlichen eine Zusammenfassung der ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1, 2, 4 und 5 dar. Die von der Einsprechenden bemängelte ursprüngliche Offenbarung der formstabilen Deckelplatte ergibt sich sowohl aus der Definition einer Platte in der Technischen Mechanik, als auch aus den ursprünglichen Unterlagen. So ist in der die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen wiedergebenden Offenlegungsschrift, Spalte 1, Abs. 0009 angegeben, dass die Deckelplatte zusätzlich zu den dem Fachmann bekannten konstruktiven Ausgestaltungsmöglichkeiten der Deckelplatte zu deren Versteifung auch Verstärkungselemente aufweisen kann. Daraus folgt für den verständigen Fachmann ohne Weiteres, dass die Deckelplatte auch ohne Kunststofffolie allein durch ihre konstruktive Ausgestaltung ein steifes Gebilde ist. Im Sinne des Streitpatents bedeutet Steifigkeit (auch) Formstabilität (vgl. Sp. 2, Z. 57 bis 59 der OS sowie Abs. [0020], vorl. Satz der Streitpatentschrift).

Auch der geltende Patentanspruch 6 ist zulässig. Das beanspruchte Verfahren ist beschränkt durch Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 8 und 9 und ergibt sich aus den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 9 und 10 i. V. m. Spalte 2, Zeilen 34 bis 38 der Offenlegungsschrift. Dass durch das Hinterspritzen der Kunststofffolie, nachdem diese in das Spritzgusswerkzeug eingelegt wurde, nicht nur die Deckelplatte 13, sondern der Kunststoffdeckel insgesamt hergestellt wird, steht dem nicht entgegen.

3. Es kann dahinstehen, ob die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Vorrichtung nach Patentanspruch 1 neu ist. Sie beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da sie sich für einen Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Der Senat legt bei seiner folgenden Bewertung des Standes der Technik als Durchschnittsfachmann einen Maschinenbauingenieur mit Kenntnissen der Kunststoffverarbeitung und Kunststoffchemie zugrunde, der bei einem Fahrzeughersteller oder -zulieferer mit der Entwicklung und Konstruktion von Fahrzeugbauteilen, insbesondere von Dachteilen zum Öffnen und Schließen, befasst ist und über mehrere Jahre Berufserfahrung verfügt.

Nach den Angaben im Streitpatent (vgl. Abs. 0005 und 0001) soll eine Vorrichtung zum Öffnen und Schließen einer Öffnung in einem Fahrzeugdach mit mindestens einem Deckel, der eine formstabile Deckelplatte aus Kunststoff aufweist, dahingehend verbessert werden, dass sie ein möglichst geringes Eigengewicht aufweist und möglichst kratzunempfindlich ist. Das Streitpatent betrifft im Wesentlichen den Aufbau des Deckels und der Deckelplatte sowie deren Herstellung. Die eigentliche Vorrichtung zum Öffnen und Schließen einer Öffnung in einem Fahrzeugdach wird nicht weiter beschrieben.

Deckel, die eine formstabile Deckelplatte aus transparentem Kunststoff aufweisen und Bestandteil einer Vorrichtung zum Öffnen und Schließen einer Öffnung in einem Fahrzeugdach sind, sind aus dem Stand der Technik in vielfältiger Weise etwa in Form von Schiebedächern bekannt. So ist in der DE 34 25 104 A1 ein in einem Fahrzeugaufbau 1 angeordnetes Sonnendach 2 beschrieben und in Fig. 1 in seiner Offenstellung dargestellt. Das Sonnendach 2 umfasst eine schwenkbare, starre Deckelplatte 5 aus lichtdurchlässigem Kunststoff wie Polycarbonat, die in der Schließstellung eine Dachöffnung 8 verschließt (vgl. S. 6, 3. Abs.). In der Druckschrift DE 34 25 104 A1 ist weiterhin beschrieben, dass zumindest die Deckeloberseite mit einer die Kratzfestigkeit erhöhenden Schicht versehen sein kann. Solche Schichten seien für Scheiben aus Polycarbonat bekannt (vgl. S. 5, 2. Abs.).

Das Beschichten von empfindlichen Kunststoffteilen mit einem Material hoher Kratzfestigkeit ist demnach eine gängige Maßnahme. So kennt der Fachmann aus dem Fahrzeugbau das Beschichten von Kunststoffscheiben, insbesondere auch von Polycarbonatscheiben, mit Kunststofffolien, die die Funktion einer die Kratzfestigkeit erhöhenden Schicht wahrnehmen (vgl. bspw. DE 37 40 875 A1, Sp. 1, Z. 13 bis 33). Selbstverständlich muss der Fachmann darauf achten, dass das Aufbringen der Schicht zu einer dauerhaften Verbindung zwischen der aufgebrachten Schicht und dem zu beschichtenden Material führt. Dazu gehört, dass dem Ablösen der Folien an den kritischen Stellen, nämlich an den etwa dem Fahrtwind oder den Bürsten von Waschanlagen ausgesetzten Rändern, entgegengewirkt wird. Dazu muss die Folie über die Randkante des zu beschichtenden Bauteils aufgebracht werden. Dies bietet sich gerade dann an, wenn eine Folie -wie streitpatentgemäß -einem Vakuumtiefziehvorgang unterzogen wird, dazu zunächst in einem Werkzeug am Rand aufgespannt werden muss und dann zwangsläufig eine Aufkantung aufweist (vgl. bspw. EP 0 995 667 A1, Sp. 8, Abs. 0030 i. V.m Fig. 1,2).

Bei dieser Sachlage ist die durch den geltenden Patentanspruch 1 definierte Vorrichtung nicht patentfähig. Eine Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des beantragten Anspruchssatzes kann daher nicht erfolgen. Die Patentfähigkeit der Gegenstände der weiteren Patentansprüche kann dahinstehen.

Pontzen Friehe Reinhardt Dr. Höchst Ko






BPatG:
Beschluss v. 27.05.2009
Az: 9 W (pat) 422/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b992235ea260/BPatG_Beschluss_vom_27-Mai-2009_Az_9-W-pat-422-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share