Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Mai 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 153/05
(BPatG: Beschluss v. 30.05.2006, Az.: 27 W (pat) 153/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke 304 32 733 Bridge Watersist u. a. für die Waren
"Lederwaren, insbesondere Riemen, Taschen, Behältnisse (soweit in Klasse 18 enthalten) sowie Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüsseltaschen, Schirme; Bekleidungsstücke (einschließlich gewirkter, gestrickter und gewebter und Lederbekleidungsstücke) für Damen, Herren und Kinder, insbesondere Ober-, Unter-, Freizeit- und Sportbekleidungsstücke; Schuhwaren einschließlich Stiefel und Hausschuhe, Gürtel"
im Markenregister eingetragen.
Gegen die Eintragung im Umfang der oben aufgeführten Waren hat die Inhaberin der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke 108 274 THE BRIDGE gestützt auf die Waren
"Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Bekleidungsstücke (ausgenommen Strümpfe, Socken, Strumpfhosen und Unterwäsche); Kopfbedeckungen"
Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch Beschluss einer Mitarbeiterin im höheren Dienst zurückgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Marken könnten zur Kennzeichnung von identischen oder im engsten Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren eingesetzt werden. Jedoch sei selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe die jüngere Marke "Bridge Waters" nicht mit der Widerspruchsmarke "THE BRIDGE" verwechselbar. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben, weil die Marken sich in den Wortlängen und der Verschiedenheit in Anzahl, Art und Abfolge der Einzelbuchstaben in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht deutlich unterschieden. Der gemeinsame Wortbestandteil "Bridge" präge den Gesamteindruck der Marken nicht. Es handele sich vielmehr um unterschiedliche sprachlichbegriffliche Einheiten. Eine Verwechslungsgefahr unter anderen Gesichtspunkten sei weder ersichtlich noch vorgetragen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Waren, auf die sich der Widerspruch stütze, und die angegriffenen Waren der jüngeren Marke lägen nicht nur im engsten Ähnlichkeitsbereich, sondern seien weitestgehend identisch. Der Zeichenbestandteil "Bridge" nehme in der angegriffenen Marke eine beherrschende Stellung ein. Da das Substantiv "Waters" vom Verkehr ohne Weiteres als das Element verstanden werde, über das eine Brücke (Bridge) hinwegführe, sei dieses Element der jüngeren Marke als bloße Konkretisierung und mithin die jüngere Marke nicht prägend anzusehen. Somit stünde ein bloßes "Bridge" der Widerspruchsmarke gegenüber, bei der wiederum der englischsprachige Artikel "THE" hinsichtlich der kennzeichnenden Wirkung zu vernachlässigen sei. Daher sei eine unmittelbare Verwechslungsgefahr anzunehmen. Die Widersprechende stellt sinngemäß den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die teilweise Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 108 274 anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie sieht keine Ähnlichkeit zwischen den Vergleichszeichen. In keinem Fall könnten die unterschiedlichen Worbestandteile "THE" bzw. "Waters" weggelassen werden. Der bestimmte Artikel unterstreiche das Substantiv "Bridge" und weise auf eine bestimmte Brücke hin. Ebenso sei "Waters" in der jüngeren Marke nicht zu vernachlässigen, weil dieses Wort nicht als beschreibender Zusatz zu "Bridge" anzusehen sei, sondern vielmehr zu einer nicht zu trennenden Gesamtbezeichnung führe.
In der mündlichen Verhandlung haben beide Beteiligte ihre Ansichten aufrechterhalten und weiter vertieft dargelegt, wobei die Widersprechende die Auffassung vertreten hat, den Begriff "Waters" in der jüngeren Marke könne der Verkehr als beschreibenden Zusatz für eine Outdoor-Bekleidungsserie verstehen. Das führe zumindest dazu, dass die mit der jüngeren Marke gekennzeichneten Waren als eine weitere Produktlinie der Widersprechenden zugerechnet würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf die eingereichten Schriftsätze, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Senat folgt der Auffassung der Markenstelle, dass zwischen der prioritätsjüngeren Marke und der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs. 1 Buchst b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f. "Sabèl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"; BGH GRUR 2004, 783, 784 "NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRALEX"; GRUR 2004, 235, 234 "Davidoff II"). Die Bewertung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899, 901 "Marca/Adidas"; BGH GRUR 2003, 332, 334 "Abschlußstück").
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke nicht gegeben.
Die Marken können sich nach der Registerlage auf gleichen oder sehr ähnlichen Waren begegnen, die sich an breite Verkehrskreise richten und meist ohne erhöhte Aufmerksamkeit ausgewählt und erworben werden.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich; für eine relevante Steigerung oder Schwächung der Kennzeichnungskraft sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Insgesamt ist aus diesen Gründen ein großer Abstand der angegriffenen von der Widerspruchsmarke erforderlich, um Verwechslungen auszuschließen. Diesen Anforderungen wird die jüngere Marke gerecht.
Den Gesamteindruck der jüngeren Marke bestimmt die Gesamtwortfolge "Bridge Waters", wobei unmittelbare Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke "THE BRIDGE" in ihrer Gesamtheit wegen der deutlichen und unübersehbaren Unterschiede ausgeschlossen sind. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr käme nur in Betracht, wenn der Gesamteindruck von "Bridge Waters" und "THE BRIDGE" jeweils durch das Wort "BRIDGE" dergestalt geprägt würde, dass die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurückträten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnten (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rn. 235 ff. m. w. N., Rdn. 262 ff.). Hiergegen sprechen jedoch verschiedene Gesichtspunkte. Der Bestandteil "BRIDGE" ist in beiden Marken nicht in einer Weise gegenüber dem vorangestellten Bestandteil hervorgehoben, dass der andere Bestandteil zum Gesamteindruck nichts mehr beitragen würde. Auch ein Bedürfnis, die relativ kurzen und prägnanten Wortfolgen zu verkürzen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr sind die Begriffe als bestimmter Artikel und Substantiv bei der Widerspruchsmarke und als Substantiv mit erläuterndem weiteren Substantiv bei der angegriffenen Marke aufeinander bezogen und bilden jeweils einen Gesamtbegriff, den der Verkehr im Allgemeinen als solchen wahrnimmt und nicht in seine Bestandteile zerlegt. Damit scheidet eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken aus.
Auch eine Gefahr, dass die Marken in dem Sinne verwechselt werden, dass auf eine gemeinsame betriebliche Herkunft der in Einzelteilen als voneinander abweichend erkannten Zeichen geschlossen wird, besteht nicht.
Die Gefahr, dass die angegriffene Marke - im Sinne der in § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besonders angesprochenen Gefahr des gedanklichen In-Verbindung-Bringens der Zeichen - infolge einer teilweisen Übereinstimmung in einem wesensgleichen Kern dem Inhaber der älteren Marke zugeordnet wird, setzt voraus, dass maßgebliche Teile des Verkehrs die Zeichen etwa wegen ihres Sinngehalts oder ihrer Zeichenbildung aufeinander bezogen erachten (vgl. dazu BGH GRUR 1999, 735, 737 "MONOFLAM/POLYFLAM"; BGH GRUR 2004, 779 "Zwilling/Zweibrüder"; BPatG GRUR 2005, 773, 776 "Blue Bull/RED BULL"). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Widersprechende verwendet keine Zeichenserie, deren Stammbestandteil der Begriff "BRIDGE" ist. Beide Marken weisen deutliche Unterschiede in Aufbau und Sinngehalt auf, beruhen mithin auf einem unterschiedlichen Zeichenbildungsprinzip. Dem Senat, der aufgrund seiner langjährigen Zuständigkeit für Marken, die die Warenklasse 25 betreffen, mit den Branchengepflogenheiten der Bekleidungs- und Lederwarenanbieter vertraut ist, ist auch nicht bekannt, dass - wie von der Widersprechenden dargelegt - Produktlinien, die sich auf wasserfeste oder Outdoor-Produkte oder auf Wassersportausrüstung beziehen, mit dem substantivischen Zusatz "Waters" bezeichnet würden. Es besteht daher kein Anlass zu der Annahme, maßgebliche Teile des Verkehrs würden ohne Weiteres eine solche Zuordnung vornehmen. Folglich kommt auch eine Verwechslungsgefahr in diesem mittelbaren Sinne nicht in Betracht.
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.
BPatG:
Beschluss v. 30.05.2006
Az: 27 W (pat) 153/05
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