Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 19. Juni 2013
Aktenzeichen: XII ZB 357/11
(BGH: Beschluss v. 19.06.2013, Az.: XII ZB 357/11)
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 17. Juni 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 1.650 €
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Verrechnungsstelle) ist eine anwaltliche Verrechnungsstelle.
Eine Rechtsanwältin ist durch Beschluss vom 5. Mai 2009 zur Betreuerin der mittellosen Betroffenen bestellt worden. Die Betreuerin hat die ihr zustehenden Vergütungsansprüche der Verrechnungsstelle abgetreten. Die Verrechnungsstelle hat die Festsetzung und Auszahlung der für das erste Halbjahr angefallenen Betreuervergütung in Höhe von 1.650 € beantragt.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landgericht hat die dagegen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Verrechnungsstelle ihren Antrag weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg.
1. Nach der Auffassung des Landgerichts ist die Abtretung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB unwirksam.
Zwar verstoße die Abtretung der Vergütungsforderung nicht gegen § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB, weil die Rechtsanwältin personenbezogene Daten der Betroffenen in ihrer Funktion als Betreuerin und nicht aufgrund eines Mandatsverhältnisses erlangt habe. Auch sei die Betreuerin keine Amtsträgerin im Sinne von § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 iVm § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB. Ferner habe sie im Zuge der Abtretung auch nicht gegen § 49 b Abs. 4 Satz 2 BRAO verstoßen, weil sich diese Vorschrift nur auf die Anwaltsvergütung beziehe.
Die Abtretung sei aber gemäß § 134 BGB iVm § 1901 Abs. 2, 3 BGB; Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nichtig. Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit ergebe sich aus § 1901 Abs. 2, 3 BGB; Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Der Betreuer sei dem objektiven Wohl und den subjektiven Wünschen des Betroffenen verpflichtet. Es entspreche jedoch weder dem Wohl des Betroffenen noch - bei fehlender Einwilligung - dessen Wunsch, dass personenbezogene Daten, die der Betreuer in Erfahrung gebracht habe, an außenstehende Dritte weitergegeben würden, weil darin eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung als spezielle 3 Ausprägung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts liege. Zur Geltendmachung der Forderung habe die Betreuerin die Verrechnungsstelle jedenfalls darüber informieren müssen, dass sie für die Betroffene als Betreuerin bestellt worden sei, habe Angaben zur Dauer der Betreuung und den Vermögensverhältnissen der Betroffenen machen und außerdem mitteilen müssen, ob die Betroffene zu Hause oder in einem Heim lebe. Damit habe sie einen Sachverhalt offenbaren müssen, der den persönlichen Lebensbereich der Betroffenen betreffe. Dazu habe sie des Einverständnisses der Betroffenen bedurft. Ein solches liege nicht vor. Der von der Verrechnungsstelle vorgelegten "Zustimmungs- und Abtretungserklärung zur Honorarabwicklung ..." sei ein Einverständnis nicht zu entnehmen, weil diese sich ausschließlich auf Honoraransprüche eines Rechtsanwalts beziehe und bereits zwei Monate vor der Betreuerbestellung datiere.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass durch die Abtretung und die mit ihr gegenüber der Verrechnungsstelle als Zessionarin verbundenen Informationspflichten nicht gegen § 203 StGB verstoßen worden ist. Denn die zum persönlichen Lebensbereich der Betroffenen gehörenden Daten sind der Betreuerin nicht "als Rechtsanwalt" im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB anvertraut oder bekannt geworden (OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1191, 1192; MünchKommStGB/Cierniak/Pohlit 2. Aufl. § 203 Rn. 42). Die Informationen sind unabhängig von der spezifischen Berufsausübung erlangt und begründen damit keine weitergehenden Geheimhaltungspflichten, als wenn der Betreuer keiner der in § 203 Abs. 1 StGB aufgeführten Berufs- und Tätigkeitsgruppen angehört. Ob und inwiefern diese Einschränkung auch für andere Berufsgruppen einschlägig ist (vgl. OLG Dresden FamRZ 2004, 1390 - Sozialarbeiter als Verfahrenspfleger), bedarf hier keiner Entscheidung. 8 Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht eine Amtsträgereigenschaft der Betreuerin nach § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB verneint (OLG München NJW 2009, 2837, 2838).
b) Nicht zu folgen ist dem Landgericht indessen in seiner Auffassung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG iVm § 1901 Abs. 2, 3 BGB ein Verbotsgesetz darstellt.
Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot setzt allerdings nicht voraus, dass die betreffende Norm ein Verbot ausdrücklich ausspricht. Ob eine Norm ein Verbotsgesetz darstellt, ist vielmehr durch Auslegung nach ihrem jeweiligen Sinn und Zweck zu ermitteln (vgl. Staudinger/Sack/Seibl BGB [2011] § 134 Rn. 31). Die genannten Vorschriften stellen danach weder einzeln noch in einer Gesamtschau ein Verbotsgesetz dar.
Nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Bei der Geltendmachung der Betreuervergütung handelt es sich hingegen schon nicht um eine Angelegenheit des Betroffenen, sondern um eine Angelegenheit des Betreuers, die dieser ausschließlich im eigenen Interesse wahrnimmt. Daher ist auch § 1901 Abs. 3 BGB, wonach der Betreuer den Wünschen des Betroffenen zu entsprechen hat, für die Betreuervergütung nicht einschlägig. Im Übrigen dürfte es sich im Fall der Vergütung eines Verfahrensbeistands nicht anders verhalten. Aus dessen Verpflichtung, im Verfahren das Interesse des Kindes geltend zu machen (§ 158 Abs. 4 FamFG), wird sich kein gesetzliches Verbot einer Abtretung der Vergütungsforderung herleiten lassen (aA OLG Frankfurt Beschluss vom 24. August 2010 - 7 UF 54/10 - juris).
Bei dem verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich in erster Linie um ein Abwehrrecht gegen staatliche Ein-10 griffe. Darüber hinaus sind die Grundrechte im bürgerlichen Recht als objektive Wertordnung zu beachten. Dies kann allerdings, sofern nicht im Einzelfall juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, die der unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen (vgl. BGHZ 154, 146 = NJW 2003, 1658), im Rahmen der Ausfüllung zivilrechtlicher Generalklauseln nur zu einer mittelbaren Drittwirkung führen (vgl. Staudinger/Honsell BGB [2013] Einleitung zum BGB Rn. 195 ff. mwN; Staudinger/Sack/Seibl BGB [2011] § 134 Rn. 241 mwN). Die Grundrechte vermögen insoweit ein gesetzliches Verbot nicht zu begründen.
In welchem Umfang der Betreuer kraft seiner gesetzlichen Stellung zur Verschwiegenheit verpflichtet ist (vgl. Pardey BtPrax 1998, 92), bedarf keiner Entscheidung. Denn mangels einer die Abtretung erfassenden Verbotsnorm scheidet eine Nichtigkeit der Abtretung nach § 134 BGB aus.
c) Die Abtretung ist auch nicht nach § 138 BGB nichtig. Allerdings sind in diesem Zusammenhang das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen zu berücksichtigen. Diese lassen die Abtretung der Vergütungsforderung aber noch nicht ohne weiteres als sittenwidrig erscheinen. Neben legitimen Interessen des Betreuers an einer erleichterten Geltendmachung seines Vergütungsanspruchs ist vielmehr zu berücksichtigen, dass der Vergütungsanspruch (nur) zu dem spezifischen Zweck der Geltendmachung gegenüber der Staatskasse (oder dem Betroffenen) abgetreten wird. In dieser Hinsicht müssen lediglich die zur Festsetzung nach §§ 1908 i, 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB, §§ 4 ff. VBVG erforderlichen Grunddaten an die Verrechnungsstelle weitergegeben werden und werden von dieser nur dazu gebraucht, um die Höhe der Vergütung zu berechnen.
Die mit der Abtretung verbundenen Angaben beschränken sich bereits weitgehend auf Umstände, die der Betreuer bei einem Tätigwerden für den Be-15 troffenen nach außen (gegenüber einem grundsätzlich unbeschränkten Personenkreis) ohnehin offenbaren muss, um sich als zuständiger Betreuer auszuweisen und die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen; das gilt auch für den Aufenthaltsort des Betroffenen und dessen wirtschaftliche Verhältnisse. Insoweit unterscheidet sich die Stellung des Betreuers wesentlich von der eines Arztes oder Rechtsanwalts. Schließlich unterliegt die Verrechnungsstelle jedenfalls grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB). Selbst eine - unterstellt - pflichtwidrige Weitergabe personenbezogener Daten seitens der Betreuerin an die Verrechnungsstelle könnte daher nicht ohne Weiteres zur Nichtigkeit der Abtretung nach § 138 Abs. 1 BGB führen.
Dose Klinkhammer Schilling Günter Botur Vorinstanzen:
AG Limburg, Entscheidung vom 18.05.2010 - 7 XVII 280/09 -
LG Limburg, Entscheidung vom 17.06.2011 - 7 T 130/10 -
BGH:
Beschluss v. 19.06.2013
Az: XII ZB 357/11
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