Bundesgerichtshof:
Urteil vom 28. Mai 2013
Aktenzeichen: XI ZR 450/10

(BGH: Urteil v. 28.05.2013, Az.: XI ZR 450/10)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die beklagte Bank als Rechtsnachfolger seines während des Revisionsverfahrens verstorbenen Vaters (nachfolgend: Erblasser) auf Rückabwicklung zweier Beteiligungen an der V. 1 3 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V 3) sowie der V. 4 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V 4) in Anspruch.

Der Erblasser zeichnete, jeweils nach vorheriger Beratung durch den Mitarbeiter K. der Beklagten, am 16. März 2003 eine Beteiligung an V 3 im Nennwert von 50.000 € und am 24. Mai 2004 eine Beteiligung an V 4 im Nennwert von 25.000 €, jeweils zuzüglich Agio in Höhe von 5% des Nennwertes. Die Beteiligung an V 3 finanzierte der Erblasser in Höhe von 20.000 € durch ein Darlehen der Beklagten. Die Beteiligung an V 4 finanzierte er in Höhe von 11.375 € durch ein Darlehen der B. AG.

Nach dem Inhalt beider Verkaufsprospekte sollten 8,9% der Zeichnungssumme und außerdem das Agio in Höhe von 5% zur Eigenkapitalvermittlung (V 3) bzw. zur Eigenkapitalvermittlung, Platzierungsgarantie und Finanzierungsvermittlung (V 4) durch die V. AG (im Folgenden: V. AG) verwendet werden. Die V. AG durfte laut beider Prospekte ihre Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung auf Dritte übertragen. Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile an V 3 Provisionen in Höhe von 8,25% der Zeichnungssumme und für den Vertrieb der Anteile an V 4 Provisionen in Höhe von 8,45% bis 8,72% der Zeichnungssumme, ohne dass dies dem Erblasser in den Beratungsgesprächen offengelegt wurde.

Der Kläger verlangt unter Berufung auf mehrere Aufklärungs- und Beratungsfehler, Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligungen, die Rückzahlung des investierten Kapitals in Höhe von insgesamt 67.375 € zuzüglich entgangenen Gewinns in Höhe von 8% jeweils ab Zeichnung der Anlagen, die Erstattung an das Finanzamt gezahlter Zinsen in Höhe von insgesamt 3.709 €, die Erstattung von auf das Darlehen zur Finanzierung der Beteiligung V 3 gezahlter Zinsen in Höhe von 3.150,63 € sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwalts-2 kosten in Höhe von 3.729,70 €, jeweils nebst Zinsen. Des Weiteren begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von allen Verbindlichkeiten aus dem vom Erblasser bei der B. AG zur Finanzierung der Beteiligung V 4 aufgenommenen Darlehen freizustellen, ferner die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm im Zusammenhang mit den Beteiligungen entstanden ist oder noch entstehen wird, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Erblassers hat das Berufungsgericht der Klage im Wesentlichen mit Ausnahme eines Teils des entgangenen Gewinns und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben.

Nachdem der Erblasser seine Revision zurückgenommen hat, ist nur noch über die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten zu entscheiden, mit der diese weiterhin die vollständige Abweisung der Klage begehrt.

Gründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: 5 Aufgrund der hinsichtlich beider Beteiligungen zustande gekommenen Beratungsverträge sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Erblasser ungefragt darüber aufzuklären, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen erhalten habe. Bei den von der Beklagten vereinnahmten Provisionen in Höhe von 8,25% bzw. mindestens 8,45% habe es sich um aufklärungspflichtige Rückvergütungen gehandelt. Aus den Fondsprospekten sei nicht ersichtlich, dass und in welchem Umfang die dort erwähnten Provisionen der Beklagten zufließen sollten. Das zu vermutende Verschulden habe die Beklagte nicht widerlegt. Die Beklagte habe mit einer solchen Aufklärungspflicht im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Beratungen zumindest rechnen müssen.

Die unterlassene Aufklärung über die Rückvergütungen sei auch kausal für die Anlageentscheidungen des Erblassers geworden. Die Beklagte habe die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht widerlegen können. Darauf, dass eine solche Vermutung ausscheide, weil für den Erblasser mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens bestanden hätten, könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, da die von ihr aufgezeigten Verhaltensalternativen keinen konkreten Bezug zum Erblasser hätten. Da jede Anlageentscheidung individuell und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände getroffen werde, stelle auch die Tatsache, dass der Erblasser in der Vergangenheit in Kenntnis einer von der Beklagten vereinnahmten Vertriebsprovision bereits einen anderen Filmfonds gezeichnet habe, keine tragfähige Grundlage für die Schlussfolgerung dar, dass dieser Umstand bei späteren Anlageentscheidungen, bei denen eine entsprechende Aufklärung unterblieben sei, für den Erblasser bedeutungslos gewesen sei.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre aus den - nicht mehr im Streit stehenden - Beratungsverträgen nach den Grundsätzen des Bond-Urteils (Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128) folgende Pflicht, den Erblasser über die ihr zufließende Provision in Höhe von 8,25% (V 3) bzw. mindestens 8,45% (V 4) des Zeichnungskapitals aufzuklären, schuldhaft verletzt hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen in diesem Sinne sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 20 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 17).

Bei den von der Beklagten empfangenen Provisionen handelte es sich, wie der Senat für die Parallelfonds V 3 und V 4 bereits mehrfach entschieden hat, um aufklärungspflichtige Rückvergütungen im Sinne der Senatsrechtspre-10 chung (vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 26 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 18). Wie der Senat in diesem Zusammenhang ebenfalls schon mehrfach entschieden hat, konnte eine ordnungsgemäße Aufklärung des Erblassers über diese Rückvergütungen durch die Übergabe der streitgegenständlichen Fondsprospekte nicht erfolgen, weil die Beklagte in diesen nicht als Empfängerin der dort jeweils ausgewiesenen Provisionen genannt ist (Senatsbeschluss vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 27 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 22 mwN).

Schließlich hat das Berufungsgericht rechts- und verfahrensfehlerfrei ein Verschulden der Beklagten angenommen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5 ff. und vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 10 ff. sowie Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 25, jeweils mwN).

2. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand, soweit das Berufungsgericht die Kausalität der Aufklärungspflichtverletzungen für den Erwerb der Fondsbeteiligungen durch den Erblasser bejaht hat.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Erblasser hätte die Beteiligungen auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütungen erworben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" 14 gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 ff. mwN).

Das Berufungsgericht ist des Weiteren im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass diese Beweislastumkehr nicht nur dann gilt, wenn der Anleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden hat (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 30 ff. mwN), ist das Abstellen auf das Fehlen eines solchen Entscheidungskonflikts mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht vereinbar. Die Beweislastumkehr greift vielmehr bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein.

b) Die Revision rügt allerdings - wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils zu einem Parallelfall entschieden hat (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 37 ff.) - zu Recht, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten, ihr Provisionsinteresse habe keinen Einfluss auf die Anlageentscheidung des Erblassers gehabt, insgesamt als unbeachtlich angesehen und angebotene Beweise nicht erhoben hat.

aa) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht den Antrag der Beklagten auf Vernehmung des Erblassers als Partei (§ 445 Abs. 1 ZPO) für ihre Behauptung, dass der Anteil, den sie aus den im Prospekt ausgewiesenen Vertriebsprovisionen erhalten hat, für dessen Anlageentscheidungen ohne Bedeutung gewesen sei, unberücksichtigt gelassen. 18 Dem Vortrag der Beklagten lässt sich noch ein hinreichender Bezug zur Person des Erblassers entnehmen. Dem Beklagtenvortrag ist die Behauptung zu entnehmen, der Erblasser hätte die Anlagen auch bei Kenntnis von Rückvergütungen erworben. Damit wird die entscheidungserhebliche Tatsache - Fehlen der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden - unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Hätte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus gestellt, hätte die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung ohne weiteres festgestanden. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen waren zur Substantiierung des Beweisantrags daher grundsätzlich nicht erforderlich. Das gilt nicht nur für den Zeugenbeweis, sondern auch - wie vorliegend - für die Parteivernehmung nach § 445 ZPO. Für diese unmittelbare Beweisführung stand der Beklagten auch kein weiteres Beweismittel zur Verfügung, so dass der Grundsatz der Subsidiarität der Parteivernehmung nicht entgegenstand. Die Parteivernehmung nach § 445 Abs. 1 ZPO setzt keinen vorherigen sonstigen Beweis und auch nicht die Wahrscheinlichkeit der unter Beweis gestellten Behauptung voraus (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39 mwN).

Da bei der Parteivernehmung ein Missbrauch zur Ausforschung besonders naheliegt, ist zu prüfen, ob ein unbeachtlicher Beweisermittlungsantrag vorlag. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt erst dann vor, wenn der Beweisführer ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 40 mwN). Eine Ausforschung in diesem Sinne ist vorliegend zu verneinen. Die Beklagte hat Anhaltspunkte vorgetragen, die nach ihrer Auffassung zumindest in der Gesamtschau dafür sprechen, dass der Erblasser auch in Kenntnis der Rückvergütungen V 3 und 4 gezeichnet hätte. Hierzu gehört das behauptete Anlageziel des Erblassers, dass es ihm allein auf die Steuerersparnis und 21 allenfalls noch auf Renditechancen und auf das Sicherungskonzept der Schuldübernahme angekommen sei. Als weiteren Anhaltspunkt hat die Beklagte vorgetragen, der Erblasser habe bereits zuvor eine Beteiligung an den Filmfonds A I und A II in Kenntnis von Provisionszahlungen an die beratende Bank geschlossen. Angesichts dessen kann eine Behauptung ins Blaue hinein nicht angenommen werden (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 41).

bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auch den von der Beklagten vorgetragenen Hilfstatsachen (Indizien) keine Bedeutung beigemessen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 42 ff. mwN).

Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht dem unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten zum Motiv des Erblassers, sich an V 3 und 4 zu beteiligen (Steuerersparnis bzw. allenfalls noch Renditechancen und Sicherungskonzept), nicht nachgegangen.

Zwar steht der Umstand, dass ein Anleger eine steueroptimierte Anlage wünscht, für sich gesehen der Kausalitätsvermutung nicht entgegen. Ist die vom Anleger gewünschte Steuerersparnis aber nur mit dem empfohlenen Produkt oder anderen Kapitalanlagen mit vergleichbaren Rückvergütungen zu erzielen, kann dies den Schluss darauf zulassen, dass an die Bank geflossene Rückvergütungen für die Anlageentscheidung unmaßgeblich waren (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 53 mwN).

Dem Vortrag der Beklagten kann entnommen werden, dass sie behauptet, dem Erblasser sei es vordringlich um die bei V 3 und 4 zu erzielende Steuerersparnis gegangen, die alternativ nur mit Produkten zu erzielen gewesen sei, bei denen vergleichbare Rückvergütungen gezahlt worden seien. Das Beru-23 fungsgericht hat diesen Vortrag zu Unrecht nicht gewürdigt und den insoweit angetretenen Beweis durch Vernehmung des Beraters K. als Zeugen unbeachtet gelassen.

cc) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auch der Tatsache, dass der Erblasser bereits zuvor die Filmfonds A I und A II gezeichnet hatte, bei denen die Beklagte Provisionen in Höhe von jeweils 8,5% des Zeichnungskapitals erhielt, keine Bedeutung beigemessen.

Relevante Indizien für die fehlende Kausalität können sich sowohl aus dem vorangegangenen als auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben. Insbesondere die Kenntnis des Anlegers von Provisionen oder Rückvergütungen, die die beratende Bank bei vergleichbaren früheren Anlagegeschäften erhalten hat, kann ein Indiz dafür sein, dass der Anleger die empfohlene Kapitalanlage auch in Kenntnis der Rückvergütung erworben hätte. Hat ein Anleger in Bezug auf eine vergleichbare Kapitalanlage, die er vor oder nach der streitgegenständlichen erworben hat, erst nach dem Erwerb der jeweiligen Beteiligung Kenntnis von Rückvergütungen erhalten, so kann sich ein Indiz für die fehlende Kausalität der unterlassenen Mitteilung über Rückvergütungen auch daraus ergeben, dass der Anleger an vergleichbaren - möglicherweise gewinnbringenden - Kapitalanlagen festhält und nicht unverzüglich Rückabwicklung wegen eines Beratungsfehlers begehrt (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 50).

Nach dem revisionsrechtlich zugunsten der Beklagten zu unterstellenden Vortrag der Beklagten ist der Erblasser bei A I und A II über die dort an die Beklagte geflossenen Vergütungen aufgeklärt worden. Hatte der Erblasser aber Kenntnis davon, dass die Beklagte bei A I und A II eine Provision in Höhe von jeweils 8,5% erhielt und zeichnete er die Anlage trotzdem, so ist das ein ge-27 wichtiges Indiz dafür, dass er sich auch bei Kenntnis der Rückvergütungen bei V 3 und 4 nicht von einer Beteiligung hätte abhalten lassen.

III.

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Das Berufungsgericht wird der Beklagten im Hinblick auf das Ableben des Erblassers während des Revisionsverfahrens Gelegenheit zu geben haben, für ihre Behauptung, dass der Anteil, den sie aus den im Prospekt ausgewiesenen Vertriebsprovisionen erhalten hat, für die Anlageentscheidung des Erblassers ohne Bedeutung gewesen sei, ergänzend vorzutragen und Beweis anzutreten. Außerdem wird es die Behauptung der Beklagten zu würdigen haben, dem Erblasser sei es allein um die bei V 3 und 4 zu erzielende Steuerersparnis gegangen, die alternativ nur mit Produkten zu erzielen gewesen sei, bei denen vergleichbare Rückvergütungen gezahlt worden seien. Hierzu wird es den Zeugen K. zu vernehmen und gegebenenfalls weitere von der Beklagten zu benennende Beweise zu erheben haben (vgl. auch Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 42 ff.).

2. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung die Kausalitätsvermutung in Bezug auf verschwiegene Rückvergütungen als widerlegt ansehen, wird es einer Haftung der Beklagten wegen falscher Darstellung der Kapitalgarantie nachzugehen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 13 ff.; vgl. auch Henning, WM 2012, 153 ff. 30 mwN). Sollte das Berufungsgericht insoweit eine Aufklärungspflichtverletzung bejahen, dürfte die Widerlegung der dann eingreifenden Kausalitätsvermutung bereits nach dem Vortrag der Beklagten, dem Erblasser sei es auch auf das Sicherungskonzept der Schuldübernahme angekommen, ausscheiden.

3. Bezüglich der nur vorsorglichen Revisionsangriffe gegen die vom Berufungsgericht zuerkannten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten weist der Senat auf Folgendes hin:

Die Revision hat keinen Erfolg mit ihrem Einwand, es bestehe allenfalls Anspruch auf Ersatz einer Gebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG, weil es sich bei dem vorgerichtlichen Schreiben des Klägervertreters vom 18. April 2008 um ein vorformuliertes Massenschreiben gehandelt habe. Bei dem Anspruchsschreiben handelt es sich offensichtlich nicht um ein solches "einfacher Art" (vgl. Jungbauer in Bischof, RVG, 5. Aufl., VV 2302 Rn. 6; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., VV 2302 Rn. 3 mwN). Im Übrigen kommt es nicht nur auf die tatsächlich entfaltete Tätigkeit des Rechtsanwalts, sondern maßgeblich auf Art und Umfang des erteilten Mandats an (BGH, Urteil vom 23. Juni 1983 - III ZR 157/82, NJW 1983, 2451, 2452 zu § 120 Abs. 1 BRAGO).

Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass das Anspruchsschreiben auch auf einem Mandat zur gerichtlichen Forderungsdurchsetzung beruhen könnte und in diesem Fall durch die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG abgegolten wäre (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 RVG; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., VV 2300, 2301 Rn. 6; Onderka/Wahlen in Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 6. Aufl., VV Vorbem. 2.3 Rn. 12 f. mwN). Ob auch eine Verfahrensgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entstanden ist, hängt wiederum von Art und Umfang des vom Erblasser erteilten Mandats ab, wozu der Kläger bislang noch nicht ausreichend vorgetragen hat. Ein nur be-33 dingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG, entgegen der Auffassung der Revision, allerdings nicht entgegen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1968 - VI ZR 159/67, NJW 1968, 2334, 2335; OLG Celle, JurBüro 2008, 319; OLG Hamm, NJW-RR 2006, 242; Jungbauer in Bischof, RVG, 5. Aufl., Vorbem. 2.3 VV Rn. 27; Schons in Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., 2300 VV Rn. 18; aA OLG München, WM 2010, 1622, 1623; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., VV 2300 Rn. 3).

Der Revision ist des Weiteren zuzugeben, dass ein Schädiger nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur jene durch das Schadensereignis verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen hat, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteile vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn. 5 und vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446, jeweils mwN). Ist der Schuldner bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2006, 242, 243;

OLG Celle, JurBüro 2008, 319; OLG München, WM 2010, 1622, 1623). Insoweit kommt es allerdings auf die Gesamtumstände des Einzelfalls an, deren Würdigung dem Tatrichter obliegt (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 70).

Wiechers Joeres Ellenberger Matthias Menges Vorinstanzen:

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 26.03.2010 - 2-5 O 224/08 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 24.11.2010 - 19 U 125/10 -






BGH:
Urteil v. 28.05.2013
Az: XI ZR 450/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b9d604de37f6/BGH_Urteil_vom_28-Mai-2013_Az_XI-ZR-450-10




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