Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 2. Oktober 2007
Aktenzeichen: OVG 12 B 9.07, OVG 12 B 9/07

(OVG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 02.10.2007, Az.: OVG 12 B 9.07, OVG 12 B 9/07)

1. Der Einsichtsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln erstreckt sich grundsätzlich lediglich auf solche amtlichen Informationen, die tatsächlich bei der Behörde vorhanden sind. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Eingang des Antrags auf Akteneinsicht bei der Behörde. Gibt eine Behörde Akten oder Teile einer Akte in Kenntnis der beantragten Akteneinsicht und vor Einsichtsgewährung aus der Hand, ist sie ausnahmsweise verpflichtet, diese wieder zu beschaffen.2. Zu einem Verwaltungsvorgang gehören regelmäßig solche Akten bzw. Aktenbestandteile, die ersichtlich für die Entscheidung von Bedeutung sein können und die die Behörde selbst ihrer Entscheidung zu Grunde legen will bzw. legt. Dies gilt insbesondere für Unterlagen, die ein Antragsteller im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens einreicht bzw. deren Vorlage die Behörde zur Prüfung des jeweiligen Begehrens verlangen kann bzw. muss.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Mai 2006 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie vom 7. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vom 27. Februar 2002 verpflichtet, dem Kläger auch in die Teile der die Tarife der Beigeladenen betreffenden Genehmigungsvorgänge 1999 und 2001 Akteneinsicht zu gewähren, die nach dem Widerspruchsbescheid von der Einsichtnahme ausgeschlossen sind.

Die Kosten beider Rechtszüge tragen der Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Beigeladene können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über ein Akteneinsichtsrecht des Klägers in Unterlagen betreffend die Genehmigung von Tarifen der Beigeladenen.

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe genehmigte die Abfall- und Straßenreinigungstarife der Beigeladenen, einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, für die Kalkulationsperiode 1999/2000 mit Bescheid vom 31. März 1999 sowie für die Kalkulationsperiode 2001/2002 mit Bescheid vom 21. März 2001.

Der Kläger - ein eingetragener Verein von Berliner Grundstückseigentümern und selbst Eigentümer eines Grundstücks in Berlin - beantragte (zuletzt) unter dem 21. Februar 2001 bei dem Beklagten Einsicht in die dort geführten Akten zur Genehmigung der €derzeitigen Tarife sowie der von der BSR beantragten künftigen Tarife für die Abfallentsorgung und Straßenreinigung€ einschließlich der Kalkulationsunterlagen. Der Kläger befürchtet eine Unbilligkeit der Tarifgestaltung, insbesondere eine Quersubventionierung gewerblicher Tätigkeiten der Beigeladenen mit Entgelten aus deren hoheitlicher Tätigkeit.

Mit Bescheid vom 7. März 2001 entsprach die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie dem Akteneinsichtsantrag des Klägers, soweit €der zur Akteneinsicht aufbereitete Vorgang€ den Antrag der Beigeladenen auf Tarifgenehmigung 1999, die Beauftragung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie den Genehmigungsbescheid vom 31. März 1999 enthalte. Der weitergehende Antrag wurde hinsichtlich des Gutachtens 1999 und der dem Tarifantrag beigefügten Kalkulationsgrundlagen wegen bestehender Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zurückgewiesen und hinsichtlich des Tarifgenehmigungsverfahrens 2001 unter Hinweis auf das nicht abgeschlossene Verfahren insgesamt abgelehnt. Dem hiergegen erhobenen Widerspruch half die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2002 insoweit ab, als sie dem Kläger Akteneinsicht in das Gutachten 1999 - mit Ausnahme der Seiten 15 - 22 und 28 - 32 -, den Antrag der Beigeladenen auf Tarifgenehmigung 2001, die Beauftragung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie den Genehmigungsbescheid vom 21. März 2001, das Gutachten 2001 - mit Ausnahme der Seiten 19 - 27 - sowie in Teile der Kalkulationsunterlagen gewährte; im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.

Mit Schreiben vom 26. April 2006 hat der Beklagte alle von der Beigeladenen übersandten Unterlagen aus den Tarifgenehmigungsverfahren 1999 und 2001 an diese zurückgesandt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er erklärt, bis zum Jahre 2004 seien die von der Beigeladenen vorgelegten Kalkulationsunterlagen sowie die Gutachten zur Tarifkalkulation neben dem Genehmigungsvorgang in einem Schrank abgelegt worden, ohne dass es eine willentliche Entscheidung gegeben habe, diese Unterlagen zum amtlichen Vorgang zu nehmen. Seit 2004 bestehe bei allen Tarifgenehmigungsverfahren die Praxis, nach Rechtskraft des jeweiligen Bescheides alle von den Antragstellern zur Glaubhaftmachung ihrer Tarife dem Antrag beigefügten Unterlagen an diese zurückzugeben. Lediglich die Unterlagen, die Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gewesen seien, habe die Behörde aus Respekt vor dem Gericht zurückgehalten. Nach der Verhandlung vor der erkennenden Kammer in einer Parallelsache am 25. April 2006 seien auch diese Unterlagen zurückgeschickt worden. Dabei habe es sich um einen schmalen Ordner mit der Bezeichnung €nicht zur Akteneinsicht freigegeben€ gehandelt. Inhalt seien die Kalkulationsunterlagen und die fehlenden Seiten aus den Gutachten bzw. ein Originalgutachten 2001 gewesen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. Mai 2006 abgewiesen, da die streitigen Unterlagen - das Kurzgutachten 1999, das Gutachten 2001 sowie die Kalkulationsunterlagen der Beigeladenen für die beiden Kalkulationsperioden 1999/2000 und 2001/2002 - vom Beklagten nicht (mehr) €geführt€ würden. Eine öffentliche Stelle führe Akten im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln, wenn die Akten tatsächlich vorhanden seien und die öffentliche Stelle sie - nach ihrem jeweiligen Organisationsrecht - auf Dauer anlege. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei nach dem materiellen Recht derjenige der letzten mündlichen Verhandlung. Denn das Akteneinsichtsrecht könne nur realisiert werden, wenn die Akten von der öffentlichen Stelle noch geführt würden. Es sei daher nicht erheblich, ob der Beklagte Unterlagen - insbesondere das von ihm in Auftrag gegebene, mit einer Original-Zeichnungsleiste versehene Kurzgutachten 1999 - früher geführt habe. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung führe der Beklagte die streitigen Unterlagen nicht mehr, da diese tatsächlich nicht mehr vorhanden seien, nachdem er sie Ende April 2006 der Beigeladenen wieder übergeben habe. Dies entspreche dem Organisationsrecht des Beklagten, der diese Unterlagen seit 2004 nicht mehr auf Dauer anlege.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, unter welchen Voraussetzungen Akten als von einer öffentlichen Stelle €geführte€ Akten anzusehen seien.

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, er habe Anspruch auf Einsicht in die nach dem Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2002 von der Einsichtnahme ausgeschlossenen Teile der die Tarife der Beigeladenen für den öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbereich der Abfallentsorgung und Straßenreinigung durch die Senatsverwaltung aus den Jahren 1999 und 2001 betreffenden Genehmigungsvorgänge. Bei den streitigen Unterlagen handele es sich um von einer öffentlichen Stelle geführte Akten, da der in § 3 Abs. 2 IFG Bln niedergelegte Aktenbegriff umfassend zu verstehen sei. Gegenstand einer Akte werde ein Datenträger, wenn er funktional dazu bestimmt sei, einem Vorgang zuzugehören, und zwar unabhängig von der subjektiven Entscheidung des Beklagten. Die streitigen Unterlagen seien notwendige Voraussetzung für die Genehmigung der Tarife der Jahre 1999 und 2001 gewesen. Insoweit liege zumindest eine konkludente willentliche Entscheidung vor, sie zum amtlichen Vorgang zu nehmen mit der Folge, dass sie Teil der Amtsakte geworden seien. Sein Einsichtsanspruch sei auch nicht durch die Rückgabe der streitigen Unterlagen an die Beigeladene untergegangen. Von dem grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei vorliegend eine Ausnahme angezeigt. Es sei mit dem Grundgedanken des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes nicht vereinbar, wenn eine Behörde den Anspruch auf Akteneinsicht allein dadurch vereiteln könne, dass sie die betreffenden Akten zu einem beliebigen Zeitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an Dritte übergebe und sich darauf berufe, sie führe die Akten nicht mehr. Das Informationsrecht könne so vollständig ausgehebelt werden. Der Beklagte sei daher verpflichtet, die an die Beigeladene zurückgegebenen Akten, zumindest die Gutachten, wieder zu beschaffen, damit der Anspruch auf Akteneinsicht erfüllt werden könne.

In der Sache verlange er Einsicht in die Genehmigungsvorgänge 1999 und 2001, um die Einhaltung des gebührenrechtlichen Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips überprüfen zu können. Dazu genügten die Informationen über diejenigen Kosten, die bei der hoheitlich ausgestalteten Tätigkeit der Beigeladenen anfielen. Diese stellten nach dem Vorbringen der Beigeladenen keine schützenswerten Geschäftsgeheimnisse dar, da sie bei ihrer hoheitlichen Tätigkeit nicht im Wettbewerb mit anderen Unternehmen stehe. Die bisher gewährte Akteneinsicht ermögliche keine inhaltliche Überprüfung der Tarifkalkulation. Die zur Verfügung gestellten Feststellungen der Gutachten ließen auf Grund ihres Zustandekommens inhaltliche Zweifel an der Richtigkeit aufkommen, da das Gutachten 1999 innerhalb von zwei Tagen erstellt worden sei und den Prüfern beispielsweise der doppelte Ansatz von Kosten der Straßenreinigung in Höhe von rund 15 Mio Euro nicht aufgefallen sei. Auch sei aufgrund konkreter Hinweise eine Quersubventionierung der gewerblichen Tätigkeit der Beigeladenen durch die Entgelte aus dem öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbereich mit Anschluss- und Benutzungszwang zu befürchten. Schließlich überwiege sein Informationsinteresse ein etwaiges schutzwürdiges Interesse der Beigeladenen an der Geheimhaltung, da gewichtige Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass ihre Kalkulation fehlerhaft und rechtswidrig sei. Dies habe der Rechnungshof von Berlin bereits mehrfach festgestellt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie vom 7. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vom 27. Februar 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Akteneinsicht auch in die Teile der Genehmigungsvorgänge 1999 und 2001 zu gewähren, die nach dem Widerspruchsbescheid von der Einsichtnahme ausgeschlossen seien,

hilfsweise,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie vom 7. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vom 27. Februar 2002 zu verpflichten, seinen Antrag vom 21. Februar 2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

hilfsweise,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Bescheid der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie vom 7. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vom 27. Februar 2002 rechtswidrig und der Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihm Akteneinsicht auch in Teile der Genehmigungsvorgänge 1999 und 2001 zu gewähren, die nach dem Widerspruchsbescheid von der Einsichtnahme ausgeschlossen seien,

hilfsweise,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Bescheid der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie vom 7. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vom 27. Februar 2002 rechtswidrig gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, der geltend gemachte Einsichtsanspruch müsse bereits daran scheitern, dass ihm die strittigen Unterlagen nicht mehr zur Verfügung stünden und § 3 Abs. 1 IFG Bln nur das Recht einräume, Einsicht in von öffentlichen Stellen geführte Akten zu nehmen. Eine Wiederbeschaffungspflicht für zurückgeschickte Akten lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Selbst wenn sich die Unterlagen noch in seinem Gewahrsam befänden, wäre kein Einsichtsrecht gegeben, weil die strittigen Unterlagen nicht von ihm geführt würden. Das Informationsfreiheitsgesetz regele nicht, welche Akten wie anzulegen und aufzubewahren seien oder welchen Inhalt angelegte Akten haben müssten. Dies sei allein Gegenstand innerdienstlicher Regelungen und werde letztlich von den die Vorgänge bearbeitenden Stellen eigenverantwortlich entschieden und gehandhabt. Bei den strittigen Unterlagen habe es sich nicht um eigene Akten gehandelt und diese seien auch nicht Teil der eigenen Vorgänge geworden, es seien lediglich Beiakten gewesen. Diese dienten zwar wesentlich dem Erkenntnisgewinn für den behördlichen Vorgang der Tarifgenehmigung, würden aber nur Teil des Vorgangs, soweit die Behörde Kopien oder Textauszüge in die Behördenakte integriere.

Auch die Beigeladene vertritt die Ansicht, der Anspruch des Klägers auf Akteneinsicht sei mit der zulässigen Rückgabe der Akten untergegangen und schließt sich insoweit dem Vorbringen des Beklagten an.

Im Übrigen beruft sie sich auf das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses und führt zur Begründung aus, sie entsorge nicht nur Abfälle, die ihr aufgrund eines Anschluss- und Benutzungszwangs überlassen würden, sondern nehme schon seit langem sowohl im Abfallbereich als auch auf dem Reinigungssektor am marktwirtschaftlichen Wettbewerb teil. Organisatorisch, nicht buchhalterisch, führe sie jedoch einen einheitlichen Geschäftsbetrieb der Art, dass bei ihr räumlich, sachlich und personell nicht zwischen der öffentlich-rechtlichen und der gewerblichen Tätigkeit unterschieden werde. Diese Betriebsweise führe dazu, dass die Entsorgungskosten nur einmal einheitlich anfielen und dem öffentlich-rechtlichen wie dem gewerblicher Bereich lediglich buchhalterisch anteilig zugeordnet werden könnten. Die sich daraus ergebende Identität der Kosten für beide Bereiche habe zur Folge, dass die ihrer gewerblichen Tätigkeit zugrunde liegende Kalkulation für einen Konkurrenten berechenbar sei. Aus diesem Grund müsse sie auch die den hoheitlichen Bereich betreffenden Daten geheim halten.

Schließlich sei das Einsichtsinteresse des Klägers angesichts der Tatsache, dass die Untersuchungen des Rechnungshofes von Berlin und des Sonderausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses keine Quersubventionierung ergeben hätten, als eher unterdurchschnittlich zu bewerten.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten, der vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 7. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2002 ist rechtswidrig, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Einsicht auch in die Teile der die Tarife der Beigeladenen betreffenden Genehmigungsvorgänge 1999 und 2001, die nach dem Widerspruchsbescheid von der Einsichtnahme ausgeschlossen sind.

1. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz - IFG) vom 15. Oktober 1999 (GVBl. S. 561), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2005 (GVBl. S. 791), im Folgenden IFG Bln. Danach hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG Bln aufgeführten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten.

Der Kläger gehört als eingetragener Verein zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 3 Abs. 1 Satz 2 IFG Bln). Die den Beklagten vertretende Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz ist als Behörde des Landes Berlin nach § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln eine auskunftsverpflichtete öffentliche Stelle.

Bei den von der Beigeladenen zur Genehmigung der Abfall- und Straßenreinigungstarife für die Kalkulationsperioden 1999/2000 und 2001/2002 vorgelegten Unterlagen handelt es sich auch um Akten im Sinne des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes, die von der Senatsverwaltung geführt werden.

32Entsprechend dem Gesetzeszweck, an dem Informationsbestand der Verwaltung zu partizipieren bzw. deren Verhalten zu kontrollieren, erstreckt sich der Einsichtsanspruch grundsätzlich lediglich auf solche amtlichen Informationen, die tatsächlich bei der Behörde vorhanden sind (vgl. zum Informationsfreiheitsgesetz des Bundes - im Folgenden IFG -: Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 2 Rn. 11, 13; Scheel, in: Berger/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 2 Rn. 24; BFH, Beschluss vom 16. Mai 2000, NVwZ 2000, 1334; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30. März 2005, NordÖR 2005, 208). Informationen sind vorhanden, wenn sie tatsächlich und dauerhaft vorliegen sowie Bestandteil der Verwaltungsvorgänge geworden sind. Letzteres bestimmt sich nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Aktenführung, die der Verwaltung hinsichtlich der Entscheidung, was zu den Akten genommen wird, jedoch durchaus Spielräume eröffnen (vgl. Rossi, a.a.O., § 2 Rn. 12).

Die streitgegenständlichen Unterlagen sind Bestandteil des Genehmigungsvorgangs geworden. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, die Kalkulationsunterlagen der Beigeladenen und die Wirtschaftsprüfergutachten seien nicht Teil seiner eigenen Akten geworden, es habe sich lediglich um Beiakten gehandelt.

34Selbst bei Berücksichtigung eines gewissen Spielraums obliegt Behörden die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 29 Rn. 11; Ziekow, VwVfG, 2006, § 29 Rn. 3; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 29 Rn. 39; BVerwG, Beschluss vom 16. März 1988, NVwZ 1988, 621; BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1983, NJW 1983, 2135). Diese kann zwar nicht mit den Mitteln des Informationsfreiheitsgesetzes durchgesetzt werden, regelmäßig gehören jedoch solche Akten bzw. Aktenbestandteile zu einem Verwaltungsvorgang, die ersichtlich für die Entscheidung von Bedeutung sein können und die die Behörde selbst ihrer Entscheidung zu Grunde legen will bzw. legt (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 29 Rn. 14; Ziekow, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 16. März 1988, a.a.O.). Dies gilt insbesondere für Unterlagen, die ein Antragsteller im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens einreicht bzw. deren Vorlage die Behörde zur Prüfung des jeweiligen Begehrens verlangen kann bzw. muss.

Den Anträgen der Beigeladenen auf Genehmigung ihrer Tarife für die Jahre 1999/2000 und 2001/2002 waren umfangreiche Kalkulationsunterlagen beigefügt. Darüber hinaus lagen dem Beklagten von ihm in Auftrag gegebene Gutachten einer Wirtschaftsprüfergesellschaft zu den Tarifkalkulationen der Beigeladenen für 1998/1999 bzw. 2000/2001 vor. Diese Unterlagen standen im Zentrum des Genehmigungsverfahrens und bildeten ersichtlich die wesentliche, wenn nicht sogar die einzige Entscheidungsgrundlage der Behörde. Insbesondere auf die Wirtschaftsprüfergutachten nehmen die Genehmigungsbescheide vom 31. März 1999 und 21. März 2001 in ihrer Begründung ohne nähere Ausführungen maßgeblich Bezug. Damit sind die streitgegenständlichen Unterlagen jedenfalls inhaltlicher bzw. materieller Bestandteil der Akten geworden, und zwar unabhängig davon, ob sie unmittelbar zu den eigentlichen Verwaltungsvorgängen genommen oder als Beiakten geführt worden sind. Vor diesem Hintergrund durfte der Beklagte die Kalkulationsunterlagen und die Wirtschaftsprüfergutachten nicht an die Beigeladene zurückgeben.

Der Anspruch des Klägers auf Akteneinsicht ist nicht durch die Rückgabe der Unterlagen an die Beigeladene untergegangen.

37Zwar besteht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz keine generelle Verpflichtung der Behörden, nicht vorhandene Akten zu beschaffen (vgl. zum IFG Scheel, § 2 Rn. 24), mit der Folge, dass grundsätzlich auch kein Anspruch auf Wiederbeschaffung von Akten oder Daten besteht, über die die Behörde aus irgendwelchen Gründen, z.B. Aussonderung, Rückgabe von Beweismittelunterlagen an den Berechtigten, Diebstahl usw., nicht mehr verfügt (vgl. Rossi, a.a.O., § 2 Rn. 19; BFH, Beschluss vom 16. Mai 2000, a.a.O.; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30. März 2005, a.a.O.). Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich das Einsichtsbegehren auf Akten oder Teile einer Akte bezieht, die bei Eingang des Antrags bei der Behörde vorhanden sind (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt Rossi, a.a.O., § 2 Rn. 13, 19; Scheel, a.a.O.; BFH, Beschluss vom 16. Mai 2000, a.a.O.), von dieser aber in Kenntnis der beantragten Akteneinsicht und vor Einsichtsgewährung aus der Hand gegeben werden. In einem solchen Fall ist die Behörde verpflichtet, die betreffenden Akten wieder zu beschaffen (vgl. Rossi, a.a.O., § 2 Rn. 19; Bonk/Kallerhoff, a.a.O., § 29 Rn. 39; BFH, Beschluss vom 16. Mai 2000, a.a.O.).

Vorliegend steht fest, dass die streitgegenständlichen Unterlagen zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Beklagten vorhanden gewesen sind und eine Wiederbeschaffung im Hinblick auf die vom Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2007 abgegebenen Erklärungen möglich ist. Damit ist der Beklagte zur Wiederbeschaffung verpflichtet.

2. Der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln bestehende Anspruch des Klägers, auch die Teile der die Tarife der Beigeladenen betreffenden Genehmigungsvorgänge 1999 und 2001, die nach dem Widerspruchsbescheid von der Einsichtnahme ausgeschlossen sind, einzusehen, ist nicht durch § 7 Satz 1 IFG Bln ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, soweit dadurch ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis offenbart wird oder den Betroffenen durch die Offenbarung ein nicht nur unwesentlicher wirtschaftlicher Schaden entstehen kann, es sei denn, das Informationsinteresse überwiegt das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung.

a) Allgemein ist unter einem Geschäftsgeheimnis jede auf die kaufmännische Seite eines Unternehmens bezogene Tatsache zu verstehen, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich ist und an deren Geheimhaltung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006, BVerfGE 115, 205 ff.).

Bei den in den streitgegenständlichen Unterlagen enthaltenen Angaben, z.B. zu den Umsätzen, Ertragslagen, Marktstrategien und Kalkulationen der Beigeladenen, handelt es sich um Informationen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Betriebs maßgeblich bestimmt werden und die nach dem erklärten Willen der Beigeladenen nach wie vor geheim gehalten werden sollen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beigeladene in mehreren zivilrechtlichen Prozessen über die Billigkeit ihrer Tarife gegenüber den jeweiligen Tarifkunden ihre Kalkulation offen gelegt hat. Damit hat sie sich weder grundsätzlich ihres Geheimhaltungswillens begeben, noch sind die genannten Informationen dadurch offenkundig, d.h. jedermann bekannt oder ohne weiteres zugänglich geworden (vgl. dazu Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, UWG § 17 Rn. 6). Dies ergibt sich bereits daraus, dass die von der Beigeladenen im Zivilprozess offen zu legenden Daten nicht identisch sind mit den beim Beklagten eingereichten Genehmigungsunterlagen. Zwar muss die Beigeladene im Rahmen der sie zivilprozessual treffenden Darlegungs- und Beweislast schlüssig und substanziiert die Einhaltung des Kostendeckungsprinzips darlegen und insoweit ihre Kalkulationsgrundlagen erläutern sowie ggf. beweisen, sie ist jedoch nicht verpflichtet, ihre betriebswirtschaftliche Kalkulation im Einzelnen vorzutragen oder Einblick in ihre Tarifkalkulation zu geben (vgl. u.a. LG Berlin, Urteile vom 2. September 2004 - 48 S 115/2004 - und vom 16. Februar 2005 - 48 S 34/2004 -; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991, MDR 1992, 346; Urteil vom 10. Oktober 1991, BGHZ 115, 311). Unabhängig hiervon ist weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Unterlagen außerhalb der geführten Zivilprozesse allgemein oder etwaigen Konkurrenten bekannt geworden wären.

Nicht unerheblichen Zweifeln begegnet allerdings das darüber hinaus erforderliche objektiv schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen.

Dabei muss es sich um ein Interesse von wettbewerbsrechtlicher Relevanz handeln. Ob und ggf. welche Bedeutung eine Information für mögliche Konkurrenten hat oder inwieweit ihre Offenbarung die Marktposition des betroffenen Unternehmens zukünftig schwächen kann, lässt sich insbesondere anhand der Frage beurteilen, ob die Kenntnis bestimmter Daten Rückschlüsse auf die Betriebsführung, die Wirtschafts- und Marktstrategie und/oder die Kostenkalkulation und Entgeltgestaltung des Unternehmens zulässt (vgl. Rossi, a.a.O., § 6 Rn. 75; Mecklenburg/Pöppelmann, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 6 Rn. 45, 46; Köhler, a.a.O., UWG § 17 Rn. 9). Dies hat die Beigeladene weder in nachvollziehbarer Weise dargetan noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich.

Die Beigeladene nimmt im Bereich des Sammelns und Transportierens von gewerblichen Abfällen (vgl. früher: €hat-hat€-Regelung, jetzt: Verordnung zum Ausschluss von Abfällen von der Annahme bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR) vom 4. Oktober 2006 <GVBl. S. 1050>) sowie bei der Abfallverwertung am marktwirtschaftlichen Wettbewerb teil. Ebenso befindet sie sich bei der Reinigung der im Straßenreinigungsverzeichnis C genannten Straßen und sämtlicher Gehwege bzgl. des Winterdienstes im Wettbewerb zu anderen Anbietern. Darüber hinaus hat die Beigeladene erstinstanzlich angegeben, sie bewerbe sich etwa bei Ausschreibungen (z.B. Reinigung der Straßen nach der Loveparade), betreibe zusammen mit anderen Unternehmen Müllverbrennungsanlagen und führe gewerbliche Autoreparaturen, z.B. für LKW€s, durch. Soweit sie wettbewerblich tätig wird, erbringt sie ihre Leistungen teils durch privat-rechtlich organisierte Tochterunternehmen (B. GmbH, F. GmbH, R. GmbH), teils durch private Firmen, an denen sie beteiligt ist (B. R. GmbH, g. ... mbH). Von diesen Firmen werden gleichzeitig Aufgaben aus dem hoheitlichen Bereich der Beigeladenen ausgeführt. Eine Monopolstellung hat sie demgegenüber aufgrund des bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs bei der Beseitigung von Abfällen (vgl. § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG, §§ 2, 5 Abs. 1 und 2 KrW-/AbfG Bln) wie auch bei der Reinigung der in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B aufgeführten Straßen einschließlich des Winterdienstes inne (§ 4 Abs. 1 Sätze 1 und 4, Abs. 4 Satz 1 StrReinG).

Soweit die Beigeladene die Geheimhaltungsbedürftigkeit der ihre hoheitliche Tätigkeit betreffenden Daten mit der Identität der in beiden Geschäftsbereichen anfallenden Kosten und der sich daraus ergebenden Berechenbarkeit ihrer gewerblichen Kalkulationen begründet, erscheint dies wenig plausibel. So ist bereits nicht ohne weiteres verständlich, dass die privatrechtlich organisierten Tochterunternehmen der Beigeladenen und die Firmen, an denen sie beteiligt ist, ihre von privaten Kunden für bestimmte Leistungen zu fordernden Entgelte in der gleichen Weise kalkulieren wie die Beigeladene als rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts mit einer Monopolstellung ihre von den Gebührenschuldnern zu erhebenden Tarife, zumal sie Teile ihrer hoheitlichen Tätigkeit von Drittfirmen ausführen lässt,. Selbst bei einer Identität der Kalkulationen wäre weiter zu klären, ob und ggf. wie es sich auswirkt, dass die von der Beigeladenen behauptete Möglichkeit, bei Kenntnis der den hoheitlichen Bereich betreffenden Daten Rückschlüsse auf ihre gewerbliche Kalkulation zu ziehen, maßgeblich auf der vorgetragenen, selbst gewählten einheitlichen Organisationsstruktur ihres gesamten Geschäftsbetriebs beruht.

Unabhängig davon ist nicht nachvollziehbar, dass eine Offenbarung der streitgegenständlichen Informationen die wettbewerbliche Position der Beigeladenen schwächen würde. Ihre Angaben im vorliegenden Verfahren, die Ausführungen in den allgemein zugänglichen Geschäftsberichten sowie die im Internet veröffentlichten Darstellungen der Beigeladenen zu ihrer Geschäftstätigkeit legen eher den Schluss nahe, dass der Markt bzgl. der oben beschriebenen Segmente weitestgehend unter den in Frage kommenden Anbietern aufgeteilt sein dürfte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass dabei größere Verschiebungen zulasten der Beigeladenen möglich oder zu befürchten wären. Entsprechendes behauptet auch die Beigeladene nicht. Soweit sie auf ihre Teilnahme an Ausschreibungen zur Straßenreinigung nach Großveranstaltungen hinweist, ist nicht zu erkennen, dass andere Anbieter aufgrund ihrer personellen und sachlichen Ausstattung überhaupt in der Lage sein könnten, in ernsthafte Konkurrenz zur Beigeladenen zu treten. Nach alledem sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die Marktposition der Beigeladenen durch Einsicht in die streitgegenständlichen Unterlagen spürbar geschwächt werden würde. Aus diesem Grund ist es ebenso wenig wahrscheinlich, der Beigeladenen könnte durch die Preisgabe von Unternehmensgeheimnissen ein wesentlicher Schaden entstehen (§ 7 Satz 1 2. Alt. IFG Bln).

Letztlich bedarf die Frage, ob das erklärte Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen objektiv schutzwürdig ist, jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Selbst bei Annahme eines Geschäftsgeheimnisses oder eines nicht unwesentlichen Schadens auf Seiten der Beigeladenen ist das Informationsinteresse des Klägers aus den nachfolgenden Erwägungen in jedem Fall höher zu bewerten.

b) Beim Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses oder der Gefahr eines erheblichen wirtschaftlichen Schadens räumt § 7 Satz 1 IFG Bln dem Geheimhaltungsbedürfnis grundsätzlich den Vorrang ein und macht das Einsichtsrecht von der Feststellung eines überwiegenden Informationsinteresses abhängig. Da das Informationsfreiheitsgesetz der Behörde insoweit kein Ermessen einräumt, unterliegt die nach § 7 Satz1 IFG Bln gebotene Abwägung in vollem Umfang gerichtlicher Überprüfung und ist damit ggf. vom Gericht vorzunehmen.

Ausgangspunkt der Abwägung muss der mit dem Gesetz verfolgte Zweck sein, durch ein umfassendes Informationsrecht u.a. eine Kontrolle staatlichen Handelns zu fördern (§ 1 IFG Bln). Um dies zu gewährleisten, soll jede Bürgerin/jeder Bürger Einsicht in Verwaltungsakten nehmen können, ohne den Verwendungszweck angeben oder/und ein berechtigtes Interesse nachweisen zu müssen (Amtl. Begründung, Drs. 13/1623, S. 5). Daher kommt es bei der Gewichtung des Informationsinteresses grundsätzlich nicht auf die einem Einsichtsbegehren konkret zugrunde liegenden Motive des jeweiligen Antragstellers an.

Mit Blick auf den beschriebenen Gesetzeszweck ist das Einsichtsinteresse des Klägers von erheblichem Gewicht.

Das Schwergewicht der Geschäftstätigkeit der Beigeladenen liegt im Monopolbereich, der mit einem deutlich kleineren Wettbewerbsteil verknüpft ist. Aufgrund ihrer Monopolstellung in dem oben beschriebenen Umfang ist die Beigeladene in ihrem hoheitlichen Tätigkeitsbereich einer Kontrolle durch Marktmechanismen entzogen. Einziges Kontrollinstrument ist das Tarifgenehmigungsverfahren durch das Land Berlin, wobei der Aufsichtsrat der Beigeladenen über die Festsetzung der Tarife entscheidet. Der Berliner Rechnungshof hatte in seinem Jahresbericht 2004 (Rn. 81) beanstandet, dass der Senator für Wirtschaft Aufsichtsratsvorsitzender der Beigeladenen und als Mitglied des Senats sowohl für die Staatsaufsicht über diese als auch für die Genehmigung von Entgelten im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwangs verantwortlich ist, und darin zwangsläufig eine erhebliche Gefahr von Kollisionen der Interessen der Anstalten und des Landes einerseits sowie der Gebührenzahler andererseits gesehen. Ob dem allein mit der nunmehr veränderten Zuständigkeitsregelung für das Tarifgenehmigungsverfahren wirksam begegnet worden ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn bereits angesichts der beschriebenen Grundkonstellation erscheint die Möglichkeit einer außerstaatlichen Kontrolle in jedem Fall geboten, da zumindest eine gewisse Interessenkollision auf Seiten des Landes Berlin nach wie vor nicht gänzlich ausgeschlossen sein dürfte. Hinzu kommt, dass die 1999 für das Genehmigungsverfahren zuständige Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe ihre gesetzliche Aufgabe als Genehmigungsbehörde ersichtlich nicht hinreichend wahrgenommen hat, da die von ihr beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für die erforderlichen Untersuchungen und die Erstellung des Gutachtens lediglich zwei Tage Zeit hatte und so eine detaillierte Prüfung nicht vornehmen konnte (vgl. BPG-Gutachten zu den Entgelten 1998/1999, S. 3; Rechnungshof von Berlin, Jahresbericht 2000, Rn. 578).

Darüber hinaus besteht für die streitgegenständlichen Kalkulationszeiträume der Verdacht einer Quersubventionierung der gewerblichen Geschäftstätigkeit der Beigeladenen. In dem Wirtschaftprüfergutachten zu den Entgelten 1998/1999 wird ausgeführt, eine Quersubventionierung verschiedener gewerblicher Bereiche durch den hoheitlichen Aufgabenkreis finde zwar nicht im preis- und gebührenrechtlichen Sinne, aber auf der Ergebnisebene statt. Die z.B. mit hohen Verlusten arbeitende Glas- und Papierabfuhr wäre wahrscheinlich für sich nicht existenzfähig und sei nur deshalb in der Lage, ihre Dienstleistungen zu marktfähigen Preisen zu erbringen, weil die dabei entstehenden Verluste durch Gewinne des hoheitlichen Bereichs ausgeglichen würden. Die gewerblichen Zweige trügen demgegenüber zur Deckung der überwiegend fixen Verwaltungs- und Vertriebskosten der Beigeladenen bei. Ob Bereiche gegeben seien, in denen die Erlöse nicht einmal die variablen Kosten deckten, habe in der Kürze der Zeit nicht festgestellt werden können (vgl. S. 13, 14). Der Berliner Rechnungshof hat festgestellt, dass die Beigeladene die aufgrund zu hoch festgesetzter und nicht zeitnah zurückgezahlter Straßenreinigungsgebühren erzielten Überschüsse zum Ausgleich von Verlusten in anderen, darunter auch gewerblichen Bereichen verwendet hat (vgl. Rechnungshof von Berlin, Jahresbericht 2000, Rn. 577). Weiter seien aufgrund von Sponsoringverträgen gezahlte Beträge von 2000 bis 2003 aus Gebühren finanziert worden, die von dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegenden Kunden erhoben worden seien (vgl. Rechnungshof von Berlin, Jahresbericht 2005, Rn. 258). Bei nach wie vor insgesamt rückläufigen Erlösen aus den gewerblichen Aktivitäten hatten bzw. haben einzelne Tochterunternehmen der Beigeladenen auch in den folgenden Jahren negative Geschäftsergebnisse zu verzeichnen (vgl. Geschäftsbericht 2005, S. 10, 11, 22; Geschäftsbericht 2006, S. 37, 39, 43).

Gemessen an dem erheblichen Gewicht des vom Kläger geltend gemachten Informationsanspruchs kommt dem Interesse der Beigeladenen an der Geheimhaltung der streitgegenständlichen Unterlagen geringere Bedeutung zu, da das zu schützende Wettbewerbsgeschäft zwar nicht bloßer Annex des Monopolbereichs ist, letztlich aber lediglich einen Bruchteil ihrer geschäftlichen Tätigkeit ausmacht.

Dies verdeutlicht exemplarisch das nicht dem Monopol unterliegende Segment der Abfallverwertung, dessen Umfang vergleichsweise gering ausfällt. Nach der veröffentlichten Entsorgungsbilanz für das Jahr 2006 war der Anteil der von der Beigeladenen als Monopolistin zu beseitigenden Siedlungsabfälle in den Jahren 2001 bis 2006 durchschnittlich etwa dreimal so hoch wie der Anteil der Abfälle, die einer Verwertung zugeführt wurden. Auch soweit z. B. ein Wettbewerber seit 2004 gewerblich Siedlungsabfälle sammelt und anschließend verwertet, entspricht die realistisch erfassbare Menge rund 0,5 % der im August 2005 im Land Berlin beseitigten Siedlungsabfallmenge. Dementsprechend schätzt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Auswirkungen dieser geringen Mengenverschiebungen auf die Geschäftstätigkeit der Beigeladenen sowie die von ihr erhobenen Gebühren als eher gering ein (vgl. Abgeordnetenhaus-Drucksache 15/12621). Ähnliches gilt im Bereich der Dualen Systeme (vgl. Geschäftsbericht 2006, S. 31). Selbst wenn die Beigeladene beim gewerblichen Winterdienst und bei der nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegenden Straßenreinigung einem erhöhten Konkurrenzdruck ausgesetzt sein sollte (vgl. Geschäftsbericht 2006, S. 33; Geschäftsbericht 2005, S. 10), kommt dem wettbewerblichen Tätigkeitsfeld insgesamt nach ihren eigenen Angaben im Geschäftsbericht 2006 (S. 31) dennoch eine lediglich unterstützende Funktion für das hoheitliche Geschäft zu. Entgegenstehendes hat die Beigeladene im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen.

Nach alledem fällt die nach § 7 Satz 1 IFG Bln gebotene Abwägung zugunsten des Klägers aus. Es besteht ein überragend wichtiges Informationsinteresse bzgl. der den Monopolbereich der Beigeladenen betreffenden Daten.

3. Der Kläger hat Anspruch auf uneingeschränkte Einsicht in die bisher von der Akteneinsicht ausgenommenen Unterlagen. Das Einsichtsrecht besteht zwar an sich im Wesentlichen lediglich hinsichtlich der Monopoldaten der Beigeladenen. Soweit die streitgegenständlichen Akten aber darüber hinaus originäre Wettbewerbsdaten enthalten, sind diese derart mit den das hoheitliche Geschäft betreffenden Informationen vermengt, dass eine Schwärzung oder Abtrennung, wie § 12 Satz 2 IFG Bln es vorsieht, ausgeschlossen ist. Anderenfalls verblieben nur noch Daten ohne jeglichen Informationsgehalt, die den Zweck des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes nicht mehr erfüllen könnten. Dies ergibt sich bereits aus der vom Beklagten erstellten Beschreibung der bislang zurückgehaltenen Unterlagen. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die darin enthaltenen Informationen im Falle ihrer teilweisen Schwärzung keinen Aufschluss mehr über das staatliche Handeln geben würden, enthält der Bericht des vom Berliner Abgeordnetenhaus im Februar 2003 eingesetzten Sonderausschusses zur Tarifkalkulation bei der Berliner Stadtreinigung sowie zum Verdacht einer Quersubventionierung im Zeitraum 1999 bis 2002. Daraus geht hervor, dass die vorgelegten Kalkulationsunterlagen an mangelnder Transparenz leiden, da sie u.a. keine übersichtliche Darstellung der einzelnen Kostenblöcke sowie der Gesamtkosten enthalten und die Kostenrechnung mit der Tarifkalkulation verknüpft ist, sodass Letzterer eine nur eingeschränkte Aussagefähigkeit zukommt (vgl. Abgeordnetenhaus-Drucksache 15/2754, S. 5, 9, 10).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.






OVG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 02.10.2007
Az: OVG 12 B 9.07, OVG 12 B 9/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b9d7a4690741/OVG-Berlin-Brandenburg_Urteil_vom_2-Oktober-2007_Az_OVG-12-B-907-OVG-12-B-9-07




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