Landgericht Hamburg:
Urteil vom 18. Juli 2008
Aktenzeichen: 308 O 491/07
(LG Hamburg: Urteil v. 18.07.2008, Az.: 308 O 491/07)
Tenor
1. Den Beklagten wird verboten, Möbel gemäß den nachfolgenden Abbildungen in Deutschland anzubieten:
a)
b)
c)
2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft über Namen und Adressen ihrer Lieferanten und gewerblichen Abnehmer der jeweiligen Möbel gemäß Ziffer 1. zu erteilen und der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welcher Stückzahl sie in den letzten drei Jahren vor Rechtshängigkeit unter Erzielung welcher Umsätze und welchen Gewinns Vervielfältigungsstücke gemäß Ziffer 1 in den Verkehr gebracht haben, wobei im Rahmen der Gewinnermittlung lediglich die unmittelbar transaktionsbezogenen Kosten in Abzug zu bringen sind.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten wie Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den gesamten Schaden zu ersetzen, der dieser aus den in Ziffer 1. beschriebenen Handlungen in einem Zeitraum von drei Jahren vor Rechtshängigkeit bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
4. Die Beklagten haben wie Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 100.000,00 vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen des nach ihrer Auffassung rechtswidrigen Anbietens dreier Gartenmöbelgestaltungen auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung in Anspruch.
Die Klägerin stellt her und vertreibt die nachfolgend dargestellten Gartenstühle unter den Bezeichnungen Modell "N" und Modell "P"
und die nachfolgend abgebildete Gartenbank unter der Bezeichnung Modell "Pr".
Bezüglich der Gestaltung des Stuhls Modell "N" ist zugunsten der Klägerin unter der Reg.-Nr. DM/04...89 ...89 ein internationales Geschmacksmuster mit Priorität vom 17.08.1999 - und nach Behauptung der Klägerin verlängerter Schutzfrist bis zum 17.08.2009 - für Deutschland, Frankreich, Italien, die Schweiz und die Beneluxstaaten eingetragen. Hinterlegt und veröffentlicht sind die nebenstehenden Abbildungen.
Die Beklagte zu 1) vertreibt die im Urteilstenor zu 1. abgebildeten Gartensitzmöbel Modell "M", Modell "E" und Modell "D".Die Klägerin sieht sich durch den Vertrieb des Stuhls Modell "M" in ihren Rechten an dem Stuhl Modell "N", durch den Vertrieb des Stuhls Modell "E" in ihren Rechten an dem Stuhl Modell "P" und durch den Vertrieb der Bank Modell "D" in ihren Rechten an der Bank Modell "Pr" verletzt. Die Klägerin nimmt für alle drei Klagemuster urheberrechtlichen Schutz in Anspruch, für den Stuhl Modell "N" auch Geschmacksmusterschutz und sie hält das Verhalten der Beklagten zudem für wettbewerblich unlauter.
Die Klägerin trägt wie folgt vor:
Alle drei Möbel habe der belgische Designer W.S. entworfen, Modell "N" um die Jahreswende 1998/1999, Modell "P" Ende 1997 und Modell "Pr" 1996 (Zeugnis W.S.). W.S. habe die Entwürfe exklusiv für sie gefertigt und ihr sämtliche Nutzungsrechte daran übertragen (Verträge Anlagenkonvolut K 54 und Zeugnis W.S.).
Zum urheberrechtlichen Schutz des Stuhls Modell "P" trägt die Klägerin insbesondere auf den Seiten 11 bis 14 der Klage und zum urheberrechtlichen Schutz der Bank Modell "Pr" auf den Seiten 6 bis 10 der Klage vor. Auf diesen Vortrag wird verwiesen.
Die Klägerin behauptet, alle drei Klagemuster wären in der Bundesrepublik Deutschland bei den auf ihrer Website genannten Händlern jederzeit auf Bestellung nach zwei bis drei Wochen lieferbar (Zeugnis F).
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen wie folgt vor:
Siebestreiten den Vortrag der Klägerin zur Urheberschaft und Übertragung der Rechte auf die Klägerin bezüglich aller drei Klagemuster.
Sie stellen das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses in Abrede. Sie machen dazu geltend, alle drei Klagemuster seien bei den auf der Website der Klägerin genannten Händlern in der Bundesrepublik Deutschland nicht erhältlich. Es sei ihnen nur über einen österreichischen Händler gelungen, die Stühle Modell "N" und Modell "P" zu erwerben. Die Gartenbank Modell "Pr" habe auch auf diesem Wege nicht erlangt werden können. Demgemäß werde bestritten, dass die Klägerin die Stühle in der Bundesrepublik Deutschland anbiete.
Die Beklagten bestreiten die Verlängerung der Schutzfrist des Klagegeschmacksmusters Modell "Pr" und stellen im Hinblick auf das nebenstehend dargestellte, im Jahre 1994 der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Stuhlmodell Modell "X" des Designers N.J. H. die Rechtsgültigkeit des Geschmacksmusters und den urheberrechtlichen Schutz des Klagemusters in Abrede.
Die Beklagten verweisen darauf, dass ein Schutzumfang im Hinblick auf vorbekannte Designs nur gering wäre, und beziehen sich dabei auf die Gestaltungen eines (bildhaft mit Anlage B 2 vorgelegten) Stuhlmodell aus einer €L P Collection€ einer Firma F Möbel aus Deutschland und eines (bildhaft mit Anlage B 3 vorgelegten) Stuhlmodells Modell "Nx" von der belgischen Firma Royal B.
Sollte der Gestaltung des Stuhls Modell "N" gleichwohl Sonderrechtsschutz zugestanden werden, sind die Beklagten der Auffassung, dass der Schutzbereich nur eng sei und das Verletzungsmuster Modell "M" nicht in den Schutzbereich falle. Diesbezüglich wird auf die Darstellung der Unterschiede auf den Seiten 3 und 4 des Schriftsatzes vom 08.10.2007 unter Bezugnahme auf gefertigtes Bildmaterial (Anlage B 1) verwiesen.
Im Hinblick auf den geltend gemachten wettbewerblichen Anspruch stellen die Beklagten die wettbewerbliche Eigenart des Stuhls Modell "N" in Abrede und sie machen geltend, dass der Stuhl Modell "N" nicht in der Bundesrepublik Deutschland angeboten werde.
Beim Klagemuster Modell "P" stellen die Beklagten die urheberrechtliche Schutzfähigkeit in Abrede. Sie verweisen auf ein (bildhaft als Anlage B 6 vorgelegtes) Muster Nr.5 einer DPMA-Geschmacksmustersammelanmeldung einer Firma M Freizeitmöbel aus L in Deutschland zur Nr. 49...10.2 vom 13.08.1998, veröffentlicht am 24.04.1999, ein (bildhaft mit Anlage B 4 vorgelegtes) Stuhlmodell aus der €B Collection€ der schon genannten Firma F Möbel aus Deutschland und einen (bildhaft mit Anlage B 5 vorgelegten) Stuhl aus der Serie "A D" einer Firma H..n aus den Niederlanden. Sie machen geltend, in der Gestaltung dieser Stühle würden die wesentlichen Elemente der Gestaltung des Stuhls Modell "P" vorweggenommen, so dass diesem die erforderliche Gestaltungshöhe fehle.
Sollte der Gestaltung des Stuhls Modell "P" gleichwohl Sonderrechtsschutz zugestanden werden, sind die Beklagten der Auffassung, dass der Schutzbereich nur eng sei und das Verletzungsmuster Modell "E" nicht in den Schutzbereich falle. Diesbezüglich wird auf die Darstellung der Unterschiede auf den Seiten 6 und 7 des Schriftsatzes vom 08.10.2007 unter Bezugnahme auf gefertigtes Bildmaterial (Anlage B 1) verwiesen.
Im Hinblick auf den geltend gemachten wettbewerblichen Anspruch stellen die Beklagten die wettbewerbliche Eigenart des Stuhls Modell "P" in Abrede.
Beim Klagemuster Modell "Pr" stellen die Beklagten ebenfalls die urheberrechtliche Schutzfähigkeit in Abrede. Sie verweisen auf die (als Anlage B 8 vorgelegte) Gestaltung einer Bank Modell "B" des Herstellers Teak and Garden und machen geltend, in der Gestaltung dieser Bank fänden sich bereits die wesentlichen Elemente der Gestaltung der Gartenbank Modell "Pr". Sollte der Gestaltung der Gartenbank Modell "Pr" gleichwohl Sonderrechtsschutz zugestanden werden, sind die Beklagten der Auffassung, dass das Verletzungsmuster Modell "E" nicht in den Schutzbereich falle. Diesbezüglich wird auf die Darstellung der Unterschiede auf der Seite 8 des Schriftsatzes vom 08.10.2007 verwiesen.
Im Hinblick auf den geltend gemachten wettbewerblichen Anspruch stellen die Beklagten die wettbewerbliche Eigenart der Gartenbank Modell "Pr" in Abrede.
Die Klägerin repliziert wie folgt:
Die von der Beklagten eingeführten Modelle €Modell "Nx"€ und €L P Collection€ seien erst nach Anmeldung des Klagegeschmacksmusters Modell "N" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden und deshalb für die Beurteilung von dessen Rechtsgültigkeit nicht zu berücksichtigen. Das angeblich aus dem Jahre 1994 stammende Modell Modell "X" sei von den Beklagten verspätet in den Rechtsstreit eingeführt worden. Es weise aber ohnehin einen anderen Gesamteindruck auf. Diesbezüglich wird auf die Darstellung der Unterschiede auf der Seite 3 des Schriftsatzes der Klägerin vom 07.01.2008 verwiesen.
Die von der Beklagten zwischen Klage- und Verletzungsmuster aufgezeigten Unterschieden führten demgegenüber zu keinem anderen Gesamteindruck. Auf die weiteren Ausführungen dazu auf den Seiten 4 bis 7 im Schriftsatz der Klägerin vom 31.10.2007 wird verwiesen.
Die von der Beklagten eingeführten Modell "Bu", Modell "A" und das DPMA-Geschmacksmuster Nr. 49...10.2 seien erst nach Entwurf des Klagemusters Modell "P" Ende 1997 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden und deshalb für die Beurteilung von dessen Schutzfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Das Verletzungsmuster Modell "E" falle in den Schutzbereich des Klagemusters Modell "P". Denn die von den Beklagten angeführten Unterschiede änderten nichts daran, dass die prägenden Merkmale übernommen worden seien und keinen anderen Gesamteindruck begründeten. Auf die weiteren Ausführungen dazu auf den Seiten 11 bis 13 im Schriftsatz der Klägerin vom 31.10.2007 wird verwiesen.
Das von der Beklagten eingeführte Modell €Modell "B"€ sei im Jahre 2001 erst nach Entwurf des Klagemusters Modell "Pr" im Jahre 1996 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden und deshalb für die Beurteilung von dessen Schutzfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Das Verletzungsmuster Modell "D" falle in den Schutzbereich des Klagemusters. Denn die von den Beklagten angeführten Unterschiede änderten nichts daran, dass die prägenden Merkmale übernommen worden seien und keinen anderen Gesamteindruck begründeten. Auf die weiteren Ausführungen dazu auf den Seiten 17 bis 21 im Schriftsatz der Klägerin vom 31.10.2007 wird verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Urheberschaft des Designers W.S. bezüglich der Klagemuster Modell "P" und Modell "Pr" und die Rechteübertragung auf die Klägerin durch Vernehmung des Designers W.S. als Zeugen. Wegen des Beweisergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 30.01.2008 verwiesen.
Wegen weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist, und der Sitzungsniederschrift vom 30.01.2008 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet. Mit dem Anbieten des Stuhls Modell "M" benutzte die Beklagte zu 1) ein der Klägerin gemäß § 38 Abs. 1 GeschmMG vorbehaltenes ausschließliches Recht an dem internationales Geschmacksmuster DM/04...89; daraus folgen ein Unterlassungsanspruch gemäß § 42 Abs. 1 GeschmMG, ein Auskunftsanspruch über Dritte gemäß § 46 GeschmMG und im Übrigen gemäß § 242 BGB, sowie ein Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß § 42 Abs. 2 GeschmMG i.V.m. § 256 ZPO (nachfolgend I.). Der Stuhl Modell "E" ist eine unfreie Bearbeitung des urheberrechtlich geschützten Stuhls Modell "P" und die Bank Modell "D" eine unfreie Bearbeitung der Bank Modell "Pr". Mit dem Anbieten des Stuhls Modell "E" und der Bank Modell "D" verletzte die Beklagte zu 1) das ausschließlich der Klägerin zustehende Rechte der Verbreitung im Sinne des § 17 Abs. 1 UrhG; daraus folgen ein Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG, ein Auskunftsanspruch über Dritte gemäß § 101 a UrhG und im Übrigen gemäß § 242 BGB, sowie ein Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 256 ZPO (nachfolgend II.). Der Beklagte ist als verantwortlicher Geschäftsführer passivlegitimiert (nachfolgend III).
I.
Die Ansprüche wegen der Verletzung der Geschmacksmusterrechte an dem Stuhl Modell "N" durch die Benutzung des Stuhls Modell "M" ergeben sich aus Folgendem:
1. Die Klägerin ist auf der Grundlage des Haager Abkommens über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle Inhaberin des internationalen Sammelgeschmacksmusters DM/04...89 mit Priorität vom 17.08.1999 und mit Wirkung unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland. Das Muster steht in Kraft. Der Schutz ist aufgrund Verlängerungsmeldung vom 04.03.2004 bis zum 17.08.2009 verlängert worden. Das folgt aus der von der Klägerin (als Anlagen K 39) vorgelegten Anmeldung, der Bestätigung der WIPO und dem Ausdruck der Eintragung der Verlängerung.
2. Auf das internationale Geschmacksmuster findet deutsches Geschmacksmusterrecht Anwendung. Denn nach Art. 7 Abs. 1 des Haager Abkommens steht die internationale Anmeldung der nationalen Anmeldung gleich.
3. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Ihr steht als eingetragener Inhaberin die Geltendmachung des Geschmacksmusters nach § 8 des GeschmMG zu, und zwar unabhängig davon, wer tatsächlich Entwerfer des Geschmacksmusters oder dessen Rechtsnachfolger ist.
4. Die Schutzvoraussetzungen für das Klagegeschmacksmuster liegen vor.
a) Die Schutzvoraussetzungen beurteilen sich gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GeschmMG nach dem GeschmMG aF. Denn die Eintragung des Geschmacksmusters erfolgte vor dem 28.10.2001. Demnach hängt die Rechtsbeständigkeit des Klagegeschmacksmusters davon ab, dass es musterfähig, neu und eigentümlich im Sinne des § 1 GeschmMG aF ist.
b) Die Musterfähigkeit steht nicht in Frage.Die Prüfung der Neuheit und der Eigentümlichkeit erfolgt durch einen Vergleich mit dem vorbekannten Formenschatz.
aa) Danach sind der Stuhl aus der €L P Collection€ der deutschen Firma F Möbel und der Stuhl aus der Collection €Modell "Nx"€ der belgischen Firma Royal B nicht zu berücksichtigen. Denn die Beklagten machen keine Angaben dazu, wann diese der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden sind. Demgemäß ist von dem Vortrag der Klägerin auszugehen, nach dem diese Möbel jünger sind als das Klagegeschmacksmuster, mithin nicht vorbekannt. Darauf, dass diese als Entgegenhaltungen eingeführten Stühle auch nicht geeignet wären, der Neuheit und Eigentümlichkeit des Klagegeschmacksmusters entgegenzustehen (sie sind weiter entfernt als der Stuhl Modell "X"), kommt es daher nicht mehr an.
bb) Damit bleibt als Entgegenhaltung der Stuhl Modell "X" des Designers N.J. H.. Dass diese Entgegenhaltung von den Beklagten verspätet in den Rechtsstreit eingeführt worden ist, führt nicht zur Zurückweisung des Vorbringens gemäß § 296 Abs. 2 ZPO, weil die Erledigung des Rechtsstreits sich dadurch nicht verzögert hat. Denn die Klägerin hat dazu Stellung nehmen können und eine Beweisaufnahme ist durch das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten nicht veranlasst. Es ist weiter davon auszugehen, dass der Stuhl Modell "X" entsprechend dem Vortrag der Beklagten im Jahre 1994 der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden ist, mithin lange vor Anmeldung des Klagegeschmacksmusters am 17.08.1999. Das folgt aus den (mit der Anlage B 10) von den Beklagten vorgelegten Ausdrucken und dürfte auch den Recherchen der Klägerin entsprechen, die insoweit auch nur von dem €angeblich aus dem Jahre 1994 stammenden Modell€ spricht, was kein Bestreiten darstellt.
c) Das Klagegeschmacksmuster ist neu.
aa) Ein Geschmacksmuster ist neu im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG aF, wenn sich das Muster in den Gestaltungselementen, die zur Begründung der Eigentümlichkeit geeignet sind, bei einem Einzelmustervergleich (BGH GRUR 1960, 256, 257 € Cherie) so erheblich von der Entgegenhaltung abhebt, dass der ästhetische Gesamteindruck neu ist (vgl. BGH GRUR 1969, 90, 95 € Rüschenhaube). Dabei wird die Neuheit gemäß 13 GeschmMG aF vermutet, so dass es den Beklagten obliegt, die Vermutung zu widerlegen.
bb) Davon ausgehend ist das Klagegeschmacksmuster neu. Denn die allein als Entgegenhaltung verbliebene Gestaltung des Stuhls Modell "X" führt nicht zu einer Widerlegung der Neuheitsvermutung, sondern zur Feststellung der Neuheit.
aaa) Die prägenden zur Begründung der Eigentümlichkeit des Klagegeschmacksmusters geeigneten Merkmale in der maßgeblichen Gestaltung der der Anmeldung beigefügten Abbildungen (Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 2. Auflage, § 1 Rn 20) € wie sie nebenstehend zur Veranschaulichung nochmals wiedergegeben sind €
lassen sich wie folgt zusammenfassen:
(1) Das Rahmengestänge wirkt im Schnitt quadratisch und im Verhältnis zur Rahmengröße eher dünn.
(2) Der wesentliche Teil der Rahmenführung wirkt einheitlich durchgehend von einem Vorderfuß zum anderen; wenn man (aus dem Standpunkt eines auf dem Stuhl Sitzenden) rechts unten am Vorderfuß beginnt, geht der Rahmen zunächst als rechtes Vorderbein gerade hoch, dann winkelt er 90° nach hinten ab und verläuft vertikal als rechte Armlehne bis zu einer Länge von etwa 7/9 der Beinlänge, dort winkelt er 90° nach rechts ab und verläuft - auf Bild 1.1. erkennbar - vertikal als hintere Querstrebe etwa bis zu einer Länge der Armlehne, dort winkelt er - aus dem Gesamtbild und den Proportionen erkennbar - 90° nach vorne ab und verläuft vertikal nach vorne, nunmehr weiter als linke Armlehne und linkes Stuhlbein bis zum linken Fuß jeweils parallel zur rechten Armlehne und zum rechten Stuhlbein.
(3) Die vertikal verlaufenden hinteren Stuhlbeine sind € auf Bild 1.2 erkennbar € jedenfalls auf der rechten Stuhlseite von der Seite in etwa einer Rahmenstärke nach innen versetzt unter der der hinteren Querstrebe angebracht.
(4) Vorne verläuft eine Querstrebe in Höhe von etwa 7/10 der Höhe der Beine.
(5) Sitz- und Rückenteil sind gleich gestaltet.
(6) Sitz- und Rückenteil wirken knapp so tief bzw. hoch wie die Rahmentiefe.
(7) Sitz- und Rückenteil bestehen jeweils aus sechs querlaufenden in leichtem gleichmäßigen Abstand zueinander angebrachten seitlich offenen Brettern.
(8) Sitz- und Rückenteil sind jeweils gleichmäßig leicht nach oben gewölbt.
(9) Sitz- und Rückenteil sind in einem Winkel von weniger als 90° aneinandergesetzt und verlaufen dann aufgrund der Wölbungen im Winkel weiter auseinander.
(10) Sitz- und Rückenteil sind an den Querstreben am Rahmen befestigt, wobei der Sitz vorne leicht überstehend etwa in Höhe von 7/10 der Beine auf der Querstrebe liegt und das Rückenteil etwa in seiner Mitte an der hinteren Querstrebe des Rahmens anliegt.
bbb) Die prägenden Elemente der Entgegenhaltung Modell "X", die nebenstehend zur Veranschaulichung ebenfalls nochmals bildhaft dargestellt ist,
sind folgende:
(1) Das Rahmengestänge wirkt im Schnitt quadratisch und im Verhältnis zur Rahmengröße eher dünn.
(2) Der Rahmen besteht aus zwei Seitenteilen mit gleich langen Beinen und einer entsprechend Entgegenhaltung Modell "X" langen Lehne.
(3) Die Seitenteile sind mit einer hinteren Querstrebe in Höhe der Armlehnen verbunden.
(4) Vorne verläuft eine Querstrebe in Höhe von etwa 7/10 der Höhe der Beine.
(5) Sitz- und Rückenteil sind gleich gestaltet.
(6) Sitz- und Rückenteil wirken weniger tief bzw. hoch wie die Rahmentiefe.
(7) Sitz- und Rückenteil bestehen jeweils aus 13 schmalen querlaufenden in leichtem gleichmäßigen Abstand zueinander angebrachten Brettern mit seitlichen Rahmenleisten.
(8) Sitz- und Rückenteil sind in einem Winkel von mehr als 90° aneinandergesetzt und verlaufen dann in diesem Winkel gleichmäßig auseinander.
(9) Sitz- und Rückenteil sind an den Querstreben am Rahmen befestigt, wobei der Sitz vorne plan mit den Beinen abschließend etwa in Höhe von 7/10 der Beine auf der Querstrebe liegt und das Rückenteil etwas oberhalb der Mitte an der hinteren Querstrebe des Rahmens anliegt.
(10) Unten an den inneren Fußpunkten der Seitenteile und oben an den inneren Eckpunkten sind diagonal verlaufenden Stahlseile abgebracht, die sich in der Mitte kreuzen. Die Kreuzpunkte sind durch ein in der Stuhlmitte quer unter dem Sitz verlaufendes aber von diesem noch sichtbar abgesetztes Stahlrohr miteinander verbunden.
ccc) Ein Vergleich dieser Elemente führt zur Feststellung der Neuheit. Das folgt vor allem aus den Unterschieden der Gestaltungselemente, durch die sich der Rahmen des Klagegeschmacksmusters als vertikal stehender Quaderrahmen von dem Kubusrahmen der Entgegenhaltung absetzt, die gegenüber der Entgegenhaltung andere Sitzgestaltung durch die Wölbung und andere Brettelemente und den spitzeren Winkel zwischen Sitz- und Rückenteil, und das Fehlen der bei der Entgegenhaltung unter 10) dargestellten Stahlkonstruktion. Das begründet einen neuen ästhetischen Gesamteindruck.
d) Das Klagegeschmacksmuster ist eigentümlich.
aa) Ein Geschmacksmuster ist eigentümlich im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG aF, wenn es in den für die ästhetische Wirkung maßgeblichen Merkmalen als das Ergebnis einer eigenpersönlichen, form- oder farbschöpferischen Tätigkeit erscheint, die über das Durchschnittskönnen eines mit der Kenntnis des betreffenden Fachgebiets ausgerüsteten Mustergestalters hinausgeht (BGH GRUR 1969, 90, 95 € Rüschenhaube; GRUR 1975, 81, 83 € Dreifachkombinationsschalter; GRUR 1977, 547, 549 € Kettenkerze), wobei zunächst auf den ästhetischen Gesamteindruck des Musters abzustellen und die Elemente, welche diesen Gesamteindruck bestimmen, dann auf den vorbekannten Formenschatz und schließlich auf das Durchschnittskönnen des Mustergestalters (vgl. Eichmann in Eichmann/v. Falckenberg, Geschmacksmustergesetz, 2. Auflage 1997, § 1 Rn 35).
bb) Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist das Klagegeschmacksmuster eigentümlich.
aaa) Bei der Frage, welchen ästhetischen Gesamteindruck das Muster vermittelt und durch welche Elemente dieser Gesamteindruck bestimmt wird, ist auf die Auffassung der für geschmackliche Fragen einigermaßen aufgeschlossenen und mit ihnen vertrauten Durchschnittsbetrachter abzustellen (BGH GRUR 1977, 547, 550 € Kettenkerze). Die Kammer kennt als Urheber- und Geschmacksmusterrechtskammer Stuhlgestaltungen und die Gestaltungselemente. Sie ist weiter durch den Parteienvortrag in dieser Sache informiert, so dass sie zu den hier angesprochenen Durchschnittsbetrachtern gehört. Aus deren Sicht wird die Gestaltung des Stuhls von der klaren geraden, nur durch das Rahmengestänge gestalteten geometrischen Form eines vertikal stehenden Rahmenquaders mit einem wie eingehängt wirkenden, jeweils gleich und nur mit den Holzbrettern gestalteten Sitz-/Rückenteilelement mit stimmigen Proportionen geprägt, wobei die Wölbung von Sitz- und Rückenteil eine zusätzliche Anmutung vermittelt. Insgesamt zeigt sich ein mit nur wenigen Mitteln - Rahmenstangen und zwölf gleich große Bretter € puristisch und harmonisch wirkender Stuhl.
bbb) Die Entgegenhaltung Modell "X" und die darin verwendeten Elemente verkörpern den vorbekannten Formenschatz. Beim Vergleich mit dem Klagegeschmacksmuster zeigt sich, dass viele der Gestaltungselemente, wie auch die Merkmalsaufstellung bei der Neuheitsprüfung offenbart, einander ähnlich sind, und dass auch die Gesamtkonzeptionen nahe beieinander liegen. Gleichwohl vermittelt das Klagegeschmacksmuster eine andere Gesamtanmutung. Dafür maßgeblich ist zunächst die beim Klagegeschmacksmuster im Gegensatz zur kubischen Rahmenform der Entgegenhaltung die durch die geringere Tiefe des Stuhls im Verhältnis zu der Höhe hervorgerufene Betonung des Vertikalen und die dadurch hervorgerufene Quaderform. Weiter fallen insbesondere der spitzere Winkel zwischen Sitz- und Rückenteil beim Klagegeschmacksmuster ins Auge, der in besonderer Weise mit der Wölbung dieser Elemente korrespondiert. Der größere Winkel zwischen Sitz- und Rückenteil und deren gerader Verlauf unterstreichen demgegenüber bei der Entgegenhaltung die ohnehin durch das rechteckige Seitenteil betonte größere Tiefe des Stuhls; dieser wirkt breit, das Klagegeschmacksmuster wirkt demgegenüber hoch. Eine eigene Bedeutung hat bei der Gesamtwürdigung auch die weitere Gestaltung von Sitz- und Rückenteil. Das Klagegeschmacksmuster wirkt durch die Verwendung breiterer und seitlich offener Bretter noch puristischer als die Entgegenhaltung mit den schmaleren und gerahmten Brettern, die eher Stäbchen gleichkommen. Bei der Entgegenhaltung betont diese Sitzgestaltung die Breite noch mehr. Schließlich findet sich beim Klagegeschmacksmuster die Stahlband/Stahlstangenkonstruktion nicht wieder. Es ist bei der hier vorzunehmenden Prüfung zwar grundsätzlich in erster Linie auf die Gemeinsamkeiten der Muster abzustellen. Hier passt die Nichtverwendung dieser oder einer vergleichbaren Konstruktion aber in das Gesamtbild. Denn das puristische Bild des Klagegeschmacksmusters wäre durch den Einsatz eines solchen nicht funktionsnotwendigen verspielten Elements nachhaltig gestört. Insgesamt vermitteln Klagegeschmacksmuster und Entgegenhaltung daher einen nachhaltig anderen Gesamteindruck.
ccc) Diese Gestaltung des Klagegeschmacksmusters geht über das Durchschnittskönnen eines mit der Kenntnis des betreffenden Fachgebiets ausgerüsteten Mustergestalters hinaus. Das gilt auch unter der Annahme, dass der Entwerfer die Entgegenhaltung kannte. Denn durch die Neuproportionierung des Rahmens, die dargestellte besondere Ausgestaltung von Sitz und Rückenteil, das harmonische Zusammenfügung dieser Elemente und die insgesamt weitere Reduzierung der Gestaltungsmittel mit dem dadurch erzeugten anderen Gesamteindruck von Klagegeschmacksmuster und Entgegenhaltung stellen zusammengefasst erkennbar einen eigenschöpferischen Schritt dar, mit dem etwas Neues geschaffen und nicht lediglich etwas Vorbekanntes bearbeitet wurde. Diese Wertung der Kammer findet eine indizielle Bestätigung dadurch, dass der Stuhl Modell "N" 1999 mit einem Designpreis ausgezeichnet (Anlage K 4) und bei der EXPO in Hannover im belgischen Pavillon ausgestellt wurde.
5. Das Anbieten des Verletzungsmusters stellt eine Benutzung des Klagegeschmacksmusters im Sinne des § 38 Abs. 1 GeschmMG dar, denn das Verletzungsmuster erweckt beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck im Sinne des § 38 Abs. 2 GeschmMG.
a) Die Schutzwirkungen des Klagegeschmacksmusters beurteilen sich nach neuem Recht. Das folgt aus der Gesamtregelung des Absätze 1 bis 3 des § 66 GeschmMG (nF), nach der die Neuregelung vom 12.03.2004 Rückwirkung entfaltet, soweit in den genannten Absätzen nichts anderes bestimmt ist (Eichmann in Eichmann/v. Falckenberg, Geschmacksmustergesetz, 3. Auflage 2005, § 66 Rn 2). Für Geschmacksmuster, die nach dem 01.07.1988 angemeldet worden sind, besteht daher die Sperrwirkung des § 38 GeschmMG.
b) Das Verletzungsmuster erweckt beim Gericht als informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als das Klagegeschmacksmuster. Das verdeutlicht die folgende bildhafte Gegenüberstellung.
Das Verletzungsmuster weicht gegenüber der Merkmalsaufstellung des Klagegeschmacksmusters bei der Neuheitsprüfung, auf die verwiesen wird, erkennbar nur in der Ausgestaltung des Sitz-/Rückenteils ab, das jeweils neun schmalere Querbretter aufweist, die seitlich gerahmt sind, das im Sitz etwas tiefer und an der Rückenlehne etwas höher ist, und bei dem beide Teile ohne Sichtfuge aneinandergefügt sind. Durch diese Unterschiede wirkt das Verletzungsmuster zwar etwas weniger puristisch als das Klagegeschmacksmuster. Aufgrund der sonstigen Übereinstimmungen der prägenden Merkmale von der Rahmengestaltung bis zur Sitz-/Rückenteilform und der Einfügung dieses Elements in den Rahmen wird gleichwohl kein anderer Gesamteindruck erweckt.
Soweit die Beklagten auf weitere Unterschiede abstellen, sind diese nicht zu berücksichtigen. Die Holzapplikation auf der Armlehne des Verletzungsmusters ist von den insoweit neutralen Abbildungen des Klagegeschmacksmusters erfasst. Von den Beklagten angesprochene Befestigungsbänder sind zum Einen auf den maßgeblichen Abbildungen des Klagegeschmacksmusters nicht erkennbar und schon deshalb nicht zu berücksichtigen; zum Anderen misst der instruierte Benutzer diesen keine prägende Bedeutung bei.
6. Die Benutzung des Klagegeschmacksmusters war rechtswidrig. Denn die Benutzung war der Beklagten zu 1) weder von der Klägerin gestattet worden noch greift eine der Beschränkungen des Musterinhabers gemäß § 40 GeschmMG.
7. Soweit der Unterlassungsanspruch weiter eine Wiederholungsgefahr voraussetzt, wird diese durch die erfolgte rechtswidrige Nutzung begründet (BGH GRUR 1965, 198, 202 € Küchenmaschine).
8. Das für den Schadensersatzfeststellungsanspruch und für das den Schadensersatzanspruch vorbereitende Auskunftsbegehren erforderliche Verschulden folgt daraus, dass die Beklagte zu 1) ihrer Obliegenheit zur Überwachung der Schutzrechtslage (Eichmann in Eichmann/v. Falckenberg, Geschmacksmustergesetz, 3. Auflage 2005, § 42 Rn 10) nicht nachgekommen ist. Das wird bereits durch die Benutzung indiziert. Denn bei gebotener Recherche hätte der Beklagten zu 1) das eingetragene Klagegeschmacksmuster und die große gestalterische Nähe des Verletzungsmusters nicht verborgen bleiben können. Damit liegt zu mindestens Fahrlässigkeit vor.
9. Das für den Schadenersatzfeststellungsanspruch erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO folgt daraus, dass der Schadensersatz ohne Auskunft der Höhe nach noch nicht bezifferbar ist und der Kläger ein rechtliches Interesse hat, den dem Grunde nach entscheidungsreifen Anspruch bereits außer Streit zu stellen.
10. Damit liegen gegenüber der Beklagten zu 1) alle Voraussetzungen für den Unterlassungsanspruch bezüglich des Verletzungsmusters Modell "M" gemäß § 42 Abs. 1 GeschmMG, den Auskunftsanspruch über Dritte gemäß § 46 GeschmMG und im Übrigen gemäß § 242 BGB, sowie den Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß § 42 Abs. 2 GeschmMG i.V.m. § 256 ZPO vor. Ob dem Stuhl Modell "N" darüberhinaus auch ein Schutz als Werk der angewandten Kunst zusteht, was die Kammer unter weitgehender Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen zur Neuheit und Eigentümlichkeit und unter weiterer Berücksichtigung der Gestaltungswirkung aus anderen Blickwinkeln, als sie die Abbildungen des Klagegeschmacksmusters zulassen, bejahen würde, kann daher dahingestellt bleiben.
II.
Die Ansprüche wegen der Verletzung der Urheberrechte an dem Stuhl Modell "P" durch Nutzung des Stuhls Modell "E" und an der Bank Modell "Pr" durch Nutzung der Bank Modell "D" ergeben sich aus Folgendem:
1. Der Stuhl Modell "P" und die Bank Modell "Pr" sind urheberrechtlich jeweils als Werk der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG geschützt.
a) Bei einem Werk der angewandten Kunst muss es sich um eine Schöpfung handeln, die mit Darlegungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht und vorzugsweise für die Anregung des ästhetischen Gefühls durch Anschauung bestimmt ist. Der Umstand allein, dass das Werk neben dem ästhetischen Zweck noch einem praktischen Gebrauchszweck dient, schließt den Werkschutz nicht aus. In Abgrenzung zu reinen Geschmacksmustern muss allerdings bei einem Werk der angewandten Kunst nach der obergerichtlichen Rechtssprechung der ästhetische Gehalt einen solchen Grad erreicht haben, dass nach der im Leben herrschenden Anschauung der mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten und für künstlerische Dinge empfänglichen Kreise noch von Kunst gesprochen werden kann. Erforderlich ist danach ein über die sog. kleine Münze hinausgehender ästhetischer Überschuss, der sich aus der erkennbaren Gestaltung eines besonderen künstlerischen Formgedankens ergibt. Diese Anforderung darf andererseits weder dahin missverstanden werden, dass das künstlerische Element im schmückenden Beiwerk - im Zierrat oder Ornament - liegen muss, noch dahin, dass hiermit ein Überwiegen des ästhetischen Gehalts über den Gebrauchszweck vorausgesetzt wird. Die Kunstschutzfähigkeit besteht vielmehr auch bei einem überwiegenden Gebrauchszweck und kann auch dann gegeben sein, wenn der ästhetische Gehalt in die ihrem Zwecke gemäß - in klarer Linienführung ohne schmückendes Beiwerk - gestaltete Gebrauchsform eingegangen ist. Maßgebend ist allein, ob der ästhetische Gehalt als solcher ausreicht, nicht nur von einer geschmacklichen, sondern einer künstlerischen Leistung zu sprechen (BGH GRUR 1957, 291, 292 f. € Europapost m.w.N. zur älteren Rechtsprechung; bestätigend z.B. BGH GRUR 1995, 581, 582 € Silberdistel).
Ob diese Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Regelungen der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung und des deutschen GeschmMG vom 12.03.2004, die nicht mehr die Formschöpfung als solche in den Vordergrund stellen, sondern die Unterscheidungskraft eines Erzeugnisses in seinem konkreten Gebrauchszweck (vgl. Berlit, Das neue Geschmacksmusterrecht, GRUR 2004, 635/636; Kur, Die Auswirkungen des neuen Geschmacksmusterrechts auf die Praxis, GRUR 2002, 661/662) Bestand haben kann, oder ob in Folge dessen nicht auch für den Bereich der angewandten Kunst die kleine Münze für ausreichend erachtet werden muss, kann dahinstehen. Denn auch nach den bisherigen Anforderungen ist den Klagemustern urheberrechtlicher Schutz zuzugestehen.
b) Die Gestaltung des Stuhls Modell "P" vermittelt den erforderlichen ästhetischen Überschuss.
Das Berufungsgericht von Antwerpen hat in einer (von der Klägerin als Anlage K 26 vorgelegten) Entscheidung vom 28.11.2005 zum Az. 2004/AR/1919 zum nebenstehend nochmals abgebildeten Stuhl Modell "P"
folgendes ausgeführt (die Richtigkeit der nachfolgenden klägerischen Büroübersetzung ist von den Beklagten nicht in Abrede gestellt worden):
€Hier wurzelt die Originalität des Modells des Sessels Modell "P" der Berufungsbeklagten in der stark ausgeprägten minimalistischen und schlichten Formgebung, wobei eine leichte tragende Struktur aus der Profilansicht aus einer geraden, parallelen Grundkonstruktion, die zuletzt mit einer leichten Biegung in der Rückenlehne weiterläuft und ganz vorne in der Armlehne endet, die durch eine prononcierte Biegung mit der Rückseite verbunden ist.
In der Frontansicht zeigt sich, dass diese leichte Konstruktion zwei quasi geschlossene gerade Flächen trägt, die mittels eines zarten Linienspiels ineinander übergehen zu scheinen. Die Gestaltung ist klar konzipiert. Das Modell Modell "P"-Sessel hat eine intellektuelle Anstrengung erfordert, in welcher der persönliche Stempel des Schöpfers zu erkennen ist. Dieser Stuhl genießt urheberrechtlichen Schutz.€
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer uneingeschränkt an. Nicht zuletzt wegen der hohen Originalität des Stuhls dürfte es den Beklagten trotz hinreichender Zeit seit April 2007 (Abmahnung durch die Klägerin) nicht gelungen sein, ältere Entgegenhaltungen einzuführen. Soweit die Beklagten auf das Muster Nr.5 einer DPMA-Geschmacksmustersammelanmeldung einer Firma M Freizeitmöbel aus L in Deutschland zur Nr. 49...10.2 vom 13.08.1998, ein Stuhlmodell aus der €B Collection€ der schon genannten Firma F Möbel aus Deutschland und einen Stuhl aus der Serie "A D" einer Firma H..n aus den Niederlanden verweisen, haben sie die von der Klägerin in Abrede gestellten Priorität gegenüber dem Ende 1997 gestalteten Stuhl Modell "P" (die Zeichnung Anlage K 22 hat das Datum 13.12.97) weder dargelegt noch unter Beweis gestellt. Einzig aus der Geschmacksmusteranmeldung ließe sich auf ein Datum schließen; dieses würde aber keine Priorität begründen. Darauf, dass die als Entgegenhaltungen eingeführten Stühle nicht geeignet wären, dem Werkcharakter des Stuhls Modell "P" entgegenzustehen, kommt es daher nicht mehr an. Von dem von der Klägerin selbst eingeführten vorbekannten Formenschatz (Anlagenkonvolut K 13) setzt sich das Klagemuster deutlich ab.
c) In gleicher Weise vermittelt die Bank Modell "Pr" den erforderlichen ästhetischen Überschuss.
Auch in der nebenstehend durch mehrere Abbildungen dargestellten Gestaltung der Bank Modell "Pr" findet sich die individuelle Handschrift des Urhebers W.S. wie bei den dargestellten Stuhlmodellen wieder in der stark ausgeprägten minimalistischen und schlichten Formgebung zeitlosen Designs mit einer klaren parallelen Linienführung in der Vorderansicht mit dem unter den Sitz heruntergezogenen, durch zwei stärkere vertikale Leisten gleichmäßig dreigeteilten horizontalen Rückenteil und einer Seitenansicht mit einem sich in einer leichten Biegung nach hinten elegant neigenden Rückenteil,
einer in gleicher Weise leicht gerundeten Armlehne und einem leicht gegenläufig gerundeten Sitzelement, alles unter Verzicht auf überflüssige störende Elemente.
Die Entgegenhaltung €Modell "B"€ ist nicht zu berücksichtigen. Denn die Beklagten haben die von der Klägerin in Abrede gestellte Priorität dieser Entgegenhaltung nicht dargetan. Darauf, dass die Bank €Modell "B"€ auch nicht geeignet wären, dem Werkcharakter des Stuhls Modell "P" entgegenzustehen, kommt es daher nicht mehr an. Von dem von der Klägerin selbst eingeführten vorbekannten Formenschatz (Bl. 8, 9 d.A. und Anlagen K 13 und K 19) setzt sich das Klagemuster deutlich ab.
2. Der Klägerin stehen aus abgeleitetem Recht von dem Urheber W.S. die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den Gestaltungen des Stuhls Modell "P" und der Bank Modell "Pr" für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu.
a) Die Urheberschaft des Designers W.S. steht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme fest. Zweifel an der Richtigkeit der entsprechenden Zeugenaussage des W.S. bestehen nicht. Denn diese Aussage deckt sich mit der Veröffentlichung seines Namens als Designer der Bank Modell "Pr" und des Stuhls Modell "P", so in der niederländischen Ausgabe der Zeitschrift €Schöner Wohnen€ (Anlage K 18).
b) Der fremdenrechtliche inländische Schutz für den belgischen Urheber folgt aus § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG.
c) Der Urheber hat der Klägerin, die früher unter NV de Cock firmierte (Anlagenkonvolut K 55), die räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten Nutzungsrechte an den Gestaltungen des Stuhls Modell "P" und der Bank Modell "Pr" übertragen. Das folgt für den Stuhl Modell "P" aus dem (im Anlagenkonvolut K 54 vorgelegten) Vertrag zwischen W.S. und NV de Cock vom 13.07.1998, insbesondere aus der Regelung unter Art. 4, und für die Bank Modell "Pr" aus dem (im Anlagenkonvolut K 54 vorgelegten) Vertrag zwischen W.S. und NV de Cock vom 29.06.1996), auch dort insbesondere aus der Regelung unter Art. 4. Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, die vorgelegten Verträge verdeutlichten nicht, dass sie sich auf die streitgegenständlichen Designs beziehen; die nach der Präambel den Verträgen beigefügten Skizzen seien nicht vorgelegt worden. Ferner sei die Rechtsübertragung mangels klarer weitergehender Regelungen auf Belgien beschränkt. Der Zeuge W.S. hat zum Einen bestätigt, dass die Verträge die streitgegenständlichen Designs erfassen, und zum Anderen, dass die Nutzungsrechte der Klägerin ausschließlich und uneingeschränkt übertragen worden seien. Letzteres bestätigt das Verständnis der Kammer von den jeweiligen Art. 4 der Verträge. Und Zweifel daran, dass die streitgegenständlichen Designs erfasst sind, sind aufgrund der Zeugenaussage und den von der Klägerin vorgelegten Veröffentlichen in Zeitungen und Zeitschriften, nach denen immer die Klägerin im Zusammenhang mit den Designs genannt wird, nicht angebracht.
3. Der Stuhl Modell "E" ist eine unfreie Bearbeitung des Stuhls Modell "P" und die Bank Modell "D" ist eine unfreie Bearbeitung der Bank Modell "Pr".
a) Der Stuhl Modell "E" ist eine unfreie Bearbeitung des Stuhls Modell "P".
Die nachfolgende Gegenüberstellung zeigt, dass der Stuhl Modell "E" die wesentlichen prägenden Elemente des Stuhl Modell "P" aufweist.
Die nur kleinen Unterschiede führen nicht dazu, dass das Bild des Stuhls Modell "P" hinter der Gestaltung des Stuhls Modell "E" verblasst, wie es Voraussetzung für eine freie Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG wäre. Damit liegt eine unfreie Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG vor, mithin eine unerlaubte Vervielfältigung.
b) Die Bank Modell "D" ist eine unfreie Bearbeitung der Bank Modell "Pr".
Die nachfolgende Gegenüberstellung zeigt, dass die Bank Modell "D" die wesentlichen prägenden Elemente der Bank Modell "Pr" aufweist.
Durch die breiteren Latten im Rückenteil hat die Bank Modell "D" zwar nicht die Leichtigkeit der Bank Modell "Pr", auch ist die Dreiteilung des Rückenteils nicht so genau erkennbar. Im Übrigen finden sich aber sowohl in der Voransicht als auch in der Seitenausgestaltung weitgehend übereinstimmende Formgebungen, so dass auch hier die Unterschiede nicht dazu führen, dass das Bild der Bank Modell "Pr" hinter dem der Bank Modell "D" verblasst. Die nur kleinen Unterschiede führen nicht dazu, dass das Bild des Stuhls Modell "P" hinter der Gestaltung des Stuhls Modell "E" verblasst, wie es Voraussetzung für eine freie Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG wäre. Damit liegt eine unfreie Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG vor, mithin eine unerlaubte Vervielfältigung.
4. Die Beklagte zu 1) hat den Stuhl Modell "P" und die Bank Modell "Pr" angeboten. Das stellt eine Verbreitungshandlung im Sinne des § 17 UrhG dar, die ausschließlich der Klägerin als Berechtigter vorbehalten ist. Da das Anbieten ohne Rechtseinräumung durch die Klägerin geschah, war es widerrechtlich.
5. Für die Wiederholungsgefahr, das Verschulden und das Feststellungsinteresse kann auf die obigen Ausführungen zu den geschmacksmusterrechtlichen Ansprüchen verwiesen werden, die in gleicher Weise für die urheberrechtlichen Ansprüche gelten. Damit liegen gegenüber der Beklagten zu 1) alle Voraussetzungen für den Unterlassungsanspruch bezüglich de Verletzungsmuster Modell "E" und Modell "D" gemäß § 97 Abs. 1 UrhG, den Auskunftsanspruch über Dritte gemäß § 101a UrhG und im Übrigen gemäß § 242 BGB, sowie den Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 256 ZPO vor.
III.
Der Beklagte zu 2) haftet als gesetzlicher Vertreter und verantwortlich Handelnder der Beklagten zu 1). Ihm hätte es oblegen, dafür zu sorgen, dass die Schutzrechtslage recherchiert und festgestellt wird. Dieser Pflicht ist er offensichtlich nicht nachgekommen. Vortrag, der ihn entlasten könnte, liegt nicht vor.
IV.
Da die von der Klägerin begehrten Rechtsfolgen sich bereits aus Sonderschutzrechten ergeben, bedarf es keines Eingehens auf einen ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
LG Hamburg:
Urteil v. 18.07.2008
Az: 308 O 491/07
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b9e35028cd1e/LG-Hamburg_Urteil_vom_18-Juli-2008_Az_308-O-491-07