Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 20. November 2006
Aktenzeichen: 16 U 55/05
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 20.11.2006, Az.: 16 U 55/05)
Zur Berechtigung des Honoraranspruchs eines Rechtsanwalts
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. März 2005 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. März 2005 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 633,23 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger macht als Rechtsanwalt einen Honoraranspruch gegenüber der Beklagten geltend.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine wirtschaftliche Interessengemeinschaft, die sich vorrangig mit der Werbung für das Reiseziel Frankreich im In- und Ausland befasst. Wegen des beabsichtigten Erwerbs der Internet- www ... .de, die allerdings schon von einer Firma A Dienstleistungen gehalten wurde, wandte sie sich am 16. Oktober 2001 über ihren damaligen Provider, die B GmbH an den Kläger, der entsprechenden Beistand leisten sollte. Die Anfrage der Beklagten beantwortete der Kläger mit einer Email vom gleichen Tage (Bl. 116 d.A.), in der er unter Bezug darauf, dass es sich bei den zu erörternden Fragen um einen seiner Themenschwerpunkte handele, ein Stundenhonorar von 350,00 DM anbot.
Die Beklagte antwortete darauf mit einer Email vom 17. Oktober 2001, in der auf der Grundlage des Schreibens des Klägers bei 2 ½ Stunden einen Betrag von 875,00 DM veranschlagte und sich weiterhin nach etwa entstehenden Auslagen erkundigte.
In den Geschäftsräumen der Beklagten fand sodann am 24. Oktober 2001 eine Besprechung statt, deren Ergebnis der Kläger in einem Schreiben vom 29. Oktober 2001 zusammenfasste.
Diesem Schreiben fügte der Kläger eine Honorarvereinbarung bei, in der er noch einmal ein Stundenhonorar von 350,00 DM nannte. Diese Honorarvereinbarung ist von der Beklagten nicht unterzeichnet worden.
In der Folgezeit stellte der Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Beklagte, sogar verbunden mit einem Verzicht auf die Einrede der Verjährung, keine Rechnung. Diese erhielt die Beklagte erst mehr als zwei Jahre später, nämlich im Dezember 2003. In dieser Kostennote Bl. 12 d.A.) berechnete der Kläger für die Beratung der Beklagten auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 7.800.000,00 DM eine Gebühr 30.931,40 DM (= 15.814,97 €), die er nunmehr gerichtlich geltend macht.
Zur Begründung hat er vorgetragen, dass der von ihm gewählte Ansatz sowohl bei der Höhe des Gegenstandswerts als auch bei der Festlegung von 10/10 nicht zu beanstanden sei. Allein in Erwartung einer umgehenden Zahlung habe er lediglich 30 % von 20% des Budgets der Beklagten für das Jahr 2001, welches er aus dem Internet entnommen habe, zugrundegelegt.
Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.814,97 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 23. Dezember 2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben, Verjährung sei am 31. Dezember 2003 eingetreten.
Des weiteren hat sie eingewandt, dass das von dem Kläger begehrte Honorar bei weitem überhöht sei. Die Besprechung habe höchstens eine Stunde gedauert und der Kläger habe in dieser Zeit alle Angaben erhalten, die er dann auch schriftlich habe zusammenfassen wollen. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Kläger zudem von einem Streitwert von ca. 500.000,00 DM ausgegangen. Im übrigen könne auch das Gesamtbudget der Beklagten nicht zugrundegelegt werden, da eine Domainstreitigkeit nur einen kleinen Ausschnitt der im Budget zusammengefassten Betätigungen der Beklagten widerspiegele. Das Landgericht nach Einholung eines Gebührengutachtens der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main (Bl. 101 - 104 d.A.) mit Urteil vom 11. März 2005, auf das wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird, der Klage in Höhe eines Betrages von 3.498,56 € stattgegeben.
In der Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger ein Anspruch auf ein Honorar zustehe, welches, da es sich nicht um eine Erstberatung im Sinne des § 20 Satz 2 BRAGO gehandelt habe, im Gebührenansatz der Kostennote vom 22. Dezember 2003 von 10/10 nicht zu beanstanden sei, wie dies auch die Rechtsanwaltskammer in ihrem Gutachten.
Die Höhe des Gegenstandswerts hat das Landgericht auf der Grundlage von § 8 Absatz 1 Satz 2 BRAGO aufgrund einer von ihm durchgeführten Schätzung mit 500.000,00 DM angenommen und hat somit eine Gebühr von 2.996,00 DM zuzüglich 20,00 DM Auslagenpauschale, die bei 16% Mehrwertsteuer zu einem Gesamtbetrag von 3.498,56 DM führt.
Die Verjährungseinrede hat das Landgericht nicht als durchgreifend angesehen.
Wegen der Einzelheiten wird insoweit wie auch wegen der weitergehenden Begründung auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er zunächst seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt hat. In diesem Zusammenhang weist er noch einmal darauf hin, dass es sich bei der von der Beklagten gewünschten Beratung um eine "gewöhnliche" Domain-Freigabe-Streitigkeit gehandelt habe, für die angesichts der von einem Anwalt vorzunehmenden Mischkalkulation es nicht angehe, seitens des Gerichts ein als "unangemessen hoch" empfundenes Honorar durch "Drehen" am Gebührenansatz oder wie hier am Gegenstandswert zu reduzieren.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21. März 2006 hat der Kläger eine Klageerweiterung auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 25.000,00 € nebst Zinsen vorgenommen. Insoweit hat er der Beklagten unter dem Datum vom 28. März 2006 eine Kostennote zukommen lassen, die von einem Streitwert von 13.299.644,00 DM (= 6.800.000,00 €) ausgeht, eine Auslagenpauschale von 40,00 DM, Fahrtkosten in Höhe von 17,68 DM sowie ein Abwesenheitsgeld von 30,00 DM umfasst und somit bei einem Gebührenansatz von 10/10 (43.125,00 DM) eine Gebührenanspruch von insgesamt 43.212,68 DM (= 25.629,38 €) verfolgt. Hierbei verweist er darauf, dass der von ihm angenommene Streitwert nur ein Bruchteil der von der Beklagten jährlich erreichten Umsatzziffer darstelle.
Der Kläger beantragt daher nunmehr,
die Beklagte unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 25.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 15.814,97 € seit dem 23. Dezember 2003, im übrigen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und im Wege der Anschlussberufung,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage bis auf einem Betrag in Höhe von 178,95 € (350,00 DM) abzuweisen.
Sie hält die Forderung des Klägers nach wie vor für mehr als überhöht, beruft sich im weiteren nach wie vor auf die Einrede der Verjährung und hält die von dem Kläger vorgenommene Klageerweiterung für unzulässig.
Der Kläger beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet; die - zulässige - Anschlussberufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg.
Wie der Senat bereits in seinem Hinweis an die Parteien vom 21. Oktober 2005 ausgeführt hat, ist davon auszugehen, dass zwischen den Parteien eine wirksame Vereinbarung über ein von der Beklagten zu zahlendes Stundenhonorar von 350,00 DM zustandegekommen ist.
Unstreitig ließ die Beklagte am 16. Oktober 2001 (Bl. 115 d. A.) über ihren Provider per Email bei dem Kläger anfragen, welche Kosten für die Vorbereitung und einen 1 bis 1,5 Stunden dauernden Termin zur Erörterung möglicher Rechtsmittel zur Erlangung der Inhaberrechte an der Domain www.....de entstehen würden. In seiner Antwortmail (Bl. 116 d.A.) bot der Kläger einen Stundensatz in der Höhe von 350,00 DM (netto) plus Auslagen an.
Mit Email vom 17. Oktober 2001 (Bl. 117 d.A.) erklärte sich der für die Beklagte handelnde Provider mit diesem Ansatz einverstanden, wobei er für angenommene 2,5 Stunden einen Betrag von 875,00 DM zuzüglich Auslagen errechnete. An die damit für beide Parteien bindend geschlossene Vereinbarung, der auch, da geringere Sätze als die gesetzlichen Gebühren vereinbart worden sind, die Vorschriften der §§ 3, 5 BRAGO nicht entgegenstehen, müssen sich die Parteien auch festhalten lassen. In diesem Zusammenhang spielt die von dem Kläger erst nachträglich übersandte Honorarvereinbarung, die insbesondere aber die vorgenannte Vereinbarung bestätigte, keine Rolle, denn die Vereinbarung war ja schon mit bindender Wirkung geschlossen worden.
Daher ist es insbesondere dem Kläger, verwehrt, nunmehr eine Rechnung auf der Grundlage der gesetzlichen Gebühren aufzumachen, die im übrigen kaum nachvollziehbar und im Ergebnis auch falsch ist, denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse der Beklagten an der Innehabung der gewünschten Domain für sie einen Wert von mehreren Millionen Euro ausmachen würde; solche Umstände sind von dem Kläger auch nicht ansatzweise dargelegt worden, insbesondere vermögen seine - generell nachvollziehbaren - Verdienstinteressen das zu bewertende Interesse der Beklagten nicht zu ersetzen.
Nicht unberücksichtigt bleiben darf im weiteren, dass der Kläger auch im vorhinein in ausreichendem Umfang über den Gegenstand der von der Beklagten gewünschten Rechtsberatung informiert war: er wusste, dass es um die Erlangung der Inhaberschaft an der Domain www.....de ging, hätte also, um die jetzt von ihm beklagte Benachteiligung auszuschließen, von Anfang an auf die Frage nach den Kosten eine Antwort geben können und müssen, die seine jetzige Berechnung abbildet. Dass er dies nicht getan hat, sondern die Beklagte in dem Glauben gelassen hat, er werde nicht mehr als das von ihm selbst genannten Stundenhonorar zuzüglich Auslagen fordern, geht nach Ansicht des Senats schon in einen Bereich über, der ein unlauteres Verhalten nahelegt.
Von der Honorarvereinbarung umfasst wird auch die von dem Kläger im Anschluss an die mit der Beklagten durchgeführten Besprechung erstellte Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Unterredung. Die Zusammenfassung der Ergebnisse stellt nämlich eine Fortsetzung der Beratung und ihren einstweiligen Abschluss dar, steht damit noch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Beratung und bildet einen Teil von ihr. Da zum einen der Kläger selbst - wie vor allem auch die nach dem Termin übersandte Honorarvereinbarung zeigt - aus der Erstellung der Zusammenfassung offenbar keinen eigenen Gebührentatbestand ableiten wollte und auch die Beklagte während des Gesprächs keinen Anlass erfuhr anzunehmen, dass diese Zusammenfassung einem gesonderten Gebührentatbestand unterfallen sollte, ist davon auszugehen, dass die Parteien die Vereinbarung über das Stundenhonorar stillschweigend auf die Erstellung dieser Zusammenfassung ausgedehnt haben.
Auf dieser Grundlage geht der Senat davon aus, dass dem Kläger ein Betrag von 1.050,00 DM für drei Stunden Tätigkeit für die Beklagte zusteht. Hierbei ist eine Stunde für die eigentliche Berechnung, eine Stunde Fahrtzeit sowie eine Stunde für die Erstellung der Zusammenfassung anzusetzen. Dieser Ansatz erscheint insbesondere im Hinblick auf die eigene Äußerung des Klägers in seiner Email vom 16. Oktober 2001, dass er sich mit Rücksicht auf seinen Tätigkeitsschwerpunkt in dem fraglichen Bereich nicht großartig vorbereiten müsse, nicht als untersetzt. Zuzüglich Fahrtkosten (17,68 DM) und Mehrwertsteuer ergibt sich somit ein Betrag von 1.238,50 DM resp. 633,23 €, die dem Kläger zuzüglich der von ihm begehrten Verzugszinsen zustehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Hiernach waren dem Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da sein Obsiegen geringfügig ist und keine zusätzlichen Kosten verursacht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zulassung nicht vorliegen.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 20.11.2006
Az: 16 U 55/05
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