Landgericht Karlsruhe:
Urteil vom 3. März 2006
Aktenzeichen: 3 O 428/05
(LG Karlsruhe: Urteil v. 03.03.2006, Az.: 3 O 428/05)
1. Mitgliedern einer Genossenschaft können durch die Satzung keine Verpflichtung zur Entrichtung von Gebühren und Beiträgen auferlegt werden. Eine hiergegen verstoßende Satzungsänderung ist nicht nur anfechtbar, sondern nichtig.
2. Ein gemeinsam von Vorstand und Aufsichtsrat beschlossener Ausschluss eines Genossenschaftsmitglieds ist unwirksam, wenn nach der Satzung der Vorstand für den Ausschluss und der Aufsichtsrat zur Entscheidung über die Beschwerde gegen den Ausschluss berufen ist.
3. Ein Beschluss einer Genossenschaft, der ohne ein zu Unrecht nicht zur Generalversammlung zugelassenes Mitglied gefasst wird, ist grundsätzlich nur anfechtbar, nicht nichtig. Mit welchen Mitteln dem Mitglied die Mitwirkung an der Beschlussfassung verwehrt wird, ist unerheblich.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Mitgliedschaft der Kläger bei der Beklagten fortbesteht und nicht durch den Ausschluss vom 17.06.2005 beendet wurde.
2. Es wird festgestellt, dass der auf der außerordentlichen Generalversammlung vom 19.08.2005 unter Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss der Beklagten auf Auszahlung der Genossenschaftsanteile der Kläger unwirksam ist.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
6. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 10.000,00.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen ihren Ausschluss aus der Beklagten sowie gegen Beschlüsse, die in der Folge ohne ihre Mitwirkung zustande kamen.
Die Beklagten ist eine eingetragene Genossenschaft, die als satzungsmäßigen Zweck die Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft ihrer Genossen hat. Die Satzung schließt eine Nachschusspflicht von Genossen aus. Die Kläger waren Genossen der Beklagten. Im Jahr 1999 beschloss die ordentliche Mitgliederversammlung der Beklagten eine Ergänzung des § 13 der Satzung, der die Pflichten der Genossen zum Gegenstand hat, um einen § 13 j, wonach sich die Genossen insbesondere zur Entrichtung von Gebühren und Beiträgen verpflichten. Auf dieser Grundlage beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten, von den Genossen eine Kostenumlage zu erheben, die für Firmenmitglieder monatlich EUR 278,00 und für Privatmitglieder EUR 37,12 betragen sollte. Die Kläger, die zu den Privatmitgliedern zählten, setzten sich dagegen mit dem Argument zur Wehr, eine Satzungsregelung mit dem Inhalt der Erhebung von Umlagen zur Deckung allgemeiner Kosten oder zur Beseitigung von Verlusten sei unzulässig. Die Umlage bezahlten sie nicht.
Unmittelbar vor dem Beginn der ordentlichen Mitgliederversammlung vom 17.06.2005 wurden die Kläger danach gefragt, ob sie bereit seien, die Betriebskostenumlage zu bezahlen, was die Kläger verneinten. Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen daraufhin in einer gemeinsamen Sitzung, die Kläger aus der Genossenschaft auszuschließen. Im Anschluss daran wurde den Klägern mitgeteilt, sie seien ausgeschlossen und hätten daher den Versammlungsort zu verlassen. An der Mitgliederversammlung vom 17.06.2005 nahmen die Kläger daraufhin ebensowenig teil wie an einer späteren außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 19.08.2005. Auf beiden Versammlungen fasste die Beklagte ohne Mitwirkung der Kläger Beschlüsse. Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 19.08.2005 wurden insbesondere zwei Beschlüsse gefasst, wonach zum einen zwei Firmenmitgliedern ein Sonderkündigungsrecht bis 31.12.2005 eingeräumt wurde, und zum anderen die Geschäftsanteile der Kläger diesen ausgezahlt werden.
Eine Woche nach der Mitgliederversammlung vom 17.06.2005 erhielten die Kläger von der Beklagten ein Einschreiben vom 17.06.2005, mit dem den Klägern unter Hinweis auf § 10 a) und b) der Satzung mitgeteilt wurde, Vorstand und Aufsichtsrat hätten am 17.06.2005 einstimmig beschlossen, die Kläger aus der Beklagten auszuschließen, da sie die Beiträge nicht bezahlt hätten. § 10 a) und b) der Satzung lautet:
Ein Mitglied kann aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden,
a. wenn es trotz schriftlicher Aufforderung unter Androhung des Ausschlusses den satzungsgemäßen oder sonstigen der Genossenschaft gegenüber bestehenden Verpflichtungen nicht nachkommt;
b. wenn es durch Nichterfüllung seiner Verpflichtungen die Genossenschaft schädigt oder geschädigt hat, oder wenn wegen der Nichterfüllung einer Verbindlichkeit gerichtliche Maßnahmen notwendig sind;
Nachdem die Beklagte auf Widerspruch ablehnend reagierte, machten die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 03.08.2005 die Unwirksamkeit des Ausschlusses geltend und legten vorsorglich Beschwerde gegen den Ausschluss beim Aufsichtsrat ein. Mit Schreiben vom 25.08.2005 teilte die Beklagte mit, dass Vorstand und Aufsichtsrat den Ausschluss der Kläger einstimmig bestätigt hätten.
Die Kläger sind der Ansicht,
ihr Ausschluss sei aus formellen und inhaltlichen Gründen unwirksam. Für einen Ausschluss sei allein der Vorstand zuständig, hier aber sei der Ausschluss gemeinsam von Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen worden, obwohl der Aufsichtsrat nach den Bestimmungen der Satzung die genossenschaftsinterne Beschwerdeinstanz sei. Die Kläger seien vor ihrem Ausschluss auch nicht hinreichend angehört worden. Den Klägern sei auch nicht vor der Versammlung der Ausschluss durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt worden, wie dies die Satzung ebenfalls vorsehe. Es sei auch keine rechtmäßige Beschwerdeentscheidung ergangen, da über die Beschwerde nicht der Aufsichtsrat, sondern Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam entschieden hätten. Darüberhinaus sei nach dem Genossenschaftsgesetz ein Ausschluss ohnehin nur zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahrs zulässig. Schließlich liege auch kein Ausschlussgrund vor, da die Umlageerhebung nicht rechtens sei.
Die beiden ohne ihre Mitwirkung am 17.06. und 19.08.2005 gefassten Beschlüsse seien nicht nur anfechtbar, sondern nichtig. Die Nichtigkeit ergebe sich daraus, dass die Verweigerung der Teilnahme den Anschein der Nichtigkeit auf der Stirn getragen habe. Auch habe eine Nötigung im strafrechtlichen Sinne vorgelegen, weil versucht worden sei, mit der Verweigerung der Teilnahme zu erreichen, dass sich die Kläger verpflichten, die vom Vorstand nicht wirksam festgesetzten Beträge zu entrichten. Die Nichtzulassung der Kläger zu den beiden Versammlungen stelle sich daher als sittenwidrig und nach allgemeinen Grundsätzen nichtig dar.
Darüber hinaus sei der Beschluss vom 19.08.2005 deshalb nichtig, weil unter TOP 2 die Kündigung zweier anderer Mitglieder durch die Beklagte beschlossen werden sollte, obwohl weder das Genossenschaftsgesetz, noch die Satzung eine Kündigung seitens der Genossenschaft vorsehe. Diese angekündigte Beschlussfassung entbehre daher jeglicher rechtlicher Grundlage und sei deshalb nicht nur anfechtbar, sondern nichtig gewesen. Hinzu komme, dass der schließlich gefasste Beschluss nicht mit dieser Ankündigung übereinstimme, da die Versammlung am 19.08.2005 den beiden Mitgliedern ein Sonderkündigungsrecht zum 31.12.2005 einräumten. Dieses Sonderkündigungsrecht verstoße außerdem gegen § 6 Abs. 2 der Satzung, das eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Schluss des Geschäftsjahres vorsehe.
Schließlich sei für den Beschluss auch zu TOP 4 Nichtigkeit anzunehmen, mit dem die Beklagte die Auszahlung des Geschäftsguthabens der Kläger zum 01.09.2005 beschloss, weil die Kläger nicht wirksam ausgeschlossen worden seien. Die vorzeitige Auszahlung des Geschäftsguthabens bei noch bestehender Mitgliedschaft stelle eine Handlung dar, die nach § 34 Abs. 3 Ziff. 1 GenG zur Haftung der Vorstandsmitglieder führe und nach § 22 Abs. 4 GenG verboten gewesen sei. Ein Beschluss, dessen Vollzug verboten sei, könne aber nur als nichtig eingeordnet werden, schon weil der Ablauf der Klagfrist nicht geeignet sei, dessen Rechtswidrigkeit zu heilen.
Die Kläger beantragen,
1. festzustellen, dass die Mitgliedschaft der Kläger bei der Beklagten fortbesteht und nicht durch den Ausschluss vom 17.06.2005 beendet wurde,
2. festzustellen, dass die Beschlüsse der Generalversammlung der Beklagten vom 17.06.2005 und der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 19.08.2005 in ihrer Gesamtheit unwirksam sind.
Die Beklagte beantragt Klagabweisung.
Die Beklagte ist der Ansicht,
das Genossenschaftsgesetz enthalte kein Beitragsverbot, weshalb die Satzungsänderung und die beschlossene Beitragszahlung rechtmäßig gewesen seien. Auch die Beschlussfassung über den Ausschluss der Kläger sei nicht zu beanstanden. Die Teilnahme des Aufsichtsrats mache den Beschluss weder anfechtbar noch nichtig, da der Beschluss einstimmig gefasst worden sei und da das Genossenschaftsgesetz das zuständige Organ offen lasse. Im Übrigen sei in der Satzung selbst bei den Angelegenheiten, die gemeinsame Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat voraussetzen, eine getrennte Abstimmung vorgesehen. Die Anhörung der Kläger sei ausreichend gewesen. Auch eine Entscheidung über die Beschwerde sei erfolgt. Die Regelung des Genossenschaftsgesetzes, wonach ein Ausschluss nur zum Ende des Geschäftsjahres vorgesehen ist, sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Die Beschlüsse vom 17.06. und 19.08.2005 seien nicht nichtig. Beschlüsse, bei denen nicht der Inhalt selbst, sondern nur der Beweggrund oder nur die Art des Zustandekommens sittenwidrig seien, seien lediglich anfechtbar. Für die Beklagte sei der Ausschluss der Kläger auch nicht offensichtlich rechtswidrig gewesen. Unerheblich sei für die Frage der Nichtigkeit auch, mit welchen Mitteln die Teilnahme eines Mitglieds verwehrt werde. Im Übrigen lasse auch ein unwirksamer Ausschließungsbeschluss die vorläufigen Rechtswirkungen des § 68 Abs. 4 GenG bzw. § 10 Nr. 5 der Satzung unberührt.
Die Nichteinhaltung der Sechsmonatsfrist des § 6 Abs. 2 der Satzung unter TOP 2 der außerordentlichen Generalversammlung vom 19.08.2005 führe ebenfalls nicht zur Nichtigkeit, aus diesem Grund sei ja auch der Begriff Sonderkündigungsrecht verwendet worden.
Schließlich liege auch in der Auszahlung der Geschäftsguthaben der Kläger kein Verstoß gegen § 22 GenG, da der Ausschluss mit sofortiger Wirkung erfolgen sollte.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2006.
Gründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere haben die Kläger ein Interesse an der begehrten Feststellung, § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klage ist bezüglich Klagantrag Ziff. 1 auch begründet, bezüglich Klagantrag Ziff. 2 jedoch überwiegend unbegründet.
I. Klagantrag Ziff. 1
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung, dass ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten fortbesteht und nicht durch den Ausschluss vom 17.06.2005 beendet wurde. Der Ausschluss der Kläger durch die Beklagte am 17.06.2005 war rechtswidrig und unwirksam. Die Rechtswidrigkeit des Ausschlusses der Kläger beruht auf formellen und materiellen Verstößen gegen das durch die Satzung näher ausgestaltete Genossenschaftsrecht.
1. Der Ausschluss erfolgte entgegen § 10 Nr. 2 der Satzung nicht durch den zuständigen Vorstand, sondern durch einen gemeinsamen Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat (vgl. Schr. der Bekl. vom 17.06.2005, Anlage K 9). Zwar war danach der Vorstand als zuständiges Organ der Beklagten einstimmig an der Beschlussfassung beteiligt. Die darüber hinausgehende Beteiligung des Aufsichtsrats führte aber deshalb zur Rechtswidrigkeit des Ausschließungsbeschlusses, weil mit dem Aufsichtsrat das Organ an dem Beschluss mitbeteiligt wurde, das nach § 10 Nr. 6 der Satzung zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen den Ausschluss berufen ist. Es widerspricht aber allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, dass ein an der Entscheidung beteiligtes Organ über ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung befinden kann. Die Satzung sieht vielmehr vor, dass über die Beschwerde ein an der Entscheidung nicht beteiligtes Organ befindet, nämlich der Aufsichtsrat über eine Entscheidung des Vorstandes.
Dass bei bestimmten Angelegenheiten nach § 24 Nr. 1 der Satzung eine gemeinsame Sitzung von Vorstand und Aufsichtsrat vorgesehen ist, in der Vorstand und Aufsichtsrat nach gemeinsamer Beratung getrennt abstimmen, ändert daran schon deshalb nichts, weil zum einen für einen Ausschluss die Satzung keine gemeinsame Sitzung vorsieht, und weil zum anderen die bloße Tatsache, dass die Satzung derartiges vorsieht, nichts daran ändert, dass Aufsichtsrat und Vorstand vorliegend tatsächlich gemeinsam abgestimmt haben.
2. Der Ausschluss der Kläger war auch deshalb unwirksam, weil kein Ausschlussgrund bestand. Die Kläger sind weder einer wirksam bestehenden satzungsmäßigen oder sonst der Beklagten gegenüber bestehenden Verpflichtung nicht nachgekommen, noch haben sie durch Nichterfüllung einer ihrer Verpflichtungen die Beklagte geschädigt (§ 10 Nr. 1 a) und b) der Satzung).
Die im Jahr 1999 eingeführte Satzungsänderung, mit der in § 13 j) der Satzung die Verpflichtung der Mitglieder zur Entrichtung von Gebühren und Beiträgen eingeführt wurde, war rechtswidrig. Eine solche Geldleistungspflicht sieht das Genossenschaftsgesetz nicht vor. Die Geldleistungspflichten der Mitglieder, die ihre Grundlage im Gesellschaftsrecht haben und die den Genossen durch Satzung auferlegt werden können, sind jedoch nach ganz herrschender Meinung, der sich das Gericht anschließt, im Genossenschaftsgesetz abschließend geregelt (Lang/Weidmüller/Metz/ Schaffland, Genossenschaftsgesetz, 33. Aufl., § 68, § 7 Rn. 56, 58, 67, 68, § 18, Rn. 48, 75; Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich, Genossenschaftsgesetz, 2. Aufl., § 7, Rn. 14; RGZ 62, 303; Müller, Kommentar zum Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, 2. Aufl., § 7, Rn. 58; Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, S. 197; a.A. nur Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 14. Aufl., § 7 Rn. 14 und § 18, Rn. 28). Insbesondere die allgemeinen Betriebskosten können nicht aufgrund von Satzungsbestimmungen auf die Mitglieder verteilt werden (Lang u.a. aaO., § 7, Rn. 68; KG JFG 9, 146; OLGR 6, 193; 16, 108; OLG Braunschweig JW 1936, 1387).
Die Begrenzung der satzungsmäßig festzulegenden Leistungspflichten von Mitgliedern findet ihre Rechtfertigung darin, dass Genossen durch ihren Beitritt zu einer Genossenschaft typischerweise nur ein begrenztes persönliches Risiko übernehmen und Geldleistungspflichten, die über die im Gesetz aufgeführten hinausgehen, auch nicht durch Mehrheitsbeschluss der Genossen ausgesetzt sein sollen (vgl. §§ 2, 6 Nr. 3 und 105 GenG). Auch vorliegend schließt die Satzung der Beklagten eine Nachschusspflicht der Mitglieder aus (§ 44 der Satzung).
Der hiergegen verstoßende, rechtswidrige Beschluss der Beklagten war ohne Anfechtung nichtig (RGZ 106, 403, 406; KG JW 1924, 1593; OLG Braunschweig JW 1936, 1387). Die Kläger sind daher noch Genossen der Beklagte.
II. Klagantrag Ziff. 2
Der Klagantrag Ziff. 2 ist nur insoweit begründet, als die Kläger einen Anspruch auf Feststellung haben, dass der unter TOP 4 der außerordentlichen Generalversammlung vom 19.08.2005 gefasste Beschluss, wonach den Klägern ihre Genossenschaftsanteile zum 01.09.2005 ausgezahlt werden, unwirksam ist. Im Übrigen ist Klagantrag Ziff. 2 unbegründet.
1. Der unter TOP 4 der außerordentlichen Generalversammlung vom 19.08.2005 gefasste Beschluss, wonach den Klägern ihre Genossenschaftsanteile zum 01.09.2005 ausgezahlt werden, ist unwirksam.
a) Die Nichtigkeit dieses Beschlusses folgte zwar nicht schon daraus, dass der Ausschluss der Kläger nichtig war. Denn die Auszahlung der Genossenschaftsanteile an die Kläger hat, anders als ihr Ausschluss, nur eine begrenzte rechtliche Wirkung. Da die Auszahlung an die Kläger erfolgt, kann der Auszahlungsbetrag für die Kläger nicht verloren gehen. Spätestens mit rechtskräftiger Feststellung der Rechtswidrigkeit ihres Ausschlusses sind die Kläger verpflichtet, diesen Betrag als Einzahlung auf den Geschäftsanteil wieder an die Beklagte zu leisten, § 13 b) der Satzung. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Kläger weiterhin Mitglieder der Beklagten (Beuthien, aaO., § 68, Rn. 18 a).
b) Die Nichtigkeit dieses Beschlusses ergibt sich jedoch aus seinem Verstoß gegen § 22 Abs. 4 GenG. Nach dieser Vorschrift darf das Geschäftsguthaben eines Genossen, solange er nicht ausgeschieden ist, von der Genossenschaft nicht ausgezahlt werden, was vorliegend jedoch erfolgte (vgl. oben I.). § 22 Abs. 4 GenG dient der Kapitalerhaltung und ist damit eine Vorschrift, die speziell auf den Gläubigerschutz gerichtet ist (Lang u.a., aaO., § 22, Rn. 9; Beuthien, aaO., § 22, Rn. 9). Beschlüsse, die den gesetzlichen Gläubigerschutz verletzen, sind jedoch in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 3 Alt. 2 AktG nichtig (Lang u.a., aaO., § 51, Rn. 10 m.Nw.; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Bd. V, § 241, Rn. 43 f.).
2. Im Übrigen haben die Kläger hingegen keinen Anspruch auf Feststellung, dass die ohne ihre Beteiligung zustande gekommenen Beschlüsse der Beklagten vom 17.06.2005 und der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 19.08.2005 in ihrer Gesamtheit unwirksam sind, weil die angegriffenen Beschlüsse im Übrigen nicht nichtig sind und auch nicht rechtzeitig angefochten wurden. Soweit die Kläger die Wirksamkeit der beiden Beschlüsse hätte angreifen wollen, wäre gemäß § 51 Abs. 1 GenG eine Anfechtung der Beschlüsse erforderlich gewesen, die nicht fristgerecht binnen der gesetzlich vorgeschriebenen Monatsfrist erfolgte. Zudem stand einem Teilnahmerecht der Kläger jedenfalls in der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 19.08.2005 § 68 Abs. 4 GenG entgegen. Auch die weiteren von den Klägern vorgebrachten Gründe führen nicht zu einer Nichtigkeit der Beschlüsse.
a) Gemäß § 51 Abs. 1 GenG kann ein Beschluss der Generalversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder des Statuts im Wege der Klage angefochten werden, die Klage muss binnen einem Monat erhoben werden. Aus dieser Vorschrift folgt, dass Gesetzesverletzungen grundsätzlich nur zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Generalversammlung führen, nicht zur Nichtigkeit. Nichtigkeit liegt daher nur ausnahmsweise vor; im Zweifel ist lediglich Anfechtbarkeit gegeben (Lang/Weidmüller/ Metz/Schaffland, GenG, 33. Aufl., § 51, Rn. 9). Die Nichtigkeit von Beschlüssen der Generalversammlung ist im Gesetz nicht geregelt. Sie ist aber von Rechtsprechung und Literatur in eng begrenzten Ausnahmefällen anerkannt. Danach können die §§ 241 ff. AktG grundsätzlich analog angewandt werden, soweit nicht spezifische Verhältnisse des Genossenschaftsrechts eine Analogie ausschließen (BGH, Beschluss vom 01.07.1994, DTZ 1994, 349; Lang u.a., aaO., Rn. 10, m.w.Nw.).
Ein solcher Ausnahmefall, wonach Nichtigkeit anzunehmen wäre, liegt hier nicht vor.
aa) Dies ergibt sich schon aus § 51 Abs. 2 Satz 1 GenG. Nach dieser Vorschrift steht die Anfechtungsbefugnis nicht nur solchen Genossen zu, die zur Generalversammlung erschienen, dort aber gegen den Beschluss Widerspruch zu Protokoll erklären mussten, sondern auch nicht erschienenen Genossen, sofern diese entweder zur Generalversammlung unberechtigterweise nicht zugelassen wurden oder sofern sie über die Versammlung nicht gehörig informiert wurden. Das Gesetz gibt mithin ausdrücklich solchen Genossen eine Anfechtungsbefugnis, die zur Generalversammlung unberechtigterweise nicht zugelassen wurden. Dies wäre aber entbehrlich, wenn das Gesetz davon ausginge, dass ein Beschluss, der unter solchen Umständen zustande kommt, ohnehin nichtig wäre, da es dann einer Anfechtung nicht bedürfte. Vielmehr ist dieser Regelung zu entnehmen, dass die unberechtigte Nichtzulassung zu einer Generalversammlung einen typischen Fall der Anfechtbarkeit darstellt.
bb) Etwas anderes ergibt sich letztlich auch nicht aus der im Kommentar von Lang u.a. (aaO.), § 51, Rn. 24 und 25 zitierten Rechtsprechung (BGHZ 59, 369 = BGH NJW 1973, 235 ff.und OLG Jena, Beschluss vom 08.08.1994, ZIP 21/1994, A 132).
Dies zum einen schon deshalb nicht, weil dort Fälle zu beurteilen waren, in denen es um die Nichteinladung stimmberechtigter Mitglieder ging, also um fehlerhafte Einberufungen, nicht hingegen, wie hier, um eine ordnungsgemäße Einberufung mit Ladung der stimmberechtigten Genossen, aber Ausschluss von stimmberechtigten Genossen unmittelbar vor der Versammlung.
Ein Erst-recht-Schluss wäre hier unzulässig, denn der Genosse, der von der Versammlung gar nicht erst erfährt, ist, was seine Rechtsschutzmöglichkeiten gegen ohne ihn gefasste Beschlüsse betrifft, stärker betroffen, als derjenige, der davon erfährt, dann aber von der Teilnahme unberechtigt ausgeschlossen wird. Denn soweit der Genosse überhaupt von der Versammlung erfährt, kann er im Wege der Anfechtung rechtzeitig gegen dort getroffene Beschlüsse vorgehen, wohingegen diese Möglichkeit - mangels Kenntnis - dem schon gar nicht geladenen Genossen nicht zukommt. Der ohne den geladenen Genossen zustande gekommene Beschluss kann vielmehr, wenn er nicht nichtig, sondern nur anfechtbar ist, nach einem Monat bestandskräftig werden, da die einmonatige Anfechtungsfrist des § 51 Abs. 1 GenG unabhängig davon läuft, ob der Genosse von dem Beschluss Kenntnis erlangt (Lang u.a., aaO., Rn. 119).
Demgemäß ist - soweit ersichtlich einhellig - anerkannt, dass zu einer Generalversammlung zwar geladenen, aber zu Unrecht nicht zugelassenen Genossen nur ein Anfechtungsrecht zusteht (Lang u.a., aaO., Rn. 94 und 96 sowie Rn. 56; Beuthien, GenG, 13. Aufl., § 51, Rn. 21; Hettrich/Pöhlmann, GenG, § 51, Rn. 9). Auf die Frage, ob und, wenn ja, in welchen Fällen, Einberufungsmängel zur Nichtigkeit von Beschlüssen führen können, kommt es daher nicht an.
Zum anderen ergibt sich aus der bei Lang u.a. zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs deshalb nichts anderes, weil Entscheidungen zur Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Beschlüssen im Vereinsrecht nicht auf das Genossenschaftsrecht übertragbar sind. Denn das Vereinsrecht unterscheidet sich vom Genossenschaftsrecht maßgeblich darin, dass im Vereinsrecht, mangels Vorschriften zum Erfordernis einer Anfechtung, Beschlüsse grundsätzlich unwirksam sind, wenn sie gegen das Gesetz oder die Satzung verstoßen (BGH aaO.). Insbesondere sind die Anfechtungsvorschriften aus dem Aktienrecht (§§ 241 ff. AktG) und aus dem Genossenschaftsrecht im Vereinsrecht nicht entsprechend anwendbar (BGH aaO.). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs machte von diesem Grundsatz der regelmäßigen Nichtigkeit nur für den Fall eine Ausnahme, dass der Fehler das Abstimmungsergebnis unter keinen Umständen beeinflussen kann (12 bis 15 Vereinmitglieder von über 500 waren versehentlich nicht geladen worden). Beim Verein besteht mithin gegenüber der Genossenschaft ein umgekehrtes Regel-Ausnahme-Verhältnis.
Übertragbar ist vielmehr die Rechtslage zum Aktienrecht (s.o. Ziff. 1), wo Beschlüsse ebenfalls grundsätzlich anzufechten sind, § 241 ff. AktG. Im Aktienrecht ist aber ebenfalls anerkannt, dass der unberechtigte Ausschluss von der Teilnahme an einer Hauptversammlung nur zur Anfechtbarkeit, nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses führt (Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropf, Aktiengesetz, Band V, § 243, Rn. 22 m.Nw. aus der Rspr.). Vergleichbar ist darüber hinaus die Rechtslage im Wohnungseigentumsrecht, das ebenfalls die Anfechtung von rechtswidrigen Beschlüssen vorsieht. Auch hier besteht nach einhelliger Ansicht nur ein Anfechtungsrecht (vgl. BayObLG MDR 1986, 502; Weitnauer, WEG, 9. Aufl., § 24, Rn. 8; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 23, Rn. 169).
War danach eine Anfechtung der Beschlüsse vom 17.06. und 19.08.2005 erforderlich, erfolgte die Klagerhebung mit Eingang bei Gericht am 11.10.2005 nicht innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist. Diese Frist beginnt mit der Beschlussfassung in der Generalversammlung, und zwar, wie schon ausgeführt (s.o. Ziff. 2 b)), unabhängig von der Kenntnis des Anfechtungsklägers.
b) Die Nichtzulassung der Kläger zu den Versammlungen vom 17.06. und 19.08.2005 führte auch nicht deshalb zur Nichtigkeit der dort gefassten Beschlüsse, weil es sich um einen besonders schwerwiegenden Verstoß gehandelt hätte. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass es unerheblich ist, mit welchen Mitteln einem Genossen die Teilnahme an einer Versammlung verwehrt wird (Lang u.a., aaO., § 51, Rn. 96 unter Verweis auf Müller aaO., § 51, Rn. 81; Hettrich u.a. aaO., § 51, Rn. 17). Selbst wenn die Kläger mittels einer strafbaren Nötigung von der Teilnahme abgehalten worden wären, führte dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn einerseits führen Nötigungen auch im allgemeinen bürgerlichen Recht keineswegs zur Nichtigkeit darauf beruhender Rechtsakte, sondern lediglich zu ihrer Anfechtbarkeit, § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Andererseits sind Beschlüsse, bei denen nur der Beweggrund oder nur die Art des Zustandekommens sittenwidrig ist, nicht nichtig, sondern nur anfechtbar (Beuthien, aaO., § 51, Rn. 4 unter Hinweis auf BGH GmbHR 1988, 18). Soweit die Kläger auf die teilweise vorgenommene Unterscheidung zwischen schwerwiegenden und weniger schwerwiegenden Einberufungsmängeln hinweisen, ist schon oben (2 b) aa)) ausgeführt worden, dass Einberufungsmängel wegen der gravierenderen Folgen für den nicht geladenen Genossen mit einer Nichtzulassung zur Versammlung nicht vergleichbar sind.
c) Soweit die Kläger der Auffassung sind, ihre Nichtzulassung zur außerordentlichen Versammlung vom 19.08.2005 führe zur Nichtigkeit der dort gefassten Beschlüsse, ist dem entgegenzuhalten, dass den Klägern mit eingeschriebenem Brief vom 17.06.2005, den diese eine Woche nach der Mitgliederversammlung vom 17.06.2005 erhielten, ihr Ausschluss mitgeteilt worden war, weshalb sie vom Zeitpunkt der Absendung dieser Schreiben an gemäß § 68 Abs. 4 GenG nicht mehr zur Teilnahme an Generalversammlungen berechtigt waren. Nach allgemeiner Meinung treten die Wirkungen des § 68 Abs. 4 GenG ohne Rücksicht darauf ein, ob der Ausschließungsbeschluss wirksam ist (Hettrich u.a., aaO., § 68, Rn. 17; Lang u.a., aaO., § 68, Rn. 42 und Beuthien, aaO., § 68, Rn. 18 jeweils unter Hinweis auf RGZ 128, 87, 90 und BGHZ 31, 192, 195) Das Teilnahmerecht kann lediglich im Wege einer einstweiligen Verfügung gerichtlich sichergestellt werden (Lang u.a., aaO., § 68, Rn. 43 m.w..Nw.).
d) Der unter TOP 2 der außerordentlichen Generalversammlung vom 19.08.2005 gefasste Beschluss, wonach zwei weiteren Genossen der Beklagten ein Sonderkündigungsrecht zum 31.12.2005 eingeräumt wurde, ist auch unter den weiteren, von den Klägern vorgetragenen Gründen nicht nichtig.
aa) Eine Nichtigkeit folgt zunächst nicht daraus, dass die Klägerin mit der Einberufung dieser Versammlung den Beschlussantrag ankündigte, dass die Beklagte die beiden Mitgliedschaften kündigt. Zwar wäre ein solcher Beschluss rechtswidrig gewesen, da eine Rechtsgrundlage hierfür nicht besteht. Tatsächlich ist jedoch ein solcher Beschluss auch nicht gefasst worden.
bb) Der auf der Versammlung gefasste Beschluss, den beiden weiteren Mitgliedern ein Sonderkündigungsrecht einzuräumen, war auch nicht deshalb nichtig, weil eine solche Beschlussfassung nicht angekündigt wurde. Denn zum einen sind Beschlüsse, die über nicht ordnungsgemäß angekündigte Gegenstände gefasst worden sind, regelmäßig nur nach § 51 GenG anfechtbar (Beuthien, aaO., § 46, Rn. 4; Lang u.a., aaO., § 46, Rn. 27). Nichtigkeit aufgrund von Ankündigungsmängeln sind nur in Ausnahmefällen dann anzunehmen, wenn der Gesetzes- oder Satzungsverstoß so schwer wiegt, dass schlechthin nicht mehr von einer Generalversammlung gesprochen werden kann (Beuthien aaO.) oder wenn der Verstoß sonst besonders schwerwiegend ist (Lang u.a., aaO. unter Hinweis auf BGH WM 1961, 799). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Aufgrund der Beschlussankündigung war jedenfalls bekannt, dass über die Fortdauer der Mitgliedschaft zweier Genossen entschieden werden sollte. Dass diesen letztlich ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt wurde, und nicht der Beklagten, stellt letztlich einen gegenüber der Ankündigung geringeren Eingriff dar, jedenfalls ist die Abweichung von der angekündigten Beschlussfassung nicht so gravierend, dass von einer Nichtigkeit auszugehen wäre.
cc) Der Beschluss über die Einräumung eines Sonderkündigungsrechts war auch nicht deshalb nichtig, weil er die Frist des § 6 Abs. 2 der Satzung nicht wahrte. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob diese Regelung der Satzung, die für die ordentliche Kündigung nach § 6 Abs. 1 der Satzung gilt, auf das beschlossene Sonderkündigungsrecht für die beiden weiteren Genossen überhaupt anwendbar ist. Denn jedenfalls handelt es sich wiederum nicht um einen Beschluss, der in gravierender Weise gegen zwingende gesetzliche oder satzungsmäßige Vorschriften verstößt, die vor allem im öffentlichen Interesse ergangen sind und auf deren Einhaltung die Beteiligten nicht wirksam verzichten können (Lang u.a., aaO., § 51, Rn. 9 und 14). Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz selbst lediglich eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schluss des Geschäftsjahres vorsieht, § 61 Abs. 2 Satz 1 GenG.
III. Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.
LG Karlsruhe:
Urteil v. 03.03.2006
Az: 3 O 428/05
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