Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. November 2009
Aktenzeichen: 27 W (pat) 160/09
(BPatG: Beschluss v. 02.11.2009, Az.: 27 W (pat) 160/09)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der am 12. September 2005 angemeldeten, für Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Veranstaltung und Durchführung von Workshops (Ausbildung); Veranstaltung und Leitung von Kolloquien, Gymnastikunterricht, Erziehung und Unterricht, Betrieb von Sportanlagen, Dienstleistungen eines Fitnessstudios, Coaching; Dienstleistungen eines Psychologen, Dienstleistungen eines Rehabilitationszentrums, Durchführung von Massagen, Ernährungsberatung, Gesundheitsund Schönheitspflege, Gesundheitsberatung, physiotherapeutische Behandlungen, therapeutische und ärztliche Versorgung und Betreuunggeschützten Marke Nr. 305 53 589 Widerspruch eingelegt aus ihrer am 15. März 2004 angemeldeten und seit 1. Juni 2004 für Ausund Weiterbildung im Bereich Psychotherapie, insbesondere Verhaltenstherapie für Ärzte und Psychologen; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Kongressen, Seminaren und Workshops; Durchführung von Prüfungen auf dem Gebiet Psychotherapie insbesondere Verhaltenstherapie und Psychologie; Vermittlung von Praktika im Bereich Psychotherapie; psychotherapeutische Versorgung und Betreuung, nämlich Durchführung von Behandlungen nach der Verhaltenstherapie; Durchführung von Beratungsprozessen mit Einzelnen, Gruppen und Organisationeneingetragenen Marke Nr. 304 13 966 AVT.
Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patentund Markenamtes hat mit Beschluss vom 21. April 2008 den Widerspruch und mit Beschluss vom 26. Februar 2009 die hiergegen eingelegte Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen, weil trotz teilweise identisch beanspruchter Dienstleistungen unter Zugrundelegung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke der Grad der Markenähnlichkeit für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht ausreiche; denn sowohl klanglich als auch schriftbildlich wiesen beide Marken deutlich wahrnehmbare Unterschiede auf.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie im wesentlichen geltend macht, die beiden Kennzeichen seien sowohl phonetisch als auch schriftbildlich so ähnlich, dass angesichts der Identität der Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr bestehe.
Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 21. April 2008 und 26. Februar 2009 aufzuheben und die angegriffenen Marke zu löschen.
Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält eine kollisionsbegründende Ähnlichkeit beider Marken aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Beschlüsse für nicht gegeben.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.
II. A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.
1.
Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer proritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] -Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] -Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 -Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] -Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] -Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] -Adam Opel/Autec).
2.
Nach diesen Grundsätzen ist ungeachtet des Grades der Ähnlichkeit der beiderseits beanspruchten Dienstleistungen bei unterstellter normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke der Grad der Markenähnlichkeit zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
a) Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 -Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT. 2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m. w. N. [Fn. 311]). Hierbei sind ihre Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 28] -SIR/Zirh). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte begründet zwar nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21 f.] -SIR/Zirh), kann aber im Einzelfall ausreichen (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21] -SIR/Zirh; BGH GRUR 1959, 182, 185 -Quick; GRUR 1979, 853, 854 -LILA; GRUR 1990, 367, 368 -alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 -dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 -acpharma; GRUR 1999, 241, 243 -Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 35] -SIR/Zirh).
b) Für die streitgegenständlichen Marken ist aber auszuschließen, dass ihre Übereinstimmungen die Unterschiede überwiegen.
aa) In ihrem jeweiligen Gesamteindruck, auf den unabhängig vom Prioritätsalter grundsätzlich abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 -Sabèl/Puma; GRUR 2005, 1043, 1044 [Rz. 28 f.] -Thomson Life; GRUR 2006, 413, 414 [Rn. 19] -SIR/Zirh; BGH GRUR 2000, 233 f. -Rausch/Elfi Rauch), unterscheiden sie sich nämlich in schriftbildlicher Hinsicht bereits schon durch die in der Widerspruchsmarke nicht enthaltende auffällige grafische Gestaltung der angegriffenen Marke.
bb) Selbst wenn der Verkehr aber in visueller Hinsicht die grafische Gestaltung der angegriffenen Marke außer acht ließe und diese lediglich mit der Buchstabenfolge "AGT" identifizieren würde, scheidet eine die Verwechslungsgefahr begründende schriftbildliche Ähnlichkeit aus; das Gleiche gilt auch für die lediglich auf die Buchstabenfolge abstellende klangliche Wiedergabe der beiden Marken. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden spielt es dabei keine Rolle, dass beide Marken dann über denselben Anfangsund Endbuchstaben verfügen und der Verkehr üblicherweise dem Wortanfang stärker Beachtung schenkt als den übrigen Wortteilen. Denn dieser Erfahrungssatz gilt nur für Wortanfänge; handelt es sich aber wie vorliegend um eine nicht als Wort aussprechbare Buchstabenfolge, scheidet die Anwendung dieses Erfahrungssatzes von vornherein aus, weil solche Buchstabenfolgen, welche üblicherweise als Abkürzungen identifiziert werden, keine Worte darstellen, sondern bei ihnen jedenfalls dann, wenn sie wie vorliegend keine allzu große Länge aufweisen, alle Buchstaben ein eigenständiges Gewicht erhalten; insbesondere bei der akustischen Wiedergabe kommt dies deutlich wahrnehmbar darin zum Ausdruck, dass alle Buchstaben gleichermaßen betont werden und bei der Aussprache der einzelnen Buchstaben zwischen ihnen jeweils eine bei der Wiedergabe von Worten in dieser Weise nicht übliche kurze Sprechpause entsteht. Sowohl visuell als auch akustisch nimmt der Verkehr daher die einzelnen Buchstaben gesondert und bewusst wahr, so dass ihm Abweichungen auch im Mitteloder Endteil der Folge leichter auffallen als bei Worten. Da die beiden abweichenden Konsonanten "G" und "V" in der Mitte der Buchstabenfolgen aber weder bildlich noch bei ihrer akustischen Wiedergabe als "ge" bzw. "vau" irgendwelche optischen oder klanglichen Gemeinsamkeiten aufweisen, wird der Verkehr selbst dann, wenn er beiden Marken in Zusammenhang mit identischen Dienstleistungen begegnet, keine Mühe habe, sie spontan auseinander zu halten.
cc) Für die Annahme einer Markenähnlichkeit in Form des gedanklichen Inverbindungbringens i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz MarkenG, das nur zu bejahen ist, wenn der Verkehr zwar die hinter den Zeichen stehenden Unternehmen auseinanderhält, aber unzutreffend den Eindruck gewinnt, diese seien wirtschaftlich miteinander verbunden, weil sich das ältere Zeichen allgemein zu einem Hinweis auf das oder die Unternehmen der Widersprechenden entwickelt hat (vgl. BGH GRUR 2002, 171, 175 - Marlboro), sind Anhaltspunkte weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich.
c) Da der Grad der Zeichenähnlichkeit somit als allenfalls äusserst gering anzusehen ist, scheidet unter Zugrundelegung normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke selbst bei identisch beanspruchten Dienstleistungen die Annahme einer Verwechslungsgefahr von vornherein aus (vgl. Schwarz, MarkenR 2008, 237, 248).
3. Unter Berücksichtigung der Warenund Markenähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke kann damit im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden. Da die Markenstelle somit den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen, war die Beschwerde zurückzuweisen.
B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
Dr. Albrecht Kruppa Schwarz Ju
BPatG:
Beschluss v. 02.11.2009
Az: 27 W (pat) 160/09
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