Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. September 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 358/04

(BPatG: Beschluss v. 20.09.2006, Az.: 7 W (pat) 358/04)

Tenor

Das Patent 101 54 788 wird beschränkt aufrechterhalten mit:

den Patentansprüchen 1 - 15 vom 11. September 2006, Beschreibung und Zeichnungen jeweils gemäß Patentschrift, jedoch mit der geänderten Seite 2 vom 11. September 2006 und der geänderten Seite 4 vom 19. September 2006.

Gründe

I.

Gegen die am 27. Mai 2004 veröffentlichte Erteilung des Patents 101 54 788 ist am 12. August 2004 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei, da er nicht auf einer erfinderischen Leistung beruhe. Außerdem ist von der Einsprechenden geltend gemacht worden, dass die Erfindung im Patent nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Zum Stand der Technik sind dabei folgende Druckschriften genannt worden:

(D1) DE 199 04 862 C1

(D2) DE 38 33 042 A1

(D3) DE-OS 24 53 118

(D4) DE 198 21 146 A1

(D5) DE 198 36 986 A1.

Die Druckschrift D1 sowie die US 4 484 752 sind bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogen worden.

Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2006 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des angefochtenen Patents patentwürdig sei und beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten mit:

den Patentansprüchen 1 - 15 vom 11. September 2006, Beschreibung und Zeichnungen jeweils gemäß Patentschrift, jedoch mit der geänderten Seite 2 vom 11. September 2006 und der geänderten Seite 4 vom 19. September 2006.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Wellendichtring für eine Welle (3) mit folgenden Merkmalen:

(a) der Wellendichtring hat eine Dichtlippe (1) aus einem flexiblen Kunststoff;

(b) die Dichtlippe (1) ist biegeweich mit einer Biegeelastizität dimensioniert, welche zur abdichtenden Anpressung eines Dichtabschnittes (11) der Dichtlippe an die Oberfläche der Welle (3) unter Verzicht auf ein zusätzliches Anpressmittel ausreicht;

(c) der Dichtabschnitt der Dichtlippe (1) liegt über eine vorbestimmte axiale Länge (L) auf dem Umfang der Welle (3) auf;

(d) innerhalb der genannten Länge (L) ist die Dichtlippe (1) wellenseitig von mindestens zwei axial aufeinander folgenden Kränzen mit jeweils mehreren, um den Umfang der Dichtlippe verteilten, im wesentlichen quer zur axialen Richtung verlaufenden Rückförderkanälen (5) umgeben, wobei die Rückförderkanäle (5) des der Mediumseite (M) nächstliegenden Kranzes zum mediumseitigen Rand (6) hin offen sind, während die übrigen Rückförderkanäle geschlossen sind, und wobei jeder Rückförderkanal (5) längs einer zur Umgebungsseite (U) weisenden Flanke eine konisch sich verjüngende Auslauffläche (8) aufweist um austretendes Medium bei drehender Welle (3) zum abzudichtenden Raum (M) hin zurückzufördern;

(e) der der Umgebungsseite (U) nächstgelegene Rückförderkanal (57) befindet sich innerhalb der umgebungsseitigen Grenze (s) des Gebietes der Länge (L);

(f) folgende Dimensionierungsvorschriften sind einzuhalten:

L/l > 2,0 ;

0,2 < c/l < 0,5 ;

0,3 < t/b < 1,0 ;

0,25 mm < h < 1 mm ;

3 < < 30 ¡;

worin bedeuten L - aufliegende axiale Länge der Dichtlippe 1, I- axialer Abstand zweier Nuten 5 in einer Gruppet - Tiefe der Nutb - Breite der Nutc - Breite der Auslauffläche 8 H - Gesamtdicke der Dichtlippe 1 h - wirksame Dicke der Dichtlippe 1 im Bereich der Nuten 5

- Neigungswinkel der Auslauffläche c.

Laut Beschreibung Abs. [0008] liegt die Aufgabe zugrunde, einen Wellendichtring mit einer Dichtlippe aus einem flexiblen Kunststoff zu schaffen, der auch bei hohen Umfangsgeschwindigkeiten und Schwingungsbelastungen der Welle unabhängig von deren Drehrichtung zuverlässig dynamisch abdichtet, höhere Lebensdauer als die bekannten Wellendichtringe mit elastomerer Dichtlippe aufweist, statische Dichtheit gewährleistet und Frühausfälle vermeidet, wobei außerdem einfache und damit billige Herstellung gewährleistet sein soll.

Die Patentansprüche 2 bis 15 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen der Gegenstand des Patentanspruchs 1 weiter ausgebildet werden soll.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden. Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG, der gemäß § 147 Abs. 3 Satz 2 PatG auch für Einspruchsverfahren vor dem Bundespatentgericht gilt, ist ebenso wie bei Einspruchsverfahren vor dem DPMA das Einspruchsverfahren nach Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen fortzusetzen.

2. Der frist- und formgerecht erhobenen Einspruch ist zulässig. Die Einsprechende ist nach Rücknahme ihres Einspruches nicht mehr am Verfahren beteiligt.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der geltenden Fassung stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des Patentgesetzes § 1 bis § 5 dar.

Der Gegenstand des zulässigen Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist neu und auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit. Das in den geltenden Patentanspruch 1 aufgenommene Merkmal (f) ist im Absatz [0041] der Patentschrift offenbart. Durch diese Ergänzung wird auch der Mangel an vollständiger und deutlicher Offenbarung überwunden.

Die sachliche Prüfung hat ergeben, dass keine der im Verfahren aufgegriffenen Schriften einen Gegenstand mit sämtlichen im geltenden Patentanspruch 1 genannten Merkmalen zeigt. Die unter seinem Gliederungspunkt (f) genannten Gestaltungsmaßnahmen sind in keiner dieser Druckschriften offenbart.

Nach dem geltenden Abs. [0010] der Beschreibung ist beim Streitpatent die Dichtlippe über eine vorbestimmte axiale Länge, über welche sie an der Wellenoberfläche anliegt, wellenseitig von mindestens zwei axial aufeinander folgenden Kränzen mit mehreren, um den Umfang der Dichtlippe verteilten, im Wesentlichen quer zur axialen Richtung verlaufenden Rückförderkanälen umgeben, welche austretendes Medium bei drehender Welle zum abzudichtenden Raum zurückfördern und darüber hinaus die Welle im Kontaktbereich mit der Dichtlippe mit dem Medium benetzt halten, d. h. schmieren. Diese Angaben werden im geltenden Patentanspruch 1, Merkmal (d) u. a. dahingehend präzisiert, dass die Rückförderkanäle des der Mediumseite nächstliegenden Kranzes zum mediumseitigen Rand hin offen, während die übrigen Rückförderkanäle geschlossen sind, und wobei jeder Rückförderkanal längs einer zur Umgebungsseite weisenden Flanke eine konisch sich verjüngende Auslauffläche aufweist um austretendes Medium bei drehender Welle zum abzudichtenden Raum hin zurückzufördern. Dass auch die geschlossenen Rückförderkanäle der Dichtung eine Rückförderwirkung hervorrufen können, ist nicht von der Hand zu weisen. So wird zum einen die dynamische Rückförderung und zum anderen auch die statische Dichtung erzielt, da die nicht mit der Umgebungsseiten kommunizierenden geschlossenen Nuten ein Auslaufen von Schmieröl bei stillstehender Welle zur Umgebungsseite verhindern.

Durch eine sorgfältige Dimensionierung gemäß der im Merkmal (f) des geltenden Patentanspruchs 1 angegebenen Maßnahmen wird die Dichtlippe gerade so bemessen, dass das damit erzielte Biegeverhalten eine Dichtlippe erzeugt, die sowohl unter dynamischer Belastung wie auch im statischen Betriebszustand die zur Lösung der gestellten Aufgabe erforderlichen Dichteigenschaften aufweist.

Die für den technischen Erfolg der Erfindung ursächliche Zusammenfassung aller Merkmale (a) bis (f) lässt sich aus den im Prüfungsverfahren und im Einspruchsverfahren entgegen gehaltenen Druckschriften nicht als nahegelegt herleiten, und zwar auch nicht bei der gebotenen Zusammenschau aller Schriften.

Mit dem geltenden Patentanspruch 1 und darauf rückbezogenen, nicht zu beanstandenden Patentansprüchen 2 bis 15, die auf Merkmale zur Weiterbildung des Gegenstands des Anspruchs 1 gerichtet sind, konnte das Patent daher bestehen bleiben.






BPatG:
Beschluss v. 20.09.2006
Az: 7 W (pat) 358/04


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