Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 9. Januar 2001
Aktenzeichen: 29 U 56/00
(OLG Hamm: Urteil v. 09.01.2001, Az.: 29 U 56/00)
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14. März 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn unter Zurückweisung des weitergehenden Rechts-mittels teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.648,22 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. November 1999 sowie weitere 5.000,00 DM als Schmerzensgeld zu zahlen.
Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 2/5 und der Beklagte 3/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert den Kläger in Höhe von 5.000,00 DM und den Beklagten in Höhe von 7.648,22 DM.
Tatbestand
Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten als seinem Betreuer Schadensersatzansprüche wegen der Unterbringung in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus geltend.
Der am 02. Oktober 1941 geborene, heute 59jährige Kläger leidet - seit etwa 25 Jahren manifest - an einer paranoiden Psychose, ohne seine Erkrankung zu erkennen.
Nach dem Abitur 1961 in Q studierte er bis Mitte der 70er Jahre in G Volkswirtschaft und Mathematik, ohne zu einem Abschluß zu gelangen. Nach seiner Rückkehr nach Q war er von 1976 bis 1986 beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Vermessungsgehilfe beschäftigt. Seit dem 01. Januar 1989 bezieht er eine Erwerbsunfähigkeits- und Betriebsrente von derzeit zusammen ca. 1.050,00 DM.
Im Februar 1976 wurde er vorübergehend im Landeskrankenhaus in F psychiatrisch betreut. In Q lebt er in seinem Elternhaus, ohne sich kontinuierlich fachärztlich behandeln zu lassen. Da er sich nach dem Tod seines Vaters am 15. Dezember 1994 durch das gemeinschaftliche Testament der Eltern gegenüber seiner Schwester benachteiligt fühlte und sich nicht in der Lage sah, seine Rechte selbst durchzusetzen, suchte er am 23. Oktober 1995 das Amtsgericht Paderborn auf und beantragte, für sich eine Betreuung einzurichten. Nach Begutachtung durch den Nervenarzt Dr. med. T aus Q vom 08. April 1996 wurde der Beklagte, der von Beruf Rechtsanwalt ist, durch Beschluß vom 20. Juni 1996 zu seinem Betreuer bestellt. Als Aufgabenkreise wurden darin die T für die Gesundheit des Klägers, die Vermögenssorge und die Regelung der Wohnungs- und Erbangelegenheiten bestimmt. Da dem Kläger der Betreuungsumfang zu weitreichend erschien, legte er gegen diesen Beschluß am 10. Juli 1996 Beschwerde ein, die mit Beschluß des Landgerichts Paderborn vom 20. September 1996 (5 T 403/96) zurückgewiesen wurde.
Am Sonnabend, dem 26. Oktober 1996, geriet der Kläger mit seiner Schwester, die ihn und die gemeinsame Mutter besuchte, in eine tätliche Auseinandersetzung, weil er einen Stapel Zeitungen für sich behalten wollte. Die herbeigerufenen Polizeibeamten veranlaßten nach ärztlicher Untersuchung die vorläufige Unterbringung des Klägers nach dem PsychKG in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie in Q. Am Sonntag, dem 27. Oktober 1996, unterrichtete der Arzt Dr. I2 den Beklagten telefonisch über den Aufenthalt des Klägers. Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1996, der am 30. Oktober 1996 beim Amtsgericht Paderborn einging, beantragte der Beklagte, die Unterbringung des Klägers in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen, weil Dr. I2 erklärt habe, der Kläger sei stationär behandlungsbedürftig. Nachdem sich der zuständige Richter von einem weiteren Arzt, Dr. X, telefonisch hatte bestätigen lassen, daß ohne geschlossene Unterbringung die Gefahr bestehe, daß sich der Kläger erheblich gesundheitlich Schaden zufüge, erteilte er am 30. Oktober 1996 im Wege der einstweiligen Anordnung die entsprechende Genehmigung. Nach Anhörung des Klägers im Westfälischen Landeskrankenhaus in Q am 04. November 1996, in dem der Beklagte den Antrag auf Genehmigung der Unterbringung gegen den Willen des Klägers und seiner Schwester aufrechterhielt, wurde die Genehmigung - längstens bis zum 16. Dezember 1996 - vom Amtsgericht bestätigt.
Die Mutter und Schwester des Klägers schalteten Rechtsanwalt I aus der Praxis Dr. V pp. in Q ein, der gegen die Genehmigungen namens des Klägers und seiner Mutter Beschwerde einlegte. In der mündlichen Verhandlung am 22. November 1996 wurde hinsichtlich des Eilverfahrens (5 T 649/96) die Hauptsache für erledigt erklärt, während das Landgericht die Beschwerde im Hauptsacheverfahren durch Beschluß vom 27. November 1996 (5 T 671/96) zurückwies. Kurz vor Ablauf der genehmigten Frist beantragte der Beklagte mit Schriftsatz vom 06. Dezember 1996 - nach persönlichem Gespräch mit der Stationsärztin - erneut die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zur Unterbringung für weitere sechs Wochen. In dem Termin vom 12. Dezember 1996, in dem das Amtsgericht unter anderem erneut die Parteien dieses Rechtsstreits anhörte, wurde auch diese Genehmigung von ihm beschlossen. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers und seiner Mutter, die weiterhin von Rechtsanwalt I vertreten wurden, wurde der Beschluß am 03. Januar 1997 (5 T 729/96) mit der Begründung aufgehoben, daß der Kläger nunmehr über die Notwendigkeit zur Unterbringung wegen der zwischenzeitlich erreichten Verbesserung seines Gesundheitszustandes selbstverantwortlich entscheiden könne. Der Kläger wurde am selben Tag aus der geschlossenen Abteilung des Landeskrankenhauses entlassen.
Die gegen die Zurückweisung der Beschwerde in dem ersten Genehmigungsverfahren eingelegte weitere Beschwerde (15 W 30/97 OLG Hamm) nahmen der Kläger und seine Mutter mit Schriftsatz vom 04. Februar 1997 zurück.
Rechtsanwalt I berechnete der Schwester der Klägerin mit Rechnung vom 20. Januar 1997 für das erste Verfahren vor dem Landgericht (5 T 649 bzw. 671/96) und für das weitere Verfahren vor Amtsgericht und Landgericht (5 T 729/96) jeweils 882,74 DM, d.h. insgesamt 2.648,22 DM, die diese am 27. Januar 1997 überwies. In einem als "Abtretungserklärung" bezeichneten Schriftstück vom 21. Oktober 1999 erklärte die Schwester, daß sie die Kosten nur darlehensweise für den Kläger übernommen habe und sie ihm ihre insoweit bestehenden Ansprüche abtrete.
Am 12. Januar 1999 endete die Betreuung des Klägers durch den Beklagten, indem diese von seiner Schwester übernommen wurde. Seit September 1999 ist auch diese Betreuung aufgehoben.
Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil die auf Ersatz der Anwaltskosten und ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 10.000,00 DM gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, daß dem Beklagten kein schuldhaftes Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Der Antrag auf Genehmigung der Unterbringung für den bereits untergebrachten Kläger sei nicht rechtswidrig, weil der Beklagte aufgrund des Gutachtens des Dr. T davon ausgehen durfte, daß ersterer behandlungsbedürftig sei.
Gegen dieses am 24. März 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. April 2000 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 20. Juni 2000 an diesem Tage begründet.
Er verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter und macht geltend, daß die Pflichtverletzung des Beklagten einerseits in einer Kompetenzüberschreitung als Betreuer liege, da ihm durch Beschluß des Amtsgerichts Paderborn vom 20. Juni 1996 nur der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge, nicht aber das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihn übertragen worden sei. Andererseits habe der Beklagte die Unterbringungsvoraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht hinreichend geprüft, er habe sich bei der Frage, ob überhaupt eine Behandlung gegen seinen Willen erforderlich gewesen sei, nicht auf die Einschätzung der behandelnden Ärzte verlassen dürfen, sondern mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens klären müssen. Er, der Kläger, sei damals für die Frage der Einwilligung in die medikamentöse Behandlung nicht geschäftsunfähig gewesen, zudem sei diese nicht geeignet gewesen, seine psychische Erkrankung auf Dauer positiv zu beeinflussen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn
1.
2.648,22 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.01.1997,
2.
ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000,00 DM
zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er behauptet, es entspreche nicht einhelliger Auffassung, daß der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge nicht auch die Befugnis zur Unterbringung enthalte. Das Landgericht Paderborn vertrete in ständiger Rechtsprechung die gegenteilige Ansicht. Er meint, jedenfalls sei sein Verhalten auch im Fall einer Kompetenzüberschreitung nicht rechtswidrig, weil es durch das Amtsgericht Paderborn vormundschaftsrechtlich genehmigt worden sei. Schließlich habe er nicht schuldhaft gehandelt, weil man von ihm nicht erwarten könne, daß er eine von der in seinem Landgerichtsbezirk vertretenen Rechtsprechung abweichende Meinung vertrete. Ein materieller Schaden des Klägers lasse sich nicht feststellen, weil seine Schwester ihm ihre Ansprüche abgetreten habe.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat die Parteien angehört. Wegen des Ergebnisses dieser Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 15. Dezember 2000 Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig und im wesentlichen begründet.
I.
Der Beklagte hat für den dem Kläger entstandenen materiellen Schaden in Höhe von 2.648,22 DM gemäß §§ 1833 Abs. 1, 1908 i Abs. 1 BGB einzustehen. Diese Haftungsnorm galt bereits 1996 in dieser Form und wurde durch das BÄndG vom 25. Juni 1998 nicht berührt.
1.
Die Pflichtverletzung des Beklagten als Betreuer liegt in den Anträgen vom 28. Oktober bzw. 06. Dezember 1996 an das Amtsgericht Paderborn, die Unterbringung des Klägers vormundschaftlich genehmigen zu lassen, sowie in der Genehmigung der Unterbringung, die er am 27. Oktober 1996 bereits telefonisch vorab - zumindest konkludent - gegenüber dem Arzt des Westfälischen Landeskrankenhauses Q Dr. I2 erklärte und bis zum Ende der Behandlung am 03. Januar 1997 nicht widerrief. Darin liegt eine Kompetenzüberschreitung als Betreuer, da ihm durch Beschluß des Amtsgerichts Paderborn vom 20. Juni 1996 nur der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge, nicht aber das Aufenthaltsbestimmungsrecht über den Kläger übertragen worden war. Nach einhelliger Meinung in der Kommentarliteratur (vgl. z.B. Palandt/Diederichsen, 60. Aufl., § 1896 Rdz. 20; von Staudinger-Bienwald (1999) § 1906 Rdz. 20; Soergel/Zimmermann, 13. Aufl., § 1906 Rdz. 12; Schwab in Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 1906 Rdz. 4; Dickescheid in RGRK, 12. Aufl., § 1906 Rdz. 2) und in der Rechtsprechung, soweit sie veröffentlicht ist (vgl. BayObLG-FamRZ 1993, S. 600 und 998, 999, 1994, S. 320, 1998, S. 1327), gehört die Unterbringung in einem Krankenhaus gegen den Willen des Betroffenen nicht als "Annexkompetenz" zum Wirkungskreis der Gesundheitsfürsorge. Soweit das Landgericht Paderborn in seinem Beschluß vom 03. Januar 1997 (5 T 726/96) auf seine ständige Rechtsprechung und die des hiesigen OLGs verweist, wonach der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge auch die Unterbringung des Betreuten in geschlossener stationärer Behandlung umfaßt, gibt es für letztere keine Belege, sondern stellt sich als nicht haltbare Vermutung dar. Im übrigen lassen sich für die Rechtsansicht des Landgerichts Paderborn kaum Argumente finden. Die Unterbringung ist nicht durch den Wortlaut des Begriffs "Gesundheitsfürsorge" gedeckt. Die Frage des Aufenthaltes des Betreuten ist von der Frage, welche ärztliche Behandlung er erfahren soll, zu unterscheiden.
Ob die Genehmigung der Heilbehandlung als solcher, zu der der Beklagte befugt war, als pflichtwidrig angesehen werden muß, weil sie medizinisch aus objektiver Sicht überflüssig, jedenfalls nicht notwendig war, braucht im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht entschieden zu werden. Denn er erteilte diese Genehmigung jedenfalls nicht fahrlässig, sondern auf überzeugenden ärztlichen Rat hin. Der Beklagte durfte sich als medizinischer Laie auf das Urteil der Ärzte Dr. I2 (telefonische Auskunft vom 27. Oktober 1996), Dr. L (Gutachterin am 04. November und 12. Dezember 1996) und Dr. X2 (Gutachterin am 22. November 1996) verlassen. Der Kläger überspannt die Anforderungen, wenn er meint, der Beklagte hätte sich umfassend über die Behandlung mit Psychopharmaka informieren müssen und hätte dabei erfahren, daß in seinem Fall eine solche nicht angezeigt gewesen sei. Der Konflikt zwischen Anhängern dieser Behandlungsmethode und denjenigen Ärzten, die sie als "chemische Zwangsjacke" ablehnen bzw. nur einen sehr eingeschränkten Einsatz befürworten, wird seit vielen Jahren ausgetragen. Nichtmediziner können darauf keine fundierte Antwort geben.
2.
Das Verhalten des Beklagten war - bezogen auf die Unterbringung - auch rechtswidrig und stellt sich entgegen seiner Auffassung nicht durch die vormundschaftlichen Genehmigungen vom 30. November 1996 und 12. Dezember 1996 als rechtmäßig dar. Vorliegend geht es um die Beurteilung der Kompetenzüberschreitung, die in dem Veranlassen der Unterbringung des Klägers liegt, also des Vorwurfs, daß der Beklagte sich überhaupt um die Unterbringung gekümmert hat, und nicht um die Frage, ob für eine zu Recht in Erwägung gezogene Unterbringung die gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen.
3.
Schließlich hat der Beklagte auch schuldhaft gehandelt. In welchem Umfang er als Betreuer tätig sein durfte und mußte, war von ihm eigenverantwortlich zu klären. Als Anwalt hätte er sich mit Hilfe der einschlägigen Kommentare leicht über die Reichweite seines Aufgabenkreises informieren können - bereits ein Blick in den Standardkommentar zum Zivilrecht, den "Palandt" (55. Aufl., 1996, § 1896 Rdz. 28), hätte genügt, um sich zu verdeutlichen, daß er zur Unterbringung des Klägers in einer geschlossenen Abteilung nicht befugt war. Ob er sich wegen der möglicherweise durchgängig im Landgerichtsbezirk Paderborn praktizierten, mit dem Gesetz nur schwer in Einklang zu bringenden gerichtlichen Übung, die Unterbringung der Gesundheitsfürsorge zuzurechnen, in einem Rechtsirrtum über den Umfang seiner Kompetenzen befand, mag dahinstehen. Nach seiner Darstellung im Senatstermin hat er sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Unterbringung des Klägers zu seinem Aufgabenfeld gehörte, gar nicht gestellt, er sah darin kein Problem, was bedeutet, daß er seine Zuständigkeit unreflektiert unterstellte. In dieser Sicht wurde er nach seiner Darstellung allerdings durch den zuständigen Amtsrichter bestärkt. Dies vermag ihn allerdings nicht zu entlasten. Ein Rechtsirrtum schließt nur dann Fahrlässigkeit aus, wenn die eigene Auffassung sorgfältig gebildet ist und sich das gefundene Ergebnis aus der Sicht des Handelnden als zweifelsfrei darstellt (vgl. Palandt-Heinrichs, § 276 Rdz. 20, § 285 Rdz. 4). Wenn ein Rechtsanwalt sich auf die Praxis der örtlichen Gerichte verläßt, geschieht dies auf sein Risiko. Vergleichsmaßstab für sein Handeln muß nämlich die Sorgfalt sein, die von einem anwaltlichen Betreuer ganz allgemein erwartet wird, d.h. - ohne lokalen Bezug - von einem im deutschen Recht ausgebildeteten Rechtsanwalt. Ein solcher darf sich nicht ungeprüft, d.h. blind auf die gerichtliche Praxis verlassen.
4.
Dem Kläger ist auch ein Schaden entstanden. Die Kosten der Rechtsverfolgung gehören unabhängig von ihrem Erfolg zu den gemäß § 249 BGB ausgleichspflichtigen Folgeschäden. Der Schadenseintritt ist nicht dadurch verhindert worden, daß die Schwester des Klägers die Anwaltskosten vorgeschossen und unter dem 21. Oktober 1999 eine rechtlich nicht in allen Punkten nachvollziehbare Abtretungserklärung unterzeichnet hat. Freiwillige Leistungen eines Dritten entlasten den Schädiger nicht. Außerdem ist der Kläger - möglicherweise nicht durch Auftrag, so aber über Geschäftsführung ohne Auftrag - einem Aufwendungsersatzanspruch der Schwester aus § 670 BGB ausgesetzt.
5.
Das Verhalten des Beklagten ist auch kausal für den eingetretenen Schaden.
a)
Daß die Unterbringung des Klägers erst durch die vormundschaftliche Genehmigung des Amtsgerichts Paderborn vom 30. Oktober/04. November bzw. 12. Dezember 1996, also erst durch Handeln eines Dritten möglich wurde, hat keinen Einfluß auf den Ursachenzusammenhang (vgl. Palandt-Heinrichs, Vorbemerkung vor § 249 Rdz. 73, 86). Nach der Lebenserfahrung lag es nicht außerhalb jeglichen Vorstellungsvermögens, daß das Amtsgericht die Kompetenz des Beklagten, die vormundschaftliche Genehmigung für die Unterbringung des Klägers herbeizuführen, nicht sorgfältig prüfen oder auch bei entsprechender Prüfung zu einem falschen Ergebnis gelangen werde. Vielmehr erwartete der Beklagte ja gerade eine solche - mit dem Gesetz nicht im Einklang stehende - Entscheidung.
b)
Die Haftung des Beklagten entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. rechtmäßigen Alternativverhaltens. Ganz abgesehen davon, daß der Beklagte selbst nicht vorträgt, daß der Kläger auch ohne sein Zutun in derselben Weise und ebenso lange im Landeskrankenhaus untergebracht worden wäre, ist nicht sicher zu ermitteln, wie sich die Dinge für den Kläger entwickelt hätten, wenn der Beklagte dessen Unterbringung gegenüber den Verantwortlichen des Landeskrankenhauses nicht befürwortet und keinen Antrag auf vormundschaftliche Genehmigung beim Amtsgericht gestellt hätte. Zwar ist es denkbar, daß sich das Amtsgericht möglicherweise von Amts wegen gemäß § 1896 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB dazu veranlaßt gesehen hätte, den Wirkungskreis der Betreuung durch den Beklagten zu erweitern, so daß sich dessen weiteres Handeln im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenkreises bewegt hätte, jedoch ist dies nur eine der denkbaren Hypothesen. Ebensogut ist vorstellbar, daß das Amtsgericht nicht tätig geworden wäre und das Verfahren nach dem PsychKG nicht weiterbetrieben worden wäre. Diese Unsicherheit geht zu Lasten des Beklagten (vgl. Palandt-Heinrichs, Vorbemerkung vor § 249 Rdz. 107). Auf die weitere Frage, ob dem Beklagten die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten hier bereits deshalb abgeschnitten ist, weil sich die Folge seines pflichtwidrigen Verhaltens als Eingriff in die Freiheit des Klägers darstellte (wie es das OLG Oldenburg VersR 1991, S. 306 ff. für eine nicht durch das PsychKG gerechtfertigte Freiheitsentziehung annimmt), kommt es demnach nicht an.
6.
Der geltend gemachte Schaden ist auch der Höhe nach gerechtfertigt.
Obwohl Rechtsanwalt I die sofortigen Beschwerden nicht nur für den Kläger, sondern auch für dessen Mutter eingelegt hat, sind sämtliche aus der Kostenrechnung vom 20. Januar 1997 ersichtlichen Gebühren der Rechtsverfolgung des Klägers zuzurechnen. Denn dort wird jeweils nur die 7,5/10-Gebühr, d.h. die Mittelgebühr gemäß § 118 Abs. 1 BRAGO in Rechnung gestellt, ohne eine Erhöhung gemäß § 6 Abs. 1 BRAGO für die weitere Auftraggeberin vorzunehmen. Mithin beschränkt sich die Kostenrechnung auf den Haftungsanteil des Klägers gemäß § 6 Abs. 3 BRAGO, also den Betrag, den er auch als alleiniger Auftraggeber zu zahlen gehabt hätte.
II.
Der Schmerzensgeldanspruch ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB. Um die nachteiligen Folgen für die seelische Verfassung des Klägers durch die Freiheitsentziehung auszugleichen, hält der Senat einen Betrag von 5.000,00 DM für angemessen. Dieser entspricht bei der Dauer der Unterbringung, die dem Beklagten für die Zeit vom 27. Oktober 1996 bis zum 03. Januar 1997 zuzurechnen ist, einem Tagessatz zwischen 70,00 und 75,00 DM, also einem doppelt so hohen Betrag, wie ihn der Kläger täglich durch seine Rente als laufenden Unterhalt zur Verfügung hatte. Dieser Betrag ist ausreichend, aber auch notwendig, um die Schmälerung der Lebensfreude auszugleichen, die der Kläger dadurch, daß er sich nicht zu Hause frei bewegen konnte, hinnehmen mußte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Beklagte nur für den Eingriff in die Freiheit des Klägers, nicht aber für die körperlichen Beeinträchtigungen einzustehen hat, die durch die medikamentöse Behandlung möglicherweise verursacht worden sind. In die Bemessung ist ferner eingeflossen, daß das Verschulden des Beklagten in Form der Fahrlässigkeit nicht besonders gravierend war und er sich durch das Verhalten der beteiligten Richter und Ärzte in seinem Vorgehen bestärkt sah. Schmerzensgelderhöhend wirkt sich allerdings der Umstand aus, daß der Beklagte noch im Senatstermin weder seine Kompetenzüberschreitung zur Kenntnis nehmen wollte, noch ein Empfinden dafür entwickelte, was er dem Kläger mit der regelwidrigen Unterbringung angetan hat.
III.
Der Anspruch auf 2.648,22 DM ist gemäß § 291 BGB seit Klagezustellung, d.h. seit dem 10. November 1999 zu verzinsen. Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB kann der Kläger nicht bereits ab 27. Januar 1997 beanspruchen, da er nicht dargelegt hat, daß der Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt gemahnt worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 09.01.2001
Az: 29 U 56/00
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