Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. März 2002
Aktenzeichen: 5 W (pat) 3/01

(BPatG: Beschluss v. 15.03.2002, Az.: 5 W (pat) 3/01)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterstelle - vom 4. Dezember 2000 aufgehoben.

Das Gebrauchsmuster 200 03 346 wird mit den Schutzansprüchen 1 bis 16 und 19 bis 27 in der Fassung vom 14. November 2000 sowie den Schutzansprüchen 17 und 18 in der Fassung vom 12. April 2001, im übrigen der ursprünglichen Beschreibung und den ursprünglichen Zeichnungen eingetragen.

Gründe

I Der Anmelder hat am 24. Februar 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamts für eine Erfindung mit der Bezeichnung "Elektrische Vorrichtung, wie Schalter oder Steckdose" unter Inanspruchnahme der inneren Priorität der Voranmeldung 299 06 037.3 die Eintragung eines Gebrauchsmusters beantragt. Die Anmeldung enthält 27 Schutzansprüche. Hintergrund der Anmeldung ist die Idee, Gehäuseabdeckplatten von elektrischen Schaltern und Steckdosen werbewirksam in Form eines Logos, einer Zahl, eines Buchstabens oder in Form eines gegenständlichen Motivs plastisch auszugestalten. Nach mehrfachen Beanstandungen durch die Gebrauchsmusterstelle ist es bei deren Einwendungen gegen die Schutzansprüche 17 und 18 geblieben. Sie lauten in der Fassung vom 13. November 2000, eingegangen am 14. November 2000:

17. Elektrische Vorrichtung nach einem der Ansprüche 9 bis 16, dadurch gekennzeichnet, daß auf der Gehäuseabdeckplatte (111; 112) Leuchtdioden in Form des Europäischen Symbols mit gelbleuchtenden Sternen und blauleuchtendem Hintergrund angeordnet sind.

18. Elektrische Vorrichtung nach Anspruch 17, dadurch gekennzeichnet, daß jeder gelbleuchtende Stern des Europäischen Symbols nach Art des Lichtpfeils (280) ausgebildet und um sich selbst drehend vermittels entsprechender Lauflichter ist.

Mit Beschluß vom 4. Dezember 2000 hat die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen mit der Begründung, daß bei einer ästhetischen Ausgestaltung des Gebrauchsmusters in Form des europäischen Symbols, wie sie in den Schutzansprüchen 17 und 18 vorgesehen werde, die Verwertung des Gebrauchsmusters nach § 2 Nr 1 GebrMG gegen die öffentliche Ordnung verstieße.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Anmelders.

Nach Auffassung des erkennenden Senats hatte die Rechtsfrage, ob die Heranziehung des Europa-Emblems (gelbe Sterne auf blauem Hintergrund) als Merkmal in einem Schutzanspruch dem Gebrauchsmusterschutz entgegensteht, grundsätzliche Bedeutung. Deswegen hat der Senat mit Beschluß vom 10. September 2001 dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts ist dem Verfahren gemäß § 77 Abs 1 Satz 1 PatG beigetreten und hat die im angefochtenen Beschluß vertretene Rechtsauffassung bekräftigt.

Der Anmelder hat sodann folgende Fassung der Schutzansprüche 17 und 18 (vom 12. April 2001, eingegangen am 17. April 2001), zur Eintragung vorgelegt:

17. Elektrische Vorrichtung nach einem der Ansprüche 9 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass auf der Gehäuseabdeckplatte (111; 112) gelbleuchtende Leuchtdioden in ringförmiger Anordnung auf blauleuchtendem Hintergrund angeordnet sind.

18. Elektrische Vorrichtung nach Anspruch 17, dadurch gekennzeichnet, dass die gelbleuchtenden Leuchtdioden nach Art eines Lichtpfeils (280) ausgebildet und in der Ringanordnung um sich selbst drehend entsprechend einem Lauflicht sind.

Er beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Eintragung des Gebrauchsmusters mit den Schutzansprüchen 1 bis 16 und 19 bis 27 in der Fassung vom 14. November 2000 sowie den neuen Schutzansprüchen 17 und 18, in der Fassung vom 17. April 2001, im übrigen mit den ursprünglichen Unterlagen anzuordnen.

Der weitere Verfahrensbeteiligte stellte keinen Antrag.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Anmelder hat ein Recht auf Eintragung des Gebrauchsmusters, weil die Anmeldung den Anforderungen der §§ 4, 4a GebrMG entspricht (§ 8 Abs 1 GebrMG). Insbesondere bezieht sich die Anmeldung auf eine Erfindung (§ 4 Abs 1 Satz 1 GebrMG), wobei die jetzt zur Eintragung vorgelegte Fassung der Schutzansprüche 17 und 18 keine vom Schutz nach § 2 Nr 1 GebrMG ausgeschlossene Erfindung betrifft.

1. Der Anmelder ist nicht gehindert, für die Eintragung des Gebrauchsmusters hinsichtlich der Schutzansprüche 17 und 18 die Anspruchsfassungen (des seinerzeitigen Hilfsantrags) vom 12. April 2001 zugrunde zu legen. Denn Änderungen der Anmeldung sind zulässig, soweit sie den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern (§ 4 Abs 5 Satz 1 GebrMG). Die neuen Anspruchsfassungen enthalten keine Erweiterung des Anmeldungsgegenstandes.

Denn die geänderte Umschreibung der Ausgestaltungsform der Leuchtdioden von zunächst "in Form des Europäischen Symbols mit gelbleuchtenden Sternen" in jetzt "gelbleuchtende Leuchtdioden in ringförmiger Anordnung" (Anspruch 17; entsprechend in Anspruch 18) bedeutet keine Änderung des - für das Gebrauchsmuster maßgeblichen - technischen Gehalts dieses Merkmals. Allerdings besagt die Angabe "in Form des Europäischen Symbols", daß die Leuchtdioden in spezifischer Weise ausgestaltet sind, nämlich als zwölf fünfzackige, aufrecht stehende Sterne. Damit ist eine äußere Ausformung entsprechend dem ursprünglich für den Europarat festgelegten Kennzeichen, das später als Emblem für die Europäische Gemeinschaft und jetzt für die Europäische Union übernommen worden ist, gewählt worden. In technischer Hinsicht hat die Zahl (zwölf) der Sterne und ihrer Zacken (fünf) sowie ihre jeweilige Stellung (aufrecht stehend) in ihrem Zusammenhang mit der vorliegenden technischen Problemlösung aber keine Eigenbedeutung. Die Ausstattung der Gehäuseabdeckplatte einer elektrischen Vorrichtung der hier zugrunde liegenden Art mit ringförmig angeordneten Leuchtdioden, ohne daß hierdurch eine spezifische technische Funktion ausgeübt wird, läßt den Fachmann ohne weiteres auch Ausführungsarten mit weniger oder mehr (als zwölf) leuchtenden Elementen, die, wenn sie sternförmig ausgebildet sind, mit weniger oder mehr (als fünf) Zacken bei beliebiger (nicht nur aufrechter) Stellung der Sterne versehen sind, als vom Erfindungsgedanken erfaßt mitlesen, mag auch eine besondere dieser Ausführungsarten (die dem europäischen Emblem entsprechende) eine besondere Wirkung erzielen, die aber nur im ästhetischen Bereich liegt.

2. Die Verwertung der in den Schutzansprüchen 17 und 18 erfaßten Erfindung verstößt nicht gegen die öffentliche Ordnung, so daß die Eintragung nicht an diesem Schutzausschließungsgrund (§ 2 Nr 1 GebrMG) scheitert. Denn der bestimmungsgemäße Gebrauch des unter Schutz gestellten Gegenstandes führt nicht zu einer Verletzung der tragenden Grundsätze der Rechtsordnung; auf die Zuordnung der Respektierung der Kennzeichen internationaler Institutionen wie des Europarats und der Europäischen Union zu den tragenden Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung kommt es im vorliegenden Fall nicht an.

a) Im angefochtenen Beschluß ist allerdings hierzu auf die Entscheidung vom 4. Oktober 2000 in der Gebrauchsmuster-Beschwerdesache 10 W (pat) 705/00 verwiesen. Dort ist - ohne nähere Begründung - erklärt, daß die Verwendung staatlicher Hoheitszeichen in Mustergestaltungen gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Dies erscheint nicht unzweifelhaft. Die gesetzgeberische Wertung scheint in eine andere Richtung zu gehen, wie das mit dem benachbarten Gebiet des Markenrechts befaßten Markengesetz erkennen läßt. Dort sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen nicht nur dann, wenn sie "gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen" (§ 8 Abs 2 Nr 5), sondern u.a. auch dann, wenn sie "Kennzeichnen ... internationaler zwischenstaatlicher Organisationen enthalten, die nach einer Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz ... von der Eintragung als Marke ausgeschlossen sind" (§ 2 Abs 2 Nr 8). Hieraus drängt sich der Schluß auf, daß Marken, die solche Kennzeichen enthalten, aber nicht durch eine solche Bekanntmachung erfaßt werden, nicht von der Eintragung ausgeschlossen sind, also vom Gesetz auch nicht als gegen die öffentliche Ordnung verstoßend gewertet werden; andernfalls wäre die Ausschlußbestimmung des § 8 Abs 2 Nr 8 überflüssig, da ihre Fälle stets schon durch § 8 Abs 2 Nr 5 von der Eintragung ausgeschlossen wären.

Hinzu kommt, daß selbst solche Marken, für die eine derartige Bekanntmachung ergangen ist, von der Eintragung dann nicht ausgeschlossen sind, wenn der Anmelder zur Führung der Kennzeichnung in der Marke "befugt" ist oder die angemeldete Marke nicht geeignet ist, beim Publikum den unzutreffenden "Eindruck einer Verbindung" mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation hervorzurufen (§ 8 Abs 4 Satz 2, 3). Die Möglichkeit der Bewilligung einer Genehmigung - eine solche ggfs einzuholen hat sich der Anmelder im vorliegenden Fall vorbehalten - belegt aber, daß derartige Regelungen nicht zu den tragenden Grundsätzen der Rechtsordnung gehören (vgl hierzu bezüglich der entsprechenden patentrechtlichen Regelung Benkard (9) § 2 PatG Rdn 5). Dies gilt ebenso für die Tatsache, daß mangelnde Respektierung des Kennzeichens nicht notwendig in allen Fällen - so offenbar auch im vorliegenden Fall - zu bejahen ist, in denen nicht der Eindruck hervorgerufen wird, daß eine Verbindung mit der internationalen Organisation besteht.

b) Selbst wenn die Respektierung der Kennzeichen des Europarats und der Europäischen Union zu den tragenden Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung gehörte, wäre sie nicht verletzt, wenn die Erfindung bestimmungsgemäß gebraucht wird. Eine sinnvolle Verwertung der Erfindung ist nämlich möglich, die nicht mit dem durch das Emblem erfaßten Bereich kollidiert. Denn nur in einer dem Emblem völlig oder im wesentlichen entsprechenden Ausführungsform wäre ein Übergriff in den den Inhabern der Rechte an dem Emblem vorbehaltenen Bereich zu sehen. Eine größere Abweichung in der Form der Leuchtdioden (nämlich nicht als Sterne, sondern rund oder in beliebiger sonstiger äußerer Gestalt) oder - als Sterne - in ihrer Ausgestaltung und im übrigen in der Zahl (nämlich deutlich mehr oder weniger als zwölf) führt jedenfalls aus dem geschützten Bereich des Emblems heraus, ohne daß zugleich schon über den Gegenstand des Gebrauchsmusters nach seinen Schutzansprüchen 17 und 18 hinausgegangen würde.

Goebel Dr. Greis Werner Pr/Be






BPatG:
Beschluss v. 15.03.2002
Az: 5 W (pat) 3/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ba7acc6afc92/BPatG_Beschluss_vom_15-Maerz-2002_Az_5-W-pat-3-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share