Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 4. August 1999
Aktenzeichen: 17 W 258/99
(OLG Köln: Beschluss v. 04.08.1999, Az.: 17 W 258/99)
Tenor
Unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen wird der angefochtene Beschluss teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die von dem Kläger nach dem Beschluss des Landgerichts Köln vom 13. April 1999 an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 582,90 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. April 1999 festgesetzt. Das weitergehende Kostenfestsetzungsbegehren der Beklagten wird zurückgewiesen:
Die nach einem Streitwert von 234,90,DM angefallene Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte. Von sonstigen Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagte 43 % und der Kläger 57 %.
Gründe
Das nach den 55 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG als sofortige Beschwerde statthafte Rechtsmittel der Beklagten begegnet auch im übrigen keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. In der Sache hat die Beschwerde teilweise Erfolg; sie führt zu einer Anhebung der auf 266,22 DM festgesetzten Prozesskosten der Beklagten um 316,68 DM auf 582,90 DM.
Anders als die Rechtspflegerin angenommen hat, ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht nur die 3/10-Gebühr des §§ 43 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO für die Einlegung des Widerspruchs gegen den vom Kläger erwirkten Mahnbescheid, sondern auch eine Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO erwachsen, in der die Widerspruchsgebühr aufgegangen ist (5 43 Abs. 2 BRAGO). Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO erhält der Anwalt die 3/10-Gebühr für die Erhebung des Widerspruchs. Wird der Anwalt indessen - wie in der Regel - sogleich auch mit der Führung des Prozesses beauftragt, so sind die von ihm über die bloße Einlegung des Widerspruchs hinaus entfalteten Tätigkeiten, die sinnvoll auf die Erfüllung des ihm erteilten Prozessauftrages abzielen, aus dem Blickwinkel des Kostenrechts jedenfalls dann dem Streitverfahren zuzurechnen, wenn die Streitsache - wie hier -in der Folgezeit bei dem Streitgericht anhängig geworden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschluss vom 19. Juli 1974 - 17 W 190/74 -; Beschluss vom 3. Oktober 1984 17 W 438/84 -; Beschluss vom 26.September 1985 17 W 356/85 -.
Im gegebenen Fall kann unbedenklich davon ausgegangen werden, dass der Auftrag, dem die Beklagte ihrem in G praktizierenden Prozessbevollmächtigten erteilt hat, nicht auf die Erhebung des Widerspruchs gegen den vom Amtsgericht Hagen erlassenen Mahnbescheid beschränkt war, dass dieser Anwalt vielmehr auch beauftragt war, die Beklagte im Rechtsstreit zu vertreten. Die Prozessgebühr ist daher bereits mit der ersten von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zur Erfüllung des Prozessauftrages entfalteten Tätigkeit, nämlich der Entgegennahme der Information zur Abwehr des vom Kläger zunächst im Mahnverfahren geltend gemachten Anspruchs angefallen. Fraglich kann deshalb nur sein, ob dem Prozessanwalt der Beklagten die volle oder nur eine halbe Prozessgebühr nach § 32 Abs. 1 BRAGO erwachsen ist. Nach überwiegender Ansicht soll ein mit dem Widerspruch verbundener Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens als ein verfahrenseinleitender Antrag i.S.v. § 32 Abs. 1 BRAGO eine volle Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO auslösen (z.B. OLG Hamburg; JurBüro 1983, 81; OLG Bremen, JurBüro 1983, 1666; OLG Schleswig, JurBüro 1984, 405; KG, JurBüro 1984, 1362 m.w.N.). Ob dieser Auffassung beizupflichten ist, kann hier ebenso offenbleiben, wie die Frage, ob ein bereits mit dem Widerspruch angekündigter Klageabweisungsantrag jedenfalls dann gebührenrechtlich als Sachantrag i.S.d. § 32 Abs. 1 BRAGO zu behandeln ist, wenn der dem Anwalt erteilte Prozessauftrag zur Hauptsache erst nach deren Übergang ins streitige Verfahren endet (verneinend - im Anschluss an den im JurBüro 1974, 1390 veröffentlichten Senatsbeschluss - auch für die Rechtslage nach der Neuregelung des Mahnverfahrens durch die Vereinfachungsnovelle z.B. Senatsbeschlüsse vom 3. Oktober 1984 - 17 W 438/84 - und vom 10. Dezember 1986 - 17 W 695/86-). Denn eine dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten hierdurch etwa erwachsene volle Prozessgebühr nach dem Wert der Mahnbescheidsforderung ist jedenfalls nicht in diesem Umfang erstattungsfähig.
Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO umfasst die Pflicht zur Kostenerstattung nur solche Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sind. Danach aber können solche Kosten, die als Folge eines unzweckmäßigen Antrags angefallen sind, nicht als notwendig und damit nicht als erstattungsfähig anerkannt werden. Das gilt für solche Mehrkosten, die durch einen vor Abgabe der Sache gestellten Klageabweisungsantrag verursacht werden ebenso wie für den mit dem Widerspruch verbundenen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens. Aus dem Grundsatz, dass jede Partei die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle des Obsiegens von dem im Rechtsstreit unterliegenden und in die Kosten verurteilten Gegner erstattet verlangen will, im Rahmen des Zumutbaren und Verständigen niedrig zu halten hat, ergibt sich für den im Mahnverfahren in Anspruch genommenen Beklagten die Verpflichtung, sich zunächst auf die Einlegung des Widerspruchs zu beschränken und den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens vorerst zurückzustellen, bis der Kläger Gelegenheit hatte, sich darüber schlüssig zu werden, ob er seinerseits das streitige Verfahren einleiten oder den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids zurücknehmen solle. Für den Beklagten besteht aus erstattungsrechtlicher Sicht erst nach Ablauf einer angemessenen Zeitspanne hinreichender Anlass; den die volle Prozessgebühr auslösenden Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen, wenn der Kläger das Verfahren nicht durch Antrag nach § 696 Abs. 1 ZPO und Einzahlung des weiteren Gerichtskostenvorschusses gemäß § 65 Abs. 1 S. 2 GKG fördert (Senatsbeschluss vom 26. September 1985 - 17 W 356/95 -; KG, JurBüro 1984, 1362= Anwaltsblatt 1984, 375 m.w.N.). Erst recht bestand keine Notwendigkeit, mit dem Widerspruch bereits einen Klageabweisungsantrag vor dem zuständigen Prozessgericht anzukündigen, statt zunächst abzuwarten, ob und wie der Kläger sei- nen Anspruch weiterverfolgen und begründen werde. Da durch die vorzeitige Ankündigung eines Klageabweisungsantrages weder eine Beschleunigung noch eine sonst beachtliche Förderung des Prozesses bewirkt werden kann, ist es unter Erstattungsgesichtspunkten geboten, eine solche gebührenäuslösende Maßnahmen erst vorzunehmen, wenn sie im Einzelfall wirklich notwendig wird, das heißt in der Regel erst nach Vorliegen der Anspruchsbegründung im streitigen Verfahren (so auch Gerold/Schmidtvon Eikken, BRAGO, 13. Aufl., § 43 Rdnr. 25).
Aus alledem folgt, dass eine dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten etwa erwachsene volle Prozessgebühr aus dem Wert der Hauptsache nur in Höhe einer 5/10-Gebühr erstattungsfähig ist. Zu den von dem Kläger zu erstattenden Prozesskosten der Beklagten gehört allerdings in den durch § 13 Abs. 3 BRAGO gezogenen Grenzen neben der 5/10-Gebühr aus dem Hauptsachestreitwert eine nach dem Wert der bis zur Klagerücknahme angefallenen Kosten zu berechnenden 10/10-Prozessgebühr, die dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten durch die Erwirkung des Kostenbeschlusses nach § 269 Abs. 3 ZPO erwachsen ist. Als zu erstattende Prozesskosten der Beklagten sind demnach eine 5/10-Prozessgebühr nach dem 10.374,19 DM betragenen Streitwert der Hauptsache i.H.v. 332,50 DM, eine 10/10-Prozessgebühr aus dem Kostenwert bis 1.800,00 DM im Betrage von 130,00 DM, weitere 40,00 DM an Post- und Telekommunikationsgebühren und 16 % Umsatzsteuer aus 502,50 DM i.H.v. 80,40 DM, insgesamt also 582,90 DM gegen den Kläger festzusetzen. Dementsprechend ist der angefochtene Beschluss zu ändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Streitwert des Verfahrens der sofortigen Beschwerde: 551,58 DM.
OLG Köln:
Beschluss v. 04.08.1999
Az: 17 W 258/99
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