Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juni 2009
Aktenzeichen: 27 W (pat) 45/08

(BPatG: Beschluss v. 16.06.2009, Az.: 27 W (pat) 45/08)

Tenor

1.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.

Der Antrag des Beschwerdegegners, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Widersprechende hat gegen die am 20. Juni 2003 veröffentlichte Eintragung der am 19. Februar 2003 von der Gemeinschuldnerin angemeldeten, u. a. für Werbung; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen, soweit in Klasse 35 enthalten; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen, insbesondere im Internet; Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Meinungsforschung; Unternehmensberatung; Organisationsberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Personalberatung; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere; Vermittlung von Verträgen über Anschaffung und Veräußerung von Waren; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Vervielfältigung von Dokumenten; Rundfunk-, Fernseh-, Kinound Internetwerbung; Werbemittlung; Vermittlung von Verkäufen und deren Abrechnung (Onlineshopping) in Computernetzwerken und/oder vermittels anderer Vertriebskanäle; Entwicklung von Konzepten für die Abwicklung und Durchführung kompletter unternehmerischer Dienstleistungen und betriebswirtschaftliche Beratung für Logistikdienster als Unternehmens-Dienstleistungen, soweit in Klasse 35 enthalten; Erziehung; Ausbildung; Verpflegung; Beherbergung von Gästengeschützten Marke Nr. 303 09 127 CENA Widerspruch hinsichtlich der Dienstleistungen im Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke eingelegt aus ihrer am 11. Januar 1995 angemeldeten und seit 5. Oktober 1995 für Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtsaucen; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Land-, garten und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner (soweit in Klasse 31 enthalten); lebende Tiere; frisches Obst und Gemüse; Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen; Futtermittel, Malz; Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Marketing, Marktforschung, Marktanalyse, Werbung, Unternehmensund Organisationsberatungeingetragenen MarkeNr. 395 00 620 CMA.

Die Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Erstbeschluss vom 30. September 2004 den Widerspruch und mit Beschluss vom 31. August 2005 die von der Widersprechenden gegen den Erstbeschluss eingelegte Erinnerung zurückgewiesen.Dies wird jeweils darauf gestützt, dass auch im Bereich identischer bzw. ähnlicher Dienstleistungen der Grad der Zeichenähnlichkeit zu gering sei, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen; denn die nur als Buchstabenfolge aussprechbare Widerspruchsmarke habe bei ihrer Aussprache einen von der angegriffenen Marke deutlich abweichenden Klangcharakter, so dass klangliche Verwechslungen nicht zu befürchten seien; auch schriftbildlich könne das Publikum sie ohne Weiteres auseinanderhalten.

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Markeninhaber . Sie ist der Auffassung, dass die beiden Marken klanglich so ähnlich seien, dass auf dem Gebiet identisch bzw. hochgradig ähnlich beanspruchter Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen bestehe.

beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 30. September 2004 und vom 31. August 2005 aufzuheben und die Löschung der Marke Nr. 303 09 127 wegen des Widerspruchs aus der eingetragenen Marke Nr. 395 00 620 für die Dienstleistungen "Werbung; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen, soweit in Klasse 35 enthalten; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen, insbesondere im Internet; Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Meinungsforschung; Unternehmensberatung; Organisationsberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Personalberatung; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere; Vermittlung von Verträgen über Anschaffung und Veräußerung von Waren; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Vervielfältigung von Dokumenten; Rundfunk-, Fernseh-, Kinound Internetwerbung; Werbemittlung; Vermittlung von Verkäufen und deren Abrechnung (Onlineshopping) in Computernetzwerken und/oder vermittels anderer Vertriebskanäle; Entwicklung von Konzepten für die Abwicklung und Durchführung kompletter unternehmerischer Dienstleistungen und betriebswirtschaftliche Beratung für Logistikdienster als Unternehmens-Dienstleistungen, soweit in Klasse 35 enthalten; Erziehung; Ausbildung; Verpflegung; Beherbergung von Gästen" zu löschen.

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin ist mit Beschluss des Amtsgerichts A... vom 24. Januar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2009 hat der zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin bestellte Beschwerdegegner das Verfahren aufgenommen und beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er hält eine Verwechslungsgefahr aus den nach seiner Ansicht zutreffenden Gründen der angefochtenen Beschlüsse für nicht gegeben.

II. A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

1.

Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] -Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] -Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 -Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] -Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] -Adam Opel/Autec).

2.

Nach diesen Grundsätzen ist der Grad der Markenähnlichkeit, selbst wenn ein höherer Grad der Dienstleistungsähnlichkeit und eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt würde, zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

a) Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m. w. N. [Fn. 311]).

Die Ähnlichkeit von Marken ist dabei grundsätzlich aufgrund ihres jeweiligen Gesamteindrucks unabhängig vom Prioritätsalter zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 -Sabèl/Puma; GRUR 2005, 1043, 1044 [Rz. 28 f.] -Thomson Life; GRUR 2006, 413, 414 [Rn. 19] -SIR/Zirh; BGH GRUR 2000, 233 f. -Rausch/Elfi Rauch); hierbei sind ihre Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 28] -SIR/Zirh). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte begründet zwar nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21 f.] -SIR/Zirh), kann aber im Einzelfall ausreichen (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21] SIR/Zirh; BGH GRUR 1959, 182, 185 -Quick; GRUR 1979, 853, 854 -LILA; GRUR 1990, 367, 368 -alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 -dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 -acpharma; GRUR 1999, 241, 243 -Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 35] -SIR/Zirh).

b) Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend kein Grad an Zeichenähnlichkeit festgestellt werden, der selbst bei unterstellten hohen Graden an Dienstleistungsähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr begründen könnte.

aa) Ungeachtet der Frage einer möglichen klanglichen oder schriftbildlichen Ähnlichkeit scheidet eine hierauf gestützte Verwechslungsgefahr für einen nicht gering zu veranschlagenden Teil des Publikums schon deshalb aus, weil diesem der Bedeutungsgehalt der aus dem romanischen Sprachkreis stammenden angegriffenen Marke ("cena" steht im Italienischen und Spanischen gleichermaßen für "Abendessen; Abendbrot") bekannt ist. Damit wirkt möglichen visuellen oder akustischen Ähnlichkeiten für diesen Teil des Publikums von vornherein i. S. d. der "Neutralisierungstheorie" des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 35] -SIR/Zirh), an welche der Senat nach Art. 234 EGV i. V. m. Art. 101 GG zwingend gebunden ist (a. A. -unter Verkennung der europaund verfassungsrechtlichen Bindung -Hacker, Markenrecht, 2007 Rn. 409), entgegen.

bb) Aber auch bei denjenigen Teilen des Verkehrs, welchen die Bedeutung der angegriffenen Marke nicht bekannt ist und die diese daher als Fantasiebegriff ansehen, scheidet, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, eine Gefahr von Verwechslungen der beiden Marken aus. Eine schriftbildliche Ähnlichkeit besteht dabei schon deshalb nicht, weil dem Publikum der Unterschied zwischen der als bloße Buchstabenfolge erkennbaren Widerspruchsmarke und der bereits infolge zweier Vokale als Wort interpretierbaren angegriffenen Marke ins Auge springt. In klanglicher Hinsicht kann die Widerspruchsmarke entgegen der Ansicht der Widersprechenden immer nur als Buchstabenfolge ausgesprochen werden, weil der Aussprechende keine Veranlassung hat, die Buchstabenfolge bei einer Wiedergabe der Marke zu einem Wort umzugestalten. Hiergegen spricht zum einen, dass die Buchstabenfolge selbst in Ermangelung hinreichender Vokale sich nicht als Wort anbietet; insofern unterscheidet sie sich deutlich von den Beispielen "RAF" und "GRUR", auf welche die Widersprechende hingewiesen hat, wobei die weiteren Beispiele "ORF" und "UEFA", auf welche sich die Widersprechende ebenfalls berufen hat, schon deshalb unbehelflich sind, weil jedenfalls der durchschnittlich verständige Verbraucher, auf den nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abzustellen ist und bei dem ein zumindest durchschnittliches Sprachverständnis anzunehmen ist, diese beiden Abkürzungen in keinem Fall als Wort -wobei im Falle von "UEFA" unklar ist, ob die Widersprechende eine Aussprache als "Uefa" oder als "Üfa" unterstellt -ausspricht. Und zum anderen spricht gegen eine Aussprache der Widerspruchsmarke als Wort auch der Umstand, dass es -geht man mit der Widersprechenden von einer Aussprache als "Tschema" oder "Kema" aus -kein entsprechendes Wort in einer im Inland geläufigen und bekannten Sprache gibt, was dem Aussprechendenu. U. eine entsprechende Wiedergabe der Widerspruchsmarke wie ein solches Wort nahe legen könnte. Wird die Widerspruchsmarke aber als Buchstabenfolge wiedergegeben -gleich ob als "Tsche -Em -A", "Ka -Em -A" oder "Tse -Em -A" -, bleibt ihr Charakter als Buchstabenfolge und Abkürzung wegen der deutlich abgehackten Sprechweise für den Hörer erhalten. Damit wird dieser aber keine Mühe haben, die Widerspruchsmarke von der angegriffenen Marke -gleich ob diese entsprechend als "Tschena", "Kena" oder "Tsena" wiedergegeben wird hinreichend zu unterscheiden. Aber selbst wenn hierbei noch ein geringer Grad an Markenähnlichkeit angenommen würde, wäre dieser selbst bei unterstellten hohen Graden an Dienstleistungsähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht mehr ausreichend, eine Verwechslungsgefahr zu begründen (vgl. Schwarz, MarkenR 2008, 237, 248 f.).

cc) Für die Annahme einer Markenähnlichkeit in Form des gedanklichen Inverbindungbringens i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz MarkenG, die nur gegeben wäre, wenn der Verkehr zwar die hinter den Zeichen stehenden Unternehmen auseinanderhält, aber unzutreffend den Eindruck gewinnt, diese seien wirtschaftlich miteinander verbunden, weil sich das ältere Zeichen allgemein zu einem Hinweis auf das oder die Unternehmen der Widersprechenden entwickelt hat (vgl. BGH GRUR 2002, 171, 175 - Marlboro), sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

3. Da damit im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden kann und die Markenstelle somit den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen hat, war der Beschwerde der Widersprechenden der Erfolg zu versagen.

B. Der Antrag des Beschwerdegegners, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, war zurückzuweisen, da Gründe hierfür, die nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nur aus Billigkeitsgründen in eng umgrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen, weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind. Damit hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

Dr. Albrecht Dr. van Raden Schwarz Me






BPatG:
Beschluss v. 16.06.2009
Az: 27 W (pat) 45/08


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