Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. August 2007
Aktenzeichen: 20 W (pat) 70/03
(BPatG: Beschluss v. 06.08.2007, Az.: 20 W (pat) 70/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 52 vom 25. Juli 2003 aufgehoben.
Das Patent 198 52 080 wird widerrufen.
Gründe
I.
Im Einspruch ist fehlende Patentfähigkeit geltend gemacht worden. Das Patentamt hat das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.
Die Beschwerdeführerin und Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen, hilfsweise das Patent in der Fassung einer Kombination der Patentansprüche 1 und 6 bzw. 8 und 13, i. Ü. mit den erteilten Unterlagen, aufrechtzuerhalten.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"1. Verfahren zur Überwachung der Temperatur eines verlustbehafteten elektronischen Bauelements, insbesondere eines Leistungshalbleiters, a) wobei das Bauelement mittels eines Kühlkörpers oder Kühlmediums gekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, b) dass die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediumsan einem Erfassungsort erfasst wird, welcher nach einer Änderung der Verlustleistung des Bauelements seine Gleichgewichtstemperatur mit einer Zeitkonstante erreicht, die groß ist gegenüber der Zeitkonstante, mit welcher das Bauelement seine Gleichgewichtstemperatur erreicht, undc) dass die Temperatur des Bauelements durch die Addition eines Temperaturdifferenzwertes zur erfassten Temperatur des Erfassungsortes bestimmt wird, d) wobei der Temperaturdifferenzwert rechnerisch unter Verwendung einer vorbekannten Abhängigkeit ermittelt wird, welche den Temperaturdifferenzwert abhängig von der Verlustleistung oder abhängig von der Verlustleistung und der Zeitdifferenz nach einer Änderung der Verlustleistung darstellt."
Der nebengeordnete Patentanspruch 8 gemäß Hauptantrag hat folgende Fassung:
"8. Vorrichtung zur Überwachung der Temperatur eines verlustbehafteten elektronischen Bauelements, insbesondere eines Leistungshalbleiters, a) wobei das Bauelement mittels eines Kühlkörpers oder Kühlmediums gekühlt wird unddadurch gekennzeichnet, b) dass mittels eines Sensors die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediums an einem Erfassungsort erfasst wird, welcher nach einer Änderung der Verlustleistung des Bauelements seine Gleichgewichtstemperatur mit einer Zeitkonstante erreicht, die groß ist gegenüber der Zeitkonstante, mit welcher das Bauelement seine Gleichgewichtstemperatur erreicht, undc) dass das Sensorsignal einer Auswerte- und Steuereinheit zugeführt ist, welche die Temperatur des Bauelements durch die Addition eines Temperaturdifferenzwertes zur erfassten Temperatur des Erfassungsortes bestimmt, d) wobei die Auswerte- und Steuereinheit den Temperaturdifferenzwert rechnerisch unter Verwendung einer ihr zugeführten oder in einem Speicher der Auswerte- und Steuereinheit gespeicherten vorbekannten Abhängigkeit ermittelt, welche den Temperaturdifferenzwert abhängig von der Verlustleistung oder abhängig von der Verlustleistung und der Zeitdifferenz nach einer Änderung der Verlustleistung darstellt."
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag umfasst eine Kombination der erteilten Patentansprüche 1 und 6 und hat somit folgende Fassung:
"1. Verfahren zur Überwachung der Temperatur eines verlustbehafteten elektronischen Bauelements, insbesondere eines Leistungshalbleiters, a) wobei das Bauelement mittels eines Kühlkörpers oder Kühlmediums gekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, b) dass die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediums an einem Erfassungsort erfasst wird, welcher nach einer Änderung der Verlustleistung des Bauelements seine Gleichgewichtstemperatur mit einer Zeitkonstante erreicht, die groß ist gegenüber der Zeitkonstante, mit welcher das Bauelement seine Gleichgewichtstemperatur erreicht, undc) dass die Temperatur des Bauelements durch die Addition eines Temperaturdifferenzwertes zur erfassten Temperatur des Erfassungsortes bestimmt wird, d) wobei der Temperaturdifferenzwert rechnerisch unter Verwendung einer vorbekannten Abhängigkeit ermittelt wird, welche den Temperaturdifferenzwert abhängig von der Verlustleistung oder abhängig von der Verlustleistung und der Zeitdifferenz nach einer Änderung der Verlustleistung darstellt, e) und dass bei einer Überschreitung eines vorbestimmbaren Maximalwertes für die ermittelte Temperatur für eine Zeitspanne, die länger ist als eine vorgebbare Zeitspanne, die Verlustleistung des Bauelements so weit reduziert wird, dass die Temperatur des Bauelements in einem zulässigen Bereich liegt."
Der nebengeordnete Patentanspruch 8 gemäß Hilfsantrag umfasst eine Kombination der erteilten Patentansprüche 8 und 13 und lautet somit:
"8. Vorrichtung zur Überwachung der Temperatur eines verlustbehafteten elektronischen Bauelements, insbesondere eines Leistungshalbleiters, a) wobei das Bauelement mittels eines Kühlkörpers oder Kühlmediums gekühlt wird unddadurch gekennzeichnet, b) dass mittels eines Sensors die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediums an einem Erfassungsort erfasst wird, welcher nach einer Änderung der Verlustleistung des Bauelements seine Gleichgewichtstemperatur mit einer Zeitkonstante erreicht, die groß ist gegenüber der Zeitkonstante, mit welcher das Bauelement seine Gleichgewichtstemperatur erreicht, undc) dass das Sensorsignal einer Auswerte- und Steuereinheit zugeführt ist, welche die Temperatur des Bauelements durch die Addition eines Temperaturdifferenzwertes zur erfassten Temperatur des Erfassungsortes bestimmt, d) wobei die Auswerte- und Steuereinheit den Temperaturdifferenzwert rechnerisch unter Verwendung einer ihr zugeführten oder in einem Speicher der Auswerte- und Steuereinheit gespeicherten vorbekannten Abhängigkeit ermittelt, welche den Temperaturdifferenzwert abhängig von der Verlustleistung oder abhängig von der Verlustleistung und der Zeitdifferenz nach einer Änderung der Verlustleistung darstellt, e) und dass die Auswerte- und Steuereinheit bei einer Überschreitung eines vorbestimmbaren Maximalwertes für die ermittelte Temperatur für eine Zeitspanne, die länger ist als eine vorgebbare Zeitspanne, die Verlustleistung des Bauelements so weit reduziert, dass die Temperatur des Bauelements in einem zulässigen Bereich liegt."
Folgende Druckschriften werden u. a. erörtert:
D10 EP 0 559 726 B1, D12 EP 0 329 926 A1, D4 PCIM, August 1996, Seiten 100-111 und D5 Harris Semiconductor Application Note AN 9416.1, "Thermal Considerations in Power BIMOS Low Side Drivers", Mai 1995.
Die Einsprechende führt aus, der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfsantrag beruhe gegenüber dem Stand der Technik zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Patentinhaberin ist dagegen der Ansicht, die Gegenstände der Patentansprüche 1 wie auch 8 gemäß Hauptantrag und vor allem gemäß dem Hilfsantrag seien neu und beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die gemäß Streitpatent beanspruchten Verfahren und Vorrichtungen ermöglichten es insbesondere, die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediums, mittels denen ein Bauelement gekühlt wird, an einem Erfassungsort - verschieden vom Ort des Bauelements - zu erfassen, welcher nach einer Änderung der Verlustleistung des Bauelements seine Gleichgewichtstemperatur mit einer Zeitkonstante erreicht, die groß ist gegenüber der Zeitkonstante, mit welcher das Bauelement seine Gleichgewichtstemperatur erreicht. Nach Auffassung der Patentinhaberin seien in Übereinstimmung mit dem Unteranspruch 7 unter der Größe der Zeitkonstante des Erfassungsortes im Verhältnis zu der Zeitkonstante des Bauelements Werte größer als 10 zu verstehen. Derartige Werte gebe der zitierte Stand der Technik nicht her. Des weiteren würden die aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift D10 als bekannt entnehmbaren Verfahren bzw. Vorrichtungen von einem Anfangswert der Temperatur eines Bauelementes ausgehen und mittels einer Leistungsbetrachtung eine Abschätzung zukünftiger Temperaturwerte vorsehen, während das Streitpatent unter Berücksichtigung der am Bauelement anfallenden Leistung aus einem Messwert an einem von dem Bauelement entfernten Messort rückschließt auf den Messwert des Bauelements selbst. Im übrigen sei keine Veranlassung für den Fachmann erkennbar, die in D10 beschriebenen Verfahren bzw. Vorrichtungen zu ändern, oder auch den Inhalt der Druckschrift D10 mit den Inhalten anderer Druckschriften, wie der D12, oder auch der D4 und D5 zu kombinieren, nachdem insbesondere die Druckschriften D4 und D5 mit der Dimensionierung von Leistungshalbleitern und nicht mit messtechnischen Problemkreisen befasst seien. Eine solche Kombination sei nur rückschauend in Kenntnis der Erfindung möglich.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zum Widerruf des Patents. Das Patent ist nicht rechtsbeständig, die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 8 jeweils gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfsantrag sind nach den §§ 1 und 4 PatG nicht patentfähig.
Zum Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag umfasst den Gegenstand des enger gefassten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag. Nachdem letzterer - wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag zeigen - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist auch der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nicht rechtsbeständig. Dasselbe gilt für den Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 8 gemäß Haupt- und Hilfsantrag.
Zum Hilfsantrag 1) Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, er ist dem Fachmann durch D10 in Verbindung mit seinem Fachwissen und Fachkönnen nahegelegt. Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik, der über mehrjährige Berufserfahrung in der Mess- und Regelungstechnik verfügt.
2) Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag beschreibt - nach Merkmalen a) bis e) gegliedert - ein Verfahren zur Überwachung der Temperatur eines verlustbehafteten elektronischen Bauelements, insbesondere eines Leistungshalbleiters, a)wobei das Bauelement mittels eines Kühlkörpers oder Kühlmediums gekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, b) dass die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediums an einem Erfassungsort erfasst wird, welcher nach einer Änderung der Verlustleistung des Bauelements seine Gleichgewichtstemperatur mit einer Zeitkonstante erreicht, die groß ist gegenüber der Zeitkonstante, mit welcher das Bauelement seine Gleichgewichtstemperatur erreicht, undc) dass die Temperatur des Bauelements durch die Addition eines Temperaturdifferenzwertes zur erfassten Temperatur des Erfassungsortes bestimmt wird, d) wobei der Temperaturdifferenzwert rechnerisch unter Verwendung einer vorbekannten Abhängigkeit ermittelt wird, welche den Temperaturdifferenzwert abhängig von der Verlustleistung oder abhängig von der Verlustleistung und der Zeitdifferenz nach einer Änderung der Verlustleistung darstellt, e) und dass bei einer Überschreitung eines vorbestimmbaren Maximalwertes für die ermittelte Temperatur für eine Zeitspanne, die länger ist als eine vorgebbare Zeitspanne, die Verlustleistung des Bauelements so weit reduziert wird, dass die Temperatur des Bauelements in einem zulässigen Bereich liegt.
Das Merkmal e) des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag, dass bei einer Überschreitung eines vorbestimmbaren Maximalwertes für die ermittelte Temperatur für eine Zeitspanne, die länger ist als eine vorgebbare Zeitspanne, die Verlustleistung des Bauelements so weit reduziert wird, dass die Temperatur des Bauelements in einem zulässigen Bereich liegt, versteht der Fachmann dahingehend, dass für eine wählbare Zeitspanne eine - thermische - Überlastung des Bauelements in Kauf genommen werden kann, bevor eine Reduktion der Verlustleistung vorgenommen wird, so dass dann die Temperatur des Bauelements wieder in einem zulässigen Bereich liegt (BGH Beschl. v. 17. April 2007 - X ZB 9/05 - Informationsübermittlungsverfahren).
3) Aus der D10 sind Verfahren bzw. Vorrichtungen zur Überwachung der Temperatur eines verlustbehafteten elektrischen oder elektronischen Bauelements, insbesondere auch eines Leistungshalbleiters, als bekannt entnehmbar (S. 2 Z. 3 bis 5, S. 2 Z. 58 bis S. 3 Z. 15, S. 12 Z. 33 bis 43, S. 13 Z. 34 bis 57). Der im Ausführungsbeispiel der D10 als zu überwachendes elektrisches Bauelement genannte Elektromotor ist nur als ein Beispiel zu verstehen für verlustbehaftete elektrische oder elektronische Bauteile allgemein (S. 7 Z. 34 bis 35). Zur Überwachung der Temperatur des beispielhaft genannten Elektromotors kann gemäß D10 auch die den Elektromotor ansteuernde Leistungsteuerstufe herangezogen werden, wobei letztere sich dann gemäß D10 in enger thermischer Kopplung zum Elektromotor (Bauelements) befinden kann (S. 8 Z. 58 bis S. 9 Z. 12). Die dabei zum Einsatz kommenden Leistungssteuerstufen weisen üblicherweise Halbleiterschalter, bspw. Leistungstransistoren auf (S. 8 Z. 14 bis 16), die auf einem Kühlkörper montiert sind (S. 2 Z. 25 bis 32). Der Kühlkörper bietet sich dem Fachmann an, eine enge thermische Kopplung zu dem zu überwachenden Bauteil dadurch herzustellen, dass das zu überwachende Bauteil ebenfalls mittels des Kühlkörpers gekühlt wird (Merkmal a)). Zum Fachwissen bzgl. einer solchen thermischen Kopplung wird ergänzend verwiesen auf die in D10 (S. 2 Z. 25 bis 27) zum Stand der Technik zitierte DE-PS 38 04 679, bzw. auf die darauf zurückgehende D12, dort ist explizit eine thermische Kopplung mittels Kühlkörper oder auch mittels Kühlmedium (Luftstrom) beschrieben (vgl. D12, Zusammenfassung und Sp. 2 Z. 3 bis 26).
Des Weiteren ist dem Fachmann aus der Druckschrift D10 das kalorische Verhalten der vorstehend geschilderten thermischen Kopplung zwischen dem zu überwachenden Bauelement und dessen Einbauort und dem von letzteren verschiedenen Temperatur-Erfassungsort bekannt, insbesondere weiß der Fachmann, dass bei verschiedenen Temperaturen zwischen Einbauort und Erfassungsort eine Temperaturdifferenz vorhanden ist, die bis zum Erreichen eines Gleichgewichtszustands über die Messtrecke hinweg einen Wärmestrom zur Folge hat, wobei dieser Wärmestrom von Materialkonstanten, wie Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit abhängt (vgl. D10, S. 8 Z. 58 bis S. 9 Z. 8 und S. 9 Z. 35 bis 39 i. V. m. S. 8 Z. 44 bis 57). Bei einer Änderung der Verlustleistung des zu überwachenden Bauelements und infolgedessen einer Erwärmung oder Abkühlung des Bauelements erreicht das Bauelement mit einer gewissen Zeitkonstante seine - neue - Gleichgewichtstemperatur, während die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediums am Erfassungsort mit einer von den Eigenschaften der thermischen Kopplung abhängigen zeitlichen Verzögerung ihren Gleichgewichtswert erreicht, d. h. aber, dass die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediums an einem Erfassungsort erfasst wird, welcher nach einer Änderung der Verlustleistung des Bauelements seine Gleichgewichtstemperatur mit einer Zeitkonstante erreicht, die groß - zumindest größer - ist gegenüber der Zeitkonstante, mit welcher das Bauelement seine Gleichgewichtstemperatur erreicht (D10, Fig. 3 bis 5, S. 9 Z. 13 bis S. 10 Z. 25 bis Merkmal b)). Dieses Verhalten einer größeren Zeitkonstante für die Gleichgewichtstemperatur am Erfassungsort zeigt sich an dem in Fig. 4 der D10 aufgezeigten Temperaturverlauf TRef am Erfassungsort im Vergleich zum in Fig. 5 aufgetragenen Verlauf der Verlustleistung und zu der in Fig. 3 aufgetragenen Referenztemperatur T(t) resp. T*(t), insbesondere bei den Zeitintervallen t1 - t3 und t4 - t5. Die Größe der Zeitkonstante, mit der die Gleichgewichtstemperatur am Erfassungsort erreicht wird, erschließt sich dem Fachmann i. V. m. seinem Fachwissen aus den baulichen Gegebenheiten, insbesondere aus der Anordnung des verlustbehafteten elektronischen Bauelements und des Kühlkörpers, resp. des an letzterem vorgesehenen Erfassungsortes, und abhängig von den daraus resultierenden Eigenschaften der thermischen Kopplung zwischen Bauelement und Erfassungsort. Zum Beleg des vorgenannten Fachwissens wird einmal mehr verwiesen auf D10, insbesondere S. 8 Z. 44 bis S. 9 Z. 8 und S. 9 Z. 35 bis 39 und ergänzend auf die Druckschriften D4, und D5, insbesondere jeweils die Fig. 2 bis 6 und die dazugehörigen Beschreibungsteile.
Die Temperatur des Bauelements T(t) resp. T*(t) gemäß Fig. 3 in D10 wird dabei durch die Addition eines Temperaturdifferenzwertes zur erfassten Temperatur des Erfassungsortes TRef bestimmt (D10, insbesondere S. 9 Z. 13 bis 31 - Merkmal c)) und der genannte Temperaturdifferenzwert wird rechnerisch unter Verwendung einer vorbekannten Abhängigkeit ermittelt, welche den Temperaturdifferenzwert abhängig von der Verlustleistung oder abhängig von der Verlustleistung und der Zeitdifferenz nach einer Änderung der Verlustleistung darstellt (D10, Fig. 3 bis 5, S. 9 Z. 13 bis S. 10 Z. 29 - Merkmal d)).
Das dem Merkmal e) des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag entsprechende Vorgehen, dass bei einer Überschreitung eines vorbestimmbaren Maximalwertes für die ermittelte Temperatur für eine Zeitspanne, die länger ist als eine vorgebbare Zeitspanne, die Verlustleistung des Bauelements so weit reduziert wird, dass die Temperatur des Bauelements in einem zulässigen Bereich liegt, welches nach dem Verständnis des Fachmanns dahingehend auszulegen ist, dass für eine wählbare Zeitspanne eine - thermische - Überlastung des Bauelements in Kauf genommen werden kann, bevor eine Reduktion der Verlustleistung vorgenommen wird, so dass dann die Temperatur des Bauelements wieder in einem zulässigen Bereich liegt, ist dem Fachmann ebenfalls aus der Druckschrift D10 bekannt, vgl. S. 3 Z. 41 bis 50 und S. 4 Z. 47 bis S. 5 Z. 2.
4) Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass die gemäß Streitpatent beanspruchten Verfahren und Vorrichtungen es insbesondere ermöglichten, die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediums, mittels denen ein Bauelement gekühlt wird, an einem Erfassungsort verschieden vom Ort des Bauelements zu erfassen, welcher nach einer Änderung der Verlustleistung des Bauelements seine Gleichgewichtstemperatur mit einer Zeitkonstante erreicht, die groß ist gegenüber der Zeitkonstante, mit welcher das Bauelement seine Gleichgewichtstemperatur erreicht, wobei unter der Größe der Zeitkonstante des Erfassungsortes im Verhältnis zu der Zeitkonstante des Bauelements Werte größer als 10 zu verstehen seien. Wie oben unter Abschnitt 3) bereits ausgeführt, ist auch bei den aus der Druckschrift D10 als bekannt entnehmbaren Verfahren der Erfassungsort der Temperatur des Kühlkörpers zu unterscheiden vom Ort des überwachenden verlustbehafteten Bauelements (in D10: beispielhaft Elektromotor), vgl. dazu einmal mehr D10 S. 8 Z. 58 bis S. 9 Z. 12 und ergänzend S. 5 Z. 54 bis 58 und S. 7 Z. 46 bis 52.
Zum Verhältnis der Größen der Zeitkonstanten mit denen die Gleichgewichtstemperaturen von Erfassungsort und Bauelement erreicht werden, sind dem Patentanspruch 1 keine Angaben zu entnehmen. Wie ebenfalls oben unter Abschnitt 3) ausgeführt, erreicht bei dem aus der D10 als bekannt entnehmbaren Verfahren der Erfassungsort, an dem die Temperatur des Kühlkörpers oder des Kühlmediums erfasst wird, seine Gleichgewichtstemperatur mit einer Zeitkonstante, die groß - zumindest größer - ist gegenüber der Zeitkonstante, mit welcher das Bauelement seine Gleichgewichtstemperatur erreicht. Das solcherart bekannte Verhältnis der Zeitkonstanten liest der Fachmann auf das in Merkmal b) des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag geforderte Zeitverhalten. Selbst wenn jedoch der Fachmann unter der Größe der Zeitkonstanten des Erfassungsortes im Verhältnis zu der Zeitkonstanten des Bauelements Werte größer als 10 zu verstehen hätte, würde eine solche Wahl der Zeitkonstanten bzw. dieser vorangehend eine Wahl des Erfassungsortes nicht dazu führen, dass der Rahmen fachmännischen Handelns verlassen wird. Wie oben unter Abschnitt 3) bereits ausgeführt, hängt die Größe der Zeitkonstante, mit der die Gleichgewichtstemperatur am Erfassungsort erreicht wird, von den baulichen Gegebenheiten ab, insbesondere von der Anordnung des verlustbehafteten elektronischen Bauelements und des Kühlkörpers, resp. des an letzterem vorgesehenen Erfassungsortes, und damit von den daraus resultierenden Eigenschaften der thermischen Kopplung zwischen Bauelement und Erfassungsort. Der Fachmann wählt insbesondere den Erfassungsort und damit letztlich auch die Größe der Zeitkonstanten nach technischen Kriterien, wie Zugänglichkeit, Messgenauigkeit, Reproduzierbarkeit aus, vgl. D10, S. 8 Z. 58 bis S. 9 Z. 12, S. 5 Z. 54 bis 58 und S. 7 Z. 46 bis 52.
Auch der weiters vorgebrachte Einwand der Patentinhaberin, dass die aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift D10 als bekannt entnehmbaren Verfahren bzw. Vorrichtungen von einem Anfangswert der Temperatur eines Bauelementes ausgehen würden und mittels einer Leistungsbetrachtung eine Abschätzung zukünftiger Temperaturwerte vorsähen, während das Streitpatent unter Berücksichtigung der am Bauelement anfallenden Leistung aus einem Messwert an einem von dem Bauelement entfernten Messort rückschließt auf den Messwert des Bauelements selbst, kann die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag nicht begründen. Der Patentinhaberin mag zwar darin beizupflichten sein, dass die aus D10 bekannten Verfahren von einem Anfangswert der Bauelement- Temperatur ausgehen, jedoch erfolgt die Abschätzung zukünftiger Temperaturwerte unter Berücksichtigung momentaner Messwerte, die ebenso wie auch gemäß Streitpatent aus einem Messwert an einem von dem Bauelement entfernten Messort rückschließen auf den Messwert des Bauelements, und dies ebenfalls in Abhängigkeit von der Leistungszufuhr zu dem verlustbehafteten Bauelement, vgl. D10, insbesondere S. 7 Z. 40 bis 52, S. 8 Z. 2 bis 6, S. 9 Z. 35 bis 39.
Die weitere Argumentation der Patentinhaberin, dass eine Kombination der Druckschrift D10 mit den Inhalten anderer Druckschriften, wie der D12, D4 oder der D5 nur rückschauend in Kenntnis der Erfindung möglich sei, geht ins Leere, nachdem Inhalte aus der D12, D4 und D5 nur zum Beleg des Fachwissens und Fachkönnens heranzuziehen sind.
5) Bei dieser Sachlage kommt es auf die Patentfähigkeit des Gegenstands des nebengeordneten Patentanspruches 8 gemäß Hilfsantrag - und damit auch des nebengeordneten Patentanspruches 8 gemäß Hauptantrag - nicht mehr an, nachdem die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents nur im Umfang eines Anspruchssatzes begehrt hat, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen Patentanspruch (hier: Patentanspruch 1) enthält (BGH Beschl. v. 27 Juni 2007 - X ZB 6/05 - Informationsübermittlungsverfahren II, in Fortführung von BGH Beschl. v. 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 - elektrisches Speicherheizgerät). Im Übrigen beruht der Gegenstand der nebengeordneten Patentanspruches 8 sowohl nach Haupt- wie auch nach Hilfsantrag nach Überzeugung des Senats im Hinblick auf die Druckschrift D10 in Verbindung mit dem Fachwissen und -können des Fachmannes ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Dr. Bastian Dr. Hartung Martens Höppler Pr
BPatG:
Beschluss v. 06.08.2007
Az: 20 W (pat) 70/03
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