Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 28. Mai 2013
Aktenzeichen: 5 U 126/12

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 28.05.2013, Az.: 5 U 126/12)

Tenor

Soweit der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungsaufklärung der Parteien noch nicht beendet ist, wird auf die Berufung der Beklagten das am 17.04.2012 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert und insgesamt zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird hinsichtlich des Klageantrages zu 2)abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Klägerin 5/6 und die Beklagte 1/6 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Beklagte ist eine Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Sitz in Stadt1. Komplementärin der Beklagten ist eine X € GmbH,deren alleiniger Gesellschafter eine X AG war. Wegen der Einzelheiten der ursprünglichen Beteiligungsstrukturen wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 05.04.2012, Seite 4 (Bl. 83 d.A.),Bezug genommen. Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft französischen Rechts.

In § 17 Abs. 2 der Satzung der Beklagten ist geregelt, dass sowohl die Klägerin als auch die X AG jeweils ein Mitglied in den Aufsichtsrat der Beklagten entsenden dürfen; dabei beruht das Entsenderecht der X AG auf einem am 14.04.2008 eingetragenen satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung vom 07.03.2008 und für die Klägerin auf einem satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung vom 25.08.2010. Unter Berufung auf ihr Entsenderecht entsandte die X AG am 02.12.2011 ihren Vorstand A in den Aufsichtsrat der Beklagten unter Ersetzung eines seit 25.10.2010 entsandten Herrn B, bei welchem es sich um ein Verwaltungsratsmitglied der Klägerin handelte.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei Aktionärin der Beklagten.Sie hat die Auffassung vertreten, das in der Satzung vorgesehene Entsenderecht für die X AG verstoße gegen § 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1AktG, woraus auch die Nichtigkeit der Entsendung von Herrn A folge.Zudem sei Letzterer gemäß § 287 Abs. 3 AktG inhabil, da er als Vorstandsmitglied der Alleingesellschafterin der Komplementärin der Beklagten bestimmenden Einfluss auf die Beklagte ausüben könne.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Entsendung des Aufsichtsratsmitglieds A in den Aufsichtsrat der Beklagten am 02.12.2011 durch die X AGnichtig ist,2. festzustellen, dass der X AG kein Entsenderecht gemäß § 17 Abs.2 der Satzung der Beklagten zusteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin Aktionärin der Beklagten ist. Der Generaldirektor der Klägerin habe jedoch in der Vergangenheit mehrfach versucht, unstatthaft sich und der Klägerin mehr Einfluss bei der Beklagten zu verschaffen. Die Klage sei missbräuchlich, da sie nur diesem Zweck diene. Jedenfalls unterliege die Klägerin mangels ordnungsgemäßer Mitteilung ihres Aktienbesitzes einem Rechtsverlust gemäß § 20 Abs. 7 AktG. Weiter hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass weder das in der Satzung bestimmte Entsenderecht für die X AG noch die Entsendung von Herrn A gegen das Aktiengesetz verstießen. Unabhängig hiervon könne sich die Klägerin auf eine mögliche Nichtigkeit der Satzungsregelung nicht berufen, da sie den satzungsändernden Beschluss mitgetragen und nicht mit einer Anfechtungsklage angegriffen habe. Eine nunmehrige Geltendmachung der Nichtigkeit sei wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (Verwirkung) nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils,Seite 3 ff (Bl. 166 ff d.A.), sowie die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Urteil vom 17.04.2012 hat das Landgericht der Klage hinsichtlich beider Klageanträge stattgegeben. Es hat die Klage als statthaft und zulässig sowie nicht rechtsmissbräuchlich angesehen.In der Sache hat das Landgericht angenommen, dass sowohl das in der Satzung vereinbarte Entsenderecht der X AG als auch die Entsendung von Herrn A in den Aufsichtsrat der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 287 Abs. 3 AktG nichtig seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Seite 5 ff (Bl. 168 ff d.A.) Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte zunächst ihr erstinstanzliches Rechtsschutzziel auf Klageabweisung in vollem Umfang weiter verfolgt.

Hierzu wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Neu trägt sie vor, dass die X AG mit notariellem Vertrag vom 07.09.2012 ihre Anteile an der X € GmbH an eine C GmbH(Stadt2) verkauft und abgetreten habe. Am 08.09.2012 habe die X AGzudem ihr Entsenderecht neu ausgeübt und statt Herrn A einen Herrn D in den Aufsichtsrat der Beklagten entsandt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien die Klage hinsichtlich des Antrags zu 1) (Entsendung von Herrn A in den Aufsichtsrat der Beklagten) übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt,

im Übrigen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.04.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie legt einen Auszug aus dem elektronischen Bundesanzeiger vom 25.05.2012 vor, nach dem sie der Beklagten gemäß § 20 Abs. 1 AktG mitgeteilt hat, dass ihr unmittelbar mehr als der vierte Teil der Aktien an der Beklagten gehören (Anlage B 1, Bl. 179 d.A.).

Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, dass eine Heilung der streitgegenständlichen Satzungsbestimmung (Entsenderecht für die XAG) gemäß § 242 Abs. 2 AktG nicht in Betracht komme, da die dort geregelte Dreijahresfrist für jeden neuen Aktionär mit Erwerb seiner Aktionärsstellung neu zu laufen beginne. Zudem sei Grundlage des Entsenderechts die Satzungsänderung vom 25.08.2010, weshalb die Dreijahresfrist in keinem Fall abgelaufen sei.

Hinsichtlich der Abberufung des Aufsichtsrats A vertritt die Klägerin die Auffassung, dass diese nicht wirksam sei, da sie unter einer unzulässigen Bedingung stehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrages wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch €hinsichtlich des allein noch streitgegenständlichen Klageantrags zu 2) - in der Sache Erfolg.

Der Klageantrag zu 2) ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Aktionär einer KGaA gemäß § 256 Abs. 1ZPO die Rechtmäßigkeit der Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds gemäß § 101 Abs. 2 AktG überprüfen lassen, da er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, ob der Aufsichtsrat der Gesellschaft, der er als Kommanditaktionär angehört, richtig besetzt ist (Urteil vom 05.12.2005, II ZR 291/03, BGHZ 165, Seite 192 ff, zitiert nach Juris, Rn. 10). Auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (S. 5) wird Bezug genommen. Gleiches gilt hinsichtlich der Feststellung der Nichtigkeit der Regelung des Entsenderechts für die X AG in § 17Abs. 2 der Satzung der Beklagten. Es ist daher die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO eröffnet (Spindler/Stilz/Bachmann, AktG, 2. Aufl., § 275 Rn. 12 m.w.N.).

Die Klägerin ist auch nicht in der Geltendmachung ihrer Rechte gemäß § 20 Abs. 7 AktG beschränkt. Denn unstreitig hat sie jedenfalls vor dem 25.05.2012 eine den Anforderungen des § 20 AktGentsprechende Mitteilung über ihren Aktienbesitz der Beklagten übermittelt, woraufhin diese gemäß § 20 Abs. 6 AktG die Mitteilung im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht hat.

Die Klageerhebung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Wie das Landgericht auf Seite 6 des angefochtenen Urteils zutreffend ausführt, kann € die Richtigkeit des entsprechenden Vortrages der Beklagten unterstellt € kein Rechtsmissbrauch der Klägerin darin gesehen werden, dass sie als Großaktionärin versucht, auf die Unternehmenspolitik der Beklagten Einfluss zu nehmen.

Der Klageantrag zu 2) ist jedoch unbegründet, wobei für die Entscheidung dahin stehen kann, ob die Einräumung eines Entsenderechts der X AG durch die Satzungsänderung vom 07.03.2008zunächst wirksam war oder nicht. Denn wie durch den Auszug aus dem Handelsregister der Beklagten vom 02.12.2011 (Anlage K 1, Bl. 11d.A.) belegt und im Übrigen jedenfalls in der Berufungsinstanz unstreitig ist, wurde die Satzungsänderung am 14.04.2008 in das Handelsregister eingetragen. Gemäß § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG trat deshalb am 15.04.2011 eine materiell-rechtliche Heilung der ggf.gemäß §§ § 287 Abs. 3, 241 Abs. 2 Nr. 3 AktG nichtigen Satzungsbestimmung ein (Hüffer, AktG, 10. Aufl, § 23 Rn. 43m.w.N.). Die vorliegende Klageschrift datiert demgegenüber erst vom 16.12.2011. Einen Nichtigkeitsgrund, der nicht § 241 Nr. 1, 3 oder 4 AktG unterfallen könnte, macht die Klägerin nicht geltend.

Die Auffassung der Klägerin, die Frist gemäß § 242 Abs. 2 Satz 1AktG beginne jeweils mit dem Eintritt eines Aktionärs in die Gesellschaft neu zu laufen ist weder mit dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift (€in das Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem drei Jahre verstrichen sind€) noch mit ihrem Zweck, ab einem bestimmten,feststehenden Zeitpunkt Rechtssicherheit eintreten zu lassen, zu vereinbaren und wird daher auch weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten.

Unerheblich ist, dass hinsichtlich der Satzungsänderung vom 25.08.2010 die Frist des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen war. Denn zum einen wurde durch diese das streitgegenständliche Entsenderecht der X AG nicht geändert. Zum anderen gälte im Fall einer Nichtigkeit des Beschlusses vom 25.08.2010 unmittelbar die vorherige Formulierung der Satzung, die auf Grund der € wie ausgeführt wirksamen - Satzungsänderung vom 07.03.2008 ein Entsenderecht der X AG vorsieht.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 91a Abs. 1 ZPO

Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) folgt die Kostentragungslast der Klägerin aus ihrem Unterliegen.

Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Klageantrags zu 1) waren die Kosten hingegen gemäß § 91a Abs. 1Satz 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Denn € jedenfalls bis zu den von der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung behaupteten Erledigungsgründen (Abtretung der Anteile der X AG an der Beklagten, Auswechselung von Herrn A durch Herrn D als Aufsichtsrat) € war der Klageantrag zu 1) zulässig und begründet, wobei hinsichtlich der Zulässigkeit auf die Ausführungen zu dem Klageantrag zu 2) Bezug genommen wird.

Anders als der Klageantrag zu 2) war die Klageantrag zu 1)ursprünglich auch begründet. Denn - unabhängig von der Wirksamkeit des Entsenderechts der X AG als solchem - war das von der X AG in den Aufsichtsrat der Beklagten entsandte Vorstandsmitglied A analog § 287 Abs. 3 AktG inhabil.

Gemäß § 287 Abs. 3 AktG können persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA nicht Aufsichtsratsmitglieder sein. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine zwingende Vorschrift, von der in der Satzung der KGaA nicht abgewichen werden kann. Ihre ratio ist zu vermeiden, dass Geschäftsführungs- und Überwachungsfunktion in einer Hand zusammenfallen (BGH, Urteil vom 05.12.2005, II ZR 291/03, BGHZ 165, Seite 192 ff, Rn. 13). Zwar war Herr A nicht selbst persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten, sondern Vorstand der Alleingesellschafterin der persönlich haftenden Gesellschafterin. Wegen der gleichgelagerten Interessenlage ist § 287 Abs. 3 AktG jedoch auf diesen Fall entsprechend anzuwenden.

Als juristische Person kann die X AG nur durch ihre Organe handeln. Die Weisungen an die Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten (der X € GmbH) erfolgten daher durch den Vorstand der X AG. Wird nun ein Vorstand der X AG Aufsichtsrat der Beklagten, muss er im Ergebnis diese, seine eigene Geschäftsführung kontrollieren. Zwar war vorliegend Herr A nicht allein vertretungsberechtigt. Auch unterlag er als Aufsichtsrat der Beklagten keinen Weisungen anderer Vorstandsmitglieder der X AG.Dennoch wirkte er € gemeinsam mit einem anderen Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen - auf die Geschäftspolitik der Beklagten maßgeblich ein und musste als Aufsichtsrat dieses sein eigenes Wirken kontrollieren.

Gerade dies soll durch § 287 Abs. 3 AktG verhindert werden.

Der Klägerin war eine Berufung auf die Nichtigkeit der Entsendung von Herrn A nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt. Insoweit ist es unschädlich, dass Herr A bereits zuvor einmal von der X AG in den Aufsichtsrat entsandt worden war. Denn dies geschah zu einer Zeit, als die Klägerin noch nicht Aktionärin der Beklagten war.Daraus, dass sie nicht sofort, nachdem sie die Aktien erwarb, gegen den seinerzeit amtierenden Vorstand A vorging, folgt keine Verwirkung ihres Rechts zur Geltendmachung der Nichtigkeit seiner Entsendung. Gleiches gilt, soweit € ggf. auf Wunsch der Klägerin € als Vorgänger von Herrn A am 30.11.2010 seitens der X AG das Verwaltungsratsmitglied der Klägerin B in den Aufsichtsrat der Beklagten entsandt wurde. Denn jedenfalls fehlt es hinsichtlich einer möglichen Verwirkung an dem sogenannten €Umstandsmoment€, da die Beklagte nicht geltend macht,dass sie irgendwelche (Vermögens-) Dispositionen o.Ä. im Vertrauen darauf getroffen hätte, dass die Klägerin die Nichtigkeit der Entsendung von Herrn A nicht mehr geltend machen würde.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 28.05.2013
Az: 5 U 126/12


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