Landgericht Essen:
Urteil vom 23. Juli 2015
Aktenzeichen: 6 O 156/15
(LG Essen: Urteil v. 23.07.2015, Az.: 6 O 156/15)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Rückzahlung gezahlter Vorfälligkeitsentschädigungen nach Abrechnung zweier Darlehen.
Der Kläger schloss mit der Beklagten am 26.08.2008 zwei Darlehensverträge. Im Rahmen des ersten der am 26.08.2008 geschlossenen Darlehensverträge (Nr. ...) vereinbarten die Parteien die Gewährung eines Nettokreditbetrags i.H.v. 100.000,00 € zu einem bis zum 31.12.2010 festgeschriebenen Zinssatz von 5,25 % p.a., was einem effektivem Jahreszinssatz von 5,38 % entspricht. Die Darlehensgewährung sollte gemäß Ziff. 1 des Darlehensvertrags der anteiligen Finanzierung des Objektes S-Str. ... in ... F dienen. Die Tilgung des Darlehens sollte durch monatlich gleichbleibende Raten in Höhe von 520,83 € - beginnend ab dem 31.07.2008 - via Bankeinzug erfolgen. Unter Ziff. 5. vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte bis zum 31.12.2010 an die vereinbarten Konditionen des Darlehensvertrags gebunden ist. Die Parteien kamen unter Ziff. 8 des Darlehensvertrag überein, dass der Kläger zur Besicherung des Darlehens eine Briefgrundschuld an dem Grundstück Gemarkung G1 eintragen sollte. Nach Ziff. 12 des Vertrages sollte der Kläger eine der bereits am 22.08.2008 von der Beklagten unterzeichneten Vertragsausfertigungen nebst der gesondert zu unterschreibenden Widerrufsbelehrung an die Beklagte zurücksenden. Die zweite Ausfertigung nebst Widerrufsbelehrung sollte beim Kläger verbleiben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrags wird auf die der Klageschrift beigefügten abgelichteten Unterlagen Bezug genommen (K1, Bl. 7ff. d.A.).
Der ebenfalls am 26.08.2008 zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag (Nr. ...) verhielt sich über ein Nettokreditbetrag i.H.v. 131.000,00 € zu einem bis zum 31.07.2018 festgeschriebenen Zinssatz von 5,12 % p.a., also einem effektiven Jahreszins i.H.v. 5,24 %. Die Tilgung der Darlehensschuld sollte vereinbarungsgemäß durch Zahlung gleichbleibender monatlicher Raten i.H.v. 686,10 € ab dem 31.8.2008 durch Bankeinzug vom Konto des Klägers erfolgen. Das Darlehen sollte ebenso durch Eintragung einer Briefgrundschuld an dem Grundstück Gemarkung G1 besichert werden. Der Kläger bekam hier ebenfalls nach Ziff. 12 des Vertrags zwei Vertragsausfertigungen, die jeweils von der Beklagten am 22.08.2008 unterzeichnet worden waren, wobei er eine Ausfertigung nach Unterzeichnung an die Beklagte zurücksenden und eine für sich behalten sollte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrags wird auf die in Ablichtung vorliegenden Unterlagen Bezug genommen (K2, Bl. 13ff. d.A.)
Die Darlehensverträge vom 26.08.2008 enthielten jeweils die folgende gesondert von dem Kläger unterschriebene Widerrufsbelehrung:
Im Herbst 2010 trat der Kläger an die Beklagte heran und bat aufgrund der für den Darlehensvertrags mit der Konto-Nr. ... am 31.12.2010 ablaufenden Bindung der Beklagten an die ursprünglichen Vereinbarungen über die Verzinsung und Tilgung um Abschluss einer Prolongationsvereinbarung. Die Parteien kamen unter Abschluss des "Prolongations-Immobiliendarlehensvertrags über ein festverzinsliches Annuitätsdarlehen" vom 17.11.2010 überein, dass das Darlehen ab dem 31.12.2010 zu einem bis zum 31.12.2020 gebundenen Sollzinssatz i.H.v. 4,14 % p.a. zu verzinsen sei. Der Prolongationsvereinbarung war eine Widerrufsbelehrung mit dem folgenden Inhalt beigefügt (Bl. 79 d.A.):
Hinsichtlich des weiteren Inhalts des "Prolongations-Immobiliendarlehensvertrags über ein festverzinsliches Annuitätsdarlehen" wird auf die in Ablichtungen vorliegenden Unterlagen Bezug genommen (Bl. 75ff. d.A.).
Am 09.10.2014 beantragte der Kläger die Änderung der beiden Darlehensverträge vom 26.08.2008 dahingehend, dass eine vollständige Rückzahlung der jeweiligen Darlehensvaluta zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgrund des anstehenden Verkaufs des Pfandobjekts möglich sein sollte (Bl. 64ff. und Bl. 67ff. d.A.). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Anträge auf Änderung der Darlehensverträge wird auf Bl. 64 ff. bzw. Bl. 67ff. d.A. inhaltlich Bezug genommen.
Nach einvernehmlichen Vertragsänderungen aufgrund der Anträge des Klägers zur Änderung der Darlehensverträge vom 09.10.2014 erfolgte am 03.11.2014 die vorzeitige Ablösung der Darlehensverträge durch den Kläger. Die Beklagte berechnete für den ersten Darlehensvertrag (Konto-Nr.: ...) eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. insgesamt 19.426,60 €, wobei sich der Betrag ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 07.01.2015 aus einer Vorfälligkeitsentschädigung von 19.553,07 €, abzüglich ersparter Verwaltungskosten von 93,83 €, abzüglich ersparter Risikokosten von 272,64 € sowie zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr i.H.v. 250,00 € errechnete. Für den zweiten Darlehensvertrag (Konto-Nr.: ...) berechnete die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. insgesamt 22.164,26 € (Vorfälligkeitsentschädigung 22.141,05 €, abzgl. ersparter Verwaltungskosten von 0,00 €, abzgl. ersparter Risikokosten von 226,79 €, zzgl. einer Bearbeitungsgebühr i.H.v. 250,00 €). Der Kläger zahlte die Vorfälligkeitsentschädigungssummen an die Beklagte.
Mit Schreiben vom 11.12.2014 meldete der Kläger gegenüber der Beklagten Bedenken hinsichtlich der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sowie bezüglich der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung an und bat darum, dass ihm die Beklagte ein Angebot für eine Entschädigung zu seinen Gunsten unterbreiten solle. Mit Schreiben vom 07.01.2015 berief sich die Beklagte darauf, dass die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigungen nicht zu beanstanden sei und dass der Kläger über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden sei.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.03.2015 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Widerruf der Darlehensverträge gegenüber der Beklagten und forderte diese - wenngleich vergeblich - auf, die vereinnahmte Vorfälligkeitsentschädigungen nebst Kosten binnen zwei Wochen an den Kläger zu erstatten.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die von der Beklagten verwandte Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß sei, so dass die Widerrufsfrist bis zum heutigen Tag noch nicht zu laufen begonnen habe. So habe die Beklagte es unterlassen, ihn - den Kläger - als Verbraucher über den konkreten Beginn der Widerrufsfrist sowie über die Rechtsfolgen des Widerrufs ordnungsgemäß zu belehren. Insbesondere würde der Hinweis darauf fehlen, dass der Darlehensnehmer verpflichtet sei, die empfangenen Leistungen binnen 30 Tagen zurückzugewähren.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 41.600,86 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 1.706,94 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der von dem Kläger erklärte Widerruf verfristet sei. Die Widerrufsbelehrungen, welche der Kläger erhalten habe, seien sowohl hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist als auch hinsichtlich der Widerrufsfolgen ordnungsgemäß. Darüber hinaus scheide ein Widerruf des Vertrages auch deshalb aus, weil der Kläger das Darlehen am 03.11.2014 - unstreitig - vollständig abgelöst habe. Das Recht des Klägers zum Widerruf der Darlehensverträge sei zudem verwirkt. Das Umstandsmoment sei durch die stete Darlehensrückführung über einen langen Zeitraum erfüllt, da der Kläger hiermit zum Ausdruck gebracht habe, dass er die Darlehensverträge zu erfüllen gedenke, worauf sie - die Beklagte - auch habe vertrauen dürfen. Darüber hinaus habe der Kläger den Willen zur ordnungsgemäßen Durchführung der Darlehensverträge dadurch bekundet, dass er im Jahr 2010 - unstreitig - die bereits erwähnte Prolongationsvereinbarung mit ihr - der Beklagten - hinsichtlich des ersten Darlehensvertrages getroffen habe. Der Widerruf stelle zudem eine unzulässige Rechtsausübung dar, da er mit dem Sinn und Zweck des Widerrufsrechts nicht vereinbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.07.2015 (Bl. 112 ff. d.A.) verwiesen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen.
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 41.600,86 € aus §§ 495 I, 355 I, 357 I 1, 346 ff. BGB [§ 495 i.d.F. vom 01.08.2002 bis 10.06.2010, §§ 355, 357 BGB i.d.F. vom 08.12.2004 bis 10.06.2010]. Die zwischen den Parteien bestehenden Darlehensverträge haben sich durch den mit Schreiben vom 09.03.2015 erklärten Widerruf nicht nach §§ 357 I, 346 I BGB a.F. in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Der Widerruf ist unwirksam, da der Widerruf der auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen des Klägers - trotz ordnungsgemäßer Belehrung - nicht innerhalb der Frist des § 355 II 2 BGB a.F. erfolgte. Dazu im Einzelnen:
1.
Der Kläger hatte grundsätzlich ein Widerrufsrecht nach §§ 495, 355 I BGB a.F.
Es handelte sich bei den Darlehensverträgen vom 26.08.2008 um Verbraucherdarlehensverträge im Sinne der §§ 491 ff. BGB, so dass der Kläger gemäß § 495 I BGB a.F. als Darlehensnehmer ein Widerrufsrecht nach § 355 I 1 BGB - hier in der Fassung vom 02.12.2004, gültig bis zum 10.06.2010 - hatte.
Bei den Darlehensverträgen vom 26.08.2008 handelte es sich zunächst um entgeltliche Darlehensverträge i.S.d. § 491 I BGB a.F. Die Beklagte verpflichtete sich im Rahmen der Darlehensverträge jeweils dazu, dem Kläger einen bestimmten Nettokreditbetrag zur Verfügung zu stellen und der Kläger verpflichtete sich im Gegenzug, einen jeweilig vereinbarten Zinssatz zu zahlen und die Darlehensbeträge der Beklagten durch monatliche Tilgungsleistungen zurückzuerstatten, § 488 I BGB.
Die Beklagte - als Darlehensgeberin - handelte als Unternehmerin i.S.d. § 14 BGB. Als Aktiengesellschaft i.S.d. § 1 AktG ist die Beklagte Formkauffrau nach § 3 I AktG und somit Unternehmerin i.S.d. § 14 BGB. Die Vergabe des Darlehens erfolgte zudem im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit.
Der Kläger - als Darlehensnehmer - hat die streitgegenständlichen Darlehen hierbei als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB in Anspruch genommen. Gem. § 13 BGB ist jede natürliche Person Verbraucher, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen Tätigkeit noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Nach der Rechtsprechung des BGH gehen anhand der negativen Formulierung in § 13 BGB (" die überwiegend weder ...") Zweifel hinsichtlich der für den Vertragspartner erkennbaren Umstände des Geschäfts nicht zulasten des Verbrauchers. Vielmehr ist bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen (BGH, Urt. v. 30.09.2009, VIII ZR 7/09, zitiert nach juris). Eine anderweitige Betrachtung ist nur dann anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
Ausweislich der Darlehensverträge vom 26.08.2008 sollten die Nettokreditbeträge zur anteiligen Finanzierung des Objektes S-Str. ... in ... F verwendet werden. Die Finanzierung des Erwerbs des Grundstücks diente hierbei weder überwiegend der selbstständigen noch der gewerblichen Tätigkeit des Klägers i.S.d. § 13 BGB. Da es sich hierbei ausweislich der "Prolongations - Immobiliendarlehensvertrag über ein festverzinsliches Annuitätsdarlehen" vom 17.11.2010 und der "Anträge zur Änderung eines Darlehensvertrags" vom 09.10.2014 um die damalige Privatanschrift und somit den Wohnsitz des Klägers zumindest in dem Zeitraum von November 2010 bis Oktober 2014 gehandelt hat, ist davon auszugehen, dass der Abschluss der Darlehensverträge zur anteiligen Finanzierung des Erwerbs des Objektes S-Str. ... in ... F zur eigenen Nutzung und neuen Wohnanschrift des Klägers erfolgen sollte. Darüber hinaus indiziert die Belehrung des Klägers über sein Widerrufsrecht im Rahmen der Darlehensverträge die Verbraucherstellung des Klägers.
2.
Der Widerruf ist allerdings unwirksam, weil er nicht innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist des § 355 II 1 BGB a.F. erklärt wurde. Die zweiwöchige Frist des § 355 II 2 BGB a.F. zum Widerruf der auf Abschluss der streitgegenständlichen Darlehensverträge vom 26.08.2008 gerichteten Willenserklärungen begann bereits einen Tag nach Absendung der von dem Kläger unterschriebenen Vertragsunterlagen an die Beklagte im Jahr 2008 zu laufen und war somit zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung am 09.03.2015 - also mehr als sechseinhalb Jahre später - abgelaufen.
Zwar kann ein Verbraucher den Widerruf nach §§ 495, 355 I BGB a.F. auch nach - längst eingetretenem - Ablauf der in der Widerrufsbelehrung genannten zweiwöchigen Widerrufsfrist noch wirksam ausüben, wenn der Lauf der Frist nicht wirksam in Gang gesetzt wurde, da die Widerrufsfrist gem. § 355 II 1, III 2 BGB a.F. erst zu laufen beginnt, sobald dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist. Die den Darlehensverträgen vom 26.08.2008 beigefügten Widerrufsbelehrungen erfüllen allerdings die Anforderungen, die das Gesetz und die Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Belehrung über das Recht zum Widerruf nach §§ 495, 355 I, 357 I BGB a.F. stellt.
a)
Maßgeblich für die Beurteilung des Laufs der Widerrufsfrist sind vorliegend die den Darlehensverträgen vom 26.08.2008 beigefügten Widerrufsbelehrungen.
Soweit dem "Prolongations-Immobiliardarlehensvertrag über ein festverzinsliches Annuitätendarlehen", welcher sich ausschließlich auf den Darlehensvertrag Nr. ... bezieht, eine weitere Widerrufsbelehrung beigefügt war, kann diese Belehrung bei der Beurteilung des Widerrufs des Darlehensvertrags Nr. ... keine Berücksichtigung finden. Vorliegend kann zunächst dahinstehen, ob der "Prolongations-Immobiliardarlehensvertrag über ein festverzinsliches Annuitätendarlehen" den ursprünglichen Darlehensvertrag Nr. ... gänzlich ablösen oder die Bedingungen des Darlehensvertrags bei dessen Fortbestand nur modifizieren sollte, da nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die einvernehmliche Aufhebung des ursprünglichen Darlehensvertrags oder dessen vollständige Ablösung durch einen weiteren Darlehensvertrag dem Widerruf der auf Abschluss des durch die Ersetzung nunmehr gegenstandlos gewordenen Vertrags grundsätzlich nicht entgegensteht (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.12.2013, 31 U 127/13; OLG Hamm, Urt. v. 25.03.2015, 31 U 155/14, zitiert nach juris).
Die dem "Prolongations-Immobiliardarlehensvertrag über ein festverzinsliches Annuitätendarlehen" beigefügte Widerrufsbelehrung stellt zudem keine, die ursprüngliche Widerrufsbelehrung ablösende, Nachbelehrung des Klägers dar. Eine Nachbelehrung i.S.d. § 355 II 2 BGB a.F. ist nur dann wirksam und maßgeblich, wenn die nachträglich abgegebene Erklärung überhaupt einen für den Darlehensnehmer erkennbaren Bezug zu der früheren Vertragserklärung aufweist, deren Belehrungsmangel im Nachhinein ausgeglichen werden soll (BGH, Urt. v. 26.10.2010, XI ZR 367/07, zitiert nach juris; BGH, Beschl. v. 15.02.2011, XI ZR 148/10, zitiert nach juris). Dieses Formerfordernis ergibt sich allein schon aus dem Begriff der "Nachbelehrung", folgt aber auch aus den Anforderungen des Deutlichkeitsgebots nach § 355 II 2 BGB, welches nicht nur die äußere Gestaltung, sondern zusätzlich die inhaltliche Abfassung der Widerrufsbelehrung umfasst (BGH, Urt. v. 4.07.2002, I ZR 55/00, zitiert nach juris; BGH, Urt. v. 23.06.2009, XI ZR 156/08, zitiert nach juris). Das Erfordernis einer deutlich gestalteten Belehrung nach § 355 II 1 BGB a.F. gilt hierbei für die nachträgliche Belehrung ebenso wie für die rechtzeitige Belehrung im Rahmen des Vertragsschlusses (MüKo/Masuch, BGB (2012), § 355 Rn. 54; Palandt/Grüneberg, BGB (2015), § 355 Rn. 19). Die dem "Prolongations-Immobiliardarlehensvertrag über ein festverzinsliches Annuitätsdarlehen" beigefügte Widerrufsbelehrung nimmt weder ausdrücklich Bezug auf den ursprünglichen Darlehensvertrag vom 26.08.2008 noch offenbart sie dem Adressaten deutlich ihren Charakter als Nachbelehrung aufgrund eines bestehenden Belehrungsmangels.
b)
Die den Darlehensverträgen vom 26.08.2008 beigefügten Widerrufsbelehrungen sind allerdings geeignet, den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht zu belehren und halten einer Überprüfung anhand der Grundsätze des Deutlichkeitsgebots nach § 355 II 1 BGB a.F. stand. Die Widerrufsbelehrung muss inhaltlich zutreffend und aufgrund des in § 355 II 1 BGB a.F. geregelten Deutlichkeitsgebotes umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein, damit der Verbraucher in die Lage versetzt wird, das ihm von Gesetzes wegen zustehende Widerrufsrecht auszuüben (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2012, 31 U 97/12, zitiert nach juris).
aa.)
Die Darstellung des Beginns der Widerrufsfrist durch die Beklagte begegnet keinen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist eine Widerrufsbelehrung dann unzureichend und fehlerhaft, wenn der Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt wird (vgl. BGH, Urt. v. 01.03.2012, III ZR 83/11, m.w.N., zitiert nach juris). Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung hinsichtlich des zeitlichen Rahmens in welchem ihm die bedingungslose Lösung von dem von ihm eingegangenen Vertrag zugestanden wird. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (BGH, Urt. v. 26.05.2009, XI ZR 242/08, zitiert nach juris).
(1.)
Nach dem Inhalt der Widerrufsbelehrungen beginnt der Lauf der Frist für den Widerruf am folgenden Tag, nachdem der Darlehensnehmer die von ihm gegengezeichnete Vertragsausfertigung nebst der separat vom Darlehensnehmer unterzeichneten Widerrufsbelehrung an die Bank abgesandt oder der Bank übergeben hat.
Diese Aussage entspricht - was die Kammer durchaus nicht verkennt - nicht der gesetzlichen Regelung des § 355 II 1 BGB a.F. Nach der gesetzlichen Regelung ist nicht - wie in der Widerrufsbelehrung der Beklagten vorgesehen - zur Bestimmung des Beginns der Widerrufsfrist auf die Absendung der durch den Kläger unterschriebenen Vertragsurkunde sowie der Widerrufsbelehrung an die Beklagte abzustellen, vielmehr ist der Erhalt der Widerrufserklärung und der Vertragsurkunde oder des Antrags des Klägers bzw. einer Abschrift derselben maßgeblich. Gem. § 355 II 1 BGB a.F. beginnt der Lauf der Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts mit dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist. Nach § 355 II 3 BGB a.F. beginnt die Frist - für den Fall, dass der fragliche Vertrag, wie hier nach § 492 I BGB, der Schriftform bedarf - allerdings nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags des Verbrauchers zur Verfügung gestellt wurde.
Die Abweichung von der gesetzlichen Bestimmung des Beginns der Widerrufsfrist ist allerdings unschädlich und steht der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung nicht entgegen. Die Vereinbarung einer im Vergleich zur gesetzlichen Regelung längeren Widerrufsfrist durch die Parteien in einer gesondert zu unterschreibenden Widerrufsbelehrung ist nach der Rechtsprechung des BGH unschädlich und führt nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung (BGH, Urt. v. 13.01.2009, XI ZR 47/08, zitiert nach juris; BGH, Urt. v. 26.05.2009, XI ZR 242/08, zitiert nach juris; LG Duisburg, Urt. v. 05.05.2014, 2 O 289/13, zitiert nach juris). Der - insoweit im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 355 II 2, III 1 BGB a.F. auf die Absendung der unterzeichneten Vertragsunterlagen hinausgeschobene Beginn der Widerrufsfrist stellt eine den Verbraucher begünstigende Vereinbarung der Verlängerung der gesetzlichen Widerrufsfrist im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des BGH dar.
Nach der gesetzlichen Regelung des § 355 II 2, 3 BGB a.F. würde die zweiwöchige Widerrufsfrist vorliegend mit der Zeichnung der bereits von der Beklagten unterzeichneten Vertragsausfertigung durch den Kläger am 26.08.2008 beginnen, da erst ab diesem Zeitpunkt ein Vertragsschluss zustande gekommen wäre und der Kläger somit von der Beklagten eine Vertragsurkunde i.S.d. § 355 II 3 BGB a.F. zur Verfügung gestellt bekommen hätte, welche nach Ziff. 12 der Darlehensverträge beim Kläger verbleiben soll. Nach dem Inhalt der Widerrufsbelehrung der Beklagten würde die Widerrufsfrist demgegenüber erst einen Tag nach Absendung der von dem Kläger und der Beklagten unterzeichneten Vertragsausfertigung und der vom Kläger unterschriebenen Widerrufsbelehrung beginnen. Da die Unterzeichnung der Darlehensverträge durch den Kläger - ausweislich der Vertragsurkunden - am 26.08.2008 erfolgte, würde die Widerrufsfrist somit mit Absendung der gezeichneten Ausfertigung nebst Widerrufsbelehrung frühestens am 27.08.2008, bei späterer Absendung an die Beklagte dementsprechend erst später, zu laufen beginnen. Mit der Unterschrift der Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag haben die Parteien die Verlängerung der gesetzlichen Widerrufsfrist vertraglich vereinbart.
Diese Übereinkunft entspricht hierbei dem Interesse des Verbrauchers, dem bei Bestimmung des Fristbeginns anhand der Absendung der Vertragsunterlagen an den Darlehensgeber ein längerer Zeitraum zum Überdenken des Vertragsschlusses eingeräumt wird, als das Gesetz ihm in § 355 II 2 BGB a.F. zugesteht und er den Beginn der Widerrufsfrist zudem selbst beeinflussen kann (vgl. MüKo/Masuch, BGB (2012), § 355 Rn. 4; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 355 Rn. 2, 11). Eine solche Regelung ist zudem mit dem Schutzzweck des § 355 II 2 BGB a.F., dem Verbraucher durch Einräumung einer nachträglichen Bedenkzeit vor Gefahren zu schützen, die sich aus schwer zu durchschauenden Geschäften mit Unternehmerbeteiligung ergeben können, vereinbar. Eine Verlängerung der Widerrufsfrist sowie die Einräumung sonstiger weitergehender Verbraucherrechte steht dem Regelungszweck des § 355 BGB a.F. grundsätzlich nicht entgegen, soweit sich damit nicht zugleich qualitative Änderungen zu Lasten des Verbrauchers verbinden (MüKo/Masuch, BGB (2012), § 355 Rn 4; BGH, Urt. v. 13.01.2009, XI ZR 47/08, zitiert nach juris).
(2.)
Die Formulierung der Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Fristbeginns erfüllt zudem die Voraussetzungen des Deutlichkeitsgebots nach § 355 II 1 BGB a.F. Insbesondere ist die Widerrufsbelehrung umfassend, unmissverständlich, für den Verbraucher eindeutig und versetzt ihn in die Lage, den Lauf der Widerrufsfrist eigenständig zu bestimmen und sein Widerrufsrecht fristgerecht auszuüben. Aus der von der Beklagten gewählten Formulierung ist für den durchschnittlichen und verständigen Verbraucher zu erkennen, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist einen Tag nach Absendung oder alternativ nach Übergabe der unterschriebenen Unterlagen an die Bank zu laufen beginnt. Den Zeitpunkt der Absendung oder der Übergabe der Vertragsunterlagen an die Bank bestimmt ausschließlich der Verbraucher, so dass ihm die Berechnung des genauen Tags des Fristbeginns unproblematisch möglich ist. Auch die Formulierung "am folgenden Tag" ist nicht geeignet, ein Missverständnis über den konkreten Fristablauf zu gerieren, da die Frist gem. § 188 I BGB stets mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist endet.
Die von der Beklagten verwandten Widerrufsbelehrungen entsprechen auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 10.03.2009 (BGH, Urt. v. 10.03.2009, XI ZR 33/08, zitiert nach juris) den Anforderungen des Deutlichkeitsgebots nach § 355 II 1 BGB a.F. Die Formulierung der Widerrufsbelehrungen ist nicht geeignet, zu der unzutreffenden Annahme des Verbrauchers zu führen, dass die Widerrufsfrist bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags der Beklagten ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits zu laufen beginnt. Die Widerrufsbelehrungen der Beklagten bestimmen als fristauslösendes Ereignis die Absendung der separat vom Kläger unterzeichneten Widerrufsbelehrung und der von ihm gegengezeichneten Vertragsausfertigung. Nach dieser Formulierung ist es ausgeschlossen, dass der Lauf der Widerrufsfrist bereits bei Zusendung der von der Beklagten unterzeichneten Vertragsausfertigung, also vor dem eigentlichen Vertragsschluss, zu laufen beginnt.
bb.)
Auch hinsichtlich der Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs sind die von der Beklagten verwandten Widerrufsbelehrungen nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Widerrufsbelehrungen nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, da in der Musterbelehrung enthaltene Hinweis fehle, dass der Darlehensnehmer verpflichtet ist, binnen 30 Tagen die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, rechtfertigt dies nicht die Annahme der Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrungen. Nach der damals geltenden Fassung des § 355 II BGB a.F. bestand für den Unternehmer keine Pflicht, auf die Rechtsfolgen des Widerrufs hinzuweisen. Dies ergibt sich auch aus einer Zusammenschau mit § 312 II BGB a.F., welcher ausdrücklich eine Belehrungspflicht über die Rechtsfolgen des Widerrufs bei einem Haustürgeschäft vorsah. Aus dem Umstand, dass § 355 II BGB a.F. eine solche Regelung nicht trifft, ist e contrario zu folgern, dass eine ausdrückliche Belehrung zu den Widerrufsfolgen bei Verbrauchergeschäften, die nicht in einer Haustürsituation zustande gekommen sind, nicht erforderlich ist (OLG Hamm, Urt. v. 16.03.2015, 31 U 118/14, zitiert nach juris; OLG Celle, Beschl. v. 14.07.2014, 3 W 34/14, zitiert nach juris). Belehrt der Unternehmer trotzdem über die Widerrufsfolgen, ist diese Belehrung nur dann nicht ordnungsgemäß i.S.d. § 355 III 3 BGB a.F., wenn die Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs fehlerhaft erfolgt ist. Soweit die Widerrufsbelehrungen der Beklagten unter der Überschrift "Widerruf bei bereits erhaltenen Leistungen" den Hinweis enthalten, dass der Darlehensnehmer für den Fall, dass er vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits eine Leistung von der Bank erhalten hat, sein Widerrufsrecht dennoch ausüben kann, aber bei Widerruf empfangene Leistungen an die Bank zurückgewähren muss und der Bank die von ihm aus der Leistung gezogenen Nutzungen herauszugeben habe, ist dieser Hinweis von Rechts wegen nicht zu beanstanden, da er dem Abwicklungsverhältnis nach einem Widerruf Rechnung trägt (OLG Hamm, Urt. v. 16.03.2015, 31 U 118/14, zitiert nach juris).
II.
Der Kläger hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Zahlung von 41.600,86 € aus §§ 495 I, 355 I, 357 I 1, 346 ff. BGB, mit Blick auf die Prolongationsvereinbarung vom 17.11.2010. Ob der "Prolongations - Immobiliardarlehensvertrag über ein festverzinsliches Annuitätendarlehen" isoliert widerrufen werden kann und welche Rechtsfolgen dies hätte, braucht vorliegend nicht untersucht zu werden, da der Kläger hinsichtlich der auf Abschluss des "Prolongations-Immobiliardarlehensvertrags über ein festverzinsliches Annuitätendarlehen" gerichteten Willenserklärung ohnehin keinen Widerruf nach § 355 I 2 BGB a.F. erklärt hat.
III.
Der Kläger hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Zahlung von 41.600,86 € aus § 812 I 1 1. Alt. BGB. Die Zahlungen der Vorfälligkeitsentschädigungen an die Beklagte erfolgten jeweils mit Rechtsgrund, da der Kläger die streitgegenständlichen Darlehensverträge nicht wirksam widerrufen hat (s.o.). Es ist zudem weder ersichtlich noch hinreichend vorgetragen, dass die konkrete Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung durch die Beklagte fehlerhaft erfolgt ist. Vielmehr hat sie die Berechnung unter Einhaltung der üblichen Grundsätze vorgenommen (vgl. dazu Palandt/Weidenkaff, BGB (2015), § 490 Rn u, m.w.N.), was der Kläger überdies gar nicht in Abrede stellt.
B.
Mangels Anspruchs auf Rückzahlung gegen die Beklagte hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten oder auf etwaige Zinszahlungen, §§ 280 I, II, 286 I, 288, 249ff. BGB.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
LG Essen:
Urteil v. 23.07.2015
Az: 6 O 156/15
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https://www.admody.com/urteilsdatenbank/baccad6a9be5/LG-Essen_Urteil_vom_23-Juli-2015_Az_6-O-156-15