Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 10. Februar 2015
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 55/14

(BGH: Beschluss v. 10.02.2015, Az.: AnwZ (Brfg) 55/14)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das seinem Prozessbevollmächtigten an Verkündungsstatt am 17. November 2014 zugestellte Urteil des 2. Senats des Saarländischen Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 5. April 1955 geborene Kläger wurde 1994 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seine Zulassung wurde im Mai 1999 wegen fehlender Berufshaftpflichtversicherung nach § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO widerrufen. Durch Urteil des Landgerichts S. vom 5. Juli 1999 wurde der Kläger wegen 12 zwischen Sommer 1995 bis Oktober 1998 tatmehrheitlich begangener Vergehen - unter anderem falsche uneidliche Aussage, versuchter (Prozess-)Betrug, falsche Verdächtigung, Vortäuschung einer Straftat und Verleumdung - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Kläger wurde für die Dauer von drei Jahren ein Berufsverbot als Rechtsanwalt erteilt. Mit Antrag vom 3. Juni 2002 begehrte der Kläger erstmals seine Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft. Dieser Antrag hatte keinen Erfolg (siehe Senatsbeschluss vom 12. Januar 2004 - AnwZ (B) 16/03, juris und BVerfG, Beschluss vom 17. März 2004 - 1 BvR 477/04). Am 27. Juni 2007 beantragte der Kläger erneut die Wiederzulassung. Auch dieser Antrag blieb erfolglos (siehe Senatsbeschluss vom 15. Juni 2009 - AnwZ (B) 59/08, juris und BVerfG, Beschluss vom 8. September 2009 - 1 BvR 1674/09). Ein Ende 1999 in R. gestellter Antrag auf Wiederzulassung wurde von der Rechtsanwaltskammer in Z. abgelehnt; hiergegen legte der Kläger kein Rechtsmittel ein.

Mit Schreiben vom 31. Mai/17. Juni 2013 hat der Kläger erneut bei der Beklagten die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt. In dem der Antragsschrift beigefügten "Fragebogen zum Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft" hat der Kläger die Frage nach strafgerichtlichen Verurteilungen (§§ 4 bis 8 BZRG) verneint. Die Beklagte hat den Antrag mit Bescheid vom 3. September 2013 und den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 19. November 2013 wegen Unwürdigkeit (§ 7 Nr. 5 BRAO) abgelehnt. Die Klage gegen diese Bescheide ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor.

1. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschluss vom 28. März 2013 - AnwZ (Brfg) 40/12, BRAK-Mitt. 2013, 197 Rn. 4 m.w.N.). Entsprechende Zweifel vermag der Kläger mit seiner Antragsbegründung nicht darzulegen.

Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, dass ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände wie Zeitablauf und zwischenzeitliche Führung nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt. Hierbei kann auch ein schwerwiegendes Verhalten nach einer mehr oder minder langen Zeit durch Wohlverhalten oder andere Umstände so sehr an Bedeutung verlieren, dass es die Zulassung nicht mehr hindert. Bei gravierenden Straftaten mit Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts hält der Senat in ständiger Rechtsprechung einen Abstand zwischen der die Unwürdigkeit begründenden Straftat des Bewerbers und dessen Wiederzulassung von in der Regel 15 bis 20 Jahren für erforderlich. Bindende feste Fristen gibt es insoweit jedoch nicht. Vielmehr sind alle für und gegen den jeweiligen Bewerber sprechenden Umstände einzelfallbezogen zu gewichten, wobei im Hinblick auf die mit der Versagung der Zulassung verbundene Einschränkung der Berufswahlfreiheit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden muss (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2010 - AnwZ (B) 117/09, juris Rn. 4, 6 ff.; vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 116/09, juris Rn. 7 ff.; vom 10. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 10/10, HFR 2012, 447 f. und vom 28. März 2013, aaO S. 197 Rn. 5 f.).

Von diesem Maßstab ist der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgegangen. Der Anwaltsgerichtshof hat insoweit die vom Kläger begangenen Straftaten als gravierend und berufsbezogen im Sinne der Senatsrechtsprechung eingestuft. Dies entspricht der bisherigen Bewertung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 12. Januar 2004 und 15. Juni 2009), für deren Änderung kein Grund besteht. Seit der Begehung der Taten (bis einschließlich Oktober 1998) sind etwas mehr als 16 Jahre verstrichen. Die Zeitspanne von 15-20 Jahren ist damit jedenfalls noch nicht überschritten. Daneben kommt - wie der Anwaltsgerichtshof zu Recht geprüft hat - Bedeutung der Frage zu, wie der Bewerber in der Zwischenzeit mit seinem Fehlverhalten umgegangen ist und ob er sich auch ansonsten untadelig geführt hat. Hat er sich zu seinem Fehlverhalten bekannt und keine weiteren Verfehlungen begangen, schlägt dies positiv zu Buche. Umgekehrt wirkt sich ein Versuch, über das eigene Fehlverhalten zu täuschen, negativ aus. Dasselbe gilt, wenn nach der die Unwürdigkeit begründenden Tat neue - selbst kleinere - Verfehlungen hinzugekommen sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 4. April 2005 - AnwZ (B) 21/04, juris Rn. 9 und vom 10. Oktober 2011, aaO S. 448 ). Der Anwaltsgerichtshof, auf dessen Feststellungen der Senat Bezug nimmt und denen er sich anschließt, ist insoweit davon ausgegangen, dass die erstmals im Klageverfahren und dort auch erst im Schriftsatz vom 30. Januar 2014 bekundete Reue des Klägers prozesstaktisch motiviert und nicht von wirklicher innerer Einsicht getragen ist. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Der Kläger hat die Richtigkeit seiner Verurteilung in Abrede gestellt, sein damaliges Geständnis als nur prozesstaktisch motiviert, aber inhaltlich falsch bezeichnet und sich als Opfer fremder Machenschaften dargestellt und insoweit Vorwürfe vor allem gegen Polizei und Justiz erhoben. Die hierin zum Ausdruck kommende Uneinsichtigkeit des Klägers steht einer günstigen Prognose über sein zukünftiges Verhalten entgegen (so bereits Senatsbeschluss vom 15. Juni 2009, aaO). Die Rüge des Klägers, der Anwaltsgerichtshof habe teilweise Vortrag aus Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten zu Unrecht ihm persönlich angelastet und insoweit sachfremde Gesichtspunkte berücksichtigt, geht bereits deshalb fehl, weil der Anwaltsgerichtshof im ersten Termin vom 16. Juni 2014 den Kläger persönlich angehört und dieser erklärt hat, er habe den Widerspruchsschriftsatz vom 12. September 2013 selbst abgefasst und die Klageschrift vom 25. November 2013 zumindest im Entwurf gefertigt. Zum Vortrag im Zulassungsverfahren 2007 hat sein Prozessbevollmächtigter erklärt, der Vortrag stamme vom Kläger persönlich, der nicht bereit gewesen sei, ihn inhaltlich zu ändern. Vor diesem Hintergrund spielt es keine Rolle, dass die Schriftsätze dann vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnet worden sind. Was das Schreiben des Klägers vom 2. Februar 2010 anbetrifft, rügt der Kläger, dass kein förmlicher Beschluss über die Beiziehung der Akten der Rechtsanwaltskammer Z. vorliege. Allerdings sind diese auch gar nicht beigezogen worden. Das diesbezügliche Schreiben befindet sich vielmehr in den Akten der Beklagten, die der Anwaltsgerichtshof bereits mit Zustellung der Klage angefordert hatte. Soweit der Kläger rügt, er habe über keine Durchschrift dieses Schreibens verfügt, so dass er sich nicht sachgerecht dazu habe äußern können, ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht ersichtlich. Der Anwaltsgerichtshof hat das Schreiben, aus dem bereits in den Bescheiden der Beklagten vom 3. September und 19. November 2013 zitiert worden ist, dem Kläger im ersten Termin am 16. Juni 2014 ausdrücklich vorgehalten. Der Kläger hat hierzu Stellung genommen. Wenn ihm dies nicht ausgereicht hat, hätte er genügend Zeit gehabt, Akteneinsicht zu nehmen, und bei Bedarf dann zu dem Schreiben bis zum zweiten Termin am 3. November 2014 weitere Ausführungen zu machen. Soweit der Kläger behauptet, der Anwaltsgerichtshof habe aus dem Schreiben falsch zitiert beziehungsweise durch eine Aneinanderreihung aus dem Sachzusammenhang gerissener Ausführungen den Inhalt des Schriftsatzes aufgebauscht, trifft dieser Vorwurf nicht zu. Das gerügte Zitat ist so in dem Schreiben enthalten und passt nahtlos zu den vom Kläger damals erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit seiner Darstellung, er sei unschuldig und zu Unrecht verurteilt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf verschiedene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verweist, von denen der Anwaltsgerichtshof bei seiner Bewertung abgewichen sein soll, sind diese offensichtlich nicht einschlägig. Die Rüge, die Vorfälle, die dem Urteil des Landgerichts S. zugrunde lägen, dürften nicht mehr berücksichtigt werden, weil diese bereits Gegenstand früherer Zulassungsverfahren gewesen und deshalb "verbraucht" seien, ist unverständlich.

Zulasten des Klägers war auch zu berücksichtigen, dass dieser in seinem Antrag auf Zulassung die Frage "Sind gegen Sie strafgerichtliche Verurteilungen (§§ 4 bis 8 BZRG) verhängt worden€" ausdrücklich verneint und gleichzeitig die vollständige und wahrheitsgemäße Beantwortung der ihm gestellten Fragen versichert hat. Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht im Zulassungsverfahren stellt nach der Senatsrechtsprechung jedoch eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar (vgl. nur Beschlüsse vom 11. Dezember 1995 - AnwZ (B)

34/95, BRAK-Mitt. 1996, 73, 74; vom 3. März 1997 - AnwZ (B) 62/96, BRAK-Mitt. 1997, 171 und vom 4. April 2005, aaO Rn. 9; siehe zur entsprechenden Wertung im Notarrecht auch BGH, Beschluss vom 5. März 1992 - NotZ (Brfg) 13/11, NJW-RR 2012, 632 Rn. 8 ff.). Die Einlassung des Klägers, es handele sich um ein Versehen, da er der Auffassung gewesen sei, die Frage meine "anderweitige" Verurteilungen, "da ja die hier in Rede stehende Vorverurteilung Gegenstand des Verfahrens und damit bekannt war", ist nicht nachvollziehbar. Die Fragestellung im Fragebogen ist eindeutig und kann nicht in dem Sinn interpretiert werden, sie beziehe sich nur auf Verurteilungen, von denen der jeweilige Antragsteller meint, sie seien der Rechtsanwaltskammer unbekannt. Dies musste dem Kläger als Volljurist auch klar sein. Das Urteil des Landgerichts S. war auch noch nicht "Gegenstand" des neuen Antragsverfahrens, zumal es im Antrag des Klägers und den beigefügten Unterlagen keine Erwähnung gefunden hat. Die Einlassung des Klägers steht auch in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten; so hat er in seinem bei der Beklagten gestellten Antrag auf Wiederzulassung vom 17. Juni 2007 die entsprechende Frage mit "ja" angekreuzt. Das Verhalten des Klägers spricht insoweit nach Auffassung des Senats dafür, dass er gehofft hat, die lange zurückliegenden Vorgänge könnten möglicherweise bei der Beklagten nicht mehr gegenwärtig sein.

Unter Berücksichtigung aller Umstände kann deshalb auch nach Auffassung des Senats noch keine Rede davon sein, dass der Kläger würdig ist, als Rechtsanwalt zugelassen zu werden. Hierbei machen die falschen Angaben des Klägers im Zusammenhang mit seinem aktuellen Zulassungsantrag deutlich, dass der Kläger aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht ausreichend gelernt hat und ihm - jedenfalls zur Zeit noch - die von einem Rechtsanwalt zu erwartende Einstellung zur Wahrheitspflicht fehlt. Das Interesse des Klägers an einer (Wieder-)Eingliederung in den Anwaltsberuf hat noch keinen Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der Integrität des Anwaltsstands und einer funktionierenden Rechtspflege. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Alters des Klägers und seines Vortrags, er habe sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Assessor in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten und früheren Sozius keine weiteren Verfehlungen zu Schulden kommen lassen.

2. Der Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senatsbeschluss vom 17. November 2014 - AnwZ (Brfg) 84/13, juris Rn. 16 m.w.N.). Zur schlüssigen Darlegung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihrer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.

Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin in ihr ein Rechtssatz aufgestellt wird, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (vgl. nur Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 22/14, juris Rn. 11). Dies ist in der Zulassungsbegründung darzulegen.

Diesen Anforderungen genügt der klägerische Vortrag nicht. Im Übrigen sind die zitierten Entscheidungen - wie bereits angesprochen - nicht einschlägig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Limperg Roggenbuck Seiters Quaas Schäfer Vorinstanz:

AGH Saarbrücken, Entscheidung vom 17.11.2014 - AGH 4/13 -






BGH:
Beschluss v. 10.02.2015
Az: AnwZ (Brfg) 55/14


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