Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 9. Januar 2009
Aktenzeichen: 38 O 100/08

(LG Düsseldorf: Urteil v. 09.01.2009, Az.: 38 O 100/08)

Tenor

I.

Die einstweilige Verfügung vom 13.10.2008 bleibt aufrechterhalten.

II.

Der Antragsgegnerin wird ferner im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt,

4. zu behaupten, dass die Zeitschrift „Q“ über Bürgermeistereien oder Stadtverwaltungen der Inserenten verteilt werden,

5. den Zeitschriftentitel „Q“ zu verwenden,

6. in Werbegesprächen zu behaupten, die Anzeigenwerbung diene der Unterstützung von Initiativen von Polizei, z. B. einer der Polizei im Kreis C oder einer der Polizei im Kreis P.

Der Antragsgegnerin werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, und Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an der Person des Geschäftsführers der Antragsgegnerin.

Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Antragsgegnerin zu 2/3, die Antragstellerin zu 1/3.

Tatbestand

Die Parteien verlegen Publikationen, die sich mit polizeirelevanten Themen beschäftigen. Diese Publikationen werden durch Werbeanzeigen von Gewerbetreibenden finanziert. Die Zeitschrift der Antragsgegnerin trägt den Titel "Q".

Die Antragstellerin hat vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass für die Antragsgegnerin tätige Werber bei mehreren Gewerbetreibenden angerufen haben,

ohne dass das Einverständnis mit solchen Anrufen vorlag, sodann seien per Fax Auftragsformulare versandt worden, in denen der Kunde u.a. bestätigen sollte, der Anruf sei mit seinem Einverständnis erfolgt. Es wurde auf Herausgabe seit XX Jahren hingewiesen, obwohl die Antragsgegnerin erst am XX.XX.XXXX gegründet wurde. Ferner werde behauptet, eine Verteilung erfolgte über Bürgermeistereien und Stadtverwaltungen, obwohl dort lediglich Freiexemplare abgegeben würden. Es sei irreführend, als Untertitel der Zeitschrift Informationen über spezielles bei Justiz und Polizei hinzuweisen, wenn es tatsächlich um Themen wie die Unterstützung einer Initiative gegen Gewalt oder Sicherheit für Senioren gehe. Unzulässig sei auch, wenn bei Werbegesprächen behauptet werde, die Anzeigenwerbung diene der Gewaltprävention, aber unklar bleibe, wie die Erlöse aus der Anzeigenwerbung verwendet werden. Schließlich sei es wettbewerbswidrig, im Anschluss an eine unerlaubte Telefonwerbung Faxaufträge mit Anzeigenangeboten zu versehen, ohne dass vor dem Telefonanruf der Kunde sein ausdrückliches Einverständnis mit Faxwerbung erteilt habe.

Auf Antrag der Antragstellerin hat die Kammer durch Beschluss vom 13. Oktober 2008 der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt,

1.

für Anzeigen in Zeitschriften, insbesondere in der Zeitschrift "Q", telefonisch zu werben, ohne dass die angerufenen Personen vor dem Anruf in irgendeiner Weise ihr Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt haben,

2.

in Zusammenhang mit Anzeigenaufträgen in Auftragsformularen zu bestätigen, das Angebot werde "nach vorheriger mündlicher Einwilligung” (gem. § 7 Abs. II Ziffer 2 UWG)" gemacht, wenn diese Einwilligung tatsächlich nicht vorliegt,

3.

zu behaupten, dass die Antragsgegnerin oder ihr Verlagsteam seit XX Jahren Zeitschriften zum Thema "Q" herausgeben, wenn die Antragsgegnerin erst am XX.XX.XXXX gegründet worden ist.

Über die weitergehenden Anträge sollte nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Sie behauptet, die für sie tätigen Anzeigenvertreter riefen nur solche Unternehmen an, die in der sogenannten J CD für Direktwerbung gelistet seien, bei denen demzufolge die Vermutung eines Einverständnisses mit Werbeanrufen bestehe. Zu Beginn der jeweiligen Anrufe werde geklärt, ob ein Einverständnis mit der Telefonwerbung bestehe. Die Antragstellerin verhalte sich in gleicher Weise. die Antragsgegnerin habe die frühere Firma O übernommen und im übrigen eine Unterlassungserklärung abgegeben. Die Hinweise über die Verteilung seien zutreffend. Die Antragsgegnerin werbe nicht mit Initiativen der örtlichen Polizei.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten und ferner eine einstweilige Verfügung entsprechend dem Antrag im Schriftsatz vom 3. November 2008 zu erlassen.

Zur Begründung trägt sie vor, es sei irreführend, von einer Verteilung der Zeitschrift zu sprechen, wenn diese nur ausgelegt werde.

Mit dem Titel "Q" werde der unzutreffende Eindruck einer von der Polizei autorisierten Publikation erweckt.

Für die Antragsgegnerin tätige Werber hätten wahrheitswidrig bei Werbegesprächen von der Unterstützung einer Initiative der örtlichen Polizei sowohl in C wie auch in P gesprochen.

Die Versendung von Faxaufträgen im Anschluss an unerlaubte Telefonwerbung sei unzulässig, weil in einem solchen Gespräche keine wirksame Einwilligung erteilt werden könne, der Wettbewerbsverstoß sich also fortsetze.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aus den Anträgen vom 12.10.2008 und 03.11.2008 unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 13.10.2008 zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung vom 13. Oktober 2008 ist aufrechtzuerhalten.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der im Beschlusstenor zu I. beschriebenen Verhaltensweise gemäß den §§ 3, 5 und 7 UWG.

Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Antragstellerin hat dargelegt und ausreichend glaubhaft gemacht, dass sich die Antragsgegnerin wettbewerbsrechtlich unlauter verhalten hat, § 3 UWG.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Zu 1.

Die Antragsgegnerin hat sich unlauter verhalten, indem Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wurden, weil durch Telefonanrufe gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung geworben wurde.

So hat die Zeugin X von der Firma H unter dem Datum des 18./19. September 2008 eidesstattlich versichert, der für die Antragsgegnerin tätige Werber J habe sie zu Werbezwecken angerufen, ohne dass zuvor ein geschäftlicher Kontakt bestanden hätte. Entsprechendes hatte der Zeuge E in der eidesstattlichen Versicherung vom 10. September 2008 für das Unternehmen Q GmbH erklärt.

Hieraus ergibt sich, dass es sich nicht um Kunden der Antragsgegnerin, auch nicht etwa um sogenannte Altkunden sich gehandelt hat. Konkret anders Lautendes hat auch keiner der Zeugen vorgetragen, von denen die Antragsgegnerin eidesstattliche Versicherungen vorgelegt hat. Ob die angerufenen Unternehmen in der sogenannten J-Liste verzeichnet sind, ist ohne Bedeutung. Unklar ist schon, welchen genauen Inhalt diese Liste hat. Ob es überhaupt Unternehmen oder Personen gibt, die sich noch dazu gegenüber jedermann mit gewerblichen Telefonanrufen aller Art einverstanden erklärt haben, darf bezweifelt werden. Jedenfalls aber fehlt jeder konkrete Sachvortrag der Antragsgegnerin dazu, dass und gegebenenfalls wann sich die hier konkret genannten Unternehmen mit solcher Art telefonischer Werbung einverstanden erklärt haben.

Auch für eine mutmaßliche Einwilligung fehlen konkrete Anhaltspunkte. Die Antragsgegnerin will Inserate in einer Publikation verkaufen, der jede örtliche oder sachliche Bezug zu den angerufenen Unternehmen fehlt. Der Umstand, dass sie sich möglicherweise bereit erklärt haben, einen Anzeigenauftrag zu erteilen, lässt nicht rückschließend ein Einverständnis vermuten. Maßgeblicher Zeitpunkt ist allein derjenige des Anrufens. Aus diesem Grund ist auch eine etwaige im Gesprächsverlauf erfolgte Nachfrage nicht mehr von Bedeutung.

Die genannten Verstöße indizieren die Wiederholungsgefahr. Ob die Antragstellerin möglicherweise sich selbst in vergleichbarer Weise wettbewerbswidrig verhalten hat, ist ebenfalls ohne Bedeutung. Der Einwand der "unclean hands" ist unzulässig, wenn, wie vorliegend, Interessen anderer Marktteilnehmer betroffen sind.

Zu 2.

Die formularmäßig vorgebrachte Bestätigung des Einverständnisses mit dem Anruf stellt eine Irreführung über geschäftliche Verhältnisse im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 3 UWG immer dann dar, wenn tatsächlich ein solches Einverständnis nicht vorlag. Es wird eine Beweissituation geschaffen, die den Anrufer in eine wettbewerbsrechtlich bessere Position stellen soll. Durch eine inhaltlich unzutreffende, jedoch vom Kunden unterzeichnete Bestätigung entsteht der unzutreffende Eindruck wettbewerbskonformen Verhaltens. Es ist zwischen den Parteien nicht im Streit, dass das fragliche Formular beispielsweise auch den Firmen H und N übersandt worden ist.

Zu 3.

Unzutreffend ist ferner die in den Auftragsformularen ebenfalls vorgedruckte Angabe über die Dauer der Herausgabe von Zeitschriften, § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Unstreitig ist das Unternehmen der Antragsgegnerin erst im Jahre 2006 gegründet worden. Unabhängig von einer etwaigen Betriebsübernahme wird jedenfalls der unzutreffende Eindruck ein sehr langen Unternehmenstradition erweckt, obwohl sich die Antragsgegnerin andererseits sicher nicht das wettbewerbswidrige Verhalten der Firma O zurechnen lassen will.

Die strafbewehrte Unterlassungserklärung reicht zum Ausschluss der Wiederholungsgefahr nicht aus. Die Antragsgegnerin hat eine für ein Wirtschaftsunternehmen als zu geringfügig anzusehende Strafe für Verstöße versprochen.

Da die zum Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet wird, ist die einstweilige Verfügung vom 13. Oktober 2008 aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin gegen die Antragsgegnerin jedoch weitere Ansprüche auf Unterlassung.

Zu 4.

Hinsichtlich der Behauptung, dass die Zeitschrift "Q" über Bürgermeistereien oder Stadtverwaltungen verteilt werde, ergibt sich ein Unterlassungsanspruch aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Es werden unzutreffende Angaben über Merkmale der Waren gemacht. Art und Umfang der Verbreitung sind für Werbeinserate besonders wichtig. Es wird der unzutreffende Eindruck erweckt, die Zeitschriften würde durch Behördenangestellte verteilt. Tatsächlich werden die Publikationen jedoch lediglich in öffentlichen Gebäuden ausgelegt. Eine aktive Beteiligung von Mitarbeitern der Behörden fehlt.

Zu 5.

Eine Irreführung im Sinne der §§ 5 Abs. 2 Nr. 1 und 3 UWG ist auch darin zu sehen, dass die Antragsgegnerin die Zeitschrift unter dem Titel "Q" herausgibt. Unstreitig verfügt die Antragsgegnerin über keinerlei Verbindungen zur Polizei. Sie berichtet auch nicht über interne Angelegenheiten der Polizei. Den Inseratskunden wird jedoch durch die Wahl des Titels der Eindruck vermittelt, als seien zumindest Mitglieder von Polizeibehörden für die Zeitschrift selbst, deren Herausgabe oder den Inhalt mitverantwortlich.

Zu 6.

Nach dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen von Frau T und Herrn C haben sich die Werber J und B konkret auf örtliche Polizeiinitiativen im Raum C und im Kreis P bezogen. Zwar hat der Zeuge J die ihn betreffende Behauptung in seiner eidesstattlichen Versicherung in Abrede gestellt. Es erscheint allerdings äußerst unwahrscheinlich, dass es sich um eine bloße Vermutung von Frau T gehandelt hat. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Zeugin von sich aus ausdrücklich eine Verbindung zur örtlichen Polizeibehörde erfunden haben sollte. Die vergleichbare Situation beim Zeugen C, der die Antragsgegnerin nicht konkret mit Glaubhaftmachungsmitteln entgegengetreten ist, zeigt ein einheitliches Vorgehen bei Werbegesprächen mit dem Ziel, das gute Verhältnis der Kunden gerade zur örtlichen Polizei für kommerzielle Zwecke auszunutzen.

Zu 7.

Ein Anspruch auf Unterlassung des Versendens von Faxaufträgen entsprechend dem Antrag zu 4. im Schriftsatz vom 3. November 2008 besteht nicht. Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG liegt nicht in dem von der Antragstellerin beanstandeten Verhalten. Das Telefongespräch, in welchem die Erlaubnis zum Übersenden eines Faxangebotes erteilt wird, mag wettbewerbsrechtlich zu beanstanden gewesen sein. Damit ist aber nicht zugleich jede Folgemaßnahme wegen der vorangegangenen Wettbewerbswidrigkeit ebenfalls zu beanstanden und unwirksam. Wenn ein Gewerbetreibender in einem Telefongespräch, dessen Einleitung wettbewerbswidrig war, sein Einverständnis mit einer Angebotsübersendung erklärt, besteht kein Grund, diese Angebotsübersendung selbst und isoliert als ebenfalls unlauter anzusehen. Insoweit ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung also mangels Verfügungsanspruch abzulehnen.

Soweit Unterlassungsansprüche begründet sind, ergibt sich die zum Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit aus § 12 Abs. 2 UWG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass die Anträge zu 5. und 6. der Antragsschrift vom 12. Oktober 2008 konkludent zurückgenommen worden sind.

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.

Der Streitwert wird auf insgesamt 90.000,00 € festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 09.01.2009
Az: 38 O 100/08


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