Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 315/04

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2006, Az.: 19 W (pat) 315/04)

Tenor

Das Patent 197 06 657 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2006, und geänderte Beschreibung, Ersatz der Abschnitte 0005 - 0008, gemäß Eingabe vom 27. Mai 2004, übrige Beschreibung und Zeichnung gemäß Patentschrift.

Gründe

I Für die am 20. Februar 1997 im Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 20. November 2003 veröffentlicht worden. Es betrifft ein Schloss für eine Tür eines Fahrzeuges.

Gegen das Patent hat die A... GmbH & Co. KG am 18. Fe- bruar 2004 (eingegangen am 18. Februar 2004) Einspruch erhoben.

Die - nicht erschienene - Einsprechende stellte den Antrag aus der Einspruchsschrift vom 18. Februar 2004 (Bl. 7 d. A.), das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragte:

Das Patent 197 06 657 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2006, und geänderte Beschreibung, Ersatz der Abschnitte 0005 - 0008, gemäß Eingabe vom 27. Mai 2004, übrige Beschreibung und Zeichnung gemäß Patentschrift.

Der Patentanspruch 1 lautet in Anlehnung an die Merkmalsanalyse der Einsprechenden unter Einfügung der Gliederungsbuchstaben a) bis k):

"a) Schloss für eine bewegbare Tür oder Heckklappe eines Fahrzeugesb), c) mit einem nicht manuell arbeitenden Stellantrieb (10) für den Antrieb eines Bauteiles (2, 4) des Schlosses, d) bei dem für den Antrieb des Bauteiles ein weiterer, ebenfalls nicht manuell arbeitender Stellantrieb (13) für das Bauteil (2, 4) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, e1) dass eine Einrichtung (17) zur Erfassung der Stellung des Bauteiles vorgesehen ist, e2) dass für den Antrieb des Bauteiles (2, 4) im Sinne eines Öffnungsvorganges der erste Stellantrieb (10) ansteuerbar ist undf) danach der weitere Stellantrieb (13) nach Unterbleiben der Betätigung der Einrichtung (17) zur Erfassung der Stellung des Bauteiles (2, 4) innerhalb einer vorgebbaren Zeitspanne angesteuert wird, so daß mittels diesem das elektromagnetische Öffnen der bewegbaren Anordnung eingeleitet wird, g), h) dass zwischen dem ersten Stellantrieb (10) und dem Bauteil (2, 4) und zwischen dem weiteren Stellantrieb (13) und dem Bauteil (2, 4) ein Getriebe angeordnet ist undi) die beiden Getriebe gegeneinander freilaufend sind undj) dass die Getriebe Untersetzungsgetriebe sind undk) das Getriebe zwischen dem weiteren Stellantrieb (13) und dem Bauteil eine höhere Untersetzung aufweist als das Getriebe zwischen dem ersten Stellantrieb (10) und dem Bauteil."

Mit dem Schloss gemäß Patentanspruch 1 soll die Aufgabe gelöst werden, ein Schloss bereitzustellen, das unter Komfort-Aspekten die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen derart erfüllt, dass bei Ausfall eines Stellantriebes immer noch eine Öffnung der bewegbaren Anordnung gegeben ist (neuer Beschreibungsteil vom 27. Mai 2004, Abs. 0005).

Die Einsprechende ist ankündigungsgemäß nicht erschienen.

Die Patentinhaberin ist der Meinung, dass sich der Fachmann aus der JP 2-47377 U keine Anregung holen werde, den weiteren Stellantrieb nur im Defektfall und dabei nach dem ersten Stellantrieb anzusteuern. Denn bei dem Schloss nach der JP 2-47377 U werde der weitere Stellantrieb bei jedem Schließen der Tür nach dem ersten Stellantrieb angesteuert; der Defektfall sei nicht angesprochen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Gemäß der eindeutigen Zuständigkeitsreglung in § 147 Abs. 3 PatG in der Fassung vom 9. Dezember 2004 liegt die Entscheidungsbefugnis über den unstreitig zulässigen, am 30. Juni 2006, d. h. vor Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG noch anhängigen, Einspruch bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts.

Dieser hatte aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden, vgl. BPatGE 46, 134.

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Der zulässige Einspruch ist begründet, konnte aber keinen über die antragsgemäße Beschränkung hinausgehenden Erfolg haben.

Als zuständiger Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulabschluss und Kenntnissen in der Konstruktion von Fahrzeugschlössern anzusehen.

1. Zulässigkeit der Patentansprüche 1 bis 3 Der geltende Patentanspruch 1 setzt sich aus dem erteilten Patentanspruch 1 (Merkmale a) bis d), e2), f), j) und k)) und dem, direkt auf den erteilten Patentanspruch 1 rückbezogenen, erteilten Patentanspruch 4 (Merkmale g), h) und i)) zusammen, wobei gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 zusätzlich das dem erteilten Patentanspruch 2 entnommene Merkmal e1) aufgenommen ist und wobei gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 in Merkmal f) eine Ergänzung entsprechend der Streitpatentschrift Spalte 3, Zeilen 43 bis 50 i. V. m. Spalte 3, Zeilen 32 bis 36 - die hier mit den ursprünglichen Unterlagen übereinstimmt - eingefügt ist.

Die Patentansprüche 2 und 3 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 5 und 6, die wiederum den ursprünglichen Patentansprüchen 7 und 8 entsprechen.

2. Neuheit Das gewerblich anwendbare Schloss gemäß Patentanspruch 1 ist neu.

Aus der JP 2-47377 U ist bezugnehmend auf die von der Einsprechenden eingereichte deutsche Übersetzung in teilweiser Übereinstimmung mit dem Patentanspruch 1 bekannt eina) Schloss (RK1, RK2, BX, 31, 32, 27) für eine bewegbare Tür (12) eines Fahrzeugesb), c) mit einem nicht manuell arbeitenden Stellantrieb (33) für den Antrieb eines Bauteiles (21) des Schlosses (S. 5 Abs. 2 bis S. 6 Abs. 3 i. V. m. S. 7 Mitte und Fig. 4, 7, 9), d) bei dem für den Antrieb des Bauteiles (21) ein weiterer, ebenfalls nicht manuell arbeitender Stellantrieb (34) für das Bauteil (21) vorgesehen ist (S. 6 Abs. 3), e1) wobei eine Einrichtung (56, 57) zur Erfassung der Stellung des Bauteiles (21) vorgesehen ist (S. 8 Abs. 2), e2teilw) wobei für den Antrieb des Bauteiles (21) im Sinne eines Betätigungsvorganges (Schließvorgang) der erste Stellantrieb (33) angesteuert wird (S. 16 Abs. 2) undfteilw) danach (wenn der Spalt des Ein- und Ausstiegs ca. 10 bis 30 cm beträgt) der weitere Stellantrieb (34) angesteuert wird (S. 16 le. Abs. bis S. 17 Abs. 1 i. V. m. S. 3 le. Abs. bis S. 4 Abs. 1), g), h) wobei zwischen dem ersten Stellantrieb (33) und dem Bauteil (21) und zwischen dem weiteren Stellantrieb (34) und dem Bauteil (21) ein Getriebe angeordnet ist (erstes Getriebe: 35, 37, 42, 43; zweites Getriebe: 36, 38, 42, 43) undi) die beiden Getriebe gegeneinander freilaufend sind (Freilaufkupplung 41) undj) wobei die Getriebe Untersetzungsgetriebe (Schneckenradgetriebe 35, 37 bzw. 36, 38) sind.

Das Schloss gemäß Patentanspruch 1 unterscheidet sich von dem aus der JP 2-47377 U bekannten im Wesentlichen dadurch, dass der weitere Stellantrieb nicht regelmäßig beim Schließvorgang angesteuert wird, sondern nach Unterbleiben der Betätigung der Einrichtung zur Erfassung der Stellung des Bauteiles innerhalb einer vorgebbaren Zeitspanne, so dass mittels diesem das elektromagnetische Öffnen der bewegbaren Anordnung eingeleitet wird, d. h. nach dem Verständnis der Streitpatentschrift: im Crashfall (Teilmerkmal f)).

Auch das Merkmal k) ist aus der JP 2-47377 U nicht bekannt.

Die weiteren von der Einsprechenden und im Verfahren vor der Patenterteilung genannten, in der mündlichen Verhandlung aber weder vom Senat noch von der Beteiligten aufgegriffenen Druckschriften DE 42 28 233 A1, US 4 986 099, US 4 875 351, DE 196 11 972 A1, DE 195 47 724 A1 und DE 42 40 013 A1 zeigen in Bezug auf das Schloss des Patentanspruchs 1 nicht mehr, als der abgehandelte Stand der Technik und konnten daher außer Acht gelassen werden.

3. Erfinderische Tätigkeit Das Schloss des Patentanspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von einem Schloss, wie es in der JP 2-47377 U beschrieben ist, mag sich zwar die patentgemäße Aufgabe, ein Schloss bereitzustellen, das unter Komfort-Aspekten die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen derart erfüllt, dass bei Ausfall eines Stellantriebes immer noch eine Öffnung der bewegbaren Anordnung gegeben ist, in der Praxis dem Fachmann von selbst stellen, weil ihm stets daran gelegen ist, die Sicherheit zu verbessern. Jedoch gibt ihm JP 2-47377 U keinen Hinweis darauf, das in ihr beschriebene Schloss so auszugestalten, dass auch im Crashfall eine Türöffnung möglich ist.

Die Anmelderin hat gefunden, dass dies erreicht werden kann, wenn beim bekannten Schloss der weitere Stellantrieb nach Unterbleiben der Betätigung der Einrichtung zur Erfassung der Stellung des Bauteiles innerhalb einer vorgebbaren Zeitspanne angesteuert wird, so dass mittels diesem das elektromagnetische Öffnen der bewegbaren Anordnung eingeleitet wird.

Der Fachmann muss somit erfinderisch tätig werden, um in Kenntnis des Standes der Technik zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen. Zu einer anderen Auffassung gelangte man nur durch eine rückschauende und damit unzulässige Sichtweise.

Ob die im Merkmal k) angegebenen Getriebedimensionierungen auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

4. Rechtsbestand Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die geltenden Patentansprüche 2 und 3 Bestand.

Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.






BPatG:
Beschluss v. 27.09.2006
Az: 19 W (pat) 315/04


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