Landgericht München I:
Urteil vom 9. April 2008
Aktenzeichen: 21 O 16318/07
(LG München I: Urteil v. 09.04.2008, Az.: 21 O 16318/07)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.670,49 € nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 07.09.2007 zu bezahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Geschmacks- und Gebrauchsmusterverletzung auf Schadensersatz in Form des Verletzergewinns sowie auf Zahlung der ihr entstandenen Rechts- und Patentanwaltskosten einer Abmahnung in Anspruch.
Die Klägerin ist im Accessoire- und Taschenbereich tätig; eines ihrer Hauptgebiete ist die Neuentwicklung von Taschen und Körben für den täglichen Bedarf. Sie ist Inhaberin eines Gemeinschaftsgeschmackmusters, das unter dem 15.05.2003 mit Inanspruchnahme der Priorität vom 11.02.2003, einer älteren deutschen Geschmacksmusteranmeldung, beim Harmonisierungsamt in Alicante angemeldet wurde und die Nummer 30630-0001 trägt (vgl. Rollenregisterauszug Anlage K 3). Das Geschmacksmuster wurde für Einkaufskörbe (genannt €Carrybag€) eingetragen und enthält folgende Abbildungen:
Außerdem ist die Klägerin Inhaberin eines Gebrauchsmusters mit der Nummer 203 01 158.9, das beim Deutschen Patent- und Markenamt am 25.01.2003 angemeldet und am 20.03.2003 eingetragen wurde (Gebrauchsmusterschrift Anlage K 4).
Die Klägerin hat umfangreiche Bewerbungsmaßnahmen für den €Carrybag€ durchgeführt; darüber hinaus wurde in einer Vielzahl von Zeitschriften redaktionell auf den €Carrybag€ hingewiesen. Im Jahr 2003 wurde er 66.566 mal verkauft, im Jahr 2004 339.676 mal, im Jahr 2005 530.000 mal und im Jahr 2006 ca. 648.400 mal. Im Jahr 2005 wurde mit dem €Carrybag€ weltweit ein Umsatz i.H.v. 7,5 Millionen €, im Jahr 2006 i.H.v. 8,6 Millionen € getätigt.
Die Beklagte ist im Großhandel u.a. mit Haushaltswaren, Baumarktartikeln, Saisonartikeln, Sport-Freizeitartikeln und Importartikeln tätig. Die Beklagte wurde von der Streitverkündeten, der Firma A., mit nachfolgend abgebildeten Körben beliefert, welche die Beklagte als Zwischenhändlerin an diverse Großmärkte, u.a. an die Firmen O. KG sowie N. oHG, weiter vertrieben hat:
Das Verfahren der Klägerin gegen die Streitverkündete vor dem LG München I unter dem Az. 7 O 20683/06, mit dem Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft geltend gemacht wurde, wurde per außergerichtlichem Vergleich vom 29.05.2007 beendet. Gegen die Firmen O. (Az. 21 O 12628/06) und N. (Az. 21 O 12448/06) erwirkte die Klägerin vor dem LG München I einstweilige Verfügungen, unter dem Az. 21 O 17178/06 lief das Hauptsacheverfahren gegen die Firma N.
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 11.08.2006 (Anlage K 5) gegenüber der Klägerin wegen des genannten Vertriebs dieses Korbes ohne Anerkennung einer Rechtspflicht strafbewehrt unterworfen. In der Folgezeit erteilte die Beklagte nach mehrmaliger Aufforderung durch die Klägerin dieser gegenüber mit Schreiben vom 25.07.2007 (Anlage K 9) detaillierte Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der inkriminierten Körbe. Hiernach kaufte die Beklagte insgesamt 19.906 Körbe bei ihrer Händlerin, der Streitverkündeten, zu einem Einkaufspreis pro Stück i.H.v. 4,95 € und verkaufte davon jeweils an die Firma O. 3.912 Körbe zu einem Stückpreis i.H.v. 6,99 € und an die Firma N. 15.994 Körbe zu einem Stückpreis i.H.v. 5,97 €. Von der Firma O. wurden gegen Rückzahlung des Kaufpreises 1.802 Körbe, von der Firma N. 5.011 Körbe an die Beklagte zurückgegeben. Zudem wurden 1.069 Körbe der Firma O. an die Klägerin zum Zwecke der Vernichtung herausgegeben.
Im Rahmen eines Vergleichs zahlte die Beklagte 44.000,00 € an die Firma O. Weiterhin wurde die Beklagte mit einem Betrag i.H.v. 4.250,00 € belastet, weil die Streitverkündete die Körbe zu spät an die Firma O. auslieferte. Im Zusammenhang mit der Vertretung der Beklagten gegenüber der Firma O. entstanden Anwaltskosten i.H.v. 5.465,90 € netto. Mit der vergleichsweise vereinbarten Überstellung der 1.069 Körbe von O. an die Klägerin fielen Speditionskosten i.H.v. 367,50 € an. Im Zusammenhang mit der auf die Zustellung der einstweiligen Verfügung folgenden Auseinandersetzungen mit der Firma N. sind bei der Beklagten Anwaltskosten i.H.v. 3.761,40 € netto entstanden; außerdem musste die Beklagte die im einstweiligen Verfügungsverfahren zu Lasten der Firma N. entstandenen Gerichtskosten i.H.v. 4.209,00 € übernehmen und den von der Klägerin gegen N. erwirkten Kostenfestsetzungsbeschluss über 7.598,30 € ausgleichen. Zudem übernahm die Beklagte die Rechtsanwaltskosten der Firma N. i.H.v. 7.482,80 €. Ferner wurde der Beklagten durch die Firma N. ein Betrag i.H.v. 1.300,00 € netto für eine erforderlich gewordene Werbungsänderung bei N. in Rechnung gestellt. Mit der Rückholung der Körbe von den Firmen O. und N. sind der Beklagten weiterhin Kosten i.H.v. 4.245,24 € netto entstanden.
Die Anerkennung von Schadensersatzansprüchen dem Grunde nach wurde von der Beklagten abgelehnt. Ebenso wenig zahlte sie die von der Klägerin vorprozessual am 28.06.2007 (Anlage K 10) verlangten Rechts- und Patentanwaltskosten aufgrund der Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen i.H.v. 2.010,80 €, basierend jeweils auf einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert i.H.v. 30.000,00 €.
Die Klägerin behauptet, dass die Vergleichssumme, auf die sie sich mit der Firma O. und der Streitverkündeten geeinigt hat, keine Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie beinhaltete. Der Beklagten seien die klägerischen Schutzrechte bekannt gewesen.
Die Klägerin, die ihren Klageantrag in erster Linie auf eine Geschmacksmusterverletzung stützt, ist der Ansicht, dass sich der ästhetische Gesamteindruck ihres Geschmacksmusters insbesondere durch folgende Merkmale auszeichnet:
-kastenförmiger Tragekorb-Metallhenkel, mit dunklem Kunststoff- oder gummiartigem Überzug des oberen Griffteils des Henkels-Taschenkörper verjüngt sich leicht nach unten-am unteren Boden sind fünf Aufstandspunkte angebracht-sichtbare, unten fortlaufende seitliche Versteifung-Korpus ist aus weichem Segeltuchmaterial-Verbindung zwischen Korpus und Taschenkörper mittels einzelner ca. 3 cm breiter Bänder im Abstand von ca. 10 cm zueinander.Die Bebänderung gebe nicht zuletzt aufgrund der Farbe ein zebraartiges Aussehen wieder, das aufgrund der kontrastreichen Farbe zum aluminiumfarbenen Rahmen das Gesamterscheinungsbild maßgeblich präge. Dazu trete das Segeltuchmaterial des Korpus, das dem ganzen einen leichten und weichen Eindruck vermittle, während der Rahmen, der links und rechts längsseitig mit einem schwarzen Element versehen ist, ebenfalls Stabilität und Robustheit bei gleichzeitig filigraner Anmutung vermittle. Der Wiedererkennungswert, der sich maßgeblich durch die zebraartige Bebänderung am Rahmen widerspiegle, sei enorm. Vor der Entwicklung und Anmeldung des Korbes zum Geschmacksmuster habe kein identisches oder ähnliches Produkt existiert. Da mithin Neuheit und Eigenheit des Geschmacksmusters gegeben seien, der inkriminierte Korb die geschmacksmusterrechtlich relevanten Merkmale identisch übernommen und damit auch einen identischen Gesamteindruck zum Streitgeschmacksmuster vermittelt habe sowie die Beklagte mangels genügender Überwachung der Schutzrechtslage zumindest fahrlässig gehandelt habe, stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gem. § 42 Abs. 2 GeschmMG zu, welchen sie in Höhe des Verletzergewinns geltend macht. Dieser berechne sich hinsichtlich der Firma O. bei einem Gewinnfaktor pro Korb i.H.v. 2,04 € (Verkaufspreis i.H.v. 6,99 € - Einkaufspreis i.H.v. 4,95 €) und 1.041 verkauften Körben (3.912 geliefert - 1.802 Retouren - 1.069 vernichtet) auf 2.123,64 €, hinsichtlich der Firma N. bei einem Gewinnfaktor pro Korb i.H.v. 1,02 € (Verkaufspreis i.H.v. 5,97 € - Einkaufspreis i.H.v. 4,95 €) und 10.983 verkauften Körben (15.994 geliefert - 4.842 Retouren - 78 Retouren Guteborn - 91 Retouren Dettingen) auf 11.202,66 €. Nach Abzug von 5% Handlingskosten i.H.v. 666,31 € belaufe sich der Verletzergewinn auf insgesamt 12.659,69 €. Auch die entstandenen Abmahnkosten i.H.v. 2.010,80 € seien gem. § 42 Abs. 2 GeschmMG zu ersetzen.
Die Beklagte könne sich nicht auf vermeintliche Zahlungen Dritter, die ebenfalls die Schutzrechte der Klägerin verletzt hätten, berufen, um aus der eigenen Haftung herauszukommen. Da die Schutzrechtsverletzungen auf verschiedenen Vertriebsstufen sukzessive begangen worden seien, habe die Klägerin ein Wahlrecht bezüglich der Berechnungsmethode gegenüber jedem einzelnen Verletzer. Die von der Beklagten angeführten, gewinnmindernden Zahlungen seien irrelevant, da die Klägerin als Verletzte so zu stellen sei, als hätte sie ohne die Rechtsverletzung den gleichen Gewinn erzielt wie die Beklagte; ob die Beklagte dabei tatsächlich den gleichen Gewinn erzielt hätte, sei im Anschluss an die € Gemeinkostenanteil €-Entscheidung des BGH unbeachtlich. Da die Klägerin € anders als die Beklagte € eben Schutzrechtsinhaberin gewesen sei, hätte sie keinen Schadensersatz leisten und keine Vergleiche aufgrund von Schutzrechtsverletzungen schließen müssen; es hätten außerdem keine Verspätungs-, Anwalts- und Speditionskosten aufgrund eines Vergleichs wegen Schutzrechtsverletzungen, Werbungsänderungen aufgrund externer Gründe und Gerichtskosten bezahlt werden müssen. Weil Schutzgegenstand der klägerischen Schutzrechte jeweils der ganze Korb sei und nicht Teile desselben, sei vollumfänglich Schadensersatz zu leisten.
Auch zum Gebrauchsmuster, dessen Verletzung die Klägerin hilfsweise geltend macht, hat sie detailliert ausgeführt.
Die Klägerin b e a n t r a g t :
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.670,49 € nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 07.09.2007 zu bezahlen.
Die Beklagte b e a n t r a g t
Klageabweisung.
Die Beklagte behauptet, dass vergleichbare Warenkörbe von der Beklagten unbeanstandet auch durch die Firmen E., N., A. und P. vertrieben worden sind.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Geschmacksmusterverletzung bereits daran scheitert, dass das Erscheinungsbild des von ihr vertriebenen Tragekorbs von dem geschmacksmusterrechtlich geschützten Tragekorbs erheblich abweiche. Auch eine Gebrauchsmusterverletzung sei nicht gegeben, weil der beanstandete Tragekorb gegenüber demjenigen der Klägerin keinen geschlossenen, starren Rahmen mit einem klappbaren Henkel, sondern einen in der Mitte mittels Gelenken verbundenen und daher zusammenlegbaren Tragekörper mit zwei Henkeln aufweise.
Ferner sei es der Klägerin verwehrt, im Sinne einer €Rosinentheorie€ in einer Vertriebskette von einem Verletzer Schadensersatz nach Lizenzanalogie und von einem anderen Verletzer Herausgabe des Verletzergewinns zu verlangen. Selbst wenn Herausgabe des Verletzergewinns geschuldet sei, beruhe der von der Klägerin errechnete Gewinn nicht in seiner Gesamtheit auf der behaupteten Schutzrechtsverletzung, da zum einen eine Änderung der Technik oder auch optische Abwandlungen der Körbe möglich gewesen wäre und zum anderen der Gewinn nur aufgrund der besonderen Bemühungen der Beklagten sowie aufgrund ihres besonderen Verhältnisses zu den Firmen O. und N. entstanden sei. Auch der Umstand, dass zwischen den von der Beklagten vertriebenen Körben und den Klagemustern keine Identität bestehe, führe nach den im Urteil des BGH € Tchibo/Rolex II € aufgestellten Grundsätzen dazu, dass der Gewinn vorliegend nur i.H.v. 20% auf der Rechtsverletzung beruhe. Weiterhin sei bei der Schadensberechnung mindernd zu berücksichtigen, dass durch den unbeanstandeten Vertrieb gleicher Körbe bei anderen Anbietern die Eigenart des Korbs reduziert worden sei. Schließlich sei auf den Gewinn der Beklagten ihre an die Firmen O. und N. geleisteten Schadensersatzzahlungen, die erstatteten Anwaltskosten, die Belastungen aufgrund verspäteter Auslieferung, die Speditionskosten, die Kosten für Werbungsänderung und die Rückholungskosten anzurechnen.
Die Beklagte hat der Fa. A. mit Schriftsatz vom 17.09.2007 (Zustellung an diese: 16.11.2007) den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten; ein Beitritt ist nicht erfolgt.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2008 (Bl. 50/52 d. A.).
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gem. Art. 89 Abs. 1 lit d) GGV i.V.m. § 42 Abs. 2 Satz 2 GeschmMG wegen schuldhafter Verletzung ihres Gemeinschaftsgeschmacksmusters durch die Beklagte einen Schadensersatzanspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns i.H.v. 12.659,69 € sowie auf Zahlung ihrer Anwaltskosten i.H.v. 2.010,80 €.
1. Durch den Vertrieb der streitgegenständlichen, in blauer Farbe ausgeführten Körbe hat die Beklagte das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin verletzt.
a. Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin ist schutzfähig, da die Voraussetzungen des Art. 5 GGV (Neuheit) und Art. 6 GGV (Eigenart) gegeben sind. Nachdem die Parteien hierüber nicht streiten, wird insoweit auf die folgenden Ausführungen zum Schutzbereich Bezug genommen, wobei zu früheren Geschmacksmustern nichts vorliegt.
b. Die Kammer stimmt der Klägerin zu, dass die geschmacksmustergemäßen Körbe sich vor allem durch die kräftig ausgeführten Metallteile, insbesondere der Rahmen mit der zebraartigen Gestaltung der schwarz gehaltenen Klettanbindung, auszeichnen. Dazu kommen die leichte Anmutung des Segeltuchs und die leicht konische, aber doch relativ kastenförmige Rundform.
c. Für die Entscheidung ist nach den Grundsätzen des Art. 10 GGV ein großer Schutzbereich des Streitgeschmacksmusters zugrunde zu legen, da weder im hiesigen Verfahren, noch in einem der weiteren, vor der Kammer anhängig gewesenen oder anhängigen Verfahren vorbekannter Formenschatz vorgelegt wurde, der auch nur annähernd in die Nähe des Streitgeschmacksmusters kommt (vgl. Ruhl , GGV, Art. 10 Rn. 5). Der Kammer ist auch aus eigener Kenntnis kein Einkaufskorb bekannt, der sich auch nur in etwa in der optischen Gestaltung, die stark durch die konstruktiven Gegebenheiten (Aluminiumrahmen, daran mit Klettbändern gefestigter Leinenbeutel und klappbarer Griff) geprägt ist, auszeichnet.
d. Angesichts dieser Umstände führen auch die Abwandlungen bei dem von der Beklagten tatsächlich vertriebenen Gegenstand nicht aus dem Schutzbereich des Geschmacksmusters heraus: Dies ist weder durch die durchgehende Kreisbogenform der Rahmenenden im Gegensatz zur abgeflachten Ausführungsform nach dem Geschmacksmuster der Fall, noch durch die Aufteilung des Henkels in zwei Bügel mit im übrigen ähnlicher Befestigung wie beim Streitgeschmacksmuster. Auch die stärkere Verjüngung nach unten ist angesichts des anzunehmenden großen Schutzbereichs nicht geeignet, aus diesem herauszuführen.
Die Kammer hält weitere Ausführungen nicht für veranlasst, nachdem die Beklagte darauf verzichtet hat, ihre anderweitige Auffassung näher zu begründen.
2. Die Beklagte handelte auch zumindest fahrlässig und damit schuldhaft, da sie ihrer Marktbeobachtungspflicht nicht in genügender Weise nachkam; bei gehöriger Anstrengung wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, die verletzende Nachahmung des zum Verletzungszeitpunkt bereits weit verbreiteten Streitgeschmacksmusters zu erkennen.
3. Die Klägerin kann Schadensersatz zulässigerweise in Form des Verletzergewinns geltend machen, wobei die von ihr aufgestellte Berechnung i.H.v. 12.659,69 € korrekt erfolgte; die von der Beklagten erhobenen Einwände führen nicht zu Abzügen.
40a. Der Klägerin war es € unabhängig von dem Umstand, ob die Klägerin im Rahmen der vergleichsweisen Regelungen mit der Streitverkündeten als Lieferantin der Beklagten sowie mit der Firma O. als durch die Beklagte Belieferte Zahlungen auf Basis der Lizenzanalogie oder aber als Verletzergewinn erhielt € nicht verwehrt, gegenüber der Beklagten die Herausgabe des Verletzergewinns zu verlangen. Nach den Grundsätzen der BGH-Entscheidung € Gemeinkostenanteil € (GRUR 2001, 329 ff.) € in welcher der Ausgleichsanspruch €Gewinnherausgabe€ von der Position und den realisierbaren Möglichkeiten des Verletzten, wie sie in der Anwendung der Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. der angemaßten Geschäftsführung gem. § 687 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommt, abgekoppelt wird € muss nämlich der Verletzergewinn auf allen Stufen der Verletzerkette herausgegeben werden, da jede Stufe der Verletzerkette rechtswidrig in das Schutzrecht eingreift und daher ihren jeweiligen Gewinn herausgeben muss (vgl. Tilmann , GRUR 2003, 647, 653).
Die Beklagte kann sich außerdem nicht auf bereits geleistete Zahlungen durch die Streitverkündete und/oder die Firma O. berufen. Wie die Kammer nämlich bereits in ihrem Urteil vom 03.08.2005 (Az. 21 O 20442/04; InstGE 6, 21, Rn. 20 € Nachtklub € Foto-Piraterie ) ausgeführt hat, ist der Beklagten ein erfolgreiches Berufen auf die Rechtsprechung zum Nebeneinander der Inanspruchnahme gesamtschuldnerisch Haftender auf verschiedenen Hierarchieebenen der Abnehmerkette verwehrt: Diese Argumentation gründet auf der Überlegung, dass eine angemessene Lizenz nur maximal der Gesamtlizenz auf der letzten Stufe der Handelskette entsprechen kann und die auf vorangehenden Stufen der Handelskette bezahlten Lizenzen hiervon nur einen Teilbetrag bilden, so dass diese ggf. angerechnet werden müssen; bei der Berechnungsmethode nach dem Verletzergewinn dagegen hat der Gesetzgeber dem Schutzrechtsinhaber gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 GeschmMG explizit die Möglichkeit eingeräumt, den gesamten Gewinn des jeweiligen Verletzers, welcher auf verschiedenen Stufen der Abnehmerkette jeweils in unterschiedlicher Höhe anfallen kann, herauszuverlangen (zum Nichtdurchgreifen des €Erschöpfungsgedankens€ vgl. auch OLG Hamburg, Urteil vom 24.04.2006, Az. 5 U 133/04, BeckRS 2006, 13562 unter Ziff. II. 6. c.). Unbilligkeiten ergeben sich hieraus nicht, da zum einen Gemeinkosten gewinnmindernd abzugsfähig sind, wenn und soweit sie den schutzrechtsverletzenden Gegenständen unmittelbar zugerechnet werden können (vgl. BGH GRUR 2001, 329, 331 € Gemeinkostenanteil ), und zum anderen vertragsrechtliche Rückgriffsansprüche innerhalb der Lieferkette bestehen.
b. Von dem errechneten Verletzergewinn sind keine quotalen Abschläge zu machen; die entsprechenden Einwendungen der Beklagten, der Gewinn beruhe nicht in seiner Gesamtheit auf der Rechtsverletzung, haben keinen Erfolg.
43aa. Unerheblich ist zunächst der Einwand, es wären Technikänderungen oder auch optische Abwandlungen der Körbe möglich gewesen. Der Beklagten ist es nämlich verwehrt, sich auf einen hypothetischen Kausalverlauf ohne Schutzverletzung zu berufen: Hierdurch würde überspielt werden, dass die Beklagte tatsächlich Schutzrechtsverletzungen begangen und tatsächlich einen Gewinn erzielt hat; zugleich würde der Ausgleichsfunktion des Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns nicht genügend Rechnung getragen werden, da bei Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs gerade kein billiger Ausgleich im Hinblick auf einen real erzielten Gewinn auf Seiten des Verletzers gewährleistet wäre (vgl. LG Karlsruhe InstGE 6, 260, Rn. 9 € Abschirmdichtung ).
44bb. Ferner sind etwaige€besondere Bemühungen€ der Beklagten sowie ihr €besonderes Verhältnis zu den Firmen O. und N.€ irrelevant. Der Verletzer kann bei der Bestimmung der Höhe des Verletzergewinns nicht geltend machen, dieser beruhe teilweise auf besonderen eigenen Vertriebsleistungen: Die Zuerkennung eines Anspruchs auf Schadensersatz in Form der Herausgabe des Verletzergewinns beruht gerade auf dem Gedanken, dass der Verletzer so behandelt werden soll, als habe er bei der Nutzung des Schutzrechts als Geschäftsführer ohne Auftrag gehandelt (vgl. BGH GRUR 2001, 329, 331 € Gemeinkostenanteil ). Der BGH hat im übrigen in seiner Gemeinkostenanteil-Entscheidung noch für die ehemalige € gegenüber dem heute geltenden Wortlaut der Vorschrift in § 42 Abs. 2 Satz 2 GeschmMG sogar einschränkende € Gesetzesfassung in § 14a Abs. 1 Satz 2 GeschmMG a.F. (€ Gewinn, den der Verletzer durch die Nachbildung oder deren Verbreitung erzielt hat €) ausdrücklich festgestellt, dass hierdurch jedenfalls nicht den Vertriebsleistungen des Verletzers Rechnung getragen werden sollte.
cc. Weiterhin hat es keine quotale Auswirkungen auf die Berechnung des Verletzergewinns, dass die angegriffene Ausführungsform mit dem Klagemuster nicht identisch ist.
(1) Zwar ist es richtig, dass nach den BGH-Entscheidungen € Nebelscheinwerfer € (GRUR 1974, 53 ff.) und € Tchibo/Rolex II € (GRUR 1993, 55 ff., dort für einen UWG-Verstoß) nicht ohne weiteres der volle Verletzergewinn zu erstatten ist, den der Schuldner aus dem rechtsverletzenden Verkauf gezogen hat, sondern lediglich auf den Teil des Gewinns abgestellt werden kann, der ursächlich darauf zurückzuführen ist, dass die vom Schuldner veräußerten Gegenstände ein dem Erzeugnis des Schutzrechtsinhabers nachgebildetes äußeres Erscheinungsbild € und nicht ein beliebiges anderes € aufwiesen; im vom BGH entschiedenen Fall € Tchibo/Rolex II € bestand nach den dortigen Feststellungen kein Anhalt dafür, dass der von der Beklagten erzielte Gewinn in vollem Umfang darauf beruhte, dass die verkauften Gegenstände solchen der Klägerin ähnlich gestaltet waren. Die dortige Nachahmung war € wegen fehlender Verwechslungsgefahr in den Augen des Käufers und wegen für diesen erkennbarer erheblicher Ungleichwertigkeit des angelehnt hergestellten Erzeugnisses € nicht zu einer echten Substitution bzw. Verdrängung des nachgeahmten Erzeugnisses geeignet und/oder bestimmt, sondern sollte solche Kundenkreise ansprechen, die € ohne sich das rund hundertmal teurere Originalerzeugnis leisten zu können oder zu wollen € Wert auf ein diesem äußerlich ähnliches Produkt legten.
Diesen Grundsätzen ist der BGH in seiner Gemeinkostenanteil-Entscheidung auch für den Fall einer Geschmacksmusterverletzung € wie gerade oben bei Ziff. I. 3. b. bb. gesehen € unter Hinweis auf den Wortlaut des § 14a Abs. 1 Satz 2 GeschmMG a.F. (€ Gewinn, den der Verletzer durch die Nachbildung oder deren Verbreitung erzielt hat €) gefolgt, so dass dort festgestellt wurde, dass der Verletzergewinn nur insoweit herauszugeben ist, als er auf der Rechtsverletzung beruht; es soll demnach € ggf. der Umstand Berücksichtigung finden, dass das unter Verletzung des Schutzrechts hergestellte Erzeugnis keine identische Nachbildung des geschützten Gegenstands darstellt oder sonst besondere Eigenschaften aufweist, die für den erzielten Erlös von Bedeutung sind € (GRUR 2001, 329, 332).
48(2) Vorliegend ist jedoch entscheidend zu berücksichtigen, dass im Unterschied zur Konstellation bei € Tchibo/Rolex II € aufgrund der zahlreichen Übereinstimmungen im Gesamteindruck eine große Verwechslungsgefahr zwischen dem Klagegeschmacksmuster und den von der Beklagten vertriebenen Körben bestand und eine Ungleichwertigkeit für den Käufer nicht erkennbar war; somit wurden bewusst die gleichen Kundenkreise angesprochen. Daher bestehen im hier zu entscheidenden Fall deutliche und von der Beklagten nicht durch entsprechenden Vortrag widerlegte Anhaltspunkte dafür, dass der von ihr erzielte Gewinn in vollem Umfang darauf beruhte, dass die vertriebenen Körbe solchen der Klägerin sehr ähnlich gestaltet waren. Mit anderen Worten sind bei den inkriminierten Körben gerade keine besonderen Eigenschaften im Unterschied zum Korb der Klägerin ersichtlich, die für den erzielten Erlös von Bedeutung waren; vielmehr kennzeichnet die geschmacksmusterrechtlich geschützte Form des Korbs das gesamte Produkt, so dass das Schutzrecht für den gesamten Wert des Erzeugnisses maßgeblich ist. Verdeutlicht wird dies außerdem auch durch den Umstand, dass die Beklagte keinerlei vorbekannten Formenschatz vorlegen konnte, der Kammer ein solcher auch nicht bekannt ist bzw. ihr in keinem Parallelverfahren ein solcher vorgelegt wurde sowie dass der Einkaufskorb €Carrybag€ der Klägerin gerichtsbekannt einer der Preisträger des Wettbewerbs €Plagiarius 2007€ für die meistkopierten Produkte des Jahres war.
(3) Selbst wenn man im übrigen im vorliegenden Fall davon ausgehen würde, dass bei den von der Beklagten vertriebenen Körben eine verschlechterte Ausführungsform vorläge, wäre € worauf Tilmann (GRUR 2003, 647, 651) zurecht hinweist € nicht recht einzusehen, warum hierfür ein zusätzlicher €Rabatt€ in Frage kommen soll, da eine verschlechterte Ausführungsform einen geringeren Preis haben wird als eine identische Nachbildung.
50dd. Schließlich kommt eine Schadensminderung auch nicht wegen der von der Beklagten behaupteten Eigenartreduzierung aufgrund (von der Klägerin freilich bestrittenen) unbeanstandeten Vertriebs gleicher Körbe durch die Firmen E., N., P. und A. in Betracht: Zwar mag dieses Argument Auswirkungen auf die Berechnung des Schadens im Rahmen der Lizenzanalogie haben, weil das verletzte Recht durch eine tolerierte Nachahmung in den Augen des Verkehrs bereits an Eigenart und Ansehen verloren haben kann (vgl. BGH GRUR 1993, 55, 58 - Tchibo/Rolex II ); ein solcher Verwässerungseinwand ist dem Verletzer aber bei Herausgabeverlangen seines Gewinns verwehrt, weil € worauf bereits hingewiesen wurde (oben Ziff. I. 3. b. bb.) € diese Schadensersatzform auf dem Gedanken beruht, dass der Verletzer so behandelt werden soll, als habe er bei der Nutzung des Schutzrechts als Geschäftsführer ohne Auftrag gehandelt (vgl. BGH GRUR 2001, 329, 331 € Gemeinkostenanteil ), und es in diesem Fall eben unerheblich ist, ob andere Firmen gleiche Körbe unbeanstandet vertreiben.
51c. Des weiteren kann die Beklagte nicht gewinnmindernd die von ihr aufgewandten Rechtskosten (also ihre eigenen und die von ihr übernommenen Anwaltskosten der Firma N.) sowie Schadensersatzzahlungen geltend machen.
Dies folgt unter Berücksichtigung der Gemeinkostenanteil-Entscheidung des BGH bereits aus dem Umstand, dass diese Kosten keine vom jeweiligen Beschäftigungsgrad abhängigen Kosten für die Herstellung und den Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Gegenstände sind, sondern Gemeinkosten, die dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz in Form der Herausgabe des Verletzergewinns nicht entgegengestellt werden können (vgl. z.B. OLG Düsseldorf InstGE 5, 251, Rn. 33 € Lifter ; LG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2003, Az. 4 O 17/02 € Schüttvorrichtung ). Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man bei wertender Betrachtung, die der grundsätzlichen Kostenzuweisung in den Bestimmungen des Prozessrechtes Rechnung trägt: Würde man die Abzugsfähigkeit der Kosten für die Rechtsverteidigung bejahen, führte dies zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass der Verletzer den von ihm zur Perpetuierung seiner Verletzungshandlungen getätigten Aufwand wieder auf den Verletzten abwälzen könnte, obwohl den prozessrechtlichen Bestimmungen über die Kostentragungspflicht die Wertung zu entnehmen ist, dass die Kosten im vorausgegangenen Grundverfahren beim unterlegenen und in die Kosten verurteilten Verletzer verbleiben müssen (so OLG Düsseldorf InstGE 7, 194, Rn. 22 € Schwerlastregal II; Rojahn GRUR 2005, 623, 629).
Die gleiche Argumentation gilt für die Nichtabziehbarkeit von Schadensersatzzahlungen an Dritte in der Lieferkette, die der BGH in seiner zum Urheberrecht ergangenen Entscheidung € Unikatrahmen € (GRUR 2002, 532 ff.) auch mit dem Hinweis darauf bestätigt hat, dass die Leistung von Schadensersatz den Verletzer nicht so stellen soll, als habe er rechtmäßig gehandelt, und auch seine Abnehmer dadurch nicht in eine Lage versetzt werden, als hätten sie ihre Vereinbarungen mit einem Berechtigten getroffen. Auch bei der Problematik der Schadensersatzzahlungen rekurriert der BGH außerdem auf seine Gemeinkostenanteil-Entscheidung und dem Gedanken, dass der Verletzer letztlich so zu behandeln ist, als habe er in angemaßter Geschäftsführung nach § 687 Abs. 2 BGB gehandelt mit der Folge, dass er Ersatz seiner Aufwendungen gem. §§ 687 Abs. 2 Satz 2, 684 Satz 1 BGB nur nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen kann; für Schadensersatzzahlungen an seine Abnehmer dafür, dass diese gehindert sind, die erworbenen Gegenstände weiterzuveräußern, hätte der Verletzer aber nicht Aufwendungsersatz verlangen können, weil der Verletzte durch solche Zahlungen nicht bereichert worden ist (GRUR 2002, 532, 535; ebenso OLG Hamburg BeckRS 2006, 13562, Ziff. II. 6. a.).
d. Ferner ist es der Beklagten verwehrt, die ihr entstandenen Einbußen wegen verspäteter Auslieferung der Verletzungsgegenstände durch die Streitverkündete an die Abnehmer der Beklagten sowie die Kosten für die Werbungsänderung bei der Firma N. vom Gewinn abzuziehen. Hier ist die Situation letztlich nicht anders als bei den Schadensersatzzahlungen der Beklagten an ihre Abnehmer (siehe soeben Ziff. I. 3. c.), so dass auf die dortige Argumentation verwiesen werden kann.
55e. Schließlich ist kein gewinnmindernder Abzug der bei der Beklagten entstandenen Speditionskosten für die Überstellung der zu vernichtenden Körbe sowie der Rückholungskosten der inkriminierten Körbe von den Firmen O. und N. zu machen. Dies folgt bereits aus der Überlegung, dass diese Kosten nicht im Zusammenhang mit den von der Beklagten verkauften und damit gewinnbildenden Körben entstanden sind. Im übrigen gilt auch hier der Gedanke, dass der Verletzer wie bei einer angemaßten Geschäftsführung zu behandeln ist und für die genannten Kosten mangels Bereicherung bei der Klägerin kein Aufwendungsersatz verlangt werden könnte.
4. Vom Schadensersatzanspruch gem. § 42 Abs. 2 GeschmMG erfasst sind schließlich auch die der Klägerin für die Abmahnung der Beklagten entstandenen Rechtsanwalts- und Patentanwaltskosten i.H.v. insgesamt 2.010,80 €. Hinsichtlich der Bemessung des Gegenstandswerts i.H.v. 30.000,-- € sowie der Ansetzung einer 1,3-Geschäftsgebühr bestehen keine Bedenken.
5. Die Zinszahlungspflicht ab Rechtshängigkeit folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II.
1. Die Beklagte hat als unterlegene Partei gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
LG München I:
Urteil v. 09.04.2008
Az: 21 O 16318/07
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