Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Mai 2007
Aktenzeichen: 26 W (pat) 99/06

(BPatG: Beschluss v. 30.05.2007, Az.: 26 W (pat) 99/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen, der letzte ergangen im Erinnerungsverfahren, die Anmeldung der Wortmarke Weisse Flottefür die Dienstleistungen der Klasse 39: Transportwesen, Veranstaltung von Reisen und Ausflügen, insbesondere auf Schiffen, Buchung von Reisen Klasse 41: Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen, Betrieb von Vergnügungsstätten, Veranstaltung von Lotterien und Unterhaltungsshowsgemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die angemeldete Wortfolge für die in Anspruch genommenen Dienstleistungen jeglicher Unterscheidungskraft entbehre. Es handele sich um eine sprachüblich gebildete Wortkombination, die lediglich auf einen größeren Verband von weißen Fahrgastschiffen hinweise. Der Verkehr sei auf nahezu allen schiffbaren deutschen Flüssen, Seen und Meeren daran gewöhnt, von weißen Fahrgastschiffen befördert zu werden, die sich häufig mit der beschreibenden Angabe "Weiße Flotte" bezeichneten. Die Häufigkeit der Verwendung des Begriffs "Weiße Flotte" von einer Vielzahl von Unternehmen ergebe sich auch aus einer Liste von über 48.000 Treffern bei der Suchmaschine "Google". Im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen stelle der Begriff eine beschreibende Angabe hinsichtlich Art und Bestimmung der Dienstleistungen dar. Er sage schlagwortartig aus, dass die Dienstleistungen "Transportwesen, Veranstaltung von Reisen und Ausflügen und Reisebuchung" sich unmittelbar auf weiße Fahrgastschiffe bezögen und die Dienstleistungen "Verpflegung und Beherbergung von Gästen sowie Vergnügungsaktivitäten" dort erbracht würden. Hierin würden die angesprochenen Verkehrskreise jedoch keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Auffassung, die angemeldete Marke verfüge über die erforderliche Unterscheidungskraft. Das Landgericht Hamburg habe in seinem Urteil vom 1. Dezember 2005 (315 O 326/05) angenommen, dass es sich bei der dem Begriff "Weisse Flotte" um ein Unternehmenskennzeichen handele, was indiziell für die Eintragbarkeit der angemeldeten Wortfolge spreche. Jedenfalls müsse die Wortfolge aber als verkehrsdurchgesetzt angesehen werden (Beweis: demoskopisches Gutachten). Sie habe seit den 50er Jahren ihre Leistungen unter der angemeldeten Bezeichnung erbracht, daher werde jeder Tourist, der im küstennahen Bereich Mecklenburg-Vorpommern oder Norddeutschlands im gewerblichen Bereich den Begriff "Weiße Flotte" abfrage, einzig und allein einen Hinweis auf ihre Schiffe erhalten. Sie sei Inhaberin aller denkbaren deutschen Internet-Domains, die den Begriff "Weiße Flotte" enthielten.

Die Anmelderin beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Oktober 2005 und 31. Mai 20006 aufzuheben.

Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat zutreffend entschieden, dass der Eintragung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG können Marken nicht eingetragen werden, denen für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solcher anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (EuGH, GRUR Int. 2005, 135 Rn. 29 - Maglite). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist einerseits auf die in Anspruch genommenen Waren und Dienstleistungen, andererseits auf die vermutete Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 674 Rn. 73, 75 - Postkantoor; GRUR 2005, 763 Rn. 25 - Nestle/Mars GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2). Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zu bejahen, wenn ihr für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie in Anspruch genommen wird, kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (stdg. Rspr., BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2005, 517, 518 - BerlinCard). Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK; GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT, m. w. N.). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt eine (hinreichende) Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH GRUR 1998, 465 , 468 - BONUS; GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006).

Nach diesen Grundsätzen steht der Eintragung der angemeldeten Marke im Hinblick auf die angemeldeten Waren der Versagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Der Wortkombination "Weisse Flotte" wird der Verkehr keinen über die beschreibende Bedeutung der beiden Wörter hinausgehenden Sinngehalt beilegen, wie für die Eignung als Herkunftshinweis erforderlich, sondern wird darin, wie die Markenstelle bereits zutreffend ausgeführt hat, allein eine beschreibende Angabe hinsichtlich Art und Bestimmung der Dienstleistungen erkennen. Nach dem Eintrag "Weiße Flotte" in dem Internet-Lexikon "Wikipedia" bezeichnen sich mit diesem Begriff zum Einen mehrere deutsche Personenschifffahrts-Gesellschaften auf Binnen- und auf Küstengewässern, zum Anderen wird damit aber auch "die Gesamtheit ihrer jeweiligen (meist weißen) Fahrgastschiffe" bezeichnet (http://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fe_Flotte). Dies entspricht der tatsächlichen Handhabung in der Praxis. Bei dem Eintrag "Weiße Flotte Bodensee" finden sich folgende Ausführungen: "...Als Weiße Flotte werden auf dem Bodensee umgangssprachlich die Passagierschiffe, Ausflugsboote und Fähren bezeichnet. Diese haben traditionell einen weißen Anstrich. ..." (http://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fe_Flotte_%28Bodensee%29). Bei Google lassen sich über 250.00 Einträge bei dem Suchwort "Weiße Flotte" finden, die auf die verschiedensten Anbieter für Schiffsbeförderungen hinweisen, so beispielsweise in Essen, Potsdam, Berlin, Magdeburg und Mülheim. Auf der Website http://www.entdecken.de/dresden/weisflot.htm findet sich folgende Angabe: "...Die Elbe-Dampf-Schiffe, auch Weiße Flotte genannt, sind die älteste und größte Raddampfer-Flotte der Welt. ...". Danach ist der Begriff "Weiße Flotte" als Gattungsbegriff anzusehen, der von den angesprochenen Verkehrskreisen - das sind allgemeine Verbraucherkreise - wegen seiner weiten Verbreitung ohne Weiteres als Synonym für "eine Vielzahl weißer Fahrgastschiffe" angesehen wird. Üblicherweise sind im Rahmen solcher Schiffsreisen bzw. Ausflugsfahrten Unterhaltungsprogramme verschiedenster Art vorgesehen. Mithin bedeutet die angemeldete Wortfolge in Verbindung mit den angemeldeten Dienstleistungen "Transportwesen, Veranstaltung von Reisen und Ausflügen, insbesondere auf Schiffen, Buchung von Reisen" nach dem Verständnis der Verbraucher nichts Anderes, als dass unter dieser Bezeichnung der Transport im Rahmen von Reisen oder Ausflügen auf weißen Fahrgastschiffen stattfinden soll und gebucht werden kann, während deren Dauer die Dienstleistungen "Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten, Betrieb von Vergnügungsstätten, Veranstaltung von Lotterien und Unterhaltungsshows" und schließlich "Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" erbracht werden. Dabei handelt es sich für die angesprochenen Verkehrskreise um einen wichtigen sachlichen Aspekt und damit um eine enge beschreibende Bezugnahme auf die Art der Erbringung der Dienstleistungen. (vgl. auch BPatG GRUR 2007, 333, 334 - PAPAYA). Wegen dieser für große Verbraucherkreise eindeutigen Beschreibung ist für sie auch nicht ersichtlich, dass es sich bei der angemeldeten Wortfolge um einen betrieblichen Herkunftshinweis handeln könnte, da sie nicht ermöglicht, die Dienstleistungen von Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden und deren Ursprungsidentität zu garantieren.

Daneben liegt ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor. Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dürfen Marken nicht eingetragen werden, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für welche die Eintragung beantragt wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verfolgt die mit Art. 3 Buchstabe c Markenrichtlinie übereinstimmende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen frei verwendet werden können. Sie erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung nur einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 , Rn. 25 - Chiemsee; GRUR 2004, 146, 147 Rn. 31 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, 676 Rn. 54, 56 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 34 f. - BIOMILD). Nach dem oben Gesagten ist die Wortfolge "Weisse Flotte" als eine solche im Verkehr zur Merkmalsbeschreibung der beanspruchten Dienstleistungen dienende Angabe anzusehen.

Ohne Einfluss bleibt auch der Hinweis der Anmelderin auf das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 1. Dezember 2005. Zwar überschneiden sich die Beurteilungskriterien betreffend § 5 Abs. 1 und § 5 Abs. 2 MarkenG nicht ohne Weiteres, jedenfalls sind aber Schutzhindernisse unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Unterscheidungskraft zu berücksichtigen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 5 Rn. 28 f.). Allerdings vermag der Senat der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts Hamburg nicht zu folgen. Soweit in dem genannten Urteil ausgeführt ist, die Bezeichnung "Weiße Flotte" sei kein Gattungsbegriff, was die dortigen Mitglieder der erkennenden Kammer als Mitglieder der angesprochenen Verkehrskreise aus eigener Sachkunde beurteilen könnten, überzeugt mangels nachvollziehbarer Argumente nicht. Vielmehr belegt die Recherche des beschließenden Senats das Gegenteil. Ebenso fehlen dort jegliche Argumente, die die Behauptung der hinreichenden Eigenart der Wortkombination für eine Unterscheidungsfunktion stützen könnten. Soweit die dortige Kammer schließlich meint, die Benutzung der Bezeichnung erfolge durch andere Fahrgastschiff-Unternehmen nur durch weitere, überwiegend regional bezogene Zusätze wie "Potsdam" oder Ähnlichem und könne nur zu einer Schwächung der Bezeichnung der dortigen Klägerin und hiesigen Anmelderin führen, lässt sich daraus kein tragfähiges Argument für die Schutzfähigkeit der angemeldeten Wortfolge als Marke ableiten.

Die Überwindung der absoluten Schutzhindernisse im Wege der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zwar hat die Anmelderin die Möglichkeit einer Verkehrsdurchsetzung im Sinn von § 8 Abs. 3 MarkenG angesprochen, jedoch mit dem Vorbringen, sie sei im Küstenbereich die Einzige, die mit dem Begriff "Weisse Flotte" in Verbindung gebracht werde, kann sogar als richtig unterstellt werden, ohne dass dies jedoch zu der begehrten Eintragung führt. Bei einer Verkehrsdurchsetzung ist auf die Durchdringung der angemeldeten Wortfolge für die Anmelderin im gesamten Bundesgebiet abzustellen, weil angesprochene Verkehrskreise alle potenziellen Schiffsreisende und Ausflügler, also breiteste Verkehrskreise sind (vgl. BGH GRUR 2006, 760, 763 - LOTTO; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 321, 323). Hierfür fehlt aber ausreichendes Vorbringen seitens der Anmelderin.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil vorliegend weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Die Entscheidung ist vielmehr auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesgerichtshofs ergangen.






BPatG:
Beschluss v. 30.05.2007
Az: 26 W (pat) 99/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bb5bf8e1244f/BPatG_Beschluss_vom_30-Mai-2007_Az_26-W-pat-99-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share