Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. März 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 308/02

(BPatG: Beschluss v. 04.03.2004, Az.: 25 W (pat) 308/02)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. November 2000 und vom 8. August 2002 aufgehoben, soweit die Eintragung der angemeldeten Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2064538 versagt worden ist .

Der Widerspruch aus der Marke 2064538 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Eleupolist am 25. April 1994 für die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, insbesondere Phytopharmaka, nämlich pflanzliche Immunstimulanzien, Tonika und Umstimmungsmittel sowie sonstige Therapeutika" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Der Anmelder hat das Warenverzeichnis auf Anregung des Senats im Beschwerdeverfahren zur Klarstellung neu gefasst. Dieses lautet jetzt: "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich pflanzliche Immunstimulanzien, pflanzliche Tonika und pflanzliche Umstimmungsmittel sowie sonstige pflanzliche Therapeutika".

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 11. Mai 1994 für die Waren "Humanarzneimittel, ausgenommen Diagnostika" eingetragenen Marke 2064538, Eleusal, deren Widerspruchsverfahren am 13. Februar 1999 abgeschlossen wurde.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, der angegriffenen Marke die Eintragung aufgrund bestehender Verwechslungsgefahr versagt. Ausgehend von der nach der Registerlage möglichen Warenidentität, einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen sei ein hinreichender Markenabstand in klanglicher Hinsicht nicht gewahrt. Die Marken stimmten in der Silbenanzahl und der Silbengliederung überein und wiesen eine stark angenäherte Vokalfolge auf. Auch die abweichende Vokale der jeweiligen Schlusssilbe seien klangverwandt, das Konsonantengerüst mit Ausnahme des Auslauts der dritten Silbe identisch, so dass die verbleibenden klanglichen Abweichungen nicht ausreichten, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Dies gelte auch, wenn man berücksichtige, dass der übereinstimmende Anfangsbestandteil "Eleu" als Hinweis auf die Heilpflanze "Eleutherococcussenticosus" zu erkennen sei. Ob auch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr bestehe, könne dahingestellt bleiben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle des DPMA aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Eine Verwechslungsgefahr bestehe entgegen der Annahme der Markenstelle nicht. Die Prüfungsstelle habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass dem beschreibenden und auf dem maßgeblichen Warengebiet verbrauchten Anfangsbestandteil "Eleu" keine prägende Bedeutung zukomme. Hinzu komme, dass der Endsilbe "pol" der angegriffenen Marke keinerlei beschreibende Bedeutung zukomme und dieser sich von der Endsilbe der Widerspruchsmarke deutlich unterscheide, zumal von einer gesteigerten Aufmerksamkeit der Verbraucher bei Gesundheitsmitteln auszugehen sei.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung darauf, dass der durchschnittliche Verbraucher den Zeichenbestandteil "Eleu" nicht als beschreibend erkennen werde und die klangliche Ähnlichkeit der Marken nicht durch die abweichenden Wortendungen beseitigt werde. Da nicht nur geringe Anforderungen an den von der angegriffenen Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen seien, bestehe Verwechslungsgefahr.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse und Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. Sie ist auch in der Sache begründet, da nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Die angefochtenen Beschlüsse waren deshalb aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen, §§ 43 Abs 2 Satz 2, 42 Abs 2 Nr 1, MarkenG.

1) Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus, auch wenn sich der Wortanfang "Eleu" in Bezug auf die hier maßgeblichen Waren als Hinweis auf die Eleutherokokkwurzel, auch Taigawurzel oder Sibirischer Ginseng genannt, als naheliegender und üblicher Hinweis auf den Inhaltsstoff der Waren und damit als sogenannter sprechender Hinweis erweist. Wie der Anmelder zutreffend bereits im Erinnerungsverfahren vorgetragen hat, finden sich zB in dem Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste" unter der Hautgruppe 73 (Roborantia/Tonika) wie auch unter der Hauptgruppe 51 (Immunmodulatoren) eine größere Anzahl von "Eleu"-Präparaten unterschiedlicher Hersteller wie auch das Markenregister eine Vielzahl entsprechend gebildeter Zeichen aufweist. Die Widersprechende stellt dies auch nicht in Abrede und weist darauf hin, dass hieraus nicht bereits auf eine verminderte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geschlossen werden könne. Der Senat teilt diese Auffassung, da aus der Kennzeichnungsschwäche eines Wortbestandteils nicht ohne weiteres auf die allein maßgebende Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung geschlossen werden kann, zumal es bei pharmazeutischen Erzeugnissen sogar der üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, dass diese als sogenannte sprechende Zeichen durch eine phantasievolle Zusammenstellung jedenfalls für den Fachmann erkennbarer Wirkstoff- und/oder Anwendungsangaben die stoffliche Beschaffenheit und /oder das Indikationsgebiet kenntlich machen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin).

Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die Marken auch auf den identischen Waren "Humanarzneimittel, ausgenommen Diagnostika" begegnen. Hierbei sind mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht in den sich gegenüberstehenden Warenverzeichnissen als angesprochene Verkehrskreise auch Laien uneingeschränkt zu berücksichtigen (vgl auch BGH MarkenR 2002, 49, 51 - ASTRA/ESTRA-PUREN), welche sich allerdings grundsätzlich nicht nur flüchtig mit der Ware befassen. Es ist vielmehr auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III - mit weiteren Hinweisen; EuGH MarkenR 2002 , 231, 236 - Philips/Remington) und der - wie der Anmelder zutreffend ausgeführt hat - insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).

2) Auch wenn unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG strenge Anforderungen an den von der angegriffenen Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, so hält diese nach Auffassung des Senats dennoch in jeder Hinsicht einen hinreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

In klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die dreisilbigen und wie "eleupol" und "eleusal" gesprochenen Markenwörter ihrem jeweiligen Gesamteindruck noch hinreichend, auch wenn sie die identischen Anfangsbestandteile "E-leu" aufweisen. Denn die auch klanglich gut überschaubaren und nicht langen Markenwörter weisen in ihrer jeweiligen Schlusssilbe die klanglich markant abweichenden Lautbestandteile "pol" und "sal" auf, welche auch im jeweiligen klanglichen Gesamteindruck der Wörter und dem eher undeutlichen Erinnerungsbild der Verbraucher trotz der identischen Anfangsbestandteile nicht unbemerkt bleiben werden. Hierbei ist wesentlich, dass die kennzeichnende Bedeutung der identischen und kennzeichnungsschwachen Anfangsbestandteile "Eleu" eher reduziert ist und sich der Verkehr, sofern er den Sinngehalt dieses "sprechenden" Markenbestandteils erkennt oder an eine entsprechend häufige Verwendung auf dem hier maßgeblichen Warengebiet gewöhnt ist, stärker an den weiteren, von einander abweichenden Wortbestandteilen der Markenwörter orientieren wird. Aber auch wenn der Verkehr die beschreibende Bedeutung nicht erkennen sollte, kann aus Rechtsgründen einem kennzeichnungsschwachen Markenbestandteil nicht ohne weiteres entscheidendes kennzeichnendes Gewicht für die Beurteilung der Kollisionsgefahr beigemessen werden, auch wenn der Gesamteindruck selbst durch kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente mitbestimmt werden kann oder unter besonderen Voraussetzungen eine andere Betrachtungsweise geboten sein kann (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn 331; BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont; BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH). So hat auch der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "AntiVir/AntiVirus" (MarkenR 2003, 388, 390) ausgeführt, dass bei der Prüfung einer Verwechslungsgefahr nicht entscheidend auf Übereinstimmungen allein mit der beschreibenden Angabe selbst abgestellt werden könne, sondern dass maßgebend vielmehr der Eindruck der Marke in der den Schutz dieses Zeichens begründenden Gestaltung - also der Eigenprägung und Unterscheidungskraft der Marke - sei.

Hieraus folgt, dass auch vorliegend hinsichtlich der Widerspruchsmarke die Übereinstimmung mit der angegriffenen Marke in dem Anfangsbestandteil "Eleu" nur eine bereits aus Rechtsgründen eingeschränkte kollisionsbegründende Bedeutung aufweist, auch wenn die Widerspruchsmarke hinsichtlich des weiteren Markenbestandteils "sal" gleichfalls nicht aus einem Phantasiebestandteil gebildet ist, da auch "sal" als Hinweis auf "salus" (veraltet iSv Gedeihen, Wohlsein, Heil; vgl DUDEN, Fremdwörterbuch, 5. Aufl, S 697) in Arzneimittelkennzeichnungen oder zur Bezeichnung von Gesundheitsprodukten verwendet wird. Hiervon ausgehend reicht nach Ansicht des Senats trotz angemessener Berücksichtigung der übereinstimmenden Anfangsbestandteile "Eleu" die Ähnlichkeit der Marken auch bei identischen Waren und strengen Anforderungen an den Zeichenabstand nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr bejahen zu können, da die klanglich abweichenden Endsilben "pol" und "sal" eine hinreichende Differenzierung des jeweiligen Gesamteindrucks der Wörter und ihr hinreichend sicheres Auseinanderhalten gewährleisten, mithin einer Verwechslungsgefahr hinreichend entgegenwirken.

Ebenso weisen die Marken in jeder üblichen Schreibweise im Schriftbild wegen ihrer abweichenden Kontur der Buchstaben und bei Kleinschrift und handschriftlicher Wiedergabe nur bei der angegriffenen Marke vorhandenen Unterlänge in der Wortmitte noch einen hinreichenden Abstand auf. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Der Senat sieht auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Marken mittelbar unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens verwechselbar sind. Denn der Markenbestandteil "Eleu" ist wegen seines beschreibenden Charakters kaum geeignet, vom Verkehr als Unternehmenshinweis und als Stammbestandteil einer von der Widersprechenden gebildeten Serienmarke aufgefasst zu werden, zumal die Widersprechende auch nicht behauptet, einen entsprechenden Stammbestandteil im Rahmen einer existierenden Markenserie zu verwenden (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn 484). Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Marken in sonstiger Weise gedanklich miteinander in Verbindung bringen und deshalb verwechseln, da diese mit Ausnahme des Bestandteils "Eleu" keine charakteristischen strukturellen oder sonstigen Gemeinsamkeiten aufweisen, die den Verkehr zu einer gemeinsamen betrieblichen Zuordnung veranlassen (vgl hierzu BGH GRUR 2000, 608, 609 - ARD 1; BGH MarkenR 2001, 459, 464 Marlboro-Dach; BPatG GRUR 2002, 345, 346 - ASTRO BOY/Astro; BPatG GRUR 2002, 438, 440 - WISCHMAX/Max) oder eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne begründen könnten (vgl hierzu Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn 500 ff)

Nach alledem war auf die Beschwerde der Anmelderin die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

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BPatG:
Beschluss v. 04.03.2004
Az: 25 W (pat) 308/02


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